Читать книгу Das rätselhafte Abenteuer des kleinen Goblin - Alexandra Bauer - Страница 4
Der geheime Name
Оглавление„Was ist?“, fragte Caja verunsichert.
„Du hast ihn nicht gehört! Hörst du? Nicht gehört!“ Die Worte des Goblins überschlugen sich fast.
Verwirrt sah sich Caja um. „Wen?“
„Den Namen! Du hast den Namen nicht gehört!“
„Doch! Bipin.“
Der Kleine führte plötzlich einen wilden Tanz auf, er wedelte mit den Armen, warf den Kopf hin und her und stampfte dabei mit den Füßen. Unwillkürlich zog Caja die Schultern hoch und schlang die Arme um die Knie. Eine halbe Ewigkeit später ließ sich der Goblin erschöpft nieder, und es verging wieder eine lange Zeit, ehe sich Caja zu fragen traute: „Was ist daran denn schlimm?“
„Das weißt du nicht?“ Bipin zischte die Worte.
Caja schüttelte den Kopf.
„Dann sagt Bipin es dir auch nicht!“ Mit diesen Worten sprang Bipin auf und schickte sich an davonzulaufen.
„Bipin! Warte doch!“, rief Caja ihm nach.
Der Goblin wirbelte herum, rannte zurück und fuchtelte aufgebracht mit den Händen. „Wirst du wohl still sein! Niemand darf Bipins Namen hören, niemand!“
„Aber warum nicht?“
„Das kann Bipin dir nicht sagen, sonst machst du Bipin zu deinem Sklaven!“
„Du bist verrückt! Das würde ich nie tun!“
Auf einmal kauerte sich Bipin wieder zusammen und weinte. „So ein schrecklicher Tag, so ein schreckliches Leben“, wimmerte er.
„Na komm schon, so schlimm ist es sicher auch nicht.“ Sie rückte ein Stück näher und berührte das Anderwesen tröstend an der Schulter.
„Wer Bipins Namen weiß, hat die Macht, ihn zu seinem Sklaven zu machen.“
„Nun,“ sie zupfte spielerisch an Bipins Jacke. „Dann solltest du zuallererst mal damit aufhören, dich selbst Bipin zu nennen.“
Vorwurfsvoll sah er auf. „Wie soll Bipin sich denn sonst nennen?“
„Na: ich, mich, meinen. So was.“
„Das kann Bipin nicht.“
„Ich.“
„Was?“
„Das kann ich nicht, musst du sagen.“
„Das hört sich schrecklich an.“
„Aber du bist doch du!“
„Nein, ich bin Bipin.“
Caja seufzte.
„Dann müssen wir dir einen anderen Namen geben, einen, mit dem du stattdessen von dir sprichst.“
Bipin rümpfte die Nase. „Bipin mag seinen Namen.“
„Aber wenn du es dir nicht abgewöhnen kannst, dich bei deinem eigenen Namen zu nennen, musst du dir einen anderen Namen geben, sonst weiß ihn bald der ganze Wald!“
Gehetzt sah sich Bipin um. „Das wäre schrecklich.“
„Wie wäre es mit … Arian.“
Bipin gab unschöne Brechgeräusche von sich.
„Schon gut! Schon gut!“, rief Caja, die befürchtete, sie müsse sich bald selbst übergeben.
„Haimi, wie wäre es mit Haimi?“
„So eine Beleidigung!“
„Symi?“
„Das bedeutet Popel auf Goblisch“, erklärte Bipin und verschränkte beleidigt die Arme.
„Entschuldige, kann ich doch nicht wissen. Gaho?“
„So nennt man vielleicht eine Katze oder ein Pferd, aber doch keinen Goblin!“
Caja streckte die Beine aus und wackelte mit den Füßen. „Nipib? Das ist Bipin rückwärts!“
„Nipib? Klingt, als hätte Bipin sie nicht mehr alle. Außerdem wäre das ja wohl zu einfach. Da kommt doch jeder drauf!“
„Mario?“
Bipin verengte die Augen zu kleinen Schlitzen. Caja hob beschwichtigend die Hände.
„Toro, was hältst du von Toro?“
„Hm … nicht schlecht“, sagte Bipin anerkennend.
Caja lächelte froh.
„Aber Bipin ist besser.“
„Himmel! Meine ganze Familie hat nur halb so lange gebraucht, einen Namen für unseren Hund zu finden.“
„Wie heißt der denn?“
„Hundi.“
Bipin hob die Augenbrauen. „Hundi?“, wiederholte er sarkastisch. „Sehr einfallsreich.“ Nun blickte der Goblin nachdenklich. „Hundi klingt aber eigentlich schön!“
„Du willst nicht wirklich Hundi gerufen werden.“
„Nein. Lieber Bipin.“
„Was, wenn du dir einfach einen neuen wahren Namen gibst?“
„Das geht nicht. Etwas kann immer nur einen wahren Namen haben. Um es umzubenennen, müsste man das ganze Ding ändern, und ich bin Bipin! Keine Elfe oder Fee oder sonst was!“
„Wie wär’s mit Isi oder Loki?“
„Pfui pfui pfui!“ Mit jedem Pfui schüttelte sich Bipin und schauderte. „Dann doch lieber das mit dem Ich.“
Caja klatschte sich gegen die Stirn.
Eine Weile saßen sie da und schwiegen.
„Oder Kobi“, sprach Bipin in die Stille.
„Kobi klingt nett“, bestätigte Caja.
„Dann probiert Bipin sich fortan Kobi zu nennen, damit niemand mehr seinen wahren Namen hört. Kobi kann das!
„Hoffentlich! Was ist das nun mit diesem Mumpitz?“, fragte Caja, während sie die zwinkernde Goblinzeichnung beobachtete, die noch immer in den Waldboden vor ihnen gekratzt war.
Bipin seufzte. „Kobi vermisst Mumpitz. Mumpitz war Kobis guter Freund. Nun ist er weg.“
„Aber wo ist er?“
„Piliwuh hat ihn! Böser, böser Piliwuh!“
Mitten in das Gespräch hinein wurden Stimmen nach Caja laut. Bipin blickte gehetzt auf.
„Meine Vetter“, erklärte sie. „Warte hier!“
Sie rannte Richtung Dorf, aus dem die Jungen gerade zurückkehrten.
„Wo bleibst du, Caja? Mama sorgt sich. Jetzt mussten wir wegen dir noch mal zurück!“, meckerte der Größere sofort. Er hatte ebenso wie Caja blaue Augen und dunkles Haar, aber es war kurz geschnitten. Bekleidet war er mit einer einfachen Leinenhose und einem Leinenhemd. Beide Kleidungsstücke wiesen dunkle Brombeerflecken auf, die noch für einigen Ärger bei seiner Mutter sorgen würden.
„Ich habe noch eine Freundin getroffen. Sagt der Tante, ich komme gleich!“
Missbilligend murrte der Jüngere: „Sieh zu, dass du dich vor der Abenddämmerung auf den Weg machst. Wenn ich noch einmal hier raus laufen muss, werde ich wirklich sauer.“
„Versprochen!“ Sie winkte und rannte zurück zu der Stelle, wo sie Bipin zurückgelassen hatte, aber er war nicht mehr da. Nur die Zeichnung des Mumpitz’ tanzte auf dem Boden.
„Bipin?“, rief sie unsicher.
Wie aus dem Nichts stand der Goblin plötzlich vor ihr und trat ihr unsanft gegen das Schienbein.
„Au!“, rief Caja und hob sofort das Bein, um sich die getroffene Stelle zu reiben. „Was soll das?“
„Wenn Bipin sich nicht mehr Bipin nennen soll, musst du es auch tun, sonst hat es keinen Zweck! Wenn du das nicht kannst, dann lass Bipin jetzt gehen und vergiss Bipin.“
„Tut mir leid, du hast recht! Wo warst du?“
„Unsichtbar!“ Er lächelte stolz.
„Stimmt, ihr könnt euch ja unsichtbar machen. Deswegen seid ihr eigentlich auch schwer zu finden. Wer ist nun dieser Pili… Pili...“
„Piliwuh. Er ist ein Goblin, ein kleiner, hinterhältiger, gemeiner Goblin. Er hat Kobi seinen Mumpitz abgeluchst.“
„Wie hat er das angestellt?“
„Ooooh, er hatte so ein wunderbares Rätsel. Nun hat er Kobis Mumpitz!“
„Er hat deinen Mumpitz wegen eines Rätsels?“
„Ja, wunderbares Rätsel. Kobi war nicht in der Lage es zu lösen.“
„Was war es denn?“
„Sie hat keine Freunde, aber jeder kennt sie. Keiner kann sie leiden, doch sie hat jeden gern. Sie kennt jeden Menschen, egal ob nah und fern.“
„Hä? Wer soll das denn sein?“
Bipin zuckte mit den Schultern.
„Das ist allerdings ein seltsames Rätsel“, bestätigte Caja.
„Zu schwierig für Kobi. Und nun hat er seinen Mumpitz verloren!“
Plötzlich riss er die Mütze vom Kopf, schleuderte sie auf den Boden und trampelte wild fluchend auf ihr herum. Caja, die zuerst erschrocken war, presste im Bedauern die Lippen zusammen. „Davon wird es auch nicht besser. Komm! Erst mal gehst du mit mir nach Hause.“
„War klar, jetzt ist Kobi Sklave“, wimmerte der Goblin und folgte gehorsam.
„Sprich nicht so einen Quatsch“, wehrte Caja ab. Doch sie ahnte nicht, wie ernst es Bipin damit war. Vor dem Dorf blieb er auf einmal stehen. „Deine Familie wird böse sein.“
„Warum sollte sie?“
„Kobi ist ein Goblin!“
„Stimmt“, murmelte Caja. „Du hast doch diesen Zauber? Den von eben, als du unsichtbar warst!“
„Verschwindezauber!“ Bipin hüpfte fröhlich auf der Stelle und war mit einem Mal nicht mehr zu sehen.
Unsicher sah Caja sich um. „Kobi?“
„Verschwindezauber!“, hörte sie Bipin stolz neben sich rufen.
„Beeindruckend“, sagte sie anerkennend.