Читать книгу Alix (Life Tree - Master Trooper) Band 8 - Alexa Kim - Страница 3
1.
ОглавлениеCharie
Ich kann nicht genug von dem warmen Fahrtwind auf meinem Gesicht bekommen, während unser Electrocar über die Dschungelstraße jagt. Niemals hätte ich gedacht, dass diese kleinen offenen Electro-Jeeps so schnell sind. Lieber wäre mir trotzdem, dass sie langsamer fahren, damit ich jeden neuen Eindruck so lange wie möglich aufsaugen kann … Bäume, wohin man auch sieht, unterschiedlichste Pflanzen mit großen farbigen Blüten, Lianen, Palmen … all die Dinge, die ich nur aus Büchern kenne, weil es sie auf der Erde schon lange nicht mehr gibt. Ich schmecke den Staub der sandigen Straße im Mund und rieche den Dschungel. Es ist fantastisch! Die Luft auf Terra Alpha ist vollkommen anders, als der metallische Geruch der Erde, wo die Klimaparks kaum noch in der Lage sind, die Städte mit Frischluft zu versorgen.
Ich bin durchgeschwitzt, und mein Tank Top klebt an meinem Rücken … die Feuchtigkeit in der Luft treibt den Schweiß aus den Poren. Was für ein überwältigendes Gefühl! Es ist, als würde der Dschungel atmen. Jetzt endlich verstehe ich, warum man die großen Urwälder auf der Erde die Grüne Lunge genannt hat. Ich frage mich, wie die anderen, die neben mir in dem offenen Jeep sitzen, so wenig Interesse an dieser überwältigenden Landschaft haben können. Vielleicht, weil sie schon länger auf Terra Alpha sind ... Für mich, die gerade erst angekommen ist, wirkt alles hier wie ein Wunder. Seit wir Sektion C verlassen haben, staune ich stumm, während die anderen sich unterhalten. Es hat mir im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen.
„Sind wir bald da? In zwei Stunden wird es dunkel ...“, fragt die junge Frau neben mir und klopft an die Scheibe zur Fahrerkabine. Sie trägt normale Kleidung wie ich auch. Ihre Ausweiskarte, die sie an einem Band um den Hals trägt, weist sie als Deandra Miller – Assistenzärztin - aus. Ich habe so viel mitbekommen, dass sie und ihre drei männlichen Begleiter von Sektion C in Sektion A wechseln. Sie haben gute Laune und können es kaum erwarten anzukommen. Während der gesamten Fahrt übertreffen sie sich mit den Informationen, die sie über Sektion A haben. Das große Kino, die hübschen Bungalows … scheinbar will jeder auf Terra Alpha nach Sektion A – in diesem Sinne habe ich wahrscheinlich wirklich Glück, dass ich Sektion A zugeteilt wurde. Meine Familie hat nicht viel Geld, und mir wurde immer eingetrichtert, dass ich mehr Leistung als andere erbringen muss, wenn ich eine Chance im Leben haben will. Nur mein Zeugnis als Jahrgangsbeste auf der Uni hat mir dieses Auslandsjahr ermöglicht … und David! Ich versuche, die Erinnerungen an die letzten Monate zu verdrängen. Vom eigenen Freund sitzen gelassen zu werden, und das auch noch wegen der besten Freundin, war bitter. Aber noch schlimmer waren die mitleidigen Blicke derjenigen, die mich mochten und die schadensfrohen Blicke all derer, die mir meine guten Leistungen an der Universität ohnehin immer missgönnten. Ich habe immer hart für alles kämpfen müssen – aber im Endeffekt sehen Neider trotzdem immer nur die Früchte … nicht die Mühen. Zieh endlich einen Strich unter diese Geschichte, Charie … wenigstens werde ich nicht auf der Erde sein, wenn David und meine vermeintlich beste Freundin heiraten. Bei dir wollte er noch warten, bis ihr beide euer Studium abgeschlossen habt … ihr hat er sofort einen Antrag gemacht … Innerlich verfluche ich mich selbst, weil ich nicht aufhören kann, verletzt zu sein und konzentriere mich wieder auf das Gespräch der anderen.
„Die neuen Ultraschallzäune haben eine fast doppelte so große Reichweite wie die alten. Wir sind in der sicheren Zone, Deandra. Crawler trauen sich nicht bis zu den Straßen.“
„Darauf verlasse ich mich nicht, Scott ...“, antwortet die junge Assistenzärztin und erinnert mich daran, dass es auf Terra Alpha nicht nur Wunder, sondern auch Gefahren gibt. Crawler! Geschichten über diese Kreaturen verbreiten sich auf der Erde schnell, obwohl kaum jemand von denen, die auf Terra Alpha waren, je einen Crawler zu Gesicht bekommen haben dürfte. Dank der Ultraschallzäune gibt es kaum noch Kontakt zwischen den bewohnten Sektionen und den missglückten ersten Genmanipulationen von Life Tree. Höchstens die Trooper-Einheiten, die noch in den Außeneinsätzen sind, haben Kontakt zu Crawlern. Trotzdem scheinen sie zu Zeiten von Life Tree ein echtes Problem gewesen zu sein. Es wird erzählt, dass sie Frauen gestohlen, vergewaltigt und sogar getötet haben, weil sie nach der genetischen Veränderung mehr Raubtier als Mensch geblieben sind …
„Vorsicht!“
Ein Knall reißt mich brutal aus meinen Gedanken, und im nächsten Moment steht die Welt Kopf. Ich höre Schreie und werde selbst durch die Luft geschleudert. Dann schreie auch ich und sehe aus dem Augenwinkel die junge Ärztin an mir vorbeifliegen. Was um Himmels willen ist passiert? Im nächsten Moment geht eine Druckwelle durch meinen Körper. Ich fühle einen heißen Schmerz in meinem Körper und sehe Sterne vor meinen Augen ...
Mein Rücken schmerzt fürchterlich, als ich wieder zu Bewusstsein komme. Schwarzer Rauch brennt mir in der Nase und mir schießen Tränen in die Augen. Ich huste und blinzele, bis mein Blick endlich klar ist. Langsam bewege ich die Beine, dann die Arme, um zu prüfen, ob sie gebrochen sind. Sie lassen sich bewegen, und ich setze mich erleichtert auf. Mein Blick fällt auf das Electrocar oder vielmehr das, was davon übrig ist. Der kleine Jeep ist nur noch ein qualmendes schwarzes Etwas. Die Kunststoffteile sind geschmolzen, im Grunde genommen ist nur noch der Unterbau aus Metall übrig. Ich erinnere mich, dass Deandra und die drei Männer medizinische Druckbehälter in das Electrocar geladen haben, bevor wir losfuhren. Keine Ahnung, was drin war, aber sie müssen eine Explosion ausgelöst haben. Analytisch versuche ich mir die Zusammenhänge zu erklären, so wie ich es mir selbst beigebracht habe. Vor der Explosion gab es einen Knall. Ein Reifen am Electrocar muss geplatzt sein, sodass der Jeep sich überschlagen hat. Dabei müssen dann die Druckbehälter beschädigt worden sein … und dann Bumm!
Ich sehe mich um, weil mir plötzlich klar wird, dass ich die Stimmen der anderen nicht höre.
„Hallo? Seid ihr OK?“, rufe ich durch den dichten Qualm, bekomme aber keine Antwort. „Deandra? Kannst du mich hören?“ Ich rappele mich auf, mein linkes Bein schmerzt, sodass ich humpele, aber ansonsten scheint alles mit mir in Ordnung zu sein. Vielleicht habe ich ein Schleudertrauma, das wird sich später zeigen. Zuerst einmal muss ich die anderen finden.
Ich stolpere fast über Deandra. Sie liegt ein paar Schritte von mir entfernt mit verdrehtem Kopf und offenen Augen. Ich stoße erschrocken die Luft aus. Noch nie habe ich einer Toten in die Augen gesehen, aber mir ist sofort klar, dass Deandra nicht mehr lebt … ihr Genick ist gebrochen. Ich kämpfe gegen die aufkommende Panik und suche weiter. Nicht weit von Deandra liegen zwei der Männer – auch sie sind tot! Einer wurde gegen einen Baum geschleudert … er hat eine riesige Kopfwunde. Ich zwinge mich trotzdem, seinen Puls zu fühlen. Nichts! Der andere liegt mit dem Gesicht nach unten. Auch er lebt nicht mehr.
Langsam werde ich panisch. Bleibt noch einer … und der Trooper, der das Electrocar gefahren hat. Lass sie überlebt haben … bitte … bitte, lass wenigstens sie überlebt haben!
Ich zwinge mich, näher an das ausgebrannte Electrocar heranzugehen und halte mir die Hand vor den Mund, als ich den verkohlten Körper des Fahrers sehe. Er sitzt noch immer hinter dem geschmolzenen Lenkrad. Die Supersoldaten sind sterblich …, geht mir unsinnigerweise durch den Kopf. „Lass mich nicht allein hier sein ...“, sage ich laut zu mir selbst, um nicht den Verstand zu verlieren. Es kann doch nicht sein, dass ich als Einzige überlebt habe!
Die Angst packt mich, als mir klar wird, dass tatsächlich nur ich überlebt habe. Der letzte Tote liegt halb unter dem Electrocar … vielleicht hätte er sich retten können, aber er war eingeklemmt. Das entsetzlich verzerrte Gesicht zeigt mir, dass er nicht sofort tot war … dass er noch versucht hat, sich zu befreien und dann qualvoll verbrannt ist. Wäre ich doch nicht bewusstlos geworden … dann hätte ich ihm helfen können!
Einen Moment lang lasse ich meinen Gefühlen freien Lauf und schluchze, dann übernimmt der analytische Teil meines Verstandes das Ruder. Reiß dich zusammen, Charie! Du kannst durchdrehen, wenn du in Sicherheit bist … aber jetzt musst du funktionieren. Also … was tust du?
Ich schließe die Augen und trete mit meiner inneren Stimme in einen Dialog. Das tue ich immer, wenn ich Probleme lösen will, die mich zu lähmen drohen. Wenn andere das wüssten, würden sie mich wahrscheinlich für verrückt erklären, aber diese Taktik hat mir oft geholfen … sie hat mir auch geholfen, die Entscheidung zu treffen, nach Terra Alpha zu gehen, nachdem mein Verlobter und meine vermeintlich beste Freundin mich hintergangen haben. Nun ja, vielleicht hättest du dieses Mal besser nicht auf sie hören sollen … schau, wo du gelandet bist ...
„Halts Maul! Für derartige Analysen ist jetzt keine Zeit!“, sage ich laut.
Ok, schon gut … also … was willst du tun? Meine innere Stimme ist nun wieder seriös auf Problemlösung fixiert.
„Wir sind auf einer Straße, oder? Also eine Straße führt zu einem Ziel.“ Ich stehe mitten im Dschungel und spreche mit mir selbst. Das erste Mal kommt mir in den Sinn, dass ich vielleicht doch verrückter bin, als die Verrückten, die ich behandeln will, wenn ich mit meinem Studium fertig bin ...
Du weißt aber nicht, wie weit dieses Ziel entfernt ist …
„Hast du ne bessere Idee?“
Vielleicht solltest du einfach hier sitzen bleiben und warten, bis dich jemand findet … denk an die Crawler …
„Du hast es doch gehört … die Ultraschallzäune halten sie von den Straßen fern, und wir sind auf einer Straße. Wenn ich schnell laufe, erreiche ich vielleicht bis heute Abend Sektion A.“
Mach dir nichts vor … das schaffst du nie mit deinem verletzten Bein!
„Halt einfach die Klappe, wenn du keinen besseren Vorschlag hast ...“, sage ich laut. Der Geschmack des Dschungels hinterlässt plötzlich etwas unangenehm Pelziges auf meiner Zunge, und der Schweiß, der mein Tank Top tränkt, riecht scharf. Dieser Planet, der sich mir als verlockendes Wunder präsentiert und mich mit seiner Schönheit verzaubert hat, ist innerhalb weniger Augenblicke zu einem gefräßigen Monster geworden.
Du hättest es wissen müssen … alles hat zwei Seiten … jedes Ungeheuer hat ein freundliches und ein monströses Gesicht … so haben wir es gelernt im Psychologiestudium. … Vor den Troopern gab es die Crawler. Beide entstammen derselben genetischen Familie. Trooper sind gezähmte Monster … und genauso ist dieser Planet. Man mag ihn gezähmt haben, aber das Monster lauert immer und überall unter der Oberfläche … bereit zuzuschlagen, wenn niemand damit rechnet. Ich beiße die Zähne zusammen und humpele los, ohne mich noch einmal nach dem ausgebrannten Electrocar oder den Toten umzusehen. Vielleicht hätten Deandra und ich Freunde werden können … aber das Schicksal hat diese Möglichkeit mitleidlos zerschlagen. Genau wie die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft von David und mir. Du musst damit klarkommen!
Die Straße liegt vor mir, wie eine unüberwindbare Herausforderung. „Ab jetzt wirst du wachsam sein und dich nicht ablenken lassen, Charie … das ist überlebenswichtig!“
Alix
„Riecht ihr das?“
„Ja … Rauch! Irgendwo gibt es ein Feuer. Wir müssen nachsehen.“
Ich nicke den anderen zu und gebe dann Jago und Dorg ein Zeichen. „Diese Richtung ...“
„Du bist der Mantrailer … wir verlassen uns auf deine Nase.“
Jago und Dorg sind meine Freunde … die anderen in der Einheit sind Kameraden, aber wirklich vertrauen kann ich nur Jago und Dorg. Wir drei sind zusammen aufgewachsen und haben nach der Übernahme von Terra Alpha gemeinsam beschlossen, uns für Außeneinsätze einteilen zu lassen. Da waren wir gerade einmal fünfzehn. Wir alle hier gehören zu der verlorenen Generation … als das System von Life Tree zerbrach, waren wir zu jung, um einer Einheit anzugehören … und gleichzeitig zu alt, um uns an das neue System zu gewöhnen. Wir wurden unter Life Tree dazu ausgebildet, gegen Crawler zu kämpfen. Alles andere erschien uns damals falsch … und zumindest an Jagos Einstellung hat sich bis heute nicht viel geändert.
„Da drüben an der Straße …", ruft einer der anderen plötzlich. „Scheint, dass ein Electrocar verunglückt ist.“
Wir laufen schneller, die Augen wachsam in alle Richtungen. Es ist lange her, dass es in dieser Gegend Angriffe von Crawlern gab, aber unsere Wachsamkeit geben wir niemals auf. Mit wenigen Zeichen verständigen wir uns - Jago, Dorg und ich untersuchen das Electrocar, die anderen suchen die Umgebung ab.
„Oh Mann, das arme Schwein ...“, sagt Dorg kopfschüttelnd, als wir den verkohlten Fahrer finden, der mit den Resten des Electrocar verschmolzen zu sein scheint. „Muss einer von uns gewesen sein … ein Trooper ...“
„Nein, der ist keiner von uns …“, knurrt Jago verächtlich. „Das ist eine von den Pussys, die als Zivilisten in den Sektionen leben und die Abenteuergäste von der Erde zwischen den Sektionen hin- und herfahren.“
Im Grunde genommen schauen wir alle mit einem gewissen Grad an Verachtung an auf die alten Veteranen, die längst zu Zivilisten geworden sind, aber Jagos Verachtung für ihren Lebensstil ist extrem.
„Da ist noch einer ...“ Wir folgen Dorg und finden einen eingeklemmten Toten halb unter dem Electrocar.
„Ein Mensch … die waren wohl nach Sektion A unterwegs.“
Während wir noch immer den Toten anstarren und ich mir gar nicht vorstellen will, wie grausam die letzten Momente im Leben dieses Mannes waren, kehren die anderen von ihrer Inspektion zurück. „Da hinten liegen drei Tote … eine Frau und zwei Männer.“
„Keine Überlebenden?“, frage ich, und sie schütteln den Kopf. „Die hat es alle erwischt.“
„Da kann man nichts machen ...“ Für Jago ist die Sache erledigt, aber meine Aufgabe als Mantrailer ist es nun einmal, die Umgebung abzusichern. „Ich schaue trotzdem noch einmal nach ...“
Jago zieht die Brauen hoch. „Warum? Die sind alle tot!“
„Ich brauche nicht lange ...“
„Meinetwegen …“, stellt Fear schließlich klar. Fear ist der Leader unserer Einheit, wenn man uns denn überhaupt als Einheit bezeichnen kann. Im Grunde genommen waren wir nicht viel mehr als eine Horde Halbstarker, die sich aus der Not heraus zusammengetan haben, als die Troopereinheiten Terra Alpha übernommen haben. Fear war allerdings der Einzige, der bereits in einer Einheit gedient hatte, und er ist auch der Einzige von uns, der einen richtigen Trooper-Namen bekommen hat. Da er zu der Zeit der Übernahme bereits ein Jahr in Außeneinsätzen verbracht hatte, wurde er, ohne dass es wirklich ausgesprochen wurde, zu unserem Leader. So ist es bis heute geblieben … eigentlich fehlt uns ein erfahrener Leader, der die Truppe führt. Es kommt nicht selten zu Machtkämpfen und Rangeleien, aber da wir aufeinander angewiesen sind, raufen wir uns immer wieder zusammen. Unsere Hierarchie ist zerbrechlich, und der Frieden in der Einheit unzuverlässig. Unser Zusammenhalt ist nicht zu vergleichen mit den Einheiten unter Life Tree. Deshalb vertraue ich auch nur Jago und Dorg wirklich.
Fear gibt den anderen ein Zeichen. „Wir warten am alten Lagerplatz … genau eine Stunde … nicht länger!“
Ich nicke und bedeute Fear, dass ich nachkomme. Mir ist selbst nicht klar, warum ich darauf bestehe, noch einmal die Umgebung abzusuchen. Nichts weist darauf hin, dass es Überlebende geben könnte, aber so haben wir es in der Ausbildung gelernt. Vielleicht ist es mein Beitrag dazu, so etwas wie Ordnung in unsere Gruppe zu bringen.
Die anderen entfernen sich, und ich wende mich der Straße zu. Sie ist nicht befestigt, nur staubiger brauner Dschungelboden. Das ist gut - eine Spur hält sich hier viel besser als auf Steinen. Und tatsächlich nehme ich nach nur wenigen Schritten einen weiblichen menschlichen Geruch wahr.
Eine gewisse Schärfe liegt in der Spur, sie deutet auf Angst hin. Nach wenigen Schritten führt die Spur fort von der Straße, was darauf hinweist, dass die Frau weiß, dass ich hier bin und versucht, sich zu verstecken.
Ich runzele die Stirn und lasse meinen Blick in jede Richtung schweifen. Der Dschungel neben der Straße ist dicht, aber ich habe gelernt, auf kleinste Bewegungen zu achten. Lange muss ich nicht warten. Hinter einem Baum sehe ich etwas aufblitzen … kurz nur, aber lange genug, um zu wissen, dass die Frau sich dort versteckt.
„Ich weiß, dass du da bist … komm her ...“, rufe ich, aber anstatt zu gehorchen, springt sie hinter dem Baum hervor und läuft vor mir davon, tiefer in den Dschungel hinein.
Ich seufze genervt, weil es zu heiß und zu feucht für einen Dauerlauf ist, aber ich muss ihr folgen. Wenn sie sich im Dschungel verirrt und weiter läuft, wird sie unweigerlich irgendwann in Crawlergebiete kommen, falls sie nicht vorher von wilden Tieren getötet wird.
Die Waffen an meinem Gürtel schlagen in einem metallischen Takt aneinander, und auch sie scheint das zu hören, denn sie läuft schneller. Im Laufen dreht sie sich zu mir um und scheint keineswegs begeistert, dass ich ihr folge. Sie hält mich für eine Bedrohung und hat keine Ahnung, dass nicht ich es bin, den sie fürchten sollte. Frauen ... Einen kurzen Moment lang fällt die Sonne durch das Blätterdach auf ihr Haar und lässt es aufleuchten wie Feuer. Sonnenfeuer … Sie wird langsamer, und ich kann erkennen, dass sie am Bein verletzt ist.
Ich habe keine Lust mehr auf dieses Spiel. „Bleib doch stehen, verdammt! Außer du bist scharf drauf, mit Crawlern Bekanntschaft zu machen.“
Meine Worte scheinen sie zu überzeugen. Sie bleibt stehen. Vollkommen außer Atem dreht sie sich zu mir um. „Wer bist du?“
„Ich will dir helfen ...“, rufe ich und gehe ebenfalls langsamer, um ihren Fluchtinstinkt nicht zu verstärken.
„Und was tust du hier?“
Sie sieht mich an, als wäre tatsächlich ich derjenige, der hier deplatziert ist, und nicht sie.
„Was tust du hier?“
„Ich war auf dem Weg nach Sektion A … es gab einen Unfall … alle sind tot.“
„Ja, wir haben das Electrocar gefunden ...“
„Wir?“ Ihre Stimme klingt misstrauisch. „Was heißt wir?“
„Ich und meine Einheit … ich bin Mantrailer und suche die Umgebung nach Überlebenden ab.“
„Oh ...“, sagt sie schließlich und scheint etwas beruhigter. Langsam kommt sie auch wieder zu Atem. Menschen sind schwach … besonders Frauen. Auch wenn Jago Schwäche verachtet – ich wäre gerne ein Zivilist, der seine Gefährtin beschützt. Jago und Dorg wissen das, und tatsächlich haben sie einmal versucht, mir zu helfen. Damals ist die Sache ordentlich schief gelaufen. Ich war wild entschlossen, einem Trooper seine Gefährtin wegzunehmen und angestachelt durch Jagos Verachtung Veteranen gegenüber war ich der Meinung, leichtes Spiel zu haben. Aber Trix' Gefährte Thunder war aus härterem Holz, als ich gedacht hatte. Die Wahrheit ist, dass er mir ordentlich in den Hintern getreten hat. Im Grunde genommen kann ich ihm dankbar sein, dass er darauf verzichtet hat, mich zu melden. Es hätte ein mindestens einjähriges Verbot für mich gegeben, eine Sektion zu betreten. Es ist ohnehin schwierig, aus einem zweimonatigen Außeneinsatz zu kommen und sich nicht sofort auf die nächste Frau zu stürzen. Wir haben gelernt, uns zu kontrollieren, aber das Raubtier lauert weiter unter der Oberfläche …
Da die Frau nicht mehr versucht zu fliehen, schaue ich sie mir genauer an. Sie muss etwa in meinem Alter sein, trägt ein Tank Top und enge Jeans. Zivilistenkleidung, die nicht dafür geeignet ist, im Dschungel herumzulaufen. Typisch … wenigstens trägt sie feste Schuhe und nicht die offenen Sandalen, mit denen viele Frauen hier ankommen, weil sie glauben, Terra Alpha wäre eine Art Rundum Sorglos Paradies. Ich bemerke, dass es mir schwerfällt, meinen Blick von ihr abzuwenden. Ihre Haare fesseln mich. Die Farbe liegt irgendwo zwischen Blond und Rot, und sie fallen ihr wellig über die Schultern. Obwohl ihr Gesicht schmutzig und von Tränen verschmiert ist, leuchten ihre Augen darin wie Bernstein. Sie ist zierlich, aber ihr entschlossener Blick steht im Kontrast zu ihren weichen Gesichtszügen. Wirklich hübsch …
„Ich muss nach Sektion A … ich muss erzählen, was passiert ist.“
„Das schaffen wir heute nicht mehr. Es wird bald dunkel. Hier gibt es zwar keine Crawler, aber wilde Tiere. Ich bringe dich in unser Lager.“
„Aber morgen bringst du mich in Sektion A?“ Sie kommt auf mich zu, und ich spüre eine aufgeregte Unruhe, als sie vor mir steht und mir zögernd die Hand entgegenstreckt. „Ich bin Charie.“
„Alix ...“, antworte ich und nehme ihre Hand, wobei ich aufpasse, sie nicht zu fest zu drücken. Warum klingt meine Stimme so rau?
„Unser Leader wird dafür sorgen, dass du sicher dort ankommst ...“, sage ich und versuche Charie nicht anzustarren, während wir zurück zur Straße gehen. Wie lange hatte ich keine Frau mehr? Und vor allem so eine … Mir kommt ein beunruhigender Gedanke, während ich neben Charie herlaufe. Wir alle sind seit fast zwei Monaten in den Außenbezirken … und die anderen sind genauso wenig blind, wie ich es bin. Ich hoffe, dass es keine Probleme geben wird, wenn ich eine Frau mit ins Lager bringe.