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„Botania ist in Gefahr“
ОглавлениеBotania ist in Gefahr
1
Stille und ein Anflug von Dunkelheit breitete sich über Botania aus. Nun war er fort, der Stein des ewigen Lichtes. Eines der wichtigsten Elemente, das Letzte was Botania noch geblieben war. Und das Letzte was Botania noch retten konnte lag nun in ihren Händen. In den grausamen, herzlosen Händen von Blanche und Noire. Sie hatten sie gestohle, die Steine Botanias. Herausgerissen aus dem Zauberband, das sie alle zusammenhielt, die wichtigsten Elemente Botanias. Ihre Handlanger, die Wesen ohne Verstand, ausgestattet nur mit einer unsagbaren Kraf, hatten sie erobert. Die Starken wurden sie genannt und sie unterhielten eine Armee aus ungefähr 15 Männern, die einzig und allein das taten was ihre Herrscherinnen Blanche und Noire von ihnen erwarteten: Die Herrschaft über Botania zu erlangen.
Im Rosengarten blühten die Königinnen der Blumen noch in voller Pracht, doch wie lange würden sie überleben ohne Licht, Wasser, Wind, Erde? Wie lange würde ihre Kraft noch reichen und wie lange konnten sie ankämpfen gegen die Macht des Bösen? Im Rosenturm saß Mirella, die Hüterin des Rosengartens, die Herrscherin über Botania.
Einzig und allein ihre Liebe und die Kraft des Zauberbandes hatten jahrzehntelang Botania erblühen lassen. Sie hatten es geschafft den Naturgewalten und Umweltkatastrophen zu trotzen. Mirella hatte sie alle zusammengehalten, die Pflanzen und Wesen Botanias. Sie hatte nach ihrer Mutter die Herrschaft über Botania angetreten, trotz aller Gefahren und Verantwortung, die diese Aufgabe mit sich trägt. Sie hatte sich nicht davor gescheut, sondern war mit Liebe und Kraft an die Stelle ihrer Mutter getreten. Doch nun wich alle Kraft aus ihren zarten, sonnengebräunten Gliedern, die so viel gearbeitet hatten, um die Schönheit erstrahlen zu lassen.
In ihrer Hand hielt sie das Zauberband, so feingliedrig und glitzernd wie die Schuppen eines Fisches. Doch nun wich auch aus dem Zauberband das Leuchten und die Wärme. Mirella hielt es ganz fest und spürte den letzten Stein, den Stein der Liebe, ganz leicht. Ein warmes Rot strahlte von ihm aus, doch in seinem Inneren war sein Herz noch ganz schwach zu sehen. Den Stein der Liebe wollten Blanche und Noire nicht, denn sie waren sich sicher, Botania ohne Liebe regieren zu können. Nur mit kalter Berechnung und Macht. Doch der Stein der Liebe blieb in Mirellas Händen die letzte Hoffnung. Ihre Kraft wich dahin, aber die Liebe blieb.
Wie sollte es nur weitergehen? Leise ließ sie das Zauberglöckchen läuten, gleich würden sie hereinschweben ihre kleinen Elfen. Mit ihnen musste sie eine Lösung finden.
2
Finja zog ihre Bettdecke noch ein bisschen höher über das Kinn. Ein kalter Schauer durchzuckte ihren Körper, wie die Wellen vom See, die sie eigenartigerweise genauso hören konnte. Sie prallten mal seicht und mal heftig an das steinige Ufer. Sie bäumten sich auf mit einer Krone aus Gischt, die sie mächtig erschienen ließ und mal wie ein tanzendes Fischlein, das nur seine Leichtigkeit an das friedliche Ufer trägt.
Es war kalt für Ende September, die ersten Nebel zogen über den See, die Bäume verfärbten sich langsam von einem zarten orange bis feuerrot und es war ungewöhnlich trüb für diese Jahreszeit. Finja hatte das Gefühl, als würde es heute gar nicht richtig hell werden. Ein leises Rascheln war aus dem Terrarium zu hören. „Cosy, ist dir auch so kalt?“ Wahrscheinlich, denn die alte Schildkröte verschwand unter einem Blätterhaufen. So lange Finja denken konnte lebte Cosy bei ihr und irgendwie war sie manchmal die Einzige, die sie verstand.
Aus dem Wohnzimmer nahm das „Geklimper“, wie Finja es liebevoll nannte, kein Ende. Mu übte auf ihrem Flügel und das würde auch noch eine Weile so weitergehen, denn übermorgen hatte sie einen wichtigen Auftritt. Wenn Pu nicht zu müde wäre, würde er sich sein Cello schnappen und Mu im Musikzimmer begleiten. Doch Pu hatte heute eine Reihe von Vorlesungen an der Musikhochschule gegeben und meistens hatte er dann nicht mehr die Muse zum Spielen.
Mu und Pu so nannte Finja ihre Eltern, weil ihr Vater sie irgendwie an Pu den Bären erinnerte und weil Mu natürlich zu Pu gehörte wie die Katze zum Kater oder wie der Topf zum Deckel. Und Finja gehörte zu ihnen, auch wenn das manchmal nicht so deutlich war. Sie liebte Musik, das war keine Frage, aber sie war nicht so besessen von ihr wie ihre Eltern. Ihre Eltern lebten für die Musik, wenn sie aufstanden, wenn sie zu Bett gingen, wahrscheinlich auch wenn sie schliefen. Musik kam für sie direkt hinter Finja. Sie begaben sich auf unzählige Konzertreisen, sie hatten ein Haus voller Instrumente, sie hörten ständig Musikstücke, eigentlich waren sie selber wie Musik.
Wenn ihre Eltern in der ganzen Welt musizierten und Konzerte gaben, lebte Finja bei ihrer Oma Sanne. Von ihr hatte sie die unsagbare Liebe zur Natur und von ihr hatte sie gelernt wie man aus Brennnesseln Tee kocht oder wie man aus Ringelblumen eine Salbe herstellt. Oma Sanne konnte die Rinde der dicken Eiche betasten und wusste wie morgen das Wetter werden würde.
Das Geklimper hörte nicht auf und auch die Kälte wurde nicht besser. Finja drehte die Heizung etwas höher, in ihrem Zimmer war ja kein kostbares Instrument das durch die Heizungsluft verziehen konnte. In ihrem Zimmer waren auch Instrumente, solche aus Ästen und Steinen, solche die sie manchmal draußen in der Laube mit Mu´s Kindern aus der Musikgruppe baute. Sie liebten es mit ihr zusammen aus scheinbar unnützen Dingen Instrumente zu bauen und darauf Töne zu erzeugen, es gab ihnen das Gefühl etwas zu meistern. Deshalb freuten sie sich immer wieder mit der Tochter ihrer Musiklehrerin in der Laube zu verschwinden und zu arbeiten.
Finja steckte sich die Stöpsel ihres MP3-Players in die Ohren, den hatte sie vor vier Tagen zu ihrem vierzehnten Geburtstag von ihrem Onkel geschenkt bekommen (obwohl so „elektronische Musik“ in den Ohren ihrer Eltern nicht so gern gehört wird). Zu den sanften Klängen von Adele schlief Finja endlich ein, das Toben des Sees wurde stärker, aber das hörte sie nicht mehr.
3
Ehe die Hüterin des Rosengartens sich versah schwirrten sie durch den Rosenbogen, ihre lieben kleinen Freundinnen, ihre wichtigsten Helferinnen in Botania – die Elfen des Rosengartens, alle nicht viel größer als ein Fingerhut. Allen voran Rubinia, mit ihren winzigen roten Zöpfchen. Sie liebte es ihre dünnen feuerroten Härchen zu noch dünneren Zöpfen zu flechten. Sie war immer die schnellste, die vorwitzigste Elfe und in Botania war sie zuständig für die Wärme und für den Schutz des Feuersteins. Danach flatterte Eugenia herein, das heißt, sie polterte herein, denn wieder einmal traf sie den Bogen nicht richtig und streifte mit ihren Flügeln die Wand. Eugenia war kurzsichtig, aber das ignorierte sie. In Botania war sie verantwortlich für das Wasser und sie war die Hüterin des Wassersteins. Wie eine Feder flog Saphira in den Rosenturm, ihre blonden Haare wehten beim Flug. Sie war so zerbrechlich wie man sich eine Elfe vorstellt und sie verkörperte ihre Zuständigkeit für die Luft und den Stein des Atems wie keine andere. Severin war die Letzte, das Fliegen viel ihr schwer heute Morgen, wahrscheinlich hatte sie die ein oder andere süße Frucht zu viel verspeist und das ein oder andere Milligramm mehr auf ihren Elfenhüften. Severin war robust und gutmütig, genau richtig für den Schutz der Erde und des Terrasteins, den Stein der Fruchtbarkeit der Erde.
Doch sie wirkten nicht so wie immer, die Elfen des Rosengartens. Sie hatten es nicht geschafft die Steine des Zauberbandes zu hüten. Sie hatten sie gepflegt und geschützt. In dem Inneren der Steine haben sie die Weisheiten für ihre Aufgaben gefunden. Am Arm der Hüterin des Rosengartens entfalteten sich ihre Steine als Einheit zum Zauberband und sorgten für den Schutz und das Wachstum Botanias. Ihre zarten Elfenhände hatten es nicht vermocht die Steine vor den grausamen Händen der Starken, den Gehilfen von Blanche und Noire, zu retten. Beim Gedanken daran begannen ihre Elfenflügel zu zittern wie Espenlaub. Selbst die robuste Severin fühlte sich nach ihrem Frustessen nicht besser.
„Ihr lieben Elfen“, flüsterte Mirella. „Ich will euch keine Vorwürfe machen. Jahrelang habt ihr mit mir und vielen anderen Botania geschützt. Wir haben Pflanzen einen Raum zum Wachsen gegeben und wir haben sie zu den menschlichen Wesen gebracht, damit sie sich daran erfreuen, damit sie atmen und leben können.“
Die Elfen schluckten bei dieser liebevollen Ansprache, so groß war ihre Angst gewesen, Mirella gegenüber zu treten und so schwer lastete ihr Versagen auf ihren kleinen Schultern. „Wir dürfen jetzt nicht aufgeben, wir müssen zusammenhalten, wir haben immerhin noch den Stein der Liebe am Zauberband. Ohne ihn werden Blanche und Noire keinen Erfolg haben.“
„Ich weiß nicht, ob du damit Recht behältst, denn ohne die Elemente haben wir auch keinen Erfolg.“
„Ruhig Rubinia, sei nicht immer so hitzig, lass Mirella weiterreden“, hauchte Saphira in den Wutausbruch ihrer Schwester.
„Also ich habe überlegt und es gibt nur eine Chance. Wir werden ohne die Steine unsere Kraft verlieren, wir sind nicht stark genug gegen das vernichtende Böse anzutreten. Wir werden uns jemanden aus der menschlichen Welt holen müssen, jemanden der die Natur genauso liebt und versteht wie wir.“ Mirella blieb die Stimme weg, ehrlich gesagt hatte sie nicht die leiseste Ahnung wer das sein sollte. Die Hüterin des Rosengartens hatte noch nie Kontakt mit einem Wesen aus der menschlichen Welt. Aber sie hatte noch einen Trumpf im Ärmel: ihren Bruder Skender. Skender lebte meistens im Wald und er liebte den Duft der Bäume und der Erde. Vor vielen Jahren hätte er Hüter des Rosengartens werden sollen, doch dazu hätte er den Wald verlassen müssen. Ein Leben im Rosenturm und die Verantwortung über Botania war kein fairer Tausch und außerdem war er der Meinung, dass seine Schwester die Richtige für diese große Aufgabe war und damit hatte er bis jetzt Recht behalten. Skender war ein Träumer und hatte schon oft in seinen Träumen Ausflüge in die menschliche Welt unternommen. Die Kraft seiner Träume reichte weit über Botania und seine Waldhütte hinaus.
Nun wartete Skender vor der Tür des Rosenturms. Er wusste von den Schwierigkeiten Botanias und von seinem möglichen Untergang.
„Skender!“, rief Mirella. „Komm zu mir herein!“ Die Elfen schauten sich an, selten holte Mirella sich die Hilfe ihres Bruders. Doch Severin selbst wusste von Skenders Träumen und von seiner Macht in die menschliche Welt einzutauchen. Oft hatte sie mit ihm darüber geredet, wenn sie gemeinsam die frische Luft der Erde eingeatmet hatten.
„Skender, du weißt von unseren Schwierigkeiten. Ich hole dich nicht gerne aus deinem geliebten Wald. Doch wenn nicht schnell etwas passiert, dann wird dein Wald, dann wird der Rosengarten, dann wird Botania und wahrscheinlich auch die menschliche Welt nicht mehr lange existieren.“ Mirella schwieg nachdenklich und schauten ihren Bruder eindringlich an. Wie viel steckte in ihm und war er bereit für diese Aufgabe? Doch Skender erwiderte ihren Blick, noch nie hatte die Hüterin ihn so kraftvoll gesehen, sie schöpfte zum ersten Mal an diesem Tag Hoffnung.
„Hast du auf deinen Ausflügen in die menschliche Welt jemals ein Wesen gesehen, welches deiner Meinung nach eine Hilfe sein kann? Jemanden der die Natur liebt und dafür so viel Zeit aufbringt wie wir?“
Skender brauchte nicht lange für diese Antwort, sie kam sofort „Ja! Ich habe ein Mädchen beobachtet, sie pflegt ihre Pflanzen, sie ist bei jedem Wetter in der Natur, sie schützt sie, sie lebt dafür und sie ist wunderschön.“ Skender wurde rot.
Mirella hielt einen Moment inne, sie war eitel, schließlich bedeutet Mirella die Schöne und diesen Namen hatten ihre Eltern ihr nicht umsonst gegeben, sie war wirklich schön. Und dieses Mädchen war wunderschön?! Aber das war nicht wichtig. „Okay“, sagte sie und schaute die Elfen an. „Bringt sie hierher!“
Auch die Elfen schöpften Hoffnung. Ja, sie würden das Mädchen holen, in ihren Händen würde es so leicht werden wie eine Feder. Heute Nacht würden sie in die menschliche Welt aufbrechen und ihre Entschlossenheit mobilisierte ihre letzten Kräfte.
4
Die Schulglocke läutete, Finja stopfte ihre Hefte in ihren Rucksack und warf ihn über ihre Schulter. Endlich Herbstferien! Endlich Ruhe, endlich Oma Sanne und Wald und See! Niemand der ihr Vorschriften machte, niemand der sie nervte oder etwas von ihr wollte. Oh ja, das würde herrlich werden …
„Tschau Finja. Sehen wir uns in den Ferien? Was hältst du von Kino? Da treffen wir ihn bestimmt“, wisperte ihr Lisa zu. Mit „ihn“ meinte sie Tom, der eine Klasse über ihnen war und der Lisas einziges Gesprächsthema seit Wochen war.
„Ich weiß nicht, meine Eltern sind auf Konzertreise und ich bin bei meiner Oma. Oh Mist, es regnet immer noch!“, rief sie, als sie vor das Schulgebäude traten.
„Wir können auch shoppen gehen, das hat dein Kleiderschrank echt mal nötig, der kommt noch um vor Hunger nach ein paar ordentlichen Klamotten. Die Latzhosen sind out Finn, glaub mir.“ Lisa wackelte in ihrer engen Jeans mit den Hüften, wahrscheinlich war „er“ gerade in der Nähe.
„Mal sehen, ich melde mich. Da ist Mu, ich muss los.“ Sie drückte Lisa einen flüchtigen Kuss auf die Wange und rannte zu Mu´s rotem Kombi. Mu´s Auto war nicht irgendein normales rotes Fahrzeug, nein es war bedruckt mit vielen kleinen schwarzen Noten und dem Schriftzug „Ingas Musikkids – musikalische Früherziehung“.
„Hi!“ Finja ließ sich stöhnend auf den Autositz fallen und warf ihren Rucksack nach hinten auf den Rücksitz.
„Was ist los mein süßes Sternenkind?“
„Nenn mich nicht immer süßes Sternenkind. Wie oft soll ich dir das noch sagen?“ Sternenkind nannten ihre Eltern sie, weil es nur zu oft vorkam, das Finja in ihrem Strandkorb saß und in den Himmel schaute und dabei alles um sich herum vergaß, das war schon immer so. Doch irgendwie fühlte sie sich in manchen Situationen von Mu damit aufgezogen, genau wie jetzt.
„Oh, Lisa geht mir so was von auf die Nerven, mit ihrem Tom und mit ihrem Shoppen gehen. Ich bin froh, sie zwei Wochen nicht zu sehen.“
„Aber vielleicht hat sie ja Recht, du solltest wirklich mal was anderes anziehen. Lisa ist doch deine beste Freundin wirf das nicht so leichtfertig weg“, gab Mu zu bedenken.
„Tu ich auch nicht. Aber ehe ich mit Lisa shoppen gehe und mir anhöre, ob Tom das oder dies wohl besser findet, nehme ich meine Altflöte und gehe mit euch auf Konzertreise.“
„Süße, das wäre natürlich das Allerbeste. Ich weiß, du könntest das“, schwärmte ihre Mutter. Ja, sie konnte sämtliche Flöten spielen, aber sie hasste Konzertreisen.
„Ich will mit Oma Sanne in den Wald, sie will mit mir Kräuter sammeln. Der Herbst ist dafür die beste Jahreszeit. Und meine Rosen muss ich auch noch zurückschneiden. Und ich will keine Flötistin werden, ich studiere Biologie und jetzt lass mich!“
Damit war die Unterhaltung beendet, bis sie über den kleinen Forstweg zu ihrem Haus gelangten. Ziemlich verschlafen sah ihr Traumhaus am See aus. Die vielen Rosen und Herbstastern, die um das Haus ihrer Familie erblühten, waren Finjas ganzer Stolz. Die Musik, die sie schon beim Aussteigen hörte, war Pus ganzer Stolz.
„Sei nicht so laut, wenn du ins Haus kommst. Dein Vater übt gerade mit Frank für morgen.“
„Oh Gott, Frank hat ja wohl nicht seine Tochter, die Barbiepuppe mitgebracht?! Dann gehe ich sofort in die Laube und wehe du verrätst mich.“ Finja bekam eine mittelschwere Krise, die Barbiepuppe war Franks Tochter Michelle, acht Jahre alt und ein Traum in rosa und ihr immer auf den Fersen.
Mu musste schmunzeln „Nein, keine Panik. Aber wo du Laube sagst, kannst du heute mit meiner Musikgruppe dort nicht die Instrumente aus den Ästen weiterschnitzen? Die Kids freuen sich und ich muss unbedingt noch an den Flügel. Nur noch einmal, Finja, bitte.“
Finja nickte ergeben, wenn Mu so lieb den Blick senkte und sie um etwas bat, konnte Finja meist nicht nein sagen. Ihre Eltern waren ja etwas verrückt, aber das Liebste, was sie sich vorstellen konnte.
Finja verschwand leise in ihrem Zimmer.
„Na Cosy, ich finde du könntest auch mal was anderes anziehen, dieser Panzer ist nicht mehr in, glaub mir. So ein bauchfreies T-Shirt ist Schildkrötenmode dieses Jahr.“ Die alte Schildkröte kroch aus ihrem Panzer und es schien, als würde sie grinsen. Für diese Solidarität gab es erst mal eine dicke Tomate.
Nun ging es daran ein paar Sachen für die Tage bei Oma zu packen, bevor die Kids kamen. Wahrscheinlich mussten es diesmal mehr regenfeste Sachen sein, so trostlos wie es heute aussah. Aber ihr Motto lautete ja: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.
Der Nachmittag verlief entspannt. Mu und Pu hatten so viel zu tun, dass sie keine Zeit hatten, zu meckern. Normalerweise hätten sie genörgelt darüber, dass Finja bei diesem Wetter draußen auf ihrer Schaukel saß und auf den See schaute und darüber, dass sie Lisa nicht zurückgerufen hatte (Lisa hatte schon mindestens fünfmal angerufen!).
Während Finja noch mit den Musikkids ihrer Mutter beschäftigt war, ahnte sie noch nicht, dass sich ihr Leben heute Nacht verändern würde.
Sie legte sich in ihr Bett und als sie wieder anfing so unglaublich zu frösteln, tobte der See wie von einem Orkan gestreift. Um ihre Ohren summte es. „Super, blödes Wetter und ihr Mücken seid immer noch aktiv.“ Sie schlug mit der Hand in die Richtung aus der das Summen kam. Dann gab sie es auf und schlief ein, während Mu im Musikzimmer klimperte und Pu sanft sein Cello spielte.
5
„Vorsicht Rubinia! Sie schlägt schon wieder nach dir. Schwirr nicht so mit deinen Flügeln an ihren Ohren vorbei, Rubinia!“ Severin machte sich Sorgen um ihre Elfenschwester, denn wenn dieses Menschenmädchen sie erwischte, dann würden die Elfen es nicht schaffen sie nach Botania zu bringen.
„Das muss sie sein. Es ist so wie Skender es beschrieben hat. Ein Haus am See von vielen liebevoll gepflegten Pflanzen umgeben“, wisperte Saphira.
„Ja und dieses Wesen, so weich und diese schwarzen Haare, ich hab noch nie solche Haare gesehen.“ Rubinia war begeistert von diesen wunderschönen Haaren, die so dick, lockig und lang waren. Rubinia zippelte an ihren dünnen Zöpfchen. „Wo ist überhaupt Eugenia?“
„Hier bin ich, ich hab meinen Elfenstab verloren, als ich gegen diese Tür geflogen bin, so eine hinterlistige Tür.“ Eugenia krabbelte mit der Nase auf dem Boden herum und hielt nach ihrem Stab Ausschau.
„Eugenia, du siehst nicht richtig, die Tür kann nichts dafür, glaub mir. Und hier ist dein Elfenstab!“ Saphira hob ihn vom Boden auf. „Lass uns anfangen, uns bleibt nicht viel Zeit, wenn sie aufwacht bei eurem Lärm, dann wird das nichts.“
„Seht mal die Schildkröte sollten wir auch mitnehmen, ich versteh zwar nicht viel von tierischen Wesen, aber ich habe gehört, diese hier seien besonders weise.“ Severin schwirrte über Cosy und war ganz begeistert.
So machten sich die vier Elfen des Rosengartens, die Hüterinnen der Elemente und Beschützerinnen der Steine des Zauberbandes an die Arbeit.
Mit einem Meer von Sternen und Glitzerstaub schwenkten sie ihre winzigen Elfenstäbe in die Luft. Mit dem ersten Geflitter zauberte sich die Kleidung auf Finjas Körper, ihre Lieblingslatzhose und das Ringelshirt, die sie am Abend achtlos auf den Boden geworfen hatte und in die sich Eugenia schon ein paar Mal verfangen hatte. Mit dem zweiten Geflitter machten sie die Schildkröte leicht wie eine Feder und ließen sie in den kleinen Weidekorb schweben. Mit dem dritten Geflitter, welches besonders heftig und für die Elfen und ihre Zauberstäbe besonders anstrengend war, verwandelten sie Finjas Körper ebenfalls in eine leichte Feder. Sie fassten das menschliche Mädchen und die weise Schildkröte mit ihren Händchen und flogen mit ihnen in den Nachthimmel. Für Sekunden war Finja ein wirkliches Sternenkind und ihr Glitzern spiegelte sich wieder in ihrem geliebten See.
Finja merkte von dem alldem nichts. Sie schlief sanft wie ein Baby und fühlte sich leicht in den Schlaf gewogen.
Als sie ihre Augen aufschlug, schaute sie in einen türkisblauen Himmel mit kleinen Schäfchenwolken und sie hörte eine Stimme „Sternenkind, wach auf, wir brauchen deine Hilfe!“
Na super, nannte der Himmel sie jetzt auch schon Sternenkind und seit wann konnte er sprechen? Sie beschloss lieber weiterzuschlafen.
„Wir müssen sie rütteln. Ich glaub wir haben zu viel Elfenstaub verwendet.“ Rubinia war ganz aufgeregt. “Skender sprich noch mal mit ihr, deine Stimme ist lauter und bist du dir sicher, das sie Sternenkind heißt?“ Viele kleine Hände rüttelten an Finjas Körper.
„O.K., ich ergebe mich Mu, ich stehe auf.“ Finja setzte sich auf, doch sie war nicht im Bett, sie saß auf einem Moosteppich mitten im Wald und um sie herum schwirrten vier kleine, winzig kleine glitzernde Wesen. Der Himmel schaute sie wieder an, aber es war nicht der Himmel, es waren türkisblaue Augen, mit weißen Flecken so zart wie Schäfchenwolken. Und sie gehörten zu einem Jungen, der nicht viel älter schien als sie, mit blondem, fast goldfarbenem Haar und völlig grün gekleidet.
„Sternenkind, bist du wach?“
„Ich heiße nicht Sternenkind, ich heiße Finja. Finja Rees. Und wer bitteschön seid ihr? Wäre ich nicht so hellwach, ich würde denken, ich träume.“
Skender nahm alle seine Kraft zusammen, er sprach nicht gerne, aber es war an ihm eine Erklärung abzugeben. Er hoffte, die Rosenelfen würden ihm helfen, sie lagen etwas schlapp im Moos. Ihr Auftrag hatte sie geschafft und ohne ihre Steine würde ihre Kräfte immer mehr schwinden. Sie brauchten Hilfe und zwar schnell. „Ich bin Skender, der Bruder der Hüterin des Rosengartens. Wir, also die Elfen des Rosengartens, haben dich nach Botania gebracht, weil wir deine Hilfe brauchen.“
Finja glaubte immer noch nicht, was sie sah, aber sie war hellwach, es musste Wirklichkeit sein. „Nö, ist klar. Was bitteschön ist Botania?“ Neben ihr nahm sie im Weidenkorb ein Rascheln wahr. Die alte Schildkröte war aufgewacht. „Toll Cosy, dich haben sie auch hierher gebracht und was machen wir jetzt?“
Cosy schaute sie an und öffnete ihr Maul und das was sich Finja immer gewünscht hatte wurde real, die Schildkröte sprach mit ihr:
„Wieso Finja, hier riecht es herrlich nach Wald und frischem Gras, schau dich doch mal um, wie schön es hier aussieht. Ich finde wir sollten uns anhören, was sie zu sagen haben, wo wir nun einmal hier sind.“
Finja erschrak und wurde ganz bleich, ihre Schildkröte konnte sprechen. Rubinia hob ihr kleines Köpfchen, als sie Finjas blasses Gesicht sah.
„In Botania kann fast jedes Wesen sprechen, hier ist so einiges anders als in der menschlichen Welt. Manches ist schöner, aber manches ist so unendlich grausam, dass du dir es nicht mal in deinen schlimmsten Träumen vorstellen kannst. Und wenn du dich entscheidest uns zu helfen, können wir dir nicht versprechen, dich vor dem Bösen zu schützen. Ich kann dir nur sagen dass wir auf deine Hilfe angewiesen sind, sonst passieren noch viel grausamere Dinge.“ Rubinia schloss ihre erschöpften kleinen Äuglein.
„Wenn mir mal einer sagen kann, was ihr ausgerechnet von mir wollt, dann kann ich euch auch eine Antwort geben.“ Finja sah sich um, Cosy hatte Recht. Sie hatte noch nie so einen saftigen Wald gesehen, die verschiedenen Bäume leuchteten in den unterschiedlichsten Grüntönen und es sah so aus, als würden aus ihren Kronen große gutmütige Augen schauen. So gutmütige Augen wie die der kleinen dicken Elfe, die auf ihrem Bein lag und schnarchte. In den Wipfeln glitzerte es und es roch so frisch wie Finja es liebte, nur noch stärker als sie es je gerochen hatte. Hier musste ein Paradies sein, nein ein Zauberland sein.
„Sternenkind, äh ich meine Finja, ich kann es dir nicht so schnell erklären, die Zeit rast uns davon. Bitte begleitet mich und die Elfen Rubinia, Saphira, Eugenia und Severin in den Rosenturm, zu der Hüterin des Rosengartens, zu Mirella, meiner Schwester. Bei ihr wird dir nichts geschehen, höre dir nur an, was sie zu sagen hat.“
Finja nickte und so zog die eigenartige Truppe, das menschliche Mädchen, der Waldjunge, die Elfen und die Schildkröte zum Rosengarten, wo sie bereits sehnsüchtig von Mirella erwartet wurden.
6
Sie liefen eine ganze Weile von dem grünen Wald bis zum Rosengarten. Auf dem Weg dorthin liefen sie über saftige Felder von so einem leuchtenden Farbton wie Finja ihn noch nie gesehen hatte. Sie mussten zwei kleine Bäche überqueren, die in einem kobaltblau glitzerten und in denen die Fische Saltos sprangen. „Lange sieht es hier nicht mehr so aus, oh ihr verdammten Raubtiere!“, schimpfte Rubinia vor sich her. Finja hatte keine Ahnung, was sie damit meinte und sie konnte ihr auch nicht konzentriert zuhören, so begeistert war sie von dem, was sie da sah. In ihrer Hand trug sie den Korb mit ihrer Schildkröte. Finja wartete auf einen ungestörten Moment in dem sie mit Cosy sprechen konnte. Hatte die Schildkröte sie etwa all die Jahre verstanden?
Skender lief schweigend neben ihnen her, er war tief in seinen Gedanken versunken. Schmerzlich wurde ihm bewusst, wie wichtig es war, Finja zu überzeugen, ihnen zu helfen. Rubinia, Eugenia und Severin flogen zwar noch neben ihnen her, doch Skender hatte beobachtet, wie Saphira schwächelte. Sie legte sich in den Schildkrötenkorb, es schien, als würde ihr der Atem ausgehen. Saphira war immer die schwächste von den Rosenelfen gewesen und trotzdem hatten sie sie vor Jahren unter den vielen Elfen in Botania ausgewählt, um den Stein des Atems zu beschützen, denn sie war sehr gewissenhaft. Doch jetzt, wo sie den Stein verloren hatte, schwanden ihre Kräfte und Saphira wurde immer blasser.
Sie erreichten den Rosengarten und er übertraf alle Vorstellungen, die Finja sich von ihm während der letzten Stunde gemacht hatte. Finja liebte Rosen und dies war für sie ein Paradies. Sie durchquerten ein großes Tor, umrankt von Rosen und bewacht von den Trollen Torben und Ole, die schon viele Jahre im Dienst der Hüterin standen. Mit ihrer witzigen, hinterlistigen Zauberkraft hatten sie es geschafft, den Rosengarten bis zuletzt zu beschützen, doch nachdem sie von Noires schwarzem Jaguar und Blanches weißem Löwen in die Enge getrieben und schwer verletzt wurden, mussten sie sich ergeben. Doch sie waren von einer robusten Natur und hatten sich schnell wieder an ihre Aufgabe gemacht.
Sie durchquerten den Rosengarten, das heißt vielleicht schwebten sie eher hindurch, betört von den Düften der unzähligen Rosen. Einige Rosenarten erkannte Finja wieder, doch viele waren ihr unbekannt. Von einem unschuldigen schneeweiß über hellgelb, orange, rosa, pink, rot, bis fast schwarz reichten sie. Sie waren einfarbig und mehrfarbig, groß und winzig klein, mit und ohne Dornen. Finja war überwältigt.
„Hier wachsen alle Rosen, die es in der menschlichen Welt gibt und solche, die es noch geben wird.“ Skender sah ihre Bewunderung. Wie würde sie erst auf den Rosenturm und die Hüterin dieses Gartens reagieren?!
Sie betraten den Rosenturm durch das Rosentor, indem Mirella zu leben pflegte. Die Herrscherin Botanias saß in ihrem Schaukelstuhl. Mirella war von einer wunderschönen Erscheinung, ihr glattes schimmerndes Haar hatte sie hochgesteckt und mit vielen kleinen roten Rosen geschmückt. Ihr Kleid war ein einziges Meer aus Rosen in den unterschiedlichsten Farben. Im Rosenturm hingen viele Bilder und Zeichnungen von Pflanzen jeglicher Art. Nicht nur Bilder, auch echte Pflanzen zierten den Rosenturm. Nur wer Mirella wirklich kannte sah ihre Angespanntheit, ihre Sorge um Botania, in ihrem Puppengesicht.
Finja stand vor ihr und schämte sich zum ersten Mal, da sie nichts anderes angezogen hatte und dass ihre widerspenstigen Locken im Gesicht hingen. Doch auch Mirella sah die Schönheit, die Skender in Finja gesehen hatte.
„Sei gegrüßt menschliches Wesen. Ich bin froh dich zu sehen. Setz dich zu mir, ich möchte dir erklären, warum wir dich geholt haben. Es wird eine längere Geschichte und entschuldige, wenn sie mir nicht immer fließend von den Lippen kommt. Severin, hole uns bitte etwas zu trinken und vielleicht ein paar Früchte.“
Ohne zögern setzte sich Finja zur Hüterin des Rosengartens und lauschte gespannt ihrer Geschichte.
7
„Seit vielen Jahren bin ich die Hüterin des Rosengartens und die Herrscherin Botanias. In Botania wird die Herrschaft immer an das erstgeborene Kind vergeben. Doch mein Bruder Skender nahm dieses Recht nicht in Anspruch, da er viel lieber frei in Botania leben wollte.
Als Hüterin des Rosengartens habe ich die Aufgabe mich um alle Belange Botanias zu kümmern, doch das kann ich nicht alleine, dabei helfen mir die lieben Elfen des Rosengartens und vor allen Dingen das Zauberband.“ Bei dem Gedanken an das Zauberband musste Mirella schlucken. „Das Zauberband verfügt über 5 Steine, den Feuerstein, den Wasserstein, den Stein des ewigen Atems, den Terrastein und den Stein der Liebe. Mit ihrer gemeinsamen Kraft ist es uns möglich den Zauber der Pflanzenwelt zum Erblühen zu bringen und all die verschiedenen Pflanzen in die menschliche Welt zu bringen. Ohne die Elemente der Steine könnten die Pflanzen nicht überleben und da ihr menschlichen Wesen alle diese Pflanzen zum Leben braucht, könntet auch ihr nicht überleben. Botania würde untergehen und mit Botania all seine Lebewesen.“
Finja schaute Mirella entsetzt an: auch all ihre geliebten Pflanzen und pflanzliche Nahrungsmittel? Das wäre ja entsetzlich!
„Das Zauberband entfacht seine Kraft als Einheit, es leuchtet und glitzert an meinem Arm und die Elfen pflegen ihre Steine und sprechen in sie alles, was für das Wachstum der Pflanzen wichtig ist.“ Mirella schaute auf ihr Band, an dem schwach der Stein der Liebe leuchtete.
„Schon immer waren viele böse Mächte darauf aus, das Zauberband zu stehlen und für ihre Zwecke zu benutzen. Doch nie ist es ihnen gelungen. Blanche und Noire hingegen haben über eine lange Zeit eine Armee zusammengestellt, die einzig und allein auf sie hört. Sie sind stark und ohne Herz, sie nennen sich „Die Starken“. Blanche und Noire haben wir noch nie zu Gesicht bekommen. Sie leben weit entfernt vom Rosenturm in den Dunkelgrotten. Wir wissen nur, sie sollen voller Hass auf unser blühendes Leben, auf Farben und auf jegliche Art von Liebe sein. Sie wollten möchten das Zauberband nicht besitzen, um selber ein blühendes Reich zu erbauen, sondern um Farbe und Licht auszulöschen. Sie denken, dass die Liebe ohne all dies vergeht, deswegen haben sie um den Stein der Liebe nie gekämpft.“ Mirella streichelte sanft ihren roten Stein, er zeigte kurz das flackernde Herz im Innern.
„Aber sie haben sich getäuscht, die Liebe ist das Wichtigste was uns geblieben ist, mit der Kraft der Liebe werden wir sie schlagen. Die Steine haben sie uns auf grausame Art entrissen, viele unserer Elfen und Trolle haben sie dabei getötet, bis die Rosenelfen dieses Töten nicht mehr ertragen haben und die Steine ausgeliefert haben.“
Finja merkte die unendliche Traurigkeit in den Augen der Bewohner Botanias. Auch Cosy erschauderte auf Finjas Schoß. „Warum habt ihr mich geholt, was kann ich für euch tun?“
„Finja, ich kann den Rosengarten nicht verlassen. Ich muss mich um die Vegetation in Botania kümmern, dafür muss ich den Stein der Liebe behüten. Alle Wesen Botanias sind in irgendeiner Weise von der magischen Kraft des Zauberbandes abhängig und solange es nicht wieder vollständig ist, werden unsere Kräfte immer weiter schwinden. Besonders die Rosenelfen und ich sind davon betroffen. Du liebst die Natur so sehr wie wir und wir wissen, du würdest alles dafür tun. Deswegen müssen wir dich bitten, dich gemeinsam mit Skender auf den Weg zu machen, um die Steine zurückzuholen. Es wird gefährlich Finja, aber du bist unsere einzige Chance.“ Mirella schloss ihre Erzählung und alle schauten Finja an.
„Meine Eltern werden mich vermissen.“
„Botania ist zeitlos, es ist nur einen Traum entfernt. Du bist wieder zu Hause, wenn Deine Eltern dich wecken“, sagte Skender und schaute das Mädchen flehend an.
Diese Augen, diese türkisblauen Augen, er sieht aus, als schaue ich in den Himmel. Finja durchzog ein Schauer, wie sie es noch nie bei dem Anblick eines Jungen erlebt hatte. Ist es das, was Lisa immer über Tom sagt? Aber Lisa war nicht da und Botania brauchte ihre Hilfe.
Finja lächelte. „Ja, ich werde es tun und euch helfen. Ich tue alles, was in meiner Macht steht, um die Steine zurückzubekommen. Lass uns aufbrechen, Skender, wir haben viel Arbeit vor uns.“ Zum Glück hatte sie ihre Lieblingslatzhose an und kein mit Rosen besticktes Kleid, was wahrscheinlich praktischer für die bevorstehenden Aufgaben war.
Die Elfen flatterten vor Freude auf Finjas Arm. Diesen zarten Wesen stand die Fröhlichkeit viel besser zu Gesicht als die Sorge, schon allein dafür würde es sich lohnen.
Die Hüterin der Rosen bedankte sich für die Zusage und bot Finja an, sich eine Nacht im Rosenturm zu erholen, um morgen mit Skender aufzubrechen.
Es wurde eine unruhige Nacht für Finja, doch an ihrem Entschluss änderte sich nichts.
8
Als Finja am nächsten Morgen erwachte, wurde sie zwar von Vogelgezwitscher geweckt und als sie aus ihrem Schlafgemach aus dem Fenster schaute, sah sie ein Meer aus blühenden Rosen, aber die Sonne, die man an so einem herrlichen Morgen erwartete, war nicht zu sehen. Neben ihr raschelte es im Korb. „Cosy, bist du auch schon wach? Ich glaube es ist noch gar nicht so spät.“ Finja schaute die alte Schildkröte mit großen Augen und mit Spannung an. Ob sie wohl auch mit ihr alleine sprechen konnte oder nur in Gegenwart der Elfen? Cosy schien heute nicht besonders gesprächig zu sein. Finja hatte sich gestern noch viel über Botania und seine Lebewesen erkundigt, sie wollte möglichst viel wissen, bevor sie diese Aufgabe antrat. Doch irgendwann sah sie, wie müde Mirella und ihre Begleiter wurden und zog sich zurück.
Cosy antwortete tatsächlich: „Es ist schon spät, ich glaube, wir sollten aufstehen. Es scheint mir jedoch so, als hätte die Sonne schon aufgehört zu scheinen. Haben sie nicht gesagt ein Stein ist auch der des ewigen Lichtes?“ Schildkröten waren wirklich sehr schlau.
„Du hast Recht, so langsam wird mir bewusst, welche Folgen das Fehlen der Steine hat. Meinst du, wir schaffen das alles? Ich bin doch erst vierzehn Jahre alt und soll Botania retten. Ich weiß nicht, ob sie mit mir wirklich die richtige Person ausgesucht haben.“
„Du zweifelst schon wieder an dir, Sternenkind. So wie damals, als du dir nicht sicher warst, ob du es schaffst den großen Blumengarten aufzuforsten. Aber du hast es gemeistert und es ist der Schönste weit und breit. Ich kenne niemanden, außer vielleicht deine Oma, der so viel Liebe zu den Pflanzen aufbringt wie du. Ich helfe dir.“
Ihre Schildkröte hatte wohl tatsächlich alles mitbekommen, was sie zu ihr gesagt hat und sie hatte es verstanden. Sie hatte ja recht, man muss einfach an seine Kräfte glauben und immer positiv denken, dann schafft man schon, was man sich vornimmt und dieses war eine wirklich wichtige Aufgabe. Sie war ja nicht allein, Cosy war bei ihr und Skender, in besonders wichtigen Fällen sollten auch die Rosenelfen ihre Kräfte mobilisieren und in Botania lebten noch viele Wesen, die ihnen wohlgesonnen sind: Waldelfen und Seetrolle, Steintrolle und Obstelfen, Knorzenweibchen und Nebelgeister … Von ihnen allen hatte Finja gestern Abend gehört und sie war wirklich gespannt darauf sie kennenzulernen. Aber sie hatte auch von all den gefährlichen Kräften gehört, doch daran wollte sie jetzt nicht mehr denken. Nein auf keinen Fall – Botania ich komme! Voller Mut sprang sie aus dem Bett, doch als sie ihre Latzhose anzog, spürte sie, wie sehr ihre Beine zitterten.
Im Speiseraum des Rosenturms gab es ein reichhaltiges Frühstück: Viele verschiedene Früchte, Kräutertees und Rosenblätterschorle, frisches Bärlauchbrot und selbst gemachter Ziegenkäse. Alles wurde aufgetragen von zarten Wesen die durch den Raum tanzten und eine Leichtigkeit versprühten.
„Das sind die Küchentänzerinnen, sie sind sehr fleißig und immer froh gelaunt. Nur leider ein bisschen dumm, sie verstehen nur einfache Worte und sie verstehen auch nichts von der Bedrohung Botanias. Das würden sie auch nicht verkraften, also zügle dich in ihrer Gegenwart. Lächle sie einfach nur freundlich an, sie haben es verdient“, flüsterte Skender ihr zu.
Die Hüterin des Rosengartens saß am Kopfende des großen roten Tisches. Sie war sehr schön, diesmal herrlich geschmückt mit gelben Rosen im Haar und einem Kleid das einem bunten Herbstbaum glich. Wenn man genauer hinsah, sah man jedoch die Ränder unter ihren Augen, auch sie hatte in dieser Nacht kaum geschlafen. Der Stein der Liebe leuchtete nur noch zart, er brauchte die Kraft der anderen Steine. Mirella hatte große Angst davor, dass Blanche und Noire Recht behielten und ihnen die Liebe ohne das andere nicht weiterhalf. Außerdem hatte sie in dieser Nacht Saphira gepflegt, ihr ging es sehr schlecht und sie hatte ständig Anfälle, solche die man in der menschlichen Welt Asthmaanfälle nennt. Sie bekam keine Luft und der Kummer ließ sie nur noch schwächer werden.
Nach dem Frühstück wollten sie losgehen und sich auf die Suche nch den Zaubersteinen machen. Skender und Finja nahmen große Rucksäcke mit, mit Proviant und Decken zum Schlafen. In Botania wuchs zwar jegliches Obst und Gemüse, aber niemand wusste wie lange noch und niemand wusste in welche dunklen Gefilde sie sich begeben mussten.
Die Hüterin des Rosengartens konnte ihnen nicht den uneingeschränkten Schutz gewähren. Ihr waren zwar die meisten Gegenden Botanias bekannt, aber an die wirklich gefährlichen Orte war sie nie gegangen und sie fürchtete, dass auch ihre Untertanen diese Orte mieden.
„Ihr müsst euch von eurem Instinkt leiten lassen. Ich denke, Blanche und Noire haben nicht alle vier Steine in ihren Dunkelgrotten versteckt. Ich vermute viel eher, dass sie an sehr gefährlichen und nur sehr schwer zugänglichen Orten versteckt werden. Die Lebewesen Botanias sind aufmerksam und werden euch bestimmt von außergewöhnlichen Orten und Beobachtungen erzählen.“ Mirella schloss ihren Bruder Skender und das Mädchen Finja in ihre Arme.
„Bitte sucht zuerst nach dem Stein des Atems. Saphira ist sehr schwach, ich hoffe damit geht es ihr etwas besser. Meine Boten vermuten den Stein in den Nebelfeldern.“
„Was ist mit dem Rosenstab? Wir können nicht alle Wege zu Fuß gehen. Dafür bräuchten wir in Botania Jahre.“ Skender blickte seine Schwester fragend an.
„Das Problem ist, das der Rosenstab sich weigert in gefährliche Gebiete zu fliegen, aber bis an ihren Rand könnt ihr mit ihm gelangen. Außerdem macht er schon mal schlapp, er ist nicht mehr der Jüngste.“
„Was ist das der Rosenstab? So eine Art Hexenbesen oder was?“ Finja verstand nichts von dem was die Beiden da redeten.
„Was auch immer ein Hexenbesen ist, auf dem Rosenstab kann man fliegen. Man setzt sich darauf, ich denke zwei Wesen wie ihr und eine Schildkröte kann er tragen, sagt ihm sein Ziel und fliegt los.“ Mirella reichte ihnen einen pinkfarbenen mit Rosen bemalten Stab, den man zusammenfalten und in den Rucksack stecken konnte, ebenso wie Oma Sannes unzählige Regenschirme.
Alle Bewohner des Rosenturmes winkten den beiden Kindern mit gemischten Gefühlen nach, sie setzten alle ihre Hoffnung auf Skender und das menschliche Mädchen. Sie wussten aber auch wie schwer die Aufgabe war, die ihnen bevorstand.
Finja, Skender und Cosy flogen auf dem Rosenstab zuerst über Skenders grünen Wald, in Richtung der Obstwälder, um dort von den Obstelfen Auskunft über die Nebelfelder zu bekommen.