Читать книгу Wolf Breed - Marcus (Band 6) - Alexa Kim - Страница 3
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ОглавлениеKandy
Während ich den Rest des lauwarmen Tees vom Frühstück in meine Tasse goss, wanderte mein Blick zum Küchenfenster. Nichts, was ich sah, konnte meine Stimmung verbessern … Bäume, Wald … und seit drei Tagen war alles auch noch von einer leichten Schneedecke bedeckt. Es war Anfang Dezember – die Menschen machten es sich in ihren Häusern gemütlich und bereiteten sich auf das Weihnachtsfest vor. Bei uns lief diese Zeit etwas anders ab …
Als ich ein Rumpeln aus der obersten Etage hörte, verdrehte ich die Augen. Es war nicht zu überhören … die Paarungszeit hatte begonnen. Ich bekam Amon und Fiona seit einer Woche kaum noch zu Gesicht. Die offizielle Version hätte gelautet, dass sie sich ein Kind wünschten … Nachwuchs für die Familie und das Rudel. Mein Eindruck war, dass sie oben in ihrem Schlafzimmer wilde Orgien feierten. Tja … Fiona und Amon tun es, Vince und Eveline und sogar Nathan und Marcel … nur du nicht!
Ich kam mir noch überflüssiger vor als sonst und stelle nicht das erste Mal den Sinn meines Lebens infrage. Seit Amon uns in diesen dunklen Wald verfrachtet hatte und beschlossen, dass das jetzt unser zu Hause wäre, saß ich hier fest. Selbst meine Erzfeindin Mona war nicht mehr hier. Vielleicht war Vince Mona ja endlich losgeworden. Ich bekam allerdings die Vorstellung nicht aus dem Kopf, dass Mona einfach die Schnauze voll gehabt hatte von Bäumen und Eintönigkeit und jetzt irgendwo ein viel besseres Leben lebte. Allein der Gedanke, dass sie der Hölle entkommen war, in der ich schmorte, machte meine Stimmung noch düsterer ...
„Nicht dran denken … bloß nicht dran denken ...“, sagte ich zu mir selbst, während meine Wölfin vor Frustration und Wut aufheulte. Wahrscheinlich hatte Vince seine intrigante Schwester irgendwo ausgesetzt. Vince war jetzt Vater, und Mona wäre eine Bedrohung für das Kind gewesen. Sie hasste Menschen. Nicht, dass ich Menschen besonders mochte … mir waren sie egal und ich bedauerte vor allem, dass es von ihnen so viele gab und von uns nur so wenige. Das führte nämlich dazu, dass ich zweiundzwanzig Jahre alt war und noch nie einen Gefährten gehabt hatte … ich wusste nicht einmal, wie sich Sex anfühlte, und in diesem Winter bohrte sich der Wunsch nach einem Gefährten und einem eigenen Leben wie ein Stachel in meinen Bauch. Die Natur forderte mitleidlos ihren Tribut. Tagsüber hatte ich mich unter Kontrolle, aber nachts in meinen Träumen geschah all das mit meinem Körper, von dem ich eigentlich keine Ahnung hatte, wie es sich anfühlte …
Aus der oberen Etage drang ein Grollen, gefolgt von einem Kichern.
Genervt knallte ich die Tasse auf den Küchentisch, dann schnappte ich mir meine Winterjacke und verließ das Haus.
Draußen schlug mir die kalte Winterluft entgegen – sie war weitaus angenehmer als der Geruch von Amons und Fionas Paarungen. Ich ging ein paar Schritte durch den Schnee und überlege, wann ich zuletzt meiner Wölfin nachgegeben hatte. Es wäre mal wieder an der Zeit. Neben mir flatterte ein Vogel im Geäst einer Tanne und flog dann davon. Ich blieb stehen und folgte ihm mit Blicken. Er hatte sich vor etwas erschreckt, und im nächsten Moment wusste ich auch wovor. Ich konnte den Motor eines Autos hören.
Zuerst dachte ich daran, mich zu verstecken … ich lief nicht gern jemandem über den Weg … auch nicht Vince, Eveline oder Nathan. Nachdem Mona fort war, hatte ich das Gefühl, dass alle Blicke auf mir lagen und jeden die Frage umtrieb, was man nun mit mir anfangen sollte. Alle Männer hatten ihre Partnerin, für mich gab es also keine Verwendung.
Trotzig presste ich die Lippen zusammen und beschloss, mich nicht zu verstecken. War es denn meine Schuld, dass niemand mich wollte? Ich wusste, dass ich attraktiv war … vielleicht sogar attraktiver als Fiona … aber was nutzte mir das? Niemand hier sah mich an … niemand interessierte sich für mich als Frau …
Ich blieb stehen und wartete darauf, dass das Auto den Weg zu unserem Haus hinauf nahm, denn das war der einzige Weg, den es hier gab; es war also klar, dass der Besucher zu uns wollte.
Als ich Hanks brandneuen silbernen SUV sah, atmete ich innerlich auf. Hank war einer der wenigen Menschen, die mich nicht störten. Er wusste, was wir waren, und er hatte uns bei der Renovierung des Hauses geholfen. Ich hob meine Hand, um ihm zuzuwinken. Hanks Besuche versprachen immer etwas Abwechslung und manchmal brachte er auch Tratsch aus der Stadt mit.
Als Hank aus dem Auto stieg, wusste ich allerdings sofort, dass er dieses Mal keine guten Nachrichten brachte.
„Morgen, Kandy … ist dein Bruder zu Hause?“
Ich zuckte die Schultern. „Wie man es nimmt … er ist da, aber beschäftigt.“
Hank runzelte die Stirn, dann schien ihm ein Licht aufzugehen. Verlegen kratzte er sich im Nacken. „Ich komme gerade von Vince. Er wird nachher zu euch kommen, aber ich wollte vorher schon mit Amon sprechen.“
„Was ist denn los?“ Langsam machte Hanks besorgte Miene mir Angst.
„Es gibt Neuigkeiten … leider keine guten. Der Besitzer hat den Wolfstann Ferienpark an einen Investor verkauft, der hier Luxuswohnungen bauen will. Ich gehe einfach zwei Jahre früher in Rente, aber ich fürchte, ihr müsst euch nach einem neuen zu Hause umsehen.“
Hanks Worte trafen mich wie der Schlag … im letzten Augenblick konnte ich einen Jubelschrei unterdrücken. In meiner Vorstellung sah ich mich zurück in den USA auf einem Highway, die endlose Weite des Landes vor und hinter mir … keine beengenden düsteren Wälder um mich herum … nur Weite und Freiheit und Luft zum Atmen!
„Tut mir leid … ich weiß, das hier ist euer zu Hause ...“, interpretierte Hank mein Schweigen falsch.
„Du musst es Amon sagen ...“, antwortete ich, um einen ernsten Gesichtsausdruck bemüht. In Wahrheit konnte ich es kaum erwarten, Amon aus seinem Paarungsrausch zu holen und ihn mit der Realität zu konfrontieren …
„Das darf nicht wahr sein ...“ Amon stützte den Kopf in die Hände, während Fiona tröstend seinen Rücken rieb.
Hank schüttelte den Kopf. „Ist es leider … tut mir leid für euch.“
Seit geschlagenen zwanzig Minuten bejammerte Amon sein Schicksal. Ich konnte es nicht mehr hören!
Als es an der Tür klopfte, wusste ich sofort, dass es Vince war, und stand auf, um ihm zu öffnen. Auf keinen Fall wollte ich der Entscheidung, diesen langweiligen Flecken Erde zu verlassen, im Weg stehen. Eine Zeit lang hatte ich mir gewünscht, sesshaft zu werden … ein eigenes Zimmer zu haben, nicht mehr in Zelten zu schlafen oder in Ruinen … aber dabei hatte ich nicht im entferntesten an einen dunklen, deprimierenden Wald gedacht!
„Hallo Vince ...“, begrüßte ich ihn darum bemüht, meine gute Laune zu verbergen. Hinter ihm folgte Eveline mit dem kleinen Jake. Ich hätte mir denken können, dass Vince sie nicht allein zu Hause ließ. Er beschützte Eveline und das Kind wie ein Wachhund, was nicht verwunderlich war bei seiner Vorgeschichte und dem Verrat seines eigenen Bruders.
„Ihr habt es also schon gehört ...“, fing er ohne Umschweife an, als er Hank auf dem Sofa vor dem Kamin entdeckte.
„Ja ...“, bestätigte Amon. „Was tun wir jetzt?“
Vince achtete darauf, dass Eveline und Jake den bequemsten Platz auf dem Sofa bekamen, und setzte sich dann zu ihnen. Einen Augenblick flammte ein niederträchtiges Gefühl in mir auf. Nicht, dass ich Vince je für mich gewollt hätte oder Eveline ihre Familie missgönnte – aber noch nie hatte sich jemand darum geschert, ob ich irgendwo einen Sitzplatz bekam. Es war einfach ein mieses Gefühl, jedem in dieser Familie egal zu sein ...
„Vielleicht können wir mit dem neuen Besitzer reden ...“, schlug Vince vor. „Wir haben genug Geld, um ihn zu bezahlen, damit er alles so lässt, wie es ist.“
Hank schüttelte den Kopf. „Ich schätze, der braucht euer Geld nicht. Das ist ein Großinvestor … soweit ich gehört habe, ein Familienclan.“
„Es muss aber eine Möglichkeit geben ...“, antwortete Vince. „Das hier ist unser zu Hause.“
„Ich denke nicht, dass ihr viel Erfolg haben werdet, aber übermorgen gibt es eine Veranstaltung für die Einwohner der Stadt, bei der über die Pläne für den Wolfstann Ferienpark informiert wird. Vielleicht könnt ihr da mit dem neuen Besitzer ins Gespräch kommen.“
„Wir sollen in die Stadt fahren und an einer Versammlung von Menschen teilnehmen?“
Fiona klang nicht überzeugt und bedachte Amon mit zweifelndem Blick.
„Es geht um unser zu Hause … wenn es nötig ist, dass wir uns dafür unter Menschen begeben, dann sollten wir das tun.“
„Sehe ich genauso ...“, bekräftigte Vince und bedachte seinerseits Eveline und Jake mit dem besorgten Blick eines Gefährten. „Und wir sollten zusammen gehen … auch Menschen haben Familien, die sie schützen. Sie haben vielleicht mehr Verständnis, wenn wir als Familie mit ihnen reden.“
„Tja, versuchen könnt ihr es zumindest ...“, pflichtete Hank ihm bei, wirkte aber noch immer nicht überzeugt.
„Dann ist es entschieden ...“, sagte Vince. „Wir gehen alle. Nathan werden wir noch Bescheid geben. Er und Marcel sollen auch mitkommen.“
Ich wollte in mein Zimmer gehen – für mich war die Sache so gut wie gelaufen. Hanks Blick entnahm ich, dass Vince und Amon mit einer dreißigköpfigen Großfamilie hätten auftauchen können – es würde nichts an der Entscheidung der neuen Besitzer ändern. Die Sache war aussichtslos … bye bye, du langweiliger Scheißwald!
„Wohin willst du, Kandy? Das hier betrifft auch dich … es ist auch dein zu Hause ...“ Vince sah mich fragend an.
„Ich werde gut darauf aufpassen, während ihr auf dieser Veranstaltung seid ...“, antwortete ich schnippischer, als ich es wollte.
„Ich sagte, wir gehen als Familie ...“, erklärte Vince, und Amon pflichtete ihm bei. „Du kommst mit, Kandy. Wir gehen alle … ausnahmslos.“
Innerlich tobte meine Wölfin. Seit wann durfte Vince mir Befehle erteilen?! Leider waren Amon und er mittlerweile so gut befreundet, dass Vinces Entscheidungen von Amon unterstützt werden. Deshalb rief ich die Wölfin zurück und hielt mir vor Augen, dass ich so wenigstens hautnah miterleben konnte, wie Vince aus seinem beschissenen Wald geschmissen wurde … wenn das Ergebnis stimmte, war es ok, sich zu ärgern …