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Bis zum Kalenderjahr 2010 wurden Urlaubsansprüche stets danach ermittelt, zu welchen aktuellen Bedingungen der Arbeitnehmer seine Arbeit erbrachte. Wurde er in Vollzeit tätig und nahm Urlaub, so wurde bei der Berechnung stets eine Vollzeittätigkeit zugrunde gelegt, selbst wenn der Arbeitnehmer „Resturlaub“ aus einem anderen Teilzeitarbeitszeitmodell in Anspruch nahm.
Dies führte insbesondere dann zu nicht unerheblichem Unmut unter den besonders betroffenen weiblichen Beschäftigten, wenn im umgekehrten Fall diese Beschäftigten zunächst in Vollzeit gearbeitet hatten, schwanger wurden und nach der Elternzeit in Teilzeit ihre Arbeit wieder aufnahmen. Auch hier wurden ganz selbstverständlich alle „Resturlaubsansprüche“ aus der vorherigen Vollzeit an die neue, geringere Arbeitszeit angepasst und damit die Urlaubstage regelmäßig gekürzt.
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Einer Arbeitnehmerin aus Tirol/Österreich erging es ebenso. Sie war zunächst in Vollzeit beschäftigt, wurde schwanger und durfte aufgrund eines Beschäftigungsverbots nicht mehr arbeiten. Nach Rückkehr aus der Elternzeit arbeitete sie an einer reduzierten Anzahl von Tagen in Teilzeit. Ihre Urlaubsansprüche aus der Vollzeittätigkeit wurden ihr sodann an das neue Arbeitszeitmodell angepasst und reduziert. Dies wollte die Arbeitnehmerin nicht hinnehmen und klagte. Das zuständige Gericht legte den Fall sodann dem EuGH vor, der zu diesem Themenkomplex die aufsehenerregende Entscheidung mit der Bezeichnung Tirol traf.[6]
So hat dieser festgestellt, dass ein Verstoß gegen § 4 der am 6.6.1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15.12.1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7.4.1998 geänderten Fassung vorliegt, soweit bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes eines Arbeitnehmers das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs in der Weise angepasst wird, dass der von einem Arbeitnehmer, der von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung übergeht, in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht möglich war, reduziert wird oder der Arbeitnehmer diesen Urlaub nur mehr mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen kann.
Der der Entscheidung zugrunde liegende § 4 Nr. 1 und 2 der o.g. Rahmenvereinbarung lautet wie folgt:
„1. Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.
2. Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz.“
Der EuGH sieht denn auch in der Anpassung der Resturlaubsansprüche auf die Zeit der Teilzeitbeschäftigung eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten.
Die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Bezugszeitraum soll in keiner Beziehung zu der in der späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit stehen. Aufgrund des Pro-rata-temporis-Grundsatzes soll der Urlaubsanspruch pro Zeiteinheit der jeweiligen Beschäftigung berechnet und gewährt werden.
Unzulässig ist demgegenüber eine nachträgliche Anwendung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes bei Berechnung des Urlaubsanspruchs. Damit darf auch keine nachträgliche Minderung des Resturlaubsanspruchs erfolgen, der durch die Umstellung auf Teilzeitbeschäftigung zuvor generell erfolgte.
Zwar darf für neu zu erwerbende Urlaubsansprüche während der Teilzeit eine anteilige Berechnung des Urlaubs erfolgen, nicht jedoch für davor liegende Zeiträume der Vollzeitbeschäftigung.
Eine Einschränkung erfuhr die Entscheidung des EuGH jedoch zunächst unter Berufung auf die vorherige Rechtsprechung[7] dadurch, dass dieser Grundsatz nur gelten sollte, wenn der Arbeitnehmer nicht zuvor tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Resturlaubsanspruch in Anspruch zu nehmen. War der Arbeitnehmer tatsächlich gehindert – so etwa bei aus betrieblichen Gründen verweigertem Urlaub oder bei Vorliegen eines Beschäftigungsverbots wie auch bei Krankheit oder einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme – so verbot sich eine Anpassung der Resturlaubsansprüche und damit ggf. deren Reduzierung.
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Die Ausführungen des EuGH hielten die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik jedoch zunächst nicht davon ab, die in Vollzeit erworbenen Urlaubsansprüche runterzurechnen und Eins-zu-eins anzuerkennen, weshalb der EuGH erneut in der Sache Brandes um eine Entscheidung bemüht werden musste.[8] Die im Geltungsbereich des TV-L beschäftigte Frau Brandes arbeitete ebenfalls in Vollzeit, wurde schwanger, erhielt ein Beschäftigungsverbot und kehrte ebenfalls in Teilzeit aus der Elternzeit zurück. Nachdem auch ihr der verbliebene Urlaub aus der Vollzeit angepasst an die Teilzeit gekürzt worden war, zog Frau Brandes vor das Arbeitsgericht. Auch sie erhielt Rückendeckung seitens des EuGH, der bestätigte, dass auch für die Bundesrepublik die europäischen Mindeststandards Anwendung finden und eine Kürzung der Urlaubsansprüche eine Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter darstellt.
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In einer weiteren Entscheidung ist das BAG dieser Ansicht gefolgt und hat das Diskriminierungsverbot direkt aus § 4 Abs. 1 TzBfG abgeleitet und nicht von weiteren Bedingungen abhängig gemacht.[9]
So spielt es gerade keine Rolle, ob der Arbeitnehmer vor dem Wechsel des Arbeitszeitmodells seinen Erholungsurlaub hat nehmen können. Krankheit oder Beschäftigungsverbot sind keine Bedingung für den Erhalt der einmal erworbenen Urlaubsansprüche. Auch der Grund des Wechsels von Vollzeit zu Teilzeit ist unerheblich.
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Abgerundet wurde der Entscheidungsreigen durch die Sache Greenfield.[10] Eine britische Arbeitnehmerin wechselte von Teilzeit zu Vollzeit. Ihr wurde der in der Vollzeit erworbene höhere Urlaubsanspruch wie auch das höhere Urlaubsentgelt jedoch zu Unrecht verwehrt. Auch ihr musste sodann der Erholungsurlaub entsprechend der jeweiligen Zeitabschnitte konkret gewährt und entlohnt werden.