Читать книгу Die Antariksa-Saga IV - Blinder Hass - Alexander Merow - Страница 7
Der Auftrag
ОглавлениеZwei Dienstmägde huschten schnellen Schrittes aus dem Jagdzimmer des Fürsten, nachdem sie dessen Sohn mit ein paar nicht sehr freundlichen Gesten fortgescheucht hatte. Irmynar stiefelte mit verkniffener Miene an den beiden Frauen vorbei, um sich dann seinem Vater zuzuwenden.
Der gutmütige Adelige fummelte indes mit fragendem Blick an einem Goldknopf seines Gewandes herum und brummte: »Was kann ich für dich tun, mein Junge?«
Irmynar presste die Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammen, seine Augen blitzen zornig auf, während er sich bemühte, einen Wutanfall zu unterdrücken.
»Was ist denn?«, fragte Fürst Loghar.
Dieser … dieser Berbianer! Dieser widerwärtige, ungoldene Parasit! Was hat der überhaupt bei uns zu suchen? Man könnte langsam den Eindruck bekommen, dass er schon bei uns im Haus wohnt!«, schnaubte Irmynar.
»Ganz ruhig, mein Sohn«, antwortete der Fürst und ließ ein verlegenes Räuspern folgen.
Es war ein seltsames Bild: Auf der einen Seite der hochgewachsene, blonde Jüngling, welcher ganz dem Idealbild eines leevländischen Ritters entsprach, und auf der anderen Fürst Loghar. Letzterer wirkte wie die Gutmütigkeit in Person, was durch seinen kleinen Kugelbach, die rosaroten Pausbacken und das kurze Kinn noch unterstrichen wurde. Außerdem überragte ihn Irmynar um mehr als einen Kopf. Er kam eher nach seiner Mutter, der seligen Fürstin Janina, die schon kurz nach seiner Geburt am Sumpffieber gestorben war.
»Warum leihst du dir eine so hohe Summe von diesem Betrüger? Das kann ich einfach nicht begreifen, Vater!«, schimpfte Irmynar.
»Ungoldener Parasit, betrügerischer Berbianer und so weiter. Du bist voller Vorurteile gegenüber Zaydan Shargut. Was hat dir dieser Mann denn bloß getan, dass du ihn so hasst? Verachtest du ihn, nur weil er kein Leevländer ist? Das ist doch absolut lächerlich«, meinte Loghar.
»Er ist nicht ehrlich, Vater. Diese Berbianer sind doch …«, wetterte der Fürstensohn.
Sein Vater lächelte milde. »Ja, sie sind alle Betrüger. Und natürlich sind sie auch nicht so viel wert wie wir edlen Leevländer, nicht wahr?«
»Dieser glupschäugige Wucherer ist schlichtweg nicht vertrauenswürdig! Das fühle ich einfach! Er umgarnt dich, schmeichelt dir und kriecht unter deine Haut wie ein Aderwurm. Ständig schleicht er durch unsere Residenz, weil er es auf unser Vermögen abgesehen hat oder sonst irgendetwas ausheckt.«
»Ich habe mir noch etwas Geld für das eine oder andere Bauvorhaben geliehen, mein Sohn. Zaydan hat nun einmal Geld, also leihe ich mir ein wenig. So einfach ist das. Wir haben einen Vertrag geschlossen, alles geht mit rechten Dingen zu. Was ist daran verwerflich?«
»Der ehrenwerte Herr Shargut nimmt 50 Prozent Zinsen! 50 Prozent!«, ereiferte sich Irmynar.
Allmählich nahm die Gutmütigkeit des Fürsten ab. Umso lauter sein Sohn wurde, umso ungehaltener wurde nun auch Loghar. »Ich habe diesen Zinssatz akzeptiert und bin froh, dass mich Herr Shargut unterstützt.«
»Unterstützt?«, fauchte Irymnar mit zynischem Unterton. Mürrisch verschränkte er die Arme vor der Brust, verzog den Mund und neigte den Kopf leicht zur Seite.
»Du wirst mir nicht vorschreiben, bei wem ich mir Geld leihe, Irmynar. Mach dir keine Sorgen, du wirst schon noch genug erben, wenn ich eines Tages ins Goldene Taira eingehe«, knurrte der Fürst.
»Darum geht es mir nicht«, gab sein Sohn zurück.
»Ich wünsche jedenfalls keine weiteren Diskussionen mehr über dieses Thema. Und jetzt darfst du gehen, mein Junge.«
»Sehr wohl!«, erwiderte Irmynar. Er verneigte sich theatralisch, ganz wie einer der Hausdiener, und machte dann auf dem Absatz kehrt.
»Zaydan Shargut hat die halbe Welt bereist und spricht mehrere Sprachen. Zudem hat er viele schreckliche Dinge gesehen und furchtbar gelitten, dort hinten im fernen Manchin. Aber dennoch ist er ein lebensfroher Mann geblieben. Etwas mehr Respekt vor anderen Menschen und etwas weniger dumme Ignoranz würden dir gut tun, mein Lieber«, rief Loghar seinem Sohn noch nach.
»Haben wir nicht gehabt immer gutes Verhältnis, König der Orks?«, fragte der Häuptling der Tokmar in gebrochenem Steppenorkisch.
Grimzhag sah von seinem Thronpodest aus auf den bärtigen Menschenkrieger herab. Er brummte nachdenklich, während ihn der Gast erwartungsvoll musterte.
»Ja, das haben wir. Im Manchinkrieg haben Orks und Tokmar zusammen gekämpft. Viele Menschlingsstämme aus den Steppen haben uns geholfen. Ihr wisst, Häuptling Amrath, dass ich Eurem Stamm gut gesonnen bin«, sagte der junge Brüller.
»Das wissen wir Tokmar«, gab der Nomadenführer mit unzufriedenem Unterton zurück.
»Was kann ich denn für Euch tun, Amrath?«, hakte Grimzhag nach.
Der Mensch breitete die Arme aus und sprach: »Nordmanchin gehört jetzt den Orks, wir Menschen aus Steppe dürfen nicht wohnen dort. Nur Orks dürfen wohnen in diese Land, wo alles wachsen in Boden.«
»So war die Abmachung, Menschling«, fügte der Mazauk sogleich hinzu.
»Stamm der Tokmar lebt weiterhin in Steppe, genau wie andere Stämme von Menschen auch.«
»Wir hatten von Anfang an einen Pakt«, erklärte Grimzhag leicht verärgert. »Die Orks bekommen Manchin bis zum Jadefluss und ihre menschlichen Verbündeten dürfen plündern so viel sie wollen.«
»Ja, ich weiß!«, meinte Amrath. Der breitschultrige Steppenreiter, um dessen Hals mehrere Gnoggzahnketten hingen, schaute Grimzhag mit verbissener Miene an.
»Ist das jetzt nicht mehr gut genug?«, wollte der Orkkönig wissen.
»Die Tokmar wollen auch haben gute Land, wo ist warm und schön«, erwiderte der Mensch, um dann nach orkischer Art bekräftigend aufzustampfen.
»Nordmanchin gehört allein den Orks, so war unsere Abmachung, Amrath«, betonte Grimzhag. Er stand von seinem Thron auf und donnerte den Fuß dreimal hintereinander auf den Boden.
Amrath hob die Hand, er lächelte. Offenbar wollte er Grimzhag nicht zu sehr bedrängen oder gar erzürnen. »Nein, schon gut. Wir wollen nicht Land in Manchin. Wir wollen Land in Hangko.«
»In Hangko?«, rief Grimzhag überrascht.
»Ja, Menschenstämme haben Versammlung gemacht. Viele Häuptlinge waren da. Wir stellen eigene Armee aus Reitern der Steppe auf, dann wir greifen an das Reich Hangko und nehmen dort das Land, König der Orks.«
Soork, der sich das Gespräch die ganze Zeit über schweigend angehört hatte, stellte sich neben Grimzhag und hob seinen Schamanenstab in die Höhe.
»Die Steppenstämme der Menschlinge bereiten also einen Feldzug gegen das Königreich von Hangko vor? Ist das richtig?«
»Richtig, Orkdenker!«, antwortete Amrath.
»Und wer soll das Heer der Menschlinge anführen?«, wollte Grimzhag wissen. »Häuptling Igural vom Stamm der Karonchai«, sagte der Nomadenführer.
»Ich verstehe …«, murmelte der junge Brüller und wirkte von den neuen Nachrichten überhaupt nicht begeistert.
»Jetzt wir bitten Euch, Wütender, uns zu helfen mit Soldaten der Orks«, fügte Amrath hinzu.
»Ich soll dem Heer der Steppenmenschlinge meine Krieger als Unterstützung mitgeben, damit ihr Hangko erobern könnt?«
»Ja, König Grimzhag, wir wollen Eure Hilfe«, sprach der Stammesführer mit dem roten Bart.
»Nein!«, rief Soork dazwischen. »Das kommt gar nicht in Frage, Amrath von den Tokmar. Wir haben einen Friedensvertrag mit Kaiser Fushang I. von Manchin. Wenn wir einen Krieg mit dem Reich Hangko beginnen, dann könnten sich auch die Manchinen wieder provoziert fühlen. König Grimzhag ist froh, dass inzwischen Ruhe am Jadefluss ist.«
Amrath betrachtete den Orkkönig und seinen Berater mit einer Mischung aus Enttäuschung und Verägerung.
»Also keine Hilfe für Menschenreiter der Steppen, wie?«, zischte er. »Soork der Schamane hat bereits alles gesagt, Häuptling der Tokmar. Ich kann mir keinen neuen Krieg leisten. Ein Angriff auf Hangko führt vielleicht zu einem neuen Konflikt mit Manchin oder gar dem uns fast unbekannten Inselreich Anchigun. Es tut mir leid, aber ich kann euch diesmal keine Truppen schicken«, erklärte Grimzhag.
»Aha!«, brummte Amrath.
»Und auch ihr Menschlinge der Steppen solltet euch einen Angriff auf das Königreich Hangko gut überlegen. Ich kann nämlich nur davon abraten, denn dieses Land ist allen Stämmen der Steppe fremd, sowohl den Orks als auch den Menschlingen«, warnte der junge Brüller mit erhobener Klaue.
»Wenn Orks nicht helfen, reitende Menschen werden alleine Krieg machen«, fiel ihm Amrath mürrisch ins Wort.
»Wenn es euren Stämmen an Fleisch oder Wasser mangelt, dann kann ich euch gerne aushelfen, aber ich werde keinen neuen Feldzug beginnen.«
»Dann wir machen alleine. Ich werde Igural erzählen, was Orks gesagt haben, König Grimzhag.«
»Es tut mir leid!«
»Wir wollen gute Land haben und wir werden uns holen gute Land – in Hangko. Igural ist tapfere Krieger. Wir haben keine Angst vor Leute aus Hangko. Igural meint, sie sind schwach«, erklärte der Nomade.
»Wenn ihr schon Krieg führt, dann bereitet den Feldzug gewissenhaft vor«, entgegnete ihm Grimzhag. »Schickt Späher aus, die sich zuerst einmal in Hangko umsehen und das Land auskundschaften.«
»Igural weiß auch, wie man Krieg macht!«, knurrte Amrath.
Bevor Grimzhag noch etwas erwidern konnte, verabschiedete sich der Stammesführer und verließ den Thronsaal. Tiefe Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, hatte er doch fest mit der Hilfe der Orks gerechnet.
Der schlaksige Adelige aus dem ostmärkischen Grenzland sah Zaydan prüfend an, bevor er sich ein flüchtiges Lächeln abrang. Dann ergriff er die ausgestreckte Hand des Berbianers und schüttelte sie.
»Ich heiße Euch in meinem Haus willkommen, Herr Shargut«, sagte der Mann förmlich.
Sein Gast gab vor, entzückt zu sein. »Es ist mir eine große Ehre, mein Bester.«
»Ich bin beeindruckt. Euer Leevländisch hat sich seit unserer letzten Begegnung wirklich enorm verbessert«, sprach der Baron, der Zaydan bereits sehnsüchtig erwartet hatte.
»Jeden Tag entdecke ich neue Worte. Leevländisch ist nicht einfach, aber man kann die Sprache gut lernen«, scherzte der Geldverleiher im Gegenzug.
Sein potentieller Klient kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. Anschließend blickte er sich misstrauisch um, als hätte er soeben eine Straßendirne in seine Residenz gelassen.
»Fürst Loghar hat Euch mehrfach empfohlen. Auf seine Meinung lege ich großen Wert. Er hat mir gesagt, dass Ihr die finanziellen Mittel habt, um mir bei meinem Anliegen behilflich zu sein.«
Shargut nickte. »Ich vermute, dass ich das kann.«
»Ich habe in nächster Zeit einiges vor. Eine Menge Sachen. Wie auch immer, ist ja auch nicht so wichtig. Jedenfalls benötige ich um die 20.000 Goldstücke. Wäre das möglich?«
Zaydan nickte erneut. »Selbstverständlich!«
»Zinssatz?« Der Baron sah sich um, er wirkte gehetzt. Außer seinem Gast aus der Fremde und ihm selbst befand sich niemand sonst in dem kleinen Besprechungszimmer. Dennoch machte der Adelige einen sehr nervösen Eindruck.
»Ich nehme bei Euch 45 Prozent, werter Herr Baron«, säuselte Zaydan.
Der Adelige schob die Augenbrauen ein wenig missmutig nach oben. »Das ist nicht gerade wenig«, murrte er.
»Dafür bekommt Ihr das Geld aber sofort. Und alles läuft ohne Zeugen und ganz leise ab«, antwortete Zaydan ungerührt.
»Ja, in Ordnung. Lasst uns die Sache schnell über die Bühne bringen«, drängte der Klient.
Der berbische Bankier zog eine Pergamentrolle aus der Jackentasche, breitete den Vertag auf dem Schreibtisch des Barons aus und deutete auf das freie Feld unter dem Text. Wortlos unterzeichnete der Adelige. Zaydan steckte den Vertrag wieder ein und lächelte zufrieden.
»Das wäre erledigt«, sagte er. »Einer von meinen Mitarbeitern wird Euch morgen das Gold bringen.«
»Hoffentlich klappt alles«, murmelte der Baron sichtlich erregt. Der grauhaarige Edelmann, dessen eingefallenes Gesicht von tiefen Furchen und Falten durchzogen war, ließ ein leises Schnaufen erklingen.
»Macht Euch keine Sorgen«, beruhigte ihn Shargut.
Schweigend trommelte der Leevländer mit den Fingern auf der Platte seines Schreibtisches herum. »Und die andere Sache?«, flüsterte er schließlich.
»Da bin ich noch bei, versteht Ihr?«, erklärte Zaydan mit einem breiten Grinsen.
»Sie kann irgendwo in Richtenhof wohnen, ich werde alles bezahlen. Aber noch ganz jung soll sie sein, mit schönen schwarzen Locken und dunklen Augen. So ein richtiges Wüstenmädchen«, meinte der Baron.
»Wir bekommen das hin, mein Freund«, erwiderte Shargut.
»Aber kein Wort zu niemandem, auch nicht zu Fürst Loghar. Auf gar keinen Fall!«, wisperte der Baron, sich über den Tisch beugend.
»Kein Wort! Natürlich!«, versicherte der Bankier.
Sein adeliger Klient erhob sich von seinem Platz. Er bemühte sich, freundlich zu lächeln, doch wirkte er dabei verstockt und nervös.
»Das wäre es dann, Herr Shargut. Ich bedanke mich«, sagte er leise.
»Und ich ebenfalls, werter Baron«, gab Zaydan zufrieden zurück.
»Dann sehen wir uns sicherlich das nächste Mal bei der Hochzeit des Zwergenprinzen, nicht wahr?«, fügte der Leevländer noch hinzu.
»Hochzeit?«, wunderte sich Zaydan.
»Fürst Loghar wird auf jeden Fall dort sein. Ich dachte eigentlich, Ihr auch, da Ihr ja oft an seiner Seite seid«, sprach der Baron.
»Von welcher Hochzeit redet Ihr, verehrter Herr?«, fragte Zaydan und machte einen äußert interessierten Eindruck.
Der Leevländer hob den Zeigefinger. »Na, davon spricht doch schon der gesamte Adel der Ostmark. Der Zwergenprinz von Kazhad Mekral, Hignir IV., wird demnächst die Tochter des Khuzkönigs von Kazhad Harush heiraten. Wir Ostmärker, natürlich nur die Männer von Rang, werden dem Spektakel definitiv beiwohnen. Immerhin sind wir ja alte Zwergenfreunde.«
Plötzlich starrte Zaydan für einige Sekunden finster ins Leere. Jedoch nur für die Zeit eines Wimpernschlages, zu kurz, dass es dem Baron hätte auffallen können. Schließlich lächelte der Bankier wieder milde und erwiderte: »Davon hatte ich bisher noch gar nichts gehört. Erzählt mir doch ein wenig mehr darüber, verehrter Baron. Eine Hochzeit unter den Zwergen, sagt Ihr? So, so, der Prinz von Kazhad Mekral. Das macht mich neugierig.«
Der Tempel der Zucht, jener immer größer werdende Monumentalbau, den Grimzhag etwa fünfzig Kilometer westlich von Karokum aus dem Steppenboden stampfen ließ, war von allen Bauvorhaben das liebste Kind des Orkherrschers. Bisher stand erst das dreistöckige Hauptgebäude des riesenhaften Komplexes, der eines Tages der orkischen Urmutter Shubukku geweiht und zur Geburtsstätte tausender Grauaugen werden sollte.
Rund um das aus klobigen Steinquadern bestehende Gebäude türmten sich Berge von Baumaterial zwischen hölzernen Gerüsten, schwitzenden Arbeitern und brüllenden Lastentieren auf. Grimzhag war begeistert, als er sich, begleitet von Soork, Cuglakk, Zugrakk und seinem Sprössling Kulghor, dem Zuchttempel näherte und ihm ein Begrüßungskomitee aus Geistesbegabten entgegeneilte.
Die Orkdenker empfingen den König und seine Begleiter mit demütigen Brummlauten, während Grimzhag die Klauen in die Höhe warf und ihnen zurief: »Wie schön das Haupthaus bereits ist, obwohl ja noch viel zu tun ist!«
»Ja, da hat er wieder einmal etwas Tolles aufgezogen«, bemerkte Cuglakk kichernd und fing anschließend an zu husten.
»Aber ich darf da jetzt auch rein, oder?«, murmelte Zugrakk leise in Grimzhags Richtung. Dieser drehte sich um.
»Obwohl du kein Edelork bist, so erlaube ich es dir dennoch, deinen Fuß in den Tempel der Zucht zu setzen«, antwortete der Mazaukhäuptling förmlich.
»Wirklich zu gütig, allmächtiger Großkönig aus bestem Wurf«, gab der Krieger zurück.
Dann führten die Geistesbegabten die Gäste über einen großen, gepflasterten Platz hin zum Eingang des Haupthauses. Kurz davor baten sie Grimzhag jedoch stehen zu bleiben, denn sie wollten ihm eine Überraschung bereiten.
»Es ist so weit, ihr Cramogg!«, rief einer der Orkdenker mit bebender Stimme, während der junge Brüller und seine Begleiter erwartungsvoll mit den Oberkörpern wippten.
Einen Augenblick später strömte eine große Gruppe Orkweibchen aus dem Gebäude heraus. Sie begrüßten ihren König demütig, um sich dann in Reih und Glied, einer Grauaugenkampftruppe gleich, auf dem Platz zu formieren. Zugrakk musste grinsen, doch Grimzhag betrachtete die Cramogg mit stolzgeschwellter Brust und ging ein paar Schritte auf sie zu.
»Obwohl das große Haus noch nicht ganz fertig gestellt ist, werden wir es schon in der nächsten Paarungszeit nutzen. Es werden weitere Cramogg aus den östlichen Stämmen kommen, auf dass es bald zu einem großen Akt der Zucht auf diesem heiligen Boden kommen kann, Wütender«, erklärte ein junger Orkdenker, der das königliche Begattungsprogramm maßgeblich organisierte.
»Großartig!«, stieß Grimzhag aus.
»Überall unter den Stämmen gibt es noch Weibchen, die in der Lage sind, Grauaugen zur Welt zu bringen. Wir sind bemüht, sie alle aufzusuchen und gemäß Euren Vorgaben an diesen gesegneten Ort der Zeugung zu bringen«, ergänzte ein zweiter Geistesbegabter.
»Das freut mich! Meine Grauaugenkrieger stehen bereit, um zum Tempel der Zucht zu marschieren und ihre Pflicht zu tun«, sagte Grimzhag.
Soork befahl Zugrakk, keine dummen Kommentare abzugeben, denn dieser grinste inzwischen bis über beide Ohren. Doch was verstand schon ein gewöhnlicher Ork von den hochfliegenden Visionen einer neuen Adelskaste edelster Grünhäute, die sein Freund und König in seinem Kopf entworfen hatte.
»Auch wenn es noch einige Sonnenzyklen dauern wird, bis dieser Tempel fertig ist, so bin ich sicher, dass er eines Tages zu einem imposanten Symbol des Wiederaufstiegs unseres Volkes werden wird«, sprach Soork, wobei grenzenlose Begeisterung in seiner Stimme mitschwang.
Derweil leuchteten Grimzhags graue Augen immer heller. Für einen Moment schwelgte er in Tagträumen und musste vor Aufregung leise schnaufen.
»Wenn diese Paarungszeit vorüber ist und die edelblütigen Cramogg trächtig sind, dann werden wir mit der zweiten Phase des Zuchtvorhabens beginnen und auch die Blutlinie der Geistesbegabten wieder stärken«, erläuterte ein Denker.
»Ha! Dann müsst ihr Schwätzer auch mal ran!«, plapperte Zugrakk lachend dazwischen, bevor Grimzhag noch etwas erwidern konnte.
Kulghor knurrte verärgert; die anderen Anwesenden brummten leicht brüskiert, doch das störte den einfachen Ork nicht.
»Gibt es denn irgendwann auch mal ein Zuchtprogramm für normale Orks?«, wollte Zugrakk dann wissen.
Grimzhag fasste sich stöhnend an den Kopf. »Es gibt genug normale Orks! Mehr als genug! Uns fehlen Grauaugen und Geistesbegabte! Orks und Snags gibt es doch wie Grashalme in den Steppen.«
»Also ich bin kein Snag, ja?«, murrte Zugrakk eingeschnappt.
»Äh, ich würde Euch nun gerne das Haupthaus zeigen, Mächtiger«, drängte der das Zuchtprogramm leitende Orkdenker, »es hat sich seit Eurem letzten Besuch einiges verändert. Die Arbeiter sind sehr fleißig gewesen.«
»Ja, natürlich!«, gab Grimzhag zurück. Er warf Zugrakk einen grimmigen Blick zu, der ihm klarmachte, dass es besser war, das Maul zu halten.
Die Cramogg strömten derweil wieder in das große Gebäude hinein, um sich auf die anstehende Massenpaarung vorzubereiten.
Nicht nur Grimzhag, sondern auch seine Begleiter, waren begeistert, als sie in die gewaltige, von mächtigen Rundsäulen getragene Eingangshalle des Haupthauses kamen. Wenn der Tempelkomplex eines Tages fertig wäre, so würde er ein spirituelles Zentrum der neuen Orkherrlichkeit sein, sinnierte der König.
Lediglich Zugrakk, als gewöhnliche Durchschnittsgrünhaut, war von all den hochwohlgeborenen, in jeder Hinsicht überlegenen Orks, die ihn hier umgaben, nicht sonderlich begeistert. Der Krieger grantelte für den Rest des Tages vor sich hin und ignorierte seinen überheblichen Freund Grimzhag, der wie ein Menschlingskaiser kluge Reden hielt, herumstolzierte und allerlei komisches Denkerzeug schwafelte.
Als die Paarungszeit kam, gingen schließlich Hunderte von Grauaugenorks im Tempel der Zucht ihrer Zeugungspflicht nach. Ganz, wie es ihr König befohlen hatte. Und die Begattung der ausgewählten Cramogg wurde ein gewaltiger Erfolg, wie die Orkdenker ihrem Herrn in Karokum bald voller Stolz verkündeten. Grimzhag war hochzufrieden mit der großen Anzahl trächtiger Orkweibchen, die in naher Zukunft ganze Scharen starker Grauaugenkrieger oder edelblütiger Cramogg auf die Welt bringen würden. Die gezielte Zucht und Vermehrung der höchsten Orkrasse, die über Jahrhunderte vernachlässigt worden war, zeigte bereits die ersten Früchte im langsamen Erstarken einer neuen Adelskaste.
Außerdem gingen die gewaltigen Bauvorhaben überall im Reich des jungen Brüllers mit immer größerer Geschwindigkeit voran. Sieben kleinere Städte waren neben Karokum bereits in verschiedenen Gebieten der Steppe gegründet worden. Zwar handelte es sich hierbei erst einmal um Ansammlungen halbfertiger Häuser, doch war es im Fall von Karokum am Anfang auch nicht anders gewesen.
Allerdings ging die völlige Umstrukturierung der orkischen Lebensweise in Grimzhags Reich nicht wenigen Grünhäuten viel zu schnell. Orks, die seit vielen Generationen als umherziehende Nomaden gelebt hatten, sollten nun die eroberten Gebiete in Manchin besiedeln und dort Ackerbau betreiben. Andere sollten bald in Häusern aus Stein leben. Nach und nach krempelte König Grimzhag mit seinem Führungsstab aus Grauaugen und Orkdenkern so gut wie alles um.
Aber der Erfolg gab dem Mazaukhäuptling Recht. Immer weniger Grünhäute mussten dank Grimzhags organisatorischen Eingriffen Hunger leiden, während die ewigen Kämpfe der Stämme untereinander fast gänzlich ausblieben. In Zukunft, so versprach es der gefeierte König seinen Untertanen, würden alle von ihnen genug zu Essen haben.
»Die Viehherden werden weiter anwachsen und es wird Fleisch für jeden Ork geben, sogar für jeden Goblin. Zudem wird der Ackerbau in Manchin den Hunger für alle Zeiten aus unserem Reich jagen«, proklamierte Grimzhag in Karokum.
Der Häuptling der Mazauk hatte schon jetzt unglaubliche Leistungen vollbracht. Nicht nur auf dem Schlachtfeld hatte er so manchen unüberwindlich geglaubten Feind vernichtet, sondern auch die Lebensumstände unzähliger Grünhäute verbessert. Damit hatte Grimzhag den Grundstein für eine neue Orkzivilisation gelegt, wobei er sich darüber im Klaren war, dass es wohl erst seine Nachfolger fertig bringen würden, alle seine Pläne zu verwirklichen.
Die Vorstellung eines mächtigen und in sich gut strukturierten Orkimperiums war für die anderen Völker jedoch ein Graus. Dass sich der alte, fast vergessene Feind wieder erholte und sogar zu einer Weltmacht wurde, barg gewaltigen Zündstoff in sich. Noch nahmen die Menschen und Khuz des Westens nicht richtig wahr, was in den Weiten der Steppe und den Dunklen Landen geschah, doch war abzusehen, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sie aufschreckten.
Lediglich die wachsamen Elben hatten in den letzten Jahren bereits damit begonnen, sich für den orkischen Eroberer zu interessieren. Mittlerweile wussten sie schon wesentlich mehr über Grimzhag und sein neu entstandenes Reich als die Menschen oder Zwerge. Doch die Kinder Galathols beobachteten im Stillen und warteten ab, wie sich die Dinge entwickelten. Grimzhag hingegen war glücklich, dass endlich Frieden herrschte und sich die Lage auch in Manchin beruhigt hatte. Er wollte in Zukunft auf weitere Kriege verzichten und den anderen Völkern die Klaue zum Frieden reichen. Ob sie sie jedoch ergreifen würden, war mehr als fraglich.
Die heutige Unterredung hatten Zaydan und sein Gehilfe Weng äußerst umsichtig vorbereitet. Die beiden waren bis nach Tschorleß, einer kleinen Stadt im Westen von Slajvka, gereist, um sich mit einer Gruppe zwielichtiger Gestalten zu treffen. Slajvka lag im Osten von Leevland; ein Land voller dunkler Wälder und eigenbrötlerischer Bewohner. Ein paar jener seltsamen Slajvkaner waren in dieser verregneten Nacht in eine schmutzige Taverne am Stadtrand von Tschorleß gekommen, um mit ihrem mysteriösen Auftraggeber einen Pakt zu besiegeln.
Weng betrat das Gasthaus, das bis auf drei bärtige Männer, die in der hintersten Ecke der Schankstube an einem Tisch saßen, vollkommen leer war. Ihm folgte Zaydan, der einen langen, dunkelbraunen Kapuzenmantel trug. Shargut war durch den starken Regen bis auf die Knochen durchnässt, genau wie sein manchinischer Begleiter, der in seiner Muttersprache leise vor sich hin fluchte.
»Das müssen sie sein!«, zischelte Zaydan in Richtung seines schlitzäugigen Gehilfen, der seinerseits nach dem Griff eines unter seinem Mantel verborgenen Dolches tastete.
»Ja, laut der Beschreibung unseres Unterhändlers schon«, brummte Weng.
Zaydan ging zu dem Tisch und lächelte den drei Slajvkanern zu. Diese starrten ihn nur grimmig an, wobei einer von ihnen augenblicklich aufstand und auf eine Tür zu seiner Rechten deutete.
»Wir gehen da! Dort ist noch mehr ruhig!«, sagte er auf Leevländisch.
»Ich verstehe!«, gab Zaydan ebenfalls auf Leevländisch zurück.
Wenig später saßen die drei Slajvkaner zusammen mit ihren zwei Gästen in einem schäbigen Hinterzimmer an einem kleinen Tisch. Sie schwiegen Zaydan und Weng an. Vor allem der Manchine wirkte angesichts der drei breitschultrigen Schlägervisagen, die ihn immer nur wortlos anglotzten, äußerst nervös.
»Ich bin Pejar«, sprach einer der Männer, eine hochgewachsene Gestalt mit auffällig kräftigen Wangenknochen und einem buschigen Vollbart. Er reichte zuerst Zaydan und dann Weng die Hand.
»Mein Name ist Schack«, erwiderte Zaydan, um dann auf seinen Begleiter zu deuten. »Und das ist mein Freund Ko-Ling aus dem fernen Manchin.«
»Diese Männer sind Bulhe und Drogon«, ergänzte Pejar, den Blick den beiden anderen Slajvkanern zugewandt.
Wieder herrschte kurzes Schweigen, das in dem nur von zwei Kerzen in der Ecke beleuchteten Hinterzimmer besonders bedrückend wirkte.
»Was sollen wir tun? Und wie viele Gold gibst du uns dafür?«, fragte Pejar dann.
»Ich gebe Euch 20.000 Goldstücke jetzt. Und noch einmal 20.000 Goldstücke, wenn der Auftrag erledigt ist«, antwortete Zaydan ruhig.
Die Kinnladen der drei Slajvkaner fielen beinahe synchron herunter. Vor allem Pejar starrte die beiden Fremden vollkommen überrascht an. Wer 40.000 Goldstücke besaß, hatte mehr als ausgesorgt.
»Keine Witz?«, hakte Pejars Nebenmann nach.
Zaydan blieb gelassen und verzog keine Miene. »Natürlich nicht!«
»Dann sage uns, was wir sollen tun!«, drängte Pejar.
»Es ist ein sehr schwieriger Auftrag, es dürfen keine Fehler geschehen. Ich habe allerdings gehört, dass ihr schon öfter für Geld getötet habt«, sagte der Bankier.
»Das ist kein Problem. Du musst nur sagen, wen wir sollen töten. Für 40.000 Goldstücke wir töten jeden«, stieß Pejar aus, während seine beiden Begleiter auflachten.
»Die Sache ist sehr ernst«, maßregelte sie Zaydan.
»Dann sage uns nun, was der Auftrag ist«, gab Pejar ungeduldig zurück.
»Zunächst einmal müsst ihr ein paar tote Orks und Goblins beschaffen«, merkte Zaydan mit einem Grinsen an.
»Tote Orks? Warum?«, brummte einer der Slajvkaner.
»Das erkläre ich doch gerade«, antwortete Zaydan. »Ihr werdet einige Grünhäute im Felssäulengebirge oder wo auch immer töten und ihre Leichen mitnehmen.«
»Das sich hören komisch an. Warum?«, kam von Pejar.
»Weil es gehört zu Auftrag!«, schaltete sich Weng ein.
»Dann erzähle weiter, mein Freund. Ist keine Problem, wir finden schon Orks und Goblins. Ja, keine Problem«, meinte einer der drei.
Zaydan legte seinem manchinischen Diener den Arm auf die Schulter. »Zeige unseren Freunden das Gold! Komm, hole es!«
Weng stand auf, verließ den Raum und schleppte wenig später eine große, verschlossene Truhe in das trostlose Hinterzimmer. Unter den erwartungsvoll aufgerissenen Augen der Slajvkaner öffnete Zaydan den Deckel und ließ die drei Männer einen kurzen Blick auf die funkelnden Goldmünzen darunter werfen.
Schließlich musste Zaydan lachen. Er klopfte Pejar gönnerhaft auf den Rücken und deutete auf die Truhe. Diese drei Banditen besaßen einfache Gemüter; der Bankier wusste, dass er sie längst überzeugt hatte. Angst, dass ihn die Slajvkaner berauben und einfach mit dem Gold verschwinden würden, hatte er hingegen nicht. Draußen vor der Taverne warteten zehn bewaffnete Söldner, die der Bankier als Begleitschutz mit nach Tschorleß genommen hatte.
»Ich gebe euch die 20.000 Goldstücke hier und jetzt, wenn ihr den Auftrag annehmt. Teilt sie unter euren Männern auf, wie ihr es für richtig haltet«, sagte Shargut zu Pejar.
Dieser lächelte freudig und antwortete: »Keine Problem, wir werden machen, was du von uns willst. Du wirst sehen, wir machen gute Arbeit.«
Zaydan ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder. Sein Diener Weng machte nun auch einen wesentlich entspannteren Eindruck und konnte sich ein erstes Schmunzeln abringen.
»Ihr sollt nicht bloß gute Arbeit machen, meine Freunde. Ihr sollt sehr, sehr gute Arbeit machen, aber ich denke, dass ihr das schon schaffen werdet. Der Auftrag ist zwar nicht einfach, aber ihr werdet ihn schaffen, versteht ihr?«, bemerkte Zaydan voller Zuversicht.