Читать книгу Nächste Ausfahrt Freiheit - Alexander Reeh - Страница 5
ОглавлениеVorwort
„Eines Tages wirst du aufwachen, und es wird keine Zeit mehr sein, um all die Dinge zu tun, die du immer tun wolltest.“
Paulo Coelho
Liebe Leserin, lieber Leser,
vielleicht geht es Ihnen ähnlich: Sie hatten einen Traum, den Traum von einer längeren oder sogar einer mehrjährigen Reise im Expeditionsmobil. Irgendwann fiel dann die Entscheidung, für das Fahrzeug, für die Route, für die ungefähre Dauer der Reise und für das Datum der Abreise. Monate, wenn nicht Jahre der Vorbereitung liegen hinter Ihnen, Sie haben viel Arbeit, Geld und Mühe investiert, sich von Familie und Freunden auf unbestimmte Zeit verabschiedet und nun geht es endlich los. Wie fühlt man sich in diesem Augenblick? Sicherlich ist da auf der einen Seite Euphorie, ein überwältigendes Glücksgefühl, dem Alltag eine Zeitlang oder sogar für ein paar Jahre zu entfliehen und die Freiheit zu genießen, andererseits mischt sich darunter vielleicht auch ein etwas mulmiges Gefühl und die Frage, war es wirklich richtig, Haus, Job und vieles andere einfach aufzugeben, alle Brücken hinter sich abzubrechen und sich in ein Abenteuer zu stürzen, von dem man nie wissen kann wie es ausgeht?
Aber seien Sie beruhigt, den allermeisten Reisenden ergeht es so, und wenn diese am Ende ihrer Reise gefragt werden, was das Schwierigste an dem Unternehmen war, so antworten fast alle: die Heimkehr …
Lassen Sie sich hier von den vielfältigen Berichten überraschen und inspirieren. Ich wünsche Ihnen eine wunderschöne Reise mit Ihrem Wohnmobil, das eine oder andere Abenteuer, viele interessante Begegnungen und neue Freunde zusammen mit einer großen Portion Glück, denn das gehört auch dazu.
Ihr Alexander Reeh
Endlich frei, endlich weg
Es ist kurz nach sechs an einem Dienstagnachmittag und wir sitzen zum ersten Mal in unseren Klappstühlen vor unserem Unimog Simba. Wir öffnen eine eiskalte Flasche Champagner und blicken auf den Lago di Caldaro und die grünen Weinberge des wunderschönen Südtirols. Die Umgebung ist beeindruckend. Hinter uns ragen die Felsen in den Himmel empor, vor uns blicken wir auf eine mittelalterliche Burg, hoch über dem See.
Wir reden nicht viel. Zu gewaltig sind die Gedanken und Eindrücke, die uns seit unserer Abfahrt an diesem Mittag beschäftigen. Obwohl es unser erster Abend ist, passiert jeder Handgriff wortlos – als hätten wir jede Bewegung einstudiert, was nicht der Fall ist.
Es war unheimlich – als wir die erste Kurve aus dem Hof von Peters Eltern heraus gefahren sind. Dies soll nun der Beginn unserer Weltreise sein? Monatelang bereitet man sich auf all das vor – um dann an einem gewöhnlichen Wochentag aus Trudering die Salzburger Autobahn anzusteuern? Man hat keinen Job mehr, kein Auto, keine Wohnung, um in einem Nutzfahrzeug nach Indien zu fahren? Welcher Teufel hat uns – zum Teufel – getrieben, um so etwas zu tun?
Ich schaue Peter an und spüre, dass ihn ähnliche Gedanken plagen wie mich. Was kommt auf uns zu? Wie wird es sein, ein Jahr auf sieben Quadratmetern zu leben? Was werden wir alles erleben? Und was erleben müssen? Wie werden wir in unserer noch so jungen Beziehung mit der Enge und den vielen möglichen Strapazen umgehen? Werden wir die Nerven verlieren, sobald etwas nicht so läuft wie geplant? Und wessen Idee war das überhaupt?
Tausende von Gedanken spielen sich in Sekundenschnelle vor meinen Augen ab. Ein seltsames Gefühl, das ich mir oft ausmalen – doch dessen Intensität ich mir nicht im Geringsten vorstellen konnte. Wir reden nicht sehr viel in dieser ersten Stunde unserer ersten Fahrt.
Auf der Autobahn bezahlen wir vor dem Brenner die für uns bisher völlig unbekannte LKW-Gebühr, tanken in Österreich noch einmal beide 130 Liter Tanks randvoll und rollen gemächlich – mit unserer Höchstgeschwindigkeit 80 km/h – in Richtung Italien. Plötzlich wird es spürbar wärmer. Der letzte Tag des Aprils zeigt sein wechselhaftes Gesicht. Die Sonne kommt hinter den Bergen hervor. Die Umgebung verändert sich deutlich. Und es stellt sich ein Gefühl ein, das ich bisher nur von Urlaubsreisen her kannte. Dieses ganz besondere Gefühl, ein Prickeln, eine Aufgeregtheit, das Bewusstsein darüber, dem Alltag zumindest für eine kurze Zeit zu entkommen.
Und plötzlich erkenne ich, dass eigentlich nichts anderes passiert als auf all den anderen, bisherigen Reisen meines/unseres Lebens. Der Alltag fällt ab. Etwas Neues, ein Abenteuer beginnt. Eine große, ganz besondere Reise nimmt ihren Lauf. Es verschwindet die Angst. Sie ist wie weggeblasen. Ich schaue ans Steuer – zu Peter – und spüre, dass er Ähnliches fühlt. Wir halten unsere Hände und drücken sie ganz fest.
Kurze Zeit später sitzen wir also an diesem See, trinken Champagner aus Plastikbechern, schauen uns an. In unseren Gesichtern heben sich die Mundwinkel. Gänsehaut. Zum ersten Mal bekommen wir eine leise Ahnung davon, was auf uns zukommen wird. Was für ein Geschenk wir da gerade in unseren Händen halten. Ich bin unendlich glücklich und freue mich darüber, ganz langsam in dieser Reise anzukommen. In dieser Nacht schlafe ich tief und fest.
Jennifer Glas
2 ½ Jahre, 31 Länder und 55.555 Kilometer später sagen Jennifer und Peter übereinstimmend, „die Entscheidung diese Reise zu tun, war die beste Entscheidung unseres bisherigen Lebens“.