Читать книгу Die Swinger und acht andere erotische Verführungen - Alexandra Södergran - Страница 6
Filmabend
ОглавлениеEs war eine dieser Sommernächte, in denen es noch lange nach Sonnenuntergang hell blieb, aber als sie mit dem zweiten Film begannen, wurde es dunkel. Alle Lampen in der Wohnung waren ausgeschaltet und im flimmernden Licht des Fernsehbildschirms waren nicht mehr als die Konturen des Sofas und des Couchtischs zu erkennen, der beiseite geschoben worden war, um Platz für die Matratze zu schaffen. Zwei der drei jungen Leute im Raum saßen auf dem Sofa, während die dritte auf der Matratze lag, den Kopf auf einen Kissenstapel gestützt, um besser sehen zu können.
„Wann kommt deine Mutter nach Hause, Julia?“, fragte Emma. Sie saß auf dem Sofa, gleich neben einem jungen Mann, der etwa im gleichen Alter sein musste, sie aber um eine Kopflänge überragte und mit seinen breiten Schultern und dem ausladenden Körperumfang einen umso größeren Eindruck erweckte. Die beiden hielten Händchen.
„Keine Ahnung“, sagte Julia desinteressiert, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden.
„Aber noch nicht so schnell, oder?“
„Nee. Sie hat Nachtschicht. Vor morgen früh kommt sie nicht nach Hause.“ Julia bereute ihre Worte sofort. Jetzt konnte sie nicht weiter vorgeben, völlig in die Handlung des Films vertieft zu sein. Sie rechnete mit Beschwerden von Emmas Seite, warum sie die Gelegenheit nicht besser ausnutzten, und wappnete sich gegen Emmas Argumente und Überzeugungsstrategien.
Aber es blieb still im Raum.
Julia wollte sich eigentlich erstaunt umdrehen, aber dafür lag sie zu bequem – die Kissen waren gerade perfekt. Irgendwann klang ihre Verwunderung ab und wich Erleichterung. Das war noch mal gut gegangen.
Was sie nicht wusste, war, dass Emma damit beschäftigt war, Anton in freudiger Erwartung eines Blowjobs vorsichtig die Shorts herunterzuziehen.
Julia stockte der Atem, als sie zum ersten Mal Antons unterdrücktes Stöhnen direkt hinter sich hörte, und gleich darauf ein anderes Geräusch. Sie verstand sofort. Ihr wurde warm und sie merkte, wie sich ihr Körper anspannte, das Herz wild pochte und sich ihr Gehör schärfte, um nichts zu verpassen. Wie sollte sie reagieren? Sollte sie etwas tun? Und wenn ja – was dann? Ihr gefiel, was sie da hörte, aber zunächst tat sie einfach nichts, lag nur still da, wie gefangen in ihrem Körper. Im Adrenalinrausch stieg das Kribbeln zu seinem intensiven Gefühl der Begierde an. Für einen kurzen Augenblick wurde der Fernsehbildschirm schwarz und das Spiegelbild ihrer Freunde bestätigte Julias Vermutung. Anton hielt Emmas Hinterkopf fest und ein kleines Stück seines Schwanzes, der aus seinen Shorts herausschaute, war zu erkennen.
Keiner von ihnen hörte das rasselnde Geräusch an der Haustür über das explodierende Auto im Fernsehen hinweg. Der Film nahm an Tempo auf und die Hintergrundgeräusche ebenfalls.
Und keiner hörte, wie sich die Tür öffnete.
Julia, die sich nur ein paar Minuten zuvor von Emmas Gequassel gestört gefühlt hatte, wünschte sich jetzt, die Geräuschkulisse des Films wäre etwas dezenter, um mehr von dem Akt hinter ihr und von Antons Stöhnen hören zu können. Unbewusst tastete sie nach der Fernbedienung, in der Hoffnung, die Lautstärke etwas mindern zu können, ohne dass die anderen beiden es bemerkten.
„Hallo?“ Das war die Stimme ihrer Mutter aus dem Flur – und sie kam immer näher! „Warum sitzt ihr hier im Dunkeln?“
So geschmeidig wie ein Raubtier setzte sich Emma kerzengerade hin und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Anton griff nach einem Kissen aus der Sofaecke und legte es auf seinen Schritt. Das Licht ging an, blendend hell, nach einer so langen Zeit im Stockdunkeln.
„Mama!“
„Was ist los?“
„Machst du das wieder aus? Sonst kriegen wir nichts vom Film mit!“
„Herrje, Schatz, ich will doch nur deinen Freunden Hallo sagen.“ Sie machte ein paar Schritte auf das Sofa zu. Ihre Absätze klapperten auf dem Parkettfußboden. „Hallo zusammen. Ich bin Gunilla, Julias Mutter.“
Emma erhob sich rasch und streckte die Hand aus. Ein schwacher Geruch nach Schweiß und Schwanz umwehte sie. „Hallo – Emma“, sagte sie stockend. Ihre Wangen glühten feuerrot. Anton starrte sie an.
„Anton“, sagte er, und weil er keine Anstalten machte, ebenfalls aufzustehen, streckte Gunilla ihm die Hand entgegen. Sie nickte knapp und runzelte die Stirn. Nicht aufzustehen, wenn man jemanden begrüßte, war unhöflich, und sie machte ihn für die frostige Stimmung im Raum verantwortlich – auch wenn sie den Grund dafür nicht kannte. So etwas ärgerte und irritierte Gunilla.
„Ich dachte, du hättest Nachtschicht?“
„Nein, heute nicht. Ich habe die Schicht getauscht. Ihr schaut also einen Film?“
„Ja. Wir schauen einen Film.“
„Welchen denn?“
„Man, ich habe vergessen, wie er heißt – okay?“
„Julia! Kein Grund, gleich zickig zu werden.“
„Doch! Wir wollen einfach nur unsere Ruhe. Kannst du das Licht wieder ausmachen?“
„Das ist nicht gut für die Augen, man sollte immer eine zusätzliche Lichtquelle haben, wenn man fernsieht.“
Julia stöhnte und verdrehte die Augen.
„Ich war einkaufen. Wollt ihr irgendwas? Eine Cola vielleicht? Dürft ihr Cola trinken?“
„Nein, danke“, antwortete Emma.
Gunilla stellte Julias Zuneigung auf eine harte Probe. Julia konnte kaum glauben, welchen peinlichen Satz ihre Mutter eben von sich gegeben hatte: Dürft ihr Cola trinken.
„Wollt ihr vielleicht ein Sandwich?“
„Nein, danke, alles gut. Wir hatten Popcorn“, sagte Emma.
„Mama, wir wollen nichts!“
„Na, ist ja gut. Ich störe euch nicht mehr.“
Julia verspürte einen Hauch schlechten Gewissens, aber sie verdrängte es mit wütenden Gedanken. Kaum hatte Gunilla den Raum verlassen, erklang das Klackern einer Gürtelschnalle, als Anton seine Hose hochzog. Emma hielt sich die Hand vor den Mund und lachte. Anton stimmte ein, offenbar erleichtert, der unerwarteten Gefahr noch einmal entronnen zu sein. Julia brachte ein Lächeln zustande.
An den Film dachte niemand mehr, der war schon längst uninteressant geworden. Emma rutschte vom Sofa, legte sich neben Julia und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Beide grinsten breit. Anton konnte nur raten, was die zwei Mädchen wispernd besprachen. Gemeinsam verschwanden Emma und Julia im Badezimmer, kicherten und redeten über drei, vier Themen gleichzeitig. Emma machte einen Vorschlag, der Julia gefiel.
Unter keinen Umständen durfte es auf ein Nein hinauslaufen. Als Julia in die Küche trat, stand Gunilla mit einer Zigarette in der Hand unter der Dunstabzugshaube, eine Tasse Tee auf der Sitzbank neben sich.
„Mama, können Emma und Anton hier übernachten?“
„Nein.“
„Warum nicht?!“
„Weil ich das sage.“
„Aber sie müssen. Der letzte Bus ist schon weg.“
„Daran hättet ihr doch früher denken können.“
„Ja, haben wir aber nun mal nicht. Wo ist denn das Problem? Emma hat schon so oft woanders übernachtet.“
Mit zusammengepressten Lippen überdachte Gunilla die Situation. Ohne ihrer Tochter zu antworten, griff sie nach der Teetasse und ging ins Wohnzimmer. Sie schaute Anton durchdringend an und wandte sich dann mit einem freundlicheren Blick an Emma. „Wissen Christina und Åke, dass du hier bist?
„Klar.“
„Und sie wissen auch, dass du mit einem Jungen hier bist?“
„Ja, sie kennen Anton schon.“
„Gut. Und wissen deine Eltern, wo du bist?“ Jetzt nahm Gunilla Anton unter die Lupe.
„Nee. Aber ich wohne auch gar nicht mehr daheim.“
„Ach so. Wie alt bist du denn?“
„Zwanzig.“
„Sind die beiden Mädchen dann nicht ein bisschen zu jung für dich?“
„Mama!“, quiekte Julia aus der Küche. „Was zum Teufel stimmt nicht mit dir?“
„Ich darf ja wohl sagen, was ich denke. Ihr seid noch Kinder und er ist ein erwachsener Mann.“
„Wovon redest du da? Emma ist schon siebzehn, und ich bald auch.“
„Erst in acht Monaten“, sagte Gunilla, trank einen Schluck Tee und schaute ihre Tochter triumphierend an. Julia hielt dem Blick stand.
„Und wo habt ihr vor zu schlafen? Soll Anton aufs Sofa?“, fragte Gunilla, etwas beruhigt angesichts der Tatsache, dass sie immer noch das Sagen hatte.
„Nein – wir haben doch das Klappbett.“
„Das liegt auf dem Dachboden.“
„Ja. Und wir müssen es einfach nur von dort herunterholen“, sagte Julia, und trotz ihrer Frustration war ihr bewusst, auf welch dünnem Eis sie sich bewegte. „Ich hole es. Ich mache das Bett, du musst dich um gar nichts kümmern.“ Dem Gesichtsausdruck ihrer Mutter war zu entnehmen, dass der Widerstand noch immer nicht gebrochen war. Julia wusste genau, was in Gunillas Kopf vorging – ihr war, als könnte sie ihre Gedanken lesen. Instinktiv wurde ihr klar, dass sie nur gewinnen konnten, wenn sie ihrer Mutter genau das sagte, was sie hören wollte.
„Emma und ich teilen uns mein Bett. Und ich leihe ihr einen Schlafanzug. Das Klappbett stellen wir neben meinen Schreibtisch, dann muss ich nur den Stuhl an die Seite schieben.“
Gunilla hatte den Mund geöffnet, machte ihn jetzt aber wieder zu und nickte stumm. Julia jauchzte innerlich. Richtige Wortwahl – perfektes Timing. Besonders stolz war sie auf die Geschichte mit dem Schlafanzug. Wann hatte sie selbst eigentlich zuletzt einen Schlafanzug getragen? In der Grundschule? Aber sie hatte ihrer Mutter die Argumente genommen, bevor diese sich darüber überhaupt hatte Gedanken machen können – und nur deswegen konnten sie sich jetzt zu dritt ein Zimmer teilen.
„Ich kann mich nur für meine Mutter entschuldigen“, sagte Julia, als die drei sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatten, das Klappbett aufgestellt und die Tür verschlossen war, und die Geräusche des Fernsehers nur noch gedämpft zu ihnen durchdrangen.
„Macht doch nichts“, sagte Anton, der sich anscheinend pudelwohl fühlte.
„Eigentlich ist sie doch echt nett“, stellte Emma fest, während sie sich auszog.
„Ich glaube, sie mag mich nicht“, sagte Anton. Die Mädchen lachten. Emma hob die Augenbrauen. Ach, was?, sagte ihr Gesichtsausdruck. Dann hakte sie ihren BH auf. Julia empfand einen Anflug von Eifersucht, aber die Bewunderung überwog. Emma war so mutig. Alles, was Julia selbst so kompliziert vorkam, wirkte einfach, wenn Emma es tat.
„Kann ich mir deine Bürste leihen?“, fragte Emma.
„Ähm ...“ Julia wandte den Blick von Emmas Brust ab und warf einen Blick über die Schulter.
„Warte, ich habe sie!“, rief Emma und reckte sich nach der Haarbürste, die auf dem Schreibtisch lag, halb verdeckt unter einem Stapel Papier. Anton legte die Hand auf die Hälfte ihrer Brust, die für ihn in Reichweite war. Emma schenkte ihm keine Beachtung, sondern lehnte sich wieder zurück und bürstete sich mit zur Seite geneigtem Kopf die Haare. Julia beobachtete sie. Emmas Brüste waren perfekt – nicht so wie ihre eigenen, die etwas unförmig waren und nach außen standen. Nie hätte sie sich so offen zeigen können, wie Emma es tat. Stattdessen zog sie ein Nachthemd an und streifte umständlich ihren BH darunter ab. Nachdem sie ihre Jeans ausgezogen und sich kurz in Unterhosen gezeigt hatte, fühlte sie sich bereits nackt genug und kroch schnell unter die Decke.
„Ich will innen liegen!“, rief Emma und warf sich bäuchlings aufs Bett, ohne sich bewusst zu sein, wie sexy und verführerisch sie sich gab. Julia hatte genug damit zu tun, irgendwohin zu schauen, denn sie wusste nicht, wohin sie ihren Blick wenden sollte. Anton trug nur noch Boxershorts. Er hatte definierte Bauchmuskeln und seine weißen Shorts bildeten einen starken Kontrast zu seiner sonnengebräunten Haut.
„Anton, machst du das Licht aus?“, fragte Emma.
Sie redeten noch eine Weile im Dunkeln und verfielen dann für eine Weile in Schweigen. Irgendwann drehte Julia sich auf die Seite, um zu schlafen. Sie warf einen letzten Blick hinüber zu Anton, der sich wegen der schwülen Sommerhitze nur bis zur Taille zugedeckt hatte. Dann schloss sie die Augen. Sie war glücklich.
Das Bett knarrte, als Emma sich neben ihr umdrehte. Plötzlich legte Emma den Arm um Julia und kroch näher zu ihr heran. Julia spürte Emmas Knie in ihren Kniekehlen und ihre Nippel an ihrem Rücken, als wäre das dünne Nachthemd, das sie trug, gar nicht da.
„Gute Nacht“, sagte Emma.
„Gute Nacht“, antwortete Anton.
Julia brachte kein Wort heraus. Sie lag steif da, und atmete unregelmäßig und stoßweise. Wenn die beiden nur nicht hören konnten, wie laut ihr Herz pochte! So würde sie nie schlafen können ...
Aber irgendwann musste sie doch eingeschlafen sein, denn sie wachte auf, als Anton auf das Fußende des Bettes kletterte und Emma noch näher an Julia heranrutschte, damit Anton sich neben sie legen konnte. Nach kurzem Chaos lagen sie alle drei nebeneinander.
Obwohl es unverkennbar war, was gleich geschehen würde, passierte eine schier endlose Weile gar nichts. Dann zog Anton Emma die Unterhose aus und sie half ihm dabei. Das Bett knarrte und begann, unter seinen vorsichtigen, rhythmischen Stößen zu schwanken. Julia hielt es kaum noch aus. Das war unerträglich. Sie wollte, nein, sie musste sich umdrehen, aber sie traute sich nicht. Dann nahm sie ihren Mut zusammen und rollte sich auf die andere Seite.
Emma hatte die Augen halb geöffnet und blickte ins Leere, ihr Mund stand offen, als wollte sie stumm schreien. Sie legte die Hand auf Julias Wange. Die war sich nicht bewusst, dass sie den Atem anhielt. Julia beobachtete, wie sich Emmas Brustwarze durch Antons Finger presste. Auf seiner Hand traten die Adern hervor. Emma wimmerte. Julia wusste nicht, woher sie den Mut nahm, die Decke zurückzuziehen. Sie tat es einfach. Jetzt, da sie Platz dafür hatte, spreizte Emma die Beine, wie ein Vogel, der die Flügel ausbreitete. Julia konnte alles sehen.
Sie schämte sich ein wenig, weil sie so erregt war, dass sie das Gefühl hatte, gleich zu explodieren. Sie wollte sich selbst berühren, sich dort anfassen, wo es schmerzte, das Gefühl einfach herauslassen. Aber das war nicht nötig. Emma legte die Hand auf die Vorderseite ihres Höschens, wo es feucht wurde. Mit zitternden Fingern, langsam, als würde sie bei jedem Zentimeter neu um Erlaubnis bitten, schob Emma die Hand unter den Bund. Julia keuchte auf. Ihr Becken hob sich wild zuckend. Emma fuhr beharrlich fort, im selben Rhythmus, in dem sie gevögelt wurde. Julia streifte ihr Höschen ab, und zum ersten Mal in ihrem Leben wurde sie von einer anderen Hand als ihrer eigenen zum Höhepunkt gebracht. Nie hätte sie gedacht, dass es mit Emma passieren würde. Und ebenso wenig hätte erwartet, dass es ein anderes Mädchen sein würde. Aber Emma machte das, woran bereits zwei Jungen gescheitert waren, viel besser, als sogar Julia selbst es konnte. Sie empfand so viel mehr Selbstachtung als zuvor, fühlte sich stark und erfüllt.
Als sie aufwachte, war es still im Zimmer. Nur von draußen war Vogelgezwitscher zu hören. In den grünen Baumkronen glitzerte das Sonnenlicht und Julias Gedanken rasten, nahmen aber keine konkrete Form an. Dann dachte sie sich, dass das Leben so einfach sein konnte, dass man Sex haben konnte, mit Menschen, die man liebte, und dass Dinge passierten, ohne dass jemand erst darüber bestimmte. Und auf jeden Tag folgte ein neuer, der einem die gleichen Möglichkeiten bot.
Als Emma und Anton gegangen waren und sie mit ihrer zeitungslesenden Mutter auf ihren üblichen Plätzen am Küchentisch saß, sagte Julia genau das, was sie sagen wollte, einfach, weil es schön war, die Worte laut ausgesprochen zu hören:
„Mama? Ich bin bisexuell.“