Читать книгу Die großen Western Classic 39 – Western - Alexander Calhoun - Страница 3
ОглавлениеProlog:
Wie die amerikanische Schriftstellerin Edna Ferber mit ihrem Werk »Cimarron« der Besiedlung des Cherokee Strip von Oklahoma ein literarisches Denkmal setzte, so behandelt »Duell ohne Gnade« die um zehn Jahre frühere Ockupation des Indianer- und Prärielandes im Norden von Texas, das die Bundesregierung in Washington nach dem Bürgerkrieg großzügig »für alle Zeiten« den Stämmen der Comanchen, Kiowas und Cheyenne verbriefte.
»Duell ohne Gnade« stützt sich auf authentische Berichte und hebt besonders Einzelschicksale gesetzestreuer Männer und Frauen, die im ständigen Kampf mit desperaden Elementen lagen, hervor.
Die Story könnte sich so ereignet haben.
A. Calhoun Plötzlich waren sie da.
Als der Schuss durch die dünne Luft peitschte, wusste Conan McCloud, dass sie ihn gesehen hatten. Es war später Nachmittag, und er ruhte ein wenig aus, um für die nächste Jagd frisch zu sein.
Ab und zu nahm er einen kräftigen Schluck aus der Flasche, deren Etikett mehr herzeigte als ihr Inhalt. Dabei überlegte er sich, wie es viele einsame Männer überall auf der Welt tun, weshalb er arbeiten musste und Büffeljäger geworden war.
Er hatte nicht gesehen, wie sie sich seinem Lager näherten, und als er den Schuss hörte und Pferdewiehern, ahnte er, dass der Abend turbulent für ihn werden würde. Träge zog er die im Gras liegende Sharps zu sich heran und behielt die Rechte griffbereit in ihrer Nähe.
Auch als er sie sah, stand er nicht auf. Er legte den Kopf zurück und hob ihn über seinen aufgestützten Arm an, damit er sie sehen konnte. Der Stetson hing ihm beinahe bis in den Nacken.
Sie waren drei Reiter auf guten Pferden, und sie waren bestens bewaffnet. Einer von ihnen, ein aufgedunsener Kerl von wenigstens zweihundert Pfund Gewicht, hielt eine Winchester 73 in der Armbeuge, aus der er einen Schuss in den Himmel abgegeben hatte. Conan McCloud kannte sie nicht. Auch nicht das junge Mädchen, das kaum die zwanzig erreicht hatte.
Sie umringten ihn, zügelten ihre Pferde und glotzten auf ihn wie auf ein seltenes Wüstentier, das sie wegen seiner abstoßenden Hässlichkeit am liebsten getötet hätten.
Aber sie hatten keinen Grund, ihn umzulegen, noch nicht. Und Conan wusste das. Sicher, er war das Bild eines Mannes. Seine mageren Oberschenkel steckten in zerschlissenen Lederhosen, die unten von ebenso zerschlissenen hochschäftigen Stiefeln bedeckt und oben von einem Strick zusammengehalten wurde. Sein Hemd war vor Äonen blau gewesen. Jetzt sah es aus, als hätte es sein Träger zum Aufwischen benutzt.
Gepflegt waren nur sein Revolver und die schwere Büffelflinte. Conan musterte die beiden Männer und das Mädchen. Von dem einen, dem Fetten im Sattel eines stämmigen Braunen, hatte er schon einmal etwas gehört. Vage erinnerte er sich an Hank O’Toole, der in Texas fast zur Legende geworden war. Der Rancher stammte aus Irland, war vor dreißig Jahren in dieses Land gekommen, nackt wie er war und bettelarm.
Heute besaß O’Toole die größte Rinderranch nördlich des Palo Duro Creek.
Vom Aussehen her musste das junge Mädchen seine Tochter sein. Den zweiten Mann, den mageren mit den flinken Eidechsenaugen, beachtete er zunächst nicht. Ohne ihn lange zu mustern, wusste er, was er von ihm zu halten hatte. Der Augenflinke war ein ausgekochter Revolvermann, ein Pistolero, wie die Mexikaner sagten, und ein eiskalter Killer. Seine Waffe hing tief an seinem rechten Oberschenkel, und die Missourihalfter wirkte geschmeidig und gut gefettet.
Bemerkenswert war, dass er keinen Patronengürtel trug. Das offene und tief ausgeschnittene Halfter wurde durch einen um den Schenkel geschlungenen Riemen gehalten und stand einen Zoll von den engen, geschlitzten und mit Silberstoff ausgelegten Hosenbeinen ab. Auf dem dunklen Haar trug er einen breitrandigen Sombrero mit einem Band aus glitzernden Conchos.
»Ich fühle mich geehrt durch Ihren Besuch«, sagte Conan.
»Wir nicht. Was tun Sie auf unserem Land?«, fragte das Mädchen, das übrigens hübsch war, schnippisch.
Sie studierte ihn hochmütig, besonders seine langen Haare, die rot und lockig über den schmutzigen Kragen quollen. Blondes Haar, dachte Conan, graue Augen und ein Körper, der sich sehen lassen kann. Wie eine Amazone saß sie im Sattel eines Pintos.
»Ihr Land, Madam?«
Wieder musterten graue Augen lange und eindringlich den Vagabunden am Boden.
»Das Land meines Vaters. Vielleicht wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?«
»In der Tat, keine Ahnung.«
In Conan dämmerte die Wahrheit. Grinsend setzte er hinzu und schwächte mit seinem halben Geständnis seine gespielte Unwissenheit ab: »Nicht genau, Madam, aber das macht weiter nichts. Unter heißer Texassonne sind alle Menschen gleich.«
»Bis auf Rustler und Pferdediebe.«
McCloud machte mit der Whiskyflasche eine Bewegung des Abwinkens und nahm anschließend einen kräftigen Schluck.
»Halten Sie mich für einen Pferdedieb, Madam?«, kam es gedehnt.
Conan grinste und schwang die Flasche wie ein Mexikaner seinen Sombrero.
»Das wird sich herausstellen, Mister. Vielleicht sind Sie kein Pferdedieb, aber Sie haben Rinder von Dads Weide gestohlen«, sagte sie ruhig.
Conan ließ noch einen langen Schluck durch die Kehle laufen, schmatzte zufrieden und stellte mit der Linken die Flasche zur Seite.
Die beiden Männer hatten sich bis jetzt nicht geäußert. Der Dünne runzelte die Stirn und musterte seine polierten Stiefel in den Steigbügeln deren Glanz nur wenig von dem rötlichen Staub des Panhandle geschmälert wurde. Dann hob er den Kopf und streckte sein nadelspitzes Kinn vor.
»Hört sich ganz so an, als wüsstest du was von den Viehdieben, Bucko?«
Seine Stimme klang kalt und viel zu unbewegt, und deshalb wirkten seine Worte automatenhaft blechern. »Du hast dein Lager ausgerechnet in der Nähe einer gehäuteten Kuh aufgeschlagen. Wir haben den Kadaver gefunden.«
»Richtig, ich hatte Hunger. Auf Dauer schmeckt Büffelfleisch nicht. Was dagegen?«
»Du hast dich an einem Stier der O’Toole-Ranch vergriffen. Wir werden dich hängen, Bastard!«
»Du Jammerlappen wirst keinen hängen, mich schon gar nicht«, entgegnete Conan unbewegt.
Während der Fette immer noch schwieg und seine Blicke im nahen Umkreis nach einer abgezogenen Kuhhaut in der Erde zu graben schienen, schnarrte der kaltgesichtige Mexikaner: »Du schwingst eine kesse Lippe, Bucko, nimm dich in acht! Wo hast du das Fell begraben?«
»Ach, das Fell … Dort drüben.«
Conan wies auf einen Tamariskenstrauch und grinste breit. Nach ein paar Sekunden fuhr er fort: »Nicht vergraben, Spic. Sie liegen offen und für jeden sichtbar im Schatten – die Felle.«
»Spic? Du scheinst nicht zu wissen, wer vor dir steht, Rinderdieb. Mit deinesgleichen mache ich nicht viel Umstände.«
»Wer schon?«, höhnte Conan McCloud. »Ich sehe einen schäbigen Greaser, dazu größenwahnsinnig, borniert und dumm das armselige Bild einer misslungenen Kreuzung zwischen Ratte und Mensch. Hau ab! Und lass mich zufrieden!«
Der Mexikaner zuckte wie unter einer Ohrfeige zusammen und wurde fahl unter seiner braunen Haut. Das Mädchen sah den Konflikt kommen. Es streckte gegen den Reiter die Hand aus und stieg aus dem Sattel.
»Ich bin Calder Onoe la Barka, Gringo, und wenn du dich nicht wegen der Beleidigung entschuldigst, wirst du es bereuen.«
Conan legte den Kopf schief und musterte den Mann, ohne auch nur seinen Körper um einen Zoll zu bewegen. Dessen Miene war ausdruckslos. Seine Mimik war genauso mager wie sein Körper und seine Bewegungen. Alles bei ihm war auf Funktion berechnet, ohne überflüssige Geste, ohne Gefühl. Ein erbarmungslos tüchtiger Mann – ein gefährlicher Mann.
»Du spinnst Spic«, sagte Conan ungeachtet der Gefahr, die ihm von dem Revolver des anderen drohte. Furcht kannte der Büffeljäger nicht. Durch das Gewehr an seiner Seite und den Colt in dem Halfter fühlte er sich sicher wie in Mutters Schoß.
De la Barka stieg vom Pferd und reichte die Zügel dem Dicken. Seine Hand schwang in Richtung seiner Hüfte. Als sei aus dem Gewehr ein selbstdenkendes, lebendiges Wesen geworden, sprang es in Conans Hand. Der lange Lauf richtete sich auf den Bauch des Mexikaners, dessen Rechte abrupt in der Abwärtsbewegung innehielt. Sein Gesicht war ausdruckslos.
»Lass es sein, Spic«, sagte die Stimme kalt von der Erde her. »Was meinst du, wie du dich fühlen wirst, wenn dir das Tageslicht durch die Gedärme scheint. Zwei Unzen Blei verdaut nicht einmal ein ausgewachsener Bison, von einem lausigen Greaser ganz zu schweigen. Pfote von der Waffe!«
Barka verzog das Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen. Er wagte keinen weiteren Schritt und starrte wie fasziniert auf die Sharps.
»Wenn Sie ihn umlegen, Hombre, wird das die Sachlage auch nicht ändern«, warf der Dicke beinahe gutmütig ein. Er hockte auf seinem Pferd wie ein riesiger Affe, und sein dickliches Gesicht drückte Gutmütigkeit aus. »Ihr Beachcomber seid doch alle gleich. Euch ist doch alles und jeder egal.«
»Ich bin kein Tramp«, sagte McCloud klar und gedehnt. »Und wenn ich ein Viehdieb sein soll, wer sind denn Sie?«
»Na schön«, ließ sich der Dicke vernehmen. »Sie gehören also zu denen, die keine Rinder stehlen, um sie zu häuten. Sie haben Prinzipien, nicht wahr? Deshalb will ich Ihnen sagen, wer ich bin. Mein Name ist Hank O’Toole, und wenn Sie sich umsehen, Freund, erkennen Sie meine Tochter Linda. Mir gehört alles Land zwischen dem North Canadien und dem Elch Creek.«
»Danke«, sagte Conan und lächelte den Dicken freundlich an. »Hübsches Mädchen, hab’s gleich erkannt. Trotzdem, O’Toole, ich habe Ihre Kühe nicht geschlachtet.«
»Wer dann?«
»Keine Ahnung. Ich bin seit einer Woche hier und habe niemanden gesehen. Hier gibt’s Büffel, aber keine Rinder.«
Linda O’Toole kehrte zurück und ließ ihre Augen über das Lager schweifen. Irgend etwas störte Conan an ihrem Blick. Ein warnender, flehender, Aufmerksamkeit heischender Ausdruck legte sich wie ein Schleier über ihre Züge. Der Pfad, auf dem die Besucher gekommen waren, lag links, und auf der anderen Seite führte ein schmaler Trampelpfad zu einem entfernten Dickicht, in dessen Nähe es penetrant roch.
»Siehst du das Grünzeug, Dad?« Ihre Hand deutete hinüber. »Die beiden Pfade führen in die Richtung. Sie kommen mir vor wie Speiseröhren, die zu einem vollen Magen führen. Sehen wir nach – vielleicht bringt uns das weiter.«
»Warum nicht? Gehen wir hin. Der schießwütige Spic voran, Sie, Madam, und O’Toole in seinem Schlepp. Im Abstand von zehn Schritten folge ich, und ich halte den Finger am Abzug. Nicht vergessen, Freunde, meine Waffe hat ein Kaliber 60/65, und das reißt Löcher so groß wie eine Kaffeetasse.«
Wieder der flehende Blick aus grauen Augen. Sie marschierten los, wenn auch widerwillig.
*
Der Geruch war kaum zu ertragen. Der Stapel Büffelhäute verbreitete einen Gestank, der hundert Schritte im Umkreis zu riechen war. Und die zahlreichen Fliegen … Ganze Schwärme stürzten sich wolkenartig auf die vier Menschen. Calderón blieb angewidert stehen und wandte den Kopf.
»Hör mal, Gringo, du kannst doch nicht …«
»Halt die Klappe.« Der Dicke funkelte den Mageren an. »Du wolltest nachsehen, und nun atme kräftig durch und kipp nicht um, damit du auch alles siehst.«
Conan grinste. Besonders den Mex ließ er keinen Augenblick aus den Augen.
»Seht euch die Häute an, Freunde. Und wenn ihr eine Kuhhaut unter ihnen findet, will ich mich freiwillig von euch hängen lassen. Bitte, schaut sie euch an, Stück für Stück.«
Sie hielten zehn Schritte Distanz. Näher heranzugehen, war unmöglich. Besonders das Mädchen zog die Nase kraus und presste ein seidenes Tuch auf den Mund.
»Wie können Sie bei diesem Gestank die Felle bearbeiten und fortschaffen?«
»Das geht nur während der Nachtkühle, Madam, am Tag hält man den Gestank nicht aus.«
»Und davon leben Sie?«
Conan nickte. »Von den Fellen, nicht vom Gestank.«
O’Toole musste grinsen. Der Mann, dem sie Unrecht taten, besaß Humor. Er hob die Hand.
»Mister, haben Sie eine Ahnung, wer meine Stiere stiehlt? Für einen Hinweis setze ich eine Prämie aus.«
»Fragen Sie die Comanchen.«
»Aha, und wo sind sie?«
Conan machte eine Geste um die halbe Himmelsrose.
»Überall im Panhandle, bis hinüber zu den Badlands und noch weiter über den Rio Grande.«
»Werde nicht zu frech«, knurrte der Mexikaner, der grundsätzlich immer anderer Leute Worte kritisierte und nur seine eigenen Grundsätze gelten ließ.
»Du bist still«, konterte Conan in der Absicht, den anderen zu reizen. Calderón war für ihn eine permanente Gefahr, der er sich nicht aussetzen durfte, wenn er länger auf der Büffelweide bleiben wollte. Schroff setzte er hinzu: »Habt ihr euch überzeugt, seht ihr Kuhhäute?«
»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«, fragte das Mädchen.
»Hätten Sie mir geglaubt, Madam?«
Sie überging die Frage und wandte sich zum Lager zurück. Die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung. Conan mit der Sharps hintenan. Er ging kein Risiko ein, das konnte er sich auch nicht leisten.
»Es ist nur eine Frage der Zeit«, knurrte Calderón über die Schulter und lächelte dazu mit den Lippen, doch seine Augen blieben kalt und höhnisch.
»Welche Zeit?«
»Bis er die Rothäute ruft, Patron.«
O’Toole schüttelte den massigen Kopf.
»Sollte er das?« Er blieb stehen und wandte sich Conan zu. »Was meinen Sie, Mister, weshalb Calderón meint, dass Sie die Comanchen rufen werden? Haben Sie Einfluss auf sie?«
Conan schüttelte den Kopf.
»Nein. Sie sind meine Freunde, das ist alles. Ich laufe ihnen nicht nach, sie kommen von selbst. Der Stamm ist weit verbreitet, und dann jagt man tagelang hinter ihnen her und sieht keine Federspitze von ihnen.«
»Sie kommen von selbst?«
»Ich mache Rauch. Dann kommen sie schon, wenn sie Lust zu einem Palaver haben.«
»Rauch?«, fragte der Dünne, und das war das erste Mal, dass er Interesse zeigte. Er schritt schneller aus. »Du meinst Rauch durch ein Feuer?«
Er deckte sein Interesse mit einem Mantel aus Müdigkeit zu, der mit Vorsicht und Misstrauen gefüttert war.
»Mit was sonst?«, antwortete Conan, und ein Lächeln überzog sein stachelbärtiges Gesicht.
O’Toole nickte gönnerhaft und dachte bei sich, dass er diesen Burschen nicht für unsympathisch halten könnte, selbst wenn ihm etwas daran läge. Er stampfte wie ein Bison durch das Gras und Unterholz, gefolgt von seiner Tochter.
»Rauch heißt immer und überall: He, kommt her, die Luft ist rein.«
»So ist es«, sagte Conan und gab Calderón, der langsamer ging und ständig den Kopf nach ihm drehte, einen sanften Wink mit dem Gewehrlauf.
»Und jetzt machen Sie Rauch und rufen sie?«
Linda schob sich an seine Seite. Ihre Nähe verunsicherte ihn. Er blieb stehen und ließ sie zwei Schritte vorgehen. Selbst einem jungen Mädchen konnte es gelingen, seinen Gewehrlauf zur Seite zu stoßen, und der Mexikaner war ihm ein bisschen zu fix im Ziehen und Schießen.
»Ich werde keinen Rauch machen, Madam. Mit Ihren Kühen habe ich nicht das geringste zu tun. Und wenn Sie die Indianer zur Rechenschaft ziehen wollen, dann ohne mich. Wenn ich in Ruhe in ihrem Land jagen will, kann ich mir die Rothäute nicht zu Feinden machen.«
»Unser Land«, erwiderte Linda bissig.
»Ihr Land«, kam prompt das Echo. »Ihr Vater hat es ihnen mit Gewalt weggenommen. Oder haben Sie einen Penny für das bezahlt, was Sie heute an Ländereien besitzen, O’Toole?«
»Großer Gott!«, feixte der Rancher. »Hat man so was schon gehört? Welcher Rancher in Texas hätte je Land von einem Indianer gekauft?« Er lachte verächtlich.
»Chisholm«, sagte Conan und winkte wieder mit dem Gewehr. »Aber das wissen nur die Anständigen unter Ihnen, O’Toole.«
»Mit Geld bezahlt?«, staunte der dicke Mann ungläubig. »Das ist ja nicht zu glauben.«
»Quatsch! Was soll ein indianischer Nomade mit Geld. Mit Waren bezahlt man, mit Proviant, Decken und Haushaltsgeräten. Und man schließt einen Vertrag, der Jahrhunderte Gültigkeit besitzt, wenn er in der Sprache der Indianer abgefasst wird.«
»Blödsinn! Die können weder lesen noch schreiben.«
»Sie können. Bilderschrift, in weiches Leder geritzt und eingefärbt. Aber Ihnen das zu erklären, ist nicht meine Sache. So, wir sind beim Lager. Schwingen Sie sich auf Ihre Gäule und verduften Sie«, fügte er barsch hinzu.
Calderón de la Barka drehte sich brüsk herum. In seinem asketischen Gesicht zuckte es wie in einer Gewitterwolke.
»Nimm dich in Acht, Gringo, nimm dich verdammt in Acht! Ewig kannst du mich nicht mit deinem Schießprügel bedrohen, und dann bin ich am Zug.«
»Es wird dein letzter sein, ein Zug zur Höllenpforte, Spic. Versuch’s nicht.«
Linda stellte sich hüftschwingend vor den Mexikaner. Sie sah Conan an, lange, gründlich und nachdenklich. Dabei schürzte sie die vollen Lippen. Es sah aus, als wollte sie den Büffeljäger küssen.
»Dürfen wir uns eine Weile in Ihrem Camp ausruhen, Mr McCloud? Wir haben einen weiten Weg hinter uns und sind müde«, sagte Linda O’Toole.
»Sagten Sie nicht, es sei Ihr Land, Madam?«, antwortete Conan spöttisch, dabei dachte er darüber nach, woher sie seinen Namen wusste. Seines Wissens hatte er sich nicht vorgestellt, aber er wusste es nicht mehr genau und schwieg.
»Das Land meines Vaters, jedoch ihr Camp«, sagte sie unbeirrt. »Dürfen wir?«
»Wenn Sie alle Ihre Waffen dort drüben unter den Chaparral legen und sich hübsch brav verhalten, gestatte ich Ihnen eine Stunde Ruhepause. Danach muss ich auf die Jagd.
Es wird bald dunkel, und die Bisons sind friedlich in der Abenddämmerung.«
»Das könnte dir so passen, Gringo«, bellte der Mexikaner höhnisch. »Keine Sekunde lege ich meine Pistole ab …«
»Du bist still, Cal!«, befahl O’Toole. »Es ist sein Lager, er hat zu bestimmen.«
»Vernünftig, sehr vernünftig«, kam es beißend von Conans Lippen. »Proviant ist dort drüben im Sack. Es gibt zwar jagdbares Wild in der Umgebung, aber wir leben im Eisenbahnzeitalter.«
Was er damit sagen wollte, war klar. Und wer seinem Blick zu den leeren Sätteln gefolgt war, wusste, warum er es sagte.
Schnaufend ließ sich der Dicke ins Gras sinken. Linda setzte sich ihm gegenüber. Calderón hockte im Schneidersitz links von ihr.
»Was wollen Sie von den Comanchen, Rancher? Sie fragen, wie viele Stiere sie geschlachtet haben?«
O’Toole wischte sich mit der fleischigen Hand über das schwitzende Gesicht und starrte in die Asche des erkalteten Lagerfeuers. Ein wenig resigniert schüttelte er den Kopf.
»Man könnte ein Abkommen mit ihnen treffen, nicht wahr? Unter anderem. Sie lassen meine Herden in Ruhe, dafür zahle ich ihnen meinen Obulus. So bleiben mir wenigstens die Häute.«
»Klingt vernünftig.« Conan wies auf den Sack. »Wir haben sicherlich eine gute Köchin im Camp. Ich mache derweil ein Rauchfeuer. Versuchen wir es.«
Er ging weg, und sein Schritt schien nicht ganz mit der sonstigen Leichtigkeit seiner Bewegungen übereinzustimmen. Es schien, als hätten seine Beine eine ganz besondere Aufgabe zu lernen gehabt und sich auf die zweckmäßigsten Bewegungen beim Anschleichen spezialisiert. Das traf auch zu.
Zuerst sammelte er die Waffen ein, die die anderen neben oder hinter sich gelegt hatten. Er schleppte das Arsenal zum Busch und legte es dort ins Gras.
Als er wieder an der Feuerstelle vorbeikam, bückte er sich und zog ein Abhäutemesser mit breiter Klinge aus dem Boden. Nicht nur die Pferde beäugten ihn, sondern auch die drei so ungleichen Menschen. Conan fragte sich im Stillen, wie sie zusammengekommen sein mochten und was sie miteinander verband.
Bei der Wasserstelle zwischen den Kalksandsteinfelsen wurde er vorsichtig. Durstige Büffelbullen wurden recht ungemütlich, wenn man sie bei der Wasseraufnahme störte. Hin und wieder warf er einen Blick zurück zum Lager. Die beiden Männer hockten am Boden und unterhielten sich. Linda öffnete Tomatenbüchsen und zog schimmeliges Brot aus dem Sack. Bohnen zauberte sie hervor, Dörrfleisch und verschiedene andere Dinge, die der Mensch als Nahrung benötigte.
Manchmal warf sie einen verstohlenen Blick zu Conan herüber. Aber sie drehte ihr Gesicht schnell wieder weg, wenn sie sah, dass er sie beobachtete.
Er lächelte, sammelte trockenes Holz und schlug ein paar grüne Zweige ab, dabei bewegte er sich wie eine Großkatze. Conan passte ausgezeichnet in diese Umgebung. Er lernte schnell und glich sich wie ein Indianer dem unwirtlichen und gefährlichen Land an. Das war wohl auch der Grund dafür, dass er als Einunddreißigjähriger in der Wildnis lebte und nicht an einem gedeckten Tisch inmitten einer Familie hockte.
Er jagte so viele Bisons, dass er genug verdiente, um Proviant, Kleidung und Whisky und was man sonst noch unbedingt in der Brasada brauchte, kaufen zu können. Wenn er mit den Häuten nach Sunray kam, leistete er sich ein paar gute Mahlzeiten in einem Hotel und dachte auch daran, dass die Fleischlichkeit zu zweit zu den schönsten Vergnügungen des Lebens gehörte.
Als er genügend von dem brennbaren Holz eingesammelt hatte, ging er ans Feuer zurück. Eine schwache Flamme, genährt von angekohlten Holzstückchen, brannte bereits. Linda hatte es entzündet.
Je mehr er sich dem Lager näherte, umso mehr nahm die Spannung in ihm ab. Das Häutemesser steckte in seinem Hosenbund, und an seiner Seite schlug der schwere Revolver gegen seinen Schenkel, ein Gefühl, das Sicherheit gab.
Er war gut und gerne einsachtzig groß und von drahtiger Statur, strotzend vor Kraft, die er voll in seinen ausgereiften Schritt legte. Und dieser Schritt war es auch, der immer wieder die Blicke des Mädchens anzog. Vielleicht nicht nur sein Schritt.
Bei der Feuerstelle kniete er nieder und legte trockenes Holz auf das züngelnde, nach Nahrung gierende Flämmchen, darauf grüne Zweige und feuchte Äste.
»Hätte das nicht Zeit gehabt?«, fragte Linda mit einem tiefgründigen Blick aus grauen Gletscheraugen. »Zuerst das Essen, danach Signale.«
»Stimmt«, sagte er und grinste süffisant. »Grüner Rauch würzt das Essen und macht es schmackhaft.«
Linda O’Toole zuckte zusammen und warf einen hilflosen Blick in die Runde. Ihre Stimme zitterte.
»Sie sind so gemein, wie Sie aussehen – einfach scheußlich!«
»Dafür bieten Sie ein angenehmeres Bild, Madam. Sauber und adrett, geradezu zum Anbeißen.«
Linda fuhr empört in die Höhe. »Jetzt werden Sie frech, Mist…«
»Conan«, unterbrach er sie. »Conan genügt.«
»Benimmt sich der Gringo-Bastard nicht richtig, Linda?«, ertönte es aus O’Tooles Richtung. Calderón reckte seine Hühnerbrust und krähte wie ein Hahn.
»Nicht das schon wieder. Still!«, befahl der Rancher und versuchte den Mexikaner zu sich herabzuziehen. »Wir sind in seinem Camp und haben das zu respektieren.«
»Aber auf Ihrem Land, Mr O’Toole. Ich werde den Kerl vor meine Pistole fordern, und das recht schnell!«
Conan antwortete nicht auf den Wutausbruch des Pistoleros. Er hob statt Worte sein Gewehr an, das er keinen Fingerbreit weiter von sich weglegte als es seine Sicherheit erforderte, und hielt es grinsend in die Höhe.
»Schnauze, Bastard!«, schrie de la Barka, kochend vor Zorn, und sprang auf die Füße. O’Toole riss ihn zum zweitenmal zurück. Er beschwichtigte ihn: »Er hat doch gar nichts gesagt, Cal. Lass ihn endlich in Ruhe und fordere den Mann nicht ständig heraus. – He, Mister! Sind Sie sicher, dass die Roten im Anrücken sind?«
Conan zuckte die Schultern und legte sein Gewehr wieder ins Gras. »Im Augenblick interessiere ich mich nur für diesen lausigen Greaser, Mr O’Toole, nicht für Indianer. Den Gringo-Bastard schieße ich ihm eines Tages mit Blei auf den Leib.«
»Lassen Sie mich meinen Revolver holen, Mr O’Toole – Patron, lassen Sie ihn mich holen!«, schrie Calderón de la Barka außer sich vor Wut.
Conan höhnte weiter und übertrieb es dabei wirklich ein bisschen. »Ja, hole ihn, wenn du die Hosen noch nicht voll hast, hole ihn, Greaser!«
Der Rancher schob seinen Körper in die Höhe. Er kam trotz seiner Fettmassen schnell auf die Füße und streckte beide Hände abwehrend nach dem Mexikaner aus.
»Hier bleibst du, Cal! Keine Schießerei in Anwesenheit meiner Tochter. Zum Teufel, seid ihr denn beide verrückt geworden? Jeden Augenblick können die Comanchen hier sein, und ihr versucht euch gegenseitig den Garaus zu machen. Dummköpfe!«
»Mir tun sie nichts, Rancher«, feixte Conan. »Ist richtig, dass sie von Weißen nichts halten, aber mich nennen sie ihren Freund. Ich habe nichts zu befürchten.«
»Schöne Freundschaft«, drang es höhnend aus Calderóns Mund. »Eine Freundschaft zwischen Pferde- und Rinderdieben.«
Bevor Conan in seiner aufreizenden Art antworten konnte, trat ein Ereignis ein, mit dem niemand im Lager gerechnet hatte.
*
Ein nervenzerreißender Schrei gellte durch das Buschwerk, Schüsse fielen, aber getroffen wurde niemand.
Flüchtig sahen die vier Menschen huschende Schatten. Nicht nur menschliche Schatten auf zwei Beinen, sondern auch welche auf vier.
Wiehernd vor Angst machten sich die Reittiere der Lagergäste aus dem Staub. Dass auf der vom Lager abgewandten Seite je ein Indianer an den Mähnen der Tiere hing, konnte keiner sehen. Conan dachte es sich allerdings. Comanchen waren geborene Pferdediebe und verstanden ihr Handwerk.
Als die Starre der Überraschung aus Conan wich, war er mit einem Riesensatz bei seinem Gewehr. Er riss es an sich und blickte suchend umher. Der Rancher und sein Revolvermann rannten ebenfalls zu ihren Waffen.
Aber es gab nichts mehr zu tun. Die Comanchen waren fort, mit ihnen die Pferde und die Gewehre, die in den Sattelhalftern steckten.
O’Toole blieb ruhig, aber Calderón de la Barka tobte und hob zähneknirschend die geballten Fäuste.
»Das haben wir nur diesem Gringo-Bastard zu verdanken! Madre de Dios, das wird mir der Kerl büßen!«
Conan lehnte sich an eine abgebrochene dünne Fichte. Er sah Linda herankommen und umfasste sie mit seinen Blicken und seinen Gedanken. Das Mädchen war längst nicht mehr so unfreundlich wie am Nachmittag. Den Mexikaner beachtete er nicht.
Linda bot ein liebliches Bild. Ihre Hüften rundeten sich unter der hellen Bluse und unter der verdeckenden Buschjacke. Aber dieses Mädchen war viel mehr wert. Für eine junge Frau war sie zwar schlank, doch mit jenen Kurven versehen, für die Männer ein besonderes Auge hatten.
Zwei Hände breit unter dem trotzigen Kinn saßen die Hügel süßer Versprechungen genau dort, wohin sie gehörten, und sie bewegten sich beide bei jedem Schritt mit sanfter Bestimmtheit. Sie musste wohl seine Gedanken gelesen haben, als sie ihm zulächelte und außer Reichweite seiner Hände stehenblieb.
»Es würde mich interessieren, ob Sie das veranlasst haben?«, fragte sie mit scharfer Stimme.
»Was, Madam?«
»Den Pferdediebstahl.«
»Habe ich sie gestohlen?«
»Die Indianer. Man kann sie über Rauchzeichen dazu auffordern. Haben Sie das getan?«
»Gott bewahre! Am liebsten wäre es mir, wenn Sie alle tausend Meilen weit weg wären. Ich will auf die Bisonjagd.«
»Und warum gehen Sie nicht?«
»Kann ich Sie und die beiden Typen in meinem Lager allein lassen?« Conan sah sie fragend an.
»Gäbe es was mitzunehmen? Geld? Wertsachen? Reichtümer?« Sie lächelte verächtlich.
»Nichts dergleichen. Aber die Comanchen könnten zurückkehren und ein Palaver beginnen wollen. Sprechen Sie Comanche?«
»Etwas nasal, aber es geht«, antwortete sie schnippisch. »Hm, ja, das wollte ich Sie schon den ganzen Nachmittag fragen. Gehen Sie zu Fuß auf Büffeljagd?«
»Zu Fuß?« Conan schüttelte stumm und verblüfft den Kopf. »Wer, Madam, geht in diesem Land schon zu Fuß?«
»Das wollte ich nur hören. Wo haben Sie Ihr Pferd?«
»Drei Pferde. Ein Satteltier und zwei Packpferde. Schließlich muss ich die Häute ja in die Stadt bringen.«
»Well, und wo?«
Conan drehte sich herum und wies auf ein Felsmassiv, das sich weiß und haushoch aus dem Chaparral abhob.
»Dort drüben. Ein kleiner Talkessel inmitten jener Kalksteinfelsen. Dort gibt es Wasser und Gras, und den Zugang habe ich mit einem Dornengehege verbaut.«
Linda sah ihn an, und Conan fühlte, dass sie ihm glaubte.
»Gehen wir gelegentlich mal hin? Ich glaube ihnen, Mr McCloud, aber ich würde sie gerne mit eigenen Augen sehen.«
»Einverstanden. Meinetwegen sofort, Madam. Kommen Sie…«
Sie hob die Hand. »Bei Anbruch der Dunkelheit, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Nicht die Bohne, Madam. Also bei Anbruch der Dunkelheit. Warum ausgerechnet zu so später Stunde?«
Linda warf einen versteckten Blick zu der Gruppe der anderen hinüber, die sich lebhaft miteinander unterhielten. De la Barka, wenn er überhaupt so hieß, gestikulierte wild und unbeherrscht mit den Händen. O’Toole schien ihn zu besänftigen, zu beschwichtigen, aber seine Stimme klang dünn, und seine Bewegungen wirkten eckig.
»Ah so …, der Herr Bräutigam«, sagte Conan grinsend und ein wenig anzüglich.
»Quatsch! Bräutigam … Den Mex könnte ich ungespitzt in den Boden rammen.«
»Der Herr Papa?«
»Der auch nicht«, sagte sie nach einem kurzen Zögern, das Conan nicht entging. »Wir gehen also?«
Conan nickte und sah dem Rancher und seinem Revolverträger entgegen, die sich ihm und Linda in diesem Moment näherten.
»Ich rede«, sagte O’Toole zu dem anderen, der erregt mit den Händen wedelte. »Du bist still, Cal, und lässt deinen Revolver dort, wo er steckt. In dem Halfter. Basta!«
»Mr McCloud«, wandte er sich Conan zu, dabei warf er einen fast feindseligen Blick auf das Mädchen. »Mr McCloud«, wiederholte er sich, »haben Sie eine Erklärung für den Pferdediebstahl?«
»Nein.«
»Kein Wort? Keinen Hinweis?«
»Nein.«
»Cal behauptet, Sie hätten den Comanchen über Rauchzeichen mitgeteilt, unsere Pferde zu stehlen?«
»Wenn Ihr liebenswürdiger Cal behauptet, er sähe nachts die Sonne am Himmel und nicht den Mond, glauben Sie das dann auch?«
»Was ich glaube, ist meine Sache. Ich verlange eine Erklärung, und zwar eine überzeugende.«
»Die habe ich Ihnen gegeben. Nein. An dem nein ändert sich nichts. Am liebsten wäre es mir, wenn Sie sich noch heute Abend in die Büsche schlagen, aber ohne Pferde kann ich Sie schlecht fortschicken, das ist mir natürlich klar.«
»Das ist genau der Ton, den Sie anschlagen müssen, um Cal auf die Palme zu bringen.«
»Was glauben Sie, was mich dieses Nichts von Cal interessiert, Mister …«
»O’Toole.«
»Möglich. Warum nicht O’Toole. Jeder kann so heißen, wie er sich nennt«
Der Rancher fuhr in die Höhe, als hätte ihn eine Tarantel gebissen. »Was wollen Sie damit sagen?«
Conan lächelte ihn treuherzig an.
»Nichts, Rancher, wirklich nichts. War nur so ’ne Redensart.«
»Nun ja, natürlich.« O’Toole schlug nach einer Stechmücke, die ihn beharrlich umkreiste. »Entschuldigen Sie, falls ich unhöflich war. Schließlich sind wir Ihre Gäste und für Ihre Gastfreundschaft dankbar.«
Conan beobachtete den Mexikaner. Cal kaute noch auf der Beleidigung herum wie auf Bitterholz. Conan wandte seinen Blick wieder ab und bedachte den Rancher mit einem dünnen, genau abgemessenen Lächeln.
»Es hilft Ihnen nichts, wenn ich sie noch mal herbeirufe. Die gestohlenen Gäule rücken sie nicht mehr heraus. Anscheinend wollen sie nicht mit Ihnen verhandeln, oder Ihre alten Kühe liegen ihnen wie ungekochte Mokassins im Magen. Indianer leiden häufig an Magenverstimmung, Rancher. Sie sollten das wissen.«
»Der verdammte Kerl will uns auf den Arm nehmen!«, brüllte Calderón de la Barka wütend, aber er ließ die Hand vom Revolverkolben, wie O’Toole es ihm befohlen hatte.
Conan drehte seinen Kopf, bekam Linda im Blickfeld, stolperte mit den Augen förmlich über ihre Kurven und Vorsprünge und wünschte, das Mädchen wäre anderswo. Etwa auf der untergehenden roten Sonne oder den rosa Wölkchen am Horizont. Seinetwegen auf dem Mond, jedoch auf der Rückseite des Erdtrabanten, damit er die weiblichen Superformen nicht mehr sehen konnte.
Aus der nahen Prärie kam ein schnaufendes Getöse, das von einem stechenden Geruch begleitet wurde.
»Um Himmels willen, was ist denn das?« Cal fuhr herum, und jetzt sauste seine Hand zum Halfter.
»Nur zwei Bisonbullen, die wegen einer Kuh in Streit geraten sind«, sagte Conan grinsend, zwinkerte der rot werdenden Linda zu, presste dem Mexikaner den Gewehrlauf in den Rücken und fuhr fort: »Wir beide geraten doch nicht in Streit, was, Cal, mein Amigo? Das würde dir Strauchdieb auch schlecht bekommen. Ganz gleich, wie du es anstellst, ich werde immer eine Idee schneller sein als du. Lass also deine Kanone stecken, Bruderherz.«
Calderón de la Barkas Hand stockte. Langsam hob er beide Hände in Schulterhöhe und drehte den Kopf ein wenig. Halb über die Schulter sagte er: »Du verkennst das, du verdammter Gringo. Noch will ich dir nicht ans Leder – noch nicht. Aber der Tag wird kommen, so oder so, und dann wird sich erweisen, wer der Schnellere von uns beiden ist.«
»Soll mir recht sein«, antwortete Conan und senkte den Gewehrlauf. So manche Donnerbüchse war schon losgegangen, ohne dass es ihr Träger wollte. »Marschiert ins Camp und verhaltet euch ruhig, wenn ihr nicht von den Comanchen skalpiert werden wollt. Ich gehe mich derweil ein bisschen umsehen.«
Er gab Linda mit einem Kopfzeichen zu verstehen, was er vorhatte. Sie senkte die Lider und sah danach in eine andere Richtung.
Conan McCloud ging davon.
*
Der Büffeljäger hatte einen ganz besonderen Sinn für drohende Gefahren. Er hatte ihn in der Wildnis überleben lassen, ruhiger war er aber dadurch keineswegs. Und jetzt überfiel es ihn wieder mit großer Heftigkeit.
Linda hatte bei Anbruch der Dunkelheit keine Lust verspürt, mit Conan zu gehen, und er hatte noch weniger Lust, ihr den Trip zu seinem verborgenen Tal einzureden, doch O’Toote hatte sie geschickt dazu gezwungen.
Conan zuckte die Achseln. Für ihn war das nicht wichtig. Der Mexikaner schien dagegen enttäuscht, dass das Mädchen mit dem Büffeljäger ging. Vielleicht hing er mehr an Linda, als es für beide gut war.
Conan hatte so ziemlich den gesamten Dialog zwischen seinen Gästen mitbekommen und wurde vorsichtig. Bevor er loszog, überprüfte er sorgfältig seinen Revolver und entnahm seinem Gepäck einen zweiten Colt, den er in den Gürtel schob. Das Gewehr vergaß er sowieso nie, denn gegen einen angreifenden Bison war ein Revolver nutzlos.
Conan McCloud war also mit Linda in der grauen Dämmerung eingetaucht, und sofort danach stimmte der Rancher das hohe Lied seiner Verdachtsmomente wieder an.
»Der verdammte Bastard weiß alles«, sagte er. »Wir müssen ihn so schnell wie möglich loswerden und von hier vertreiben.«
Calderón sprang auf, als sei unter seinem Sitzfleisch eine Spiralfeder explodiert. Sein braunes Gesicht wies graue Flecken auf. Energisch schüttelte er den Kopf.
»Nicht so, wie du dir das denkst, Fitz – nein, niemals so. Mit einem Mord will ich nichts zu tun haben. Schau mal, Fitz, soweit brauchen wir nicht zu gehen. Jedenfalls nicht bei einem Verrückten. Der läuft nicht herum und erzählt sein Wissen prahlerisch weiter. Wo auch? Sechzig Meilen im Umkreis findet er keinen, der zuhören kann.«
»Und wie kriegen wir ihn von der Bühne?«
Cals Hand klatschte auf das Halfter.
»So, nicht anders. Aber nicht von hinten und nicht für ihn unvorbereitet. Auge in Auge werden wir uns gegenüberstehen, wie es sich gehört.«
»Und wenn er dich tötet?« Mit einer Handbewegung setzte er hinzu: »Dann bin ich mit dem Weibsbild allein, und du wirst mir, bevor du nach oben abschwirrst, sagen müssen, wie ich das Ding ohne dich drehen soll.«
Cal reagierte genauso, wie er sich das vorgestellt hatte. Der verdammte Ehrenkodex der Revolvermänner stand ihm bei seinem Vorhaben im Wege und würde durch nichts zu beseitigen sein. Er maß den Dürren mit kalten Augen.
»Ist das an Vorschlägen alles, was du vorzubringen hast?«, fragte er eisig.
»Du könntest ihn fragen, ob er bei uns mitmachen will«, schlug Cal vor.
O’Toole schüttelte langsam den Kopf. Seine Augen bewegten sich dabei nicht. Es war ein merkwürdiger Eindruck, den er damit hervorrief.
»Wir haben genug Dummköpfe unter uns. Mindestens einen. Der bist du, Cal. Du.«
»Warum bin ich ein Dummkopf, kannst du mir das erklären?«
»Du sitzt in Sunray«, herrschte ihn O’Toole an. »Seit vielen Wochen wusstest du, dass er dort seine Felle verkauft, die er in diesem Gebiet jagt. Und getan hast du nichts, nicht einmal mich hast du benachrichtigt.«
»Okay, mein Fehler, wenn’s einer ist. Und was hast du getan? Das Mädchen mitgeschleppt. Diese blöde Gans verdirbt uns mit ihren blöden Allüren völlig das Konzept. Oder hast du die Kuhaugen nicht gesehen, die sie dem Büffeljäger macht?«
»In der Tat, nein«, sagte O’Toole höhnisch. »Von Kuhaugen habe ich wirklich nichts beobachten können. Im Gegenteil, mir war am Nachmittag, als hätte sie ihm am liebsten die Augen ausgekratzt. Hm, vielleicht liegt es auch daran, dass du in sie verliebt bist, und Dinge siehst, die nicht gegeben sind. Reiß dich zusammen, du Flasche!«
Verzweifelt suchte der Mexikaner nach einem Ausweg aus seinem Dilemma, einen wenigstens kleinen moralischen Halt. Aber der dicke Rancher ließ sich auf keine Argumente ein.
»Was zu tun ist, tue ich sofort, und du hilfst mir dabei. Vergiss nicht, dass uns der heuchlerische Halunke die Pferde von seinen roten Freunden hat klauen lassen. Wenn er zur Hölle fährt, haben wir Pferde. Seine.«
»Aber das ist doch …«
»Spar dir’s, Cal, es interessiert mich nicht. Möchte wissen, was der Kerl hier treibt.«
»Büffel jagen.«
»Du bist noch ein größerer Idiot, als ich dachte. Mann, bist du dämlich! Der und Büffel jagen. Der tut doch nur so und hüllt sich in den Deckmantel eines Jägers. Aber in Wirklichkeit hat der ganz etwas anderes vor.«
»Und was denkst du?«
»Bin ich allwissend? Möglicherweise ist er ein Gesetzesmann, einer von den Rangers, oder ein Bundesmarshal, der von irgendeiner Seite einen Wink bekommen hat. Die Probesprengungen am Rio Grande können nicht unbemerkt geblieben sein.«
»Also doch.«
*
»Was doch?«
»Ein Camp im abgelegensten Teil von Texas, ein Mann mit einem Büffelgewehr, eine geheime Wasserstelle, indianische Freunde … Vielleicht erfinden wir die Verdachtsmomente nur, aber wie dem auch sei. Siehst du, Fitzgerald, ich freue mich direkt darauf, dass es so und nicht anders ist, denn dann kann ich beweisen, dass ich noch meine alte Geschicklichkeit, meine alten Reflexe mit dem Revolver habe. Oft ist es ein großer Vorteil, wenn man klein, flink und schnell mit der Revolverhand ist, statt groß und dick.« Er grinste überheblich.
O’Toole schüttelte so heftig den Kopf, dass seine aufgedunsenen Wangen wabbelten.
»Immer diese Protzerei mit der Waffe. Du bist ein noch viel größerer Idiot, als ich dachte. Dick …, natürlich bin ich dick und groß und nicht so schnell wie du, aber dafür habe ich mehr in meinem Kopf, verdammt mehr!«
Cal, der Schlanke, Kleine, winkte ab und grinste.
Er sagte nur ein Wort: »Mierda!« Dann fuhr er fort und lenkte den Zorn des Ranchers ab wie ein geschickter Matador, der das rote Tuch schwingt, um den Stier zu täuschen. »Meinst du, dass sie sich in ihn verliebt hat?«
»Weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Er wird noch in dieser Nacht in die ewigen Jagdgründe einziehen. Dort kann er Büffel jagen, so viel er will.«
»Gut, mach, was du willst. Wir sollten ihn natürlich und freundlich behandeln, damit er nicht misstrauisch wird. Wie, Freund, willst du ihn auf sichere Art ins Jenseits befördern? Mit deinem Revolver oder mit Feuer und Schwert?«
»Wir sind so freundlich zu ihm, dass wir ihm ordentlich Angst einjagen«, knurrte O’Toole. »Mit deiner Kanone natürlich.«
»Soll ich den Streit anzetteln und ihn herausfordern?«
»Blödsinn! Darüber haben wir doch gesprochen. Kein Duell. Er ist dir mit dem Revolver überlegen. Und unsere gemeinsame Arbeit verträgt keinen Verzicht auf dich. Wenn es geschehen ist, gehe ich nach Sunray. Meine Gewährsleute werden sich in der Monatsmitte in der Stadt aufhalten, um das weitere Vorgehen mit uns zu besprechen … Genauer, mit mir. Du bist nur ein Statist, das ist doch hoffentlich klar?«
»Aber sicher. Ich erhalte meine Befehle von dir. Natürlich ist das sicher.«
*
Finsternis begleitete sie. Der Mond war noch nicht aufgegangen, und die Sterne, die dünn und funkelnd am Himmel standen, hatten noch nicht die Kraft, die Dunkelheit zu durchdringen.
Weiß und gezackt standen die Kreidefelsen vor ihnen, eine seltsame geologische Formation, die sich aus Kreide und hartem Kalkgestein zusammensetzte. Ihre Füße blieben in Schlingpflanzen und Speerdorn hängen, und als sie den Gürtel aus Sagebusch erreichten, knisterte es bei Schritt und Tritt.
»Kommen wir denn gar nicht näher?«, fragte Linda und blickte zum Himmel empor.
»Doch, mit jedem Schritt.«
Sie vernahm deutlich den Spott in seiner Stimme, blieb stehen und stampfte mit dem Fuß auf. In ihrer Stimme schwang ein Unterton mit, den er bisher nicht kannte. Es war ein bissiger und verstimmter Ton.
»Sie sind gemein«, sagte sie und stampfte ein zweites Mal auf. »Was bilden Sie sich eigentlich ein?«
Conan lachte. »Nichts«, erwiderte er. »Gar nichts, mein Täubchen.«
»Sie sind ein Angeber, und Sie tragen ganz schön dick auf.«
»Ah, wegen heute Nachmittag, wie? Das ist so meine Art, mit unbequemen Leuten fertig zu werden. Falls sich der Mex wieder mausig macht, zeige ich ihm, wo’s langgeht. Wie kommen Sie eigentlich in die Gesellschaft dieser beiden Haie?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Linda ging weiter und ließ den Jäger einfach stehen. Übergangslos tauchte ein neuer Gedanke in ihr auf, der die umgebende Wildnis betraf. Und wieder verhielt sie ihren Schritt.
»Schlangen«, sagte sie. »Hier gibt’s doch Klapperschlangen, nicht?«
»Nicht während der Nacht, sie lieben die Kühle und die Dunkelheit nicht. Gehen Sie nur ruhig weiter, außerdem bin ich bei Ihnen und werde Sie beschützen.«
»Wie schön«, höhnte sie. »Der Mann, der alles kann und noch mehr weiß, beschützt mich. Großartig!«
»Finde ich auch«, kam die trockene Antwort. Conan McCloud verhielt den Schritt. Der Eingang zu der verborgenen Wasserstelle lag vor ihnen. Seine Hand tastete nach der von Linda, um sie auf den schmalen Spalt aufmerksam zu machen.
»Lassen Sie das«, fauchte sie und entriss ihm ihre Hand. »Der Mexikaner ist offensichtlich zu sanft mit Ihnen umgegangen.«
»Ach, der …«, kam verächtlich das Echo. »Ist wohl Ihr Geheimtipp in der Liebe, wie?«
»Sie werden von Minute zu Minute unausstehlicher. Der und mein Geheimtipp! Dass ich nicht lache.
»Seien Sie bitte vorsichtig. Wir stehen unmittelbar vor dem Eingang zu meinem Tal. Riechen Sie das Wasser?«
»Ich rieche nur Ihre widerliche Anwesenheit, Sie aufgeblasener Storch. Gehen Sie voran!«
Conan ging feixend an ihr vorbei, sie sah es aber nicht. Der Spalt war eng und nicht sehr tief. Ein Pferd konnte ihn gerade noch passieren. Ein Pferd ohne Last, Reiter oder Packen.«