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Warum trinken Menschen zu viel Alkohol?

Alkohol wird seit mindestens 4000 Jahren getrunken, wobei die Bedeutung des Alkohols in seinen Funktionen als Nahrungs-, Genuss-, Sucht-, Rausch- und Arzneimittel sowie als sakrales Mittel über die Zeiten und Kulturräume jeweils variierte.

Alkohol zu trinken gilt in unseren Kulturkreisen als etwas völlig Normales. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen in unserem Land bereits in relativ jungen Jahren den ersten Kontakt mit Alkohol haben, zumal es die Eltern so vorleben. Zu jedem Fest wird wie selbstverständlich Alkohol ausgeschenkt - oftmals auch zu vielen anderen Mahlzeiten. Das tägliche Bier oder das tägliche Glas Wein ist zur Normalität geworden.

Doch der Übergang von der Gewohnheit, täglich Alkohol zu konsumieren, zur Abhängigkeit ist fließend. Und dies hängt mit persönlichen Problemen zusammen, wenn der Alkohol als Problemlöser dienen soll oder um darüber hinweg zu helfen.

Es geht dabei um Probleme mit sich selbst, mit dem Partner, mit der Sexualität und dem Sexualleben oder mit der genetischen Vorbelastung durch trinkende Eltern. Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit haben Probleme am Arbeitsplatz oder mit ihrer Gesundheit. Ja, Menschen trinken auch Alkohol in dem irren Glauben, damit Schmerzen herunterspülen zu können. Menschen verlieren soziale Kontakte, und ihr bester Freund ist dann plötzlich die Flasche. Sie beklagen den Verlust eines nahen Angehörigen und trösten sich mit Alkohol darüber hinweg. Menschen haben keinen Lebensmut mehr aus vielerlei Gründen. Kummer, Trübsal, Einsamkeit und Not, ja auch finanzielle Not, treiben Menschen zum Hochprozentigen. Sie haben Schuldgefühle – echte oder falsch verstandene, und flüchten dann in den Alkohol. Menschen sind schlichtweg überfordert wie die sitzengelassene, allein erziehende Mutter mit drei Kindern. Oder aber sie sind psychisch labil, leiden unter Depressionen oder haben Angst. Dann ist der Griff zur Flasche die schnelle Antwort.

Menschen trinken Alkohol, weil sie sich irgendwelchen Gruppen- und Gesellschaftszwängen nicht entziehen können. Sie wollen dabei sein und trinken Alkohol – das Hochprozentige als Mutprobe. Sie sind schwach und können nicht Nein sagen. Sie haben zu wenig Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Es gibt so unendlich viele Gründe für eine Alkoholsucht. Weil es so viele unterschiedliche Ursachen gibt, erfordert jedes einzelne Alkoholproblem auch einen individuellen Ansatz.

Weil es so leicht ist, an Alkohol zu kommen, greift man zur Flasche. Dabei ist auch Alkohol eine Droge – eine legale zwar, die man an jedem Kiosk bekommen kann. Hinzu kommen die Alkoholwerbungen in den Medien mit bunten Bildern und coolen Sprüchen ("Der Tag vergeht - Johnny Walker kommt" - "Wodka Gorbatschow - des Wodkas reine Seele" usw.) die sich ins Unterbewusstsein einprägen. Es ist so einfach, sich dem Alkohol zu ergeben. Dabei richtet Alkohol mitunter mehr Schaden an als so manche illegale Droge. Ohne die Probleme, die der Konsum von Cannabis mit sich bringt, in irgendeiner Weise herunterspielen zu wollen - aber die Kliniken sind voll von Alkoholabhängigen, und nicht von Cannabis-Abhängigen. Denn Alkohol macht stark abhängig. Das Heimtückische daran ist, dass dies ein fließender Prozess ist und der Betroffene es oftmals nicht merkt, was mit ihm passiert.

Probleme ertränken?

Viele meinen, sie könnten Probleme einfach ertränken. Nicht umsonst gibt es im Volksmund den Spruch „Sich etwas schön trinken“. Das Gefährliche an der Situation ist, dass man sich im Suff plötzlich stärker fühlt. Man meint, über sich hinauswachsen zu können - und übersieht dabei Gefahren. So mancher ist nach dem Rausch mit Schrecken erwacht. Er fand sich in der Ausnüchterungszelle der Polizeistation wieder und manchmal sogar auf einer Felsenklippe oder dem Hochhausdach. Der Rausch verleitet zu gefährlichen Mutproben und Leichtsinn. Man geht plötzlich über Bahngleise oder fährt besoffen in Schlangenlinien mit dem eigenen Auto. Viele haben die Trunkenheit schon mit ihrem Leben bezahlt - sodass der Alkohol noch weitaus mehr Menschen auf dem Gewissen haben dürfte als dies die offiziellen Statistiken zeigen.

Die Magie des Rausches

Aber der Rausch hat auch etwas Magisches. Der Schüchterne wird zum Draufgänger und flirtet plötzlich. Die biedere Sekretärin mutiert zur Domina. Der Schweigsame wird zur Plaudertasche. Der Schwächling macht einen auf stark – und wird dabei oft auch aggressiv. Rausch hat etwas von Sehn-Sucht. Man spricht ja auch von „sternhagelvoll“. Im Rausch buchstäblich den Griff nach den Sternen zu wagen, die man im wirklichen Leben nie erreicht. Die Sehnsucht nach der Sehnsucht nach der Sehnsucht.... Rausch macht einen zu einem anderen Menschen. Menschen verändern ihren Charakter im Rausch und man erkennt sie plötzlich nicht mehr wieder.

Folgen des übermäßigen Alkoholkonsums

74.000 Menschen sterben jährlich an den direkten und indirekten Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum.

Somit gibt es pro Jahr mehr Alkoholtote als Selbstmörder (etwa 10.000) und Verkehrstote (etwa 4.200). Die meisten Alkoholtoten sterben übrigens an Leberzirrhose.

Etwa 20 Milliarden Euro Kosten verursacht der Alkoholmissbrauch in Deutschland. Rund 500 Millionen Euro gibt die Alkoholindustrie jährlich für Werbung aus, um Hochprozentiges an den Mann oder an die Frau zu bringen.

Dabei ist es nur etwa 10 Prozent der trinkfähigen Bevölkerung, die mehr als die Hälfte des gesamten auf den Markt gebrachten Alkohols verkonsumiert. Im statistischen Durchschnitt trinkt jeder etwa 20 Liter Wein, knapp 6 Liter hochprozentige Spirituosen, knapp vier Liter Schaumwein und etwa 120 Liter Bier im Jahr. Beim Bierkonsum sind die Deutschen übrigens international an zweiter Stelle.

Alkoholmissbrauch kann nicht nur Leben gefährden, sondern ganze Familien, Beziehungen und Existenzen zerstören. Und im Alkoholrausch bringt man auch noch obendrein andere Menschen mit in Gefahr, etwa im Straßenverkehr oder im Berufsleben. Man gefährdet also nicht nur sich selbst, sondern reißt buchstäblich noch andere mit. Laut den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes kommt bei Unfällen mit der Ursache Alkohol weit über 20.000 Menschen zu Schaden, von denen knapp 1.000 sterben. Rund 400.000 Arbeitsunfälle sind auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Ungefähr 25 bis 30 Prozent der Arbeitsunfälle sind alkoholbedingt. Im betrieblichen Bereich rechnet man mit bis zu 10 Prozent alkoholkranker Mitarbeiter.

Übermäßiger Alkoholkonsum ist Sucht !

Man muss es ganz nüchtern sagen: Übermäßiger Alkoholkonsum ist nichts anderes als eine Sucht. Während jedoch bei harten Drogen der Übergang zur Abhängigkeit relativ schnell erfolgt, ist es beim Alkohol eher ein schleichender Prozess. Manche rutschen in den Alkohol durch eine anfangs zu lockere Einstellung zum Hochprozentigen hinein. Sie trinken immer öfter immer mehr. Erst trinkt man den Schnaps noch aus dem Glas, dann setzt man die Flasche gleich an den Hals. Menschen im Suff zeigen auch die typischen Merkmale von Suchtverhalten. Anfangs versuchen sie noch, ihren Konsum zu verheimlichen und werden dabei äußerst erfinderisch. Sie legen an verschiedenen Stellen Depots an, trinken heimlich, stehen früher auf als andere Familienmitglieder oder gehen in der Pause mit dem „Flachmann“ auf die Toilette. Man trinkt eben nicht gern in der Öffentlichkeit und zeigt nicht unbedingt jedem sein Alkoholproblem.

In einem Betrieb wurde einmal ein bekanntermaßen Alkoholabhängiger über einen längeren Zeitraum beobachtet. Man fand bei ihm nie Alkohol. Jeden Morgen kam er mit seinen Butterbroten und drei Pampelmusen zur Arbeit. Mittags war er blau, und keiner wusste, wie das passieren konnte. Ganz einfach: Er hatte seine Pampelmusen geschickt ausgehöhlt und mit Wodka gefüllt, den er sich still und heimlich reinzog.

Manchmal wundert man sich, wenn vor einem an der Kasse des Supermarktes eine Frau im besten Alter ein paar Flachmänner aufs Band legt. Oder eine Oma billigen Fusel gleich literweise einkauft. Viele scheuen auch die Öffentlichkeit eines Supermarktes und kaufen lieber teuer und anonym am Kiosk ein, indem sie eine Plastiktüte über den Tresen schieben und sich ein paar Flachmänner einpacken lassen. Man glaubt es kaum:

Vor mir ging eine Frau Mitte Vierzig auf einem Weg. Sie bemerkte mich nicht. Plötzlich blieb sie stehen und setzte ein kleines Fläschchen Kräuterlikör an den Hals und trank den Inhalt in einem Zug aus. Zack, das Fläschchen war leer und wurde mit einem Satz ins Gebüsch geworfen. Ich war so perplex – und erschrocken: Denn ich bemerkte im Gebüsch plötzlich mindestens zwanzig leere Flaschen. Alkoholiker haben den Drang, ihr Ritual immer an der gleichen Stelle zu wiederholen. Deshalb häufen sich auch geleerte Alkohol-Fläschchen an bestimmten Stellen.

Alkoholabhängige Menschen sind so geschickt. Selbst wenn bei Betroffenen ein Suchtproblem erkannt wurde, fällt es ihnen schwer, das zur Kenntnis zu nehmen. Das ist wie bei Magersüchtigen: Begegnen sie in einer Therapiegruppe ähnlich Betroffenen, empfinden sie sich selbst noch als ausgesprochen fett. Wenn Alkoholsüchtige auf Betrunkene treffen, dann kommt ihnen das selbst als abscheulich vor – auch dann noch, wenn sie selbst gerade eine Fahne haben. Das heißt, die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis ist bei Alkoholikern extrem niedrig - was auch den langen Zeitraum erklärt, bis sie sich zu einer Therapie entschließen.

Alkoholsucht heilen

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