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III.

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Am folgenden Tage fand der Herzog von Touraine sehr früh auf und begab sich in den Palast, wo er den König Karl im Begriffe stand, die Messe zu hören. Der König, der ihn sehr liebte, trat ihm mit feinem gutmütigen Gesichte lächelnd entgegen, aber er bemerkte, dass der Herzog seinerseits sehr traurig schien. Das beunruhigte ihn, er reichte ihm die Hand, sah ihn fest an und fragte ihn: »Schöner Bruder, sagt mir, was Euch betrübt, denn Ihr scheint mir sehr niedergeschlagen.«

»Monseigneur«, sagte der Herzog, »ich habe dazu wohl Ursache.«

»Kommt«, sagte der König, indem er ihn beim Arme nahm und in ein Fenster führte, »sagt es uns, denn wir wollen es wissen, und wenn Euch Jemand Unrecht hat, so lasst es unsere Sorge sein, Euch Gerechtigkeit zu gewähren.«

Der Herzog von Touraine erzählte nun den Auftritt des vergangenen Abends, den wir unsern Lesern geschildert haben. Er sagte ihm, wie Peter von Craon sein Vertrauen verriet, indem er Madame Valentine seine Geheimnisse, und zwar in böser Absicht mitteilte. Als er dann sah, dass der König seinen Unwillen teilte, fügte er hinzu: »Monseigneur, bei der Treue, die ich Euch schuldig bin, schwöre ich Euch, dass ich, wenn Ihr mir gegen diesen Menschen nicht Gerechtigkeit gewährt, ihn noch heute im Angesichte des ganzen Hofes einen Verräter und Lügner nennen werde, und er von keiner andern Hand als der meinigen sterben soll.«

»Das werdet Ihr nicht tun«, sagte der König, »und zwar auf unsere Bitte, nicht wahr? Aber Wir werden ihm sagen lassen, Wir selbst, und zwar spätestens diesen Abend, dass er Unsern Palast verlassen soll, und dass Wir seiner Dienste nicht mehr bedürfen. Dies ist übrigens nicht die erste Klage, die Uns über ihn zukommt; verschlossen Wir den früheren das Ohr, so geschah es nur aus Achtung für Euch, und nur, weil er einer Eurer besten Freunde ist. Unser Bruder, der Herzog von Anjou, König von Italien, Sizilien und Jerusalem, wo der Calvarienberg ist – der König bekreuzigte sich – hat, wenn wir ihm glauben können, sich über beträchtliche, ihm entwendete Summen, über ihn zu beklagen. Überdies ist er ein Vetter des Herzogs von Bretagne, der sich nicht um Unsern Willen kümmert und Uns dies täglich beweist, in dem er noch nichts von dem erfüllte, was Wir ihm zur Ausführung mit Unterm guten Konnetabel auferlegt haben. Dann ist es Mir auch eingefallen, dass der schändliche Herzog fortfährt, den Papst von Avignon, welcher der wahre Papst ist, zu verleugnen. Auch schlägt er noch immer, ungeachtet Meines Gebotes, Goldmünze, da doch Vasallen nur Kupfermünzen schlagen dürfen. Dann, mein Bruder«, fuhr der König, der immer aufgebrachter wurde, fort, »weiß Ich aus guter Quelle, dass seine Beamten sich weigern, die Gerichtsbarkeit des Parlaments von Paris anzuerkennen. Er nimmt sogar, und das ist beinahe ein Verbrechen des Hochverrates, den unbedingten Eid seiner Vasallen an, ohne Vorbehalt. Meiner Oberlehnsherrlichkeit. Alle diese Dinge und viele andere noch machen, dass die Freunde des Herzogs nicht die Meinigen sein können; das geht so weit, dass auch Ihr Euch über Messire Peter von Craon zu beklagen habt, gegen den auch Ich schon Argwohn zu hegen begann. Es sei also heute von nichts die Rede, diesen Abend aber lassen Wir ihm Euern und Meinen Willen kundtun. Was den Herzog von Bretagne betrifft, so ist das eine Angelegenheit des Lehnsherrn mit den Vasallen, und wenn der König Richard Uns den dreijährigen Waffenstillstand zusagt, den wir von ihm gefordert haben, so wollen. Wir wohl sehen, wer Herr in Frankreich ist, ob Er oder Ich, und mag ihn auch Unser Oheim von Burgund, dessen Frau eine Nichte ist, unterstützen.«

Der Herzog dankte dem König für den Anteil an der ihm widerfahrenen Beleidigung und wollte eben gehen, aber die Glocke der heiligen Kapelle rief zur Messe, und der König forderte ihn auf, diese mit anzuhören, umso mehr aber, als heut ausnahmsweise der Erzbischof von Rouen, der Messire Wilhelm von Vienne dieselbe lesen und die Königin ihr beiwohnen sollte.

Nach der Messe traten der König Karl, die Königin Isabelle und der Herzog von Touraine in den Festsaal, wo sie alle die Herrn und Damen versammelt fanden, welche ihr Rang, ihre Würde, oder die Gunst des Königs und der Königin zu dem Male beriefen. Das Essen wurde auf der großen Marmortafel serviert, und außerdem war gegen eine der Säulen des Saales der Trinktisch des Königs errichtet, mit goldenen und silbernen Geschirren reich besetzt. Rings um der Tafel zogen sich Barrieren, durch Diener und Hellebardiere besetzt, damit nur die eintreten könnten, welche zum Dienste der Tafel bestimmt waren; aber dieser Vorsichtsmaßregel ungeachtet, drängte das Volk so sehr, dass die Bedienung der hohen Herrschaften kaum möglich war. Als der König, die Prälaten und die Damen sich die Hände in dem silbernen Becken gewaschen hatten, welche die Diener ihnen kniend darreichten, setzten sich zuerst der Bischof von Noyon, welcher den Vorsitz an der Tafel des Königs führt, dann der Bischof von Langres, der Erzbischof von Rouen, und endlich der König. Dieser war in einem hoch roten, samten Überwurf, ganz mit Hermelin besetzt, gekleidet, und hatte auf dem Haupte die Krone von Frankreich; neben ihm saß Madame Isabelle, ebenfalls mit einer goldenen Krone gekrönt. Zur Rechten der Königin saß der König von Armenien, und unter ihm in der Ordnung, wie wir sie nennen, die Herzogin von Berry, die Herzogin von Burgund, die Herzogin von Touraine, Dlle. von Nevers, Dlle. Bomen de Bar, die Dame von Coucy, Dlle. Marie von Harcourt, und endlich die Dame von Sully, die Gemahlin des Messire Guy de la Trimouille.

Außer dieser Tafel gab es noch zwei andere, an welchen die Herzöge von Touraine und Bourbon, von Burg und von Berry den Vorsitz führten, und an denen wohl fünfhundert Damen und Herren Platz gefunden hatten. Das Gedränge war aber so groß, dass man sie kaum bedienen konnte. Was die Gerichte betrifft, sagt Froissard, so waren sie vortrefflich und reichlich, aber ich zähle sie nicht näher auf, sondern spreche nur von den Zwischengerichten, die sowohl angeordnet waren, dass es nicht besser möglich wäre. Diese Art von Schauspielen, welche die Mahlzeit in zwei Hälften schnitt, war damals sehr üblich und beliebt. Sobald der erste Gang beendigt war, erhoben sich die Gäste und nahmen an den Fenstern, auf den Stufen, und selbst auf den Tischen, die zu diesem Behufe dahin gestellt waren, die besten Plätze ein, die sie erlangen konnten. Es war ein großes Gedränge, dass selbst der Balcon, auf dem der König und die Königin sich befanden, von Herren und Damen vollgepfropft war.

Mitten auf dem Schlosshof hatten Arbeiter, welche schon seit länger als zwei Monaten damit beschäftigt waren, ein großes hölzernes Schloss aufgeführt, das 40 Fuß hoch, und die Flügel mit in begriffen, 60 Fuß breit war. An den vier Ecken hatte es vier Türme, und in der Mitte einen fünften noch höheren. Dies Schloss stellte die große und feste Stadt Troja, und der hohe Turm die Burg Ilion vor. Rings um die Mauern waren auf Fahnen die Wappen des Königs Priamus, des stolzen Hector, seines Sohnes, und die der König und Prinzen gemalt, die sich mit ihnen in Troja eingeschlossen befanden. Dieses Gebäude ruhte auf vier Rädern, welche von Männern im Innern bewegt wurden, und mit deren Hilfe es jede Richtung annehmen konnte, die zu seiner Verteidigung nötig war. Die Geschicklichkeit wurde bald geprüft, denn von zwei Seiten rückten zum Angriffe und sich gegenseitig unterstützend, zugleich ein Turm und Schiff vor. Der Turm stellte das Lager, das, Schiff die Flotte der Griechen dar; Beide waren mit den Wappen der tapfersten Ritter geschmückt, welche den König Agamemnon begleiteten, von dem leichtfüßigen Achill bis zu dem klugen Ulisses. In dem Schiffe und Turme befanden sich wohl an zweihundert Männer, und aus einer Stalltür blickte der Kopf des hölzernen Pferdes, das ruhig seine Reihe erwartete, den Schauplatz zu betreten. Aber zur großen Verzweiflung der Zuschauer konnte das Fest nicht bis auf diesen Punkt gedeihen, den in dem Augenblicke, als die Griechen auf der Schiffe und auf dem Turm, Achill an ihre Spitze, die Trojaner mit der größten Tapferkeit an griffen, die Hector mit bewundernswertem Mut verteidigte, ließ sich ein gewaltiges Krachen vernehmen, dem wildes Getöse und Angstgeschrei folgt Eines der Gerüste vor dem Tor des Parlamentgebäudes war unter der Menschenmasse, die es bedeckte, zusammengebrochen.

Wie es bei dergleichen Fällen stets zu sein pflegt, fürchtete Jeder für sich selbst den Unfall, der den Andern betroffen hatte, und schrie, als sei es bereits geschehen. Es entstand daher eine große Verwirrung unter der Masse, und obgleich die König und die Damen, welche auf den steinernen Balcon des Schlosses fanden, nichts zu fürchten hatten, ergriff das panische Schrecken sie dennoch, und sei es nun unüberlegte Furcht vor der Gefahr, vor der sie nicht erreicht werden konnten, sei es, doch sie nicht sehen wollten, was sich unter ihren Auge zutrug, genug, sie wollten eilig wieder in den Speisesaal zurückkehren. Aber hinter ihnen hatte sich eine dichte Reihe von Stallmeistern, Dienern und Pagen aufgestellt, und hinter diesen wieder stand das Volk, welches sich den Eifer, mit dem die Dienerschaft die Fenster säuberte, zu Nutze gemacht, die Gemächer zu füllen. Madame Isabelle konnte daher nicht durch die dichte Masse dringen, und sank erschöpft und halbtot dem Herzog von Touraine, der neben ihr stand, in die Arme. Der König befahl hierauf, die Spiele zu enden. Die Tafeln, auf denen der zweite Gang eben aufgetragen war, wurden fortgeschafft, die Barrieren niedergerissen, und die Gäste gewannen dadurch freien Raum, sich zu bewegen. Zum Glück hatte kein ernster Unfall stattgefunden. Nur die Dame Coucy war leicht beschädigt worden, und Madame Isabelle lag noch immer in Ohnmacht. Man trug sie zu einem einsamen Fenster, das man einschlug, um ihr schneller Luft zu verschaffen, und durch deren Berührung kehrte sie wirklich zum Leben zurück, aber sie war von einem solchen Schrecken er griffen, dass sie sich sogleich entfernen wollte. Von den Zuschauern auf dem Hof waren einige getötet, und andere hatten mehr oder minder schwere Verletzung davon getragen.

Die Königin bestieg demnach ihre Sänfte, und begleitet von den Herren und Damen, diesen Zug von mehr als tausend Pferden bildete begab sie sich durch die Straßen nach dem Hof Saint Paul; der König bestieg unter dem Potau au Change ein Fahrzeug und fuhr die Seine mit den Rittern hinauf, die an dem Kampfspiele teilnehmen sollten.

Als er in seinem Hôtel anlangte, fand der König ein schönes Geschenk, welches ihm im Namen der Bürgerschaft von Paris, vierzig von den ersten derselben, darboten.

Sie waren sämtlich in Tuch von derselben Farbe gekleidet, wie in eine Uniform. Diese Geschenke befanden sich in einer Sänfte, welche man Seidenflor überzogen war, so dass man die Gegenstände erkennen konnte. Es waren vier Töpfe vier Schalen und sechs Schüsseln, sämtlich von massivem Golde und fünfzig Mark schwer.

Als der König erschien, setzten die Träger Sänfte, als Wilde gekleidet, dieselbe mitten im Zimmer nieder; und einer der Bürger, welche ihn begleiteten, kniete vor dem König nieder und sagte:

»Sehr teurer Sire, und edler König, Eure Bürger von Paris schenken Euch bei dem freudig Ereignisse Eurer Regierung alle die Sachen, welche sich in dieser Sänfte befinden, und ähnliche werden in diesem Augenblicke auch der Frau Königin und der Frau Herzogin von Touraine überreicht.«

»Wir danken sehr«, erwiderte der König, »diese Geschenke sind schön und reich, und Wir werden Uns bei jeder Gelegenheit derer erinnern, welche sie Uns machten.«

In der Tat warteten auch zwei ähnliche Sänften bei der Königin und der Herzogin von Touraine. Die der Königin wurde durch zwei Männer getragen, von denen der eine als Bär, der andere als Einhorn verkleidet war, und enthielt eine Wassertonne, zwei Flaschen, zwei Becken, zwei Salznäpfe, sechs Töpfe, sechs Teller, ganz von massivem Gold; und zwölf Lampen, vier und zwanzig Schalen, sechs große Schüsseln und zwölf große Becken von Silber, alles zusammen dreihundert Mark schwer.

Was die Träger der Sänfte der Herzogin von Touraine betrifft, so waren sie als Mauren gekleidet, hatten geschwärzte Gesichter, trugen weiße Turbane, und reiche Kleider von Seidenstoff. Die Sänfte enthielt an goldnen Geräten, ein Becken, einen großen Topf, zwei Konfektbüchsen, zwei große Schüsseln, zwei Salznäpfe; und an silbernen Gegenständen, sechs Töpfe, sechs Schüsseln, vier und zwanzig Salznäpfe und vier und zwanzig Tassen; das Gewicht an Gold und Silber betrug an zweihundert Mark. Der ganze Wert der sämtlichen Geschenke betrug, nach Froissard, sechzigtausend Goldkronen.

Indem die Bürger der Königin diese prachtvollen Geschenke darbrachten, hatten sie die Hoffnung, ihre Gnade zu gewinnen und sie zu bestimmen, ihr Wochenlager in der Stadt Paris zu halten, um dadurch vielleicht eine Verminderung der Abgaben zu erlangen. Aber es kam ganz anders; denn als die Zeit der Entbindung herannahte, führte der König Isabellen mit sich fort, man erhöhte die Salzsteuer und verbot die Silbermünzen von zwölf und vier und zwanzig Denar’s, welche seit der Regierung Karls V. in Umlauf waren. Diese Münzen dienten dem geringen Volke und den Bettlern zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse, und es fehlte daher diesen an dem Notwendigsten.

Diese Geschenke erfreuten übrigens die Königin und Madame Valentine sehr; sie dankten den Überbringern derselben höchst anmutig, und begaben sich dann nach dem Felde der heiligen Catharine, wo für die Ritter Schranken errichtet waren und Gerüste für die Damen zum Zuschauen.

Von den dreißig Rittern, welche an diesem Tage kämpfen sollten4, und die sich die Ritter der goldnen Sonne nannten, weil sie auf ihrem Schilde eine strahlende Sonne hatten, waren bereits neun und zwanzig ganz gerüstet in den Schranken versammelt. Der dreißigste ritt jetzt ein, und alle Lanzen senkten sich: es war der König.

Ein lautes Murmeln verkündete fast zu gleicher Zeit die Ankunft der Königin; sie setzte sich auf die Estrade, die für fiel bereitet war, und hatte an ihrer rechten Seite die Frau Herzogin von Touraine, und an ihrer linken die Mademoiselle von Nevers5. Hinter den beiden Prinzessinnen standen die Herzöge Ludwig und Johann, und wechselten von Zeit zu Zeit einige Worte mit jener kalten Höflichkeit, welche den Leuten eigen zu sein pflegt, welche durch ihre Lage gezwungen sind, ihre Gesinnungen zu verbergen. Als die Königin saß, suchten auch die andern Damen, die nur auf dies Zeichen gewartet hatten, ihre Plätze, und in kurzer Zeit war die ganze Estrade mit Gold- und Silberstoffen, mit Diamanten und Edelsteinen bedeckt.

Die Ritter stellten sich jetzt in Ordnung, der König an ihrer Spitze; auf ihn folgten die Herzöge von Berry, von Burgund und von Bourbon, und auf diese die sechs und zwanzig andern Ritter, nach ihrem Range und ihrer Würde. Einzeln ritten Alle vor der Königin vorüber, neigten vor ihr die Spitze ihrer Lanze bis zu dem Boden, und die Königin grüßte Jeden einzeln.

Als diese Zeremonie beendigt war, teilten sich die Kämpfer in zwei Parteien. Der König nahm den Befehl der einen, der Konnetabel den der andern. Karl führte seine Parthei unter den Balkon der Königin, Clisson die seinige an das entgegengesetzte Ende.

»Monseigneur von Touraine«, sagte der Her zog von Nevers, »ist Euch keine Lust angekommen, Euch unter die edlen Ritter zu mischen, und eine Lanze zu Ehren der Madame Valentine zu brechen?«

»Mein Vetter«, erwiderte trocken der Herzog, »der König, mein Bruder, hat mir erlaubt, morgen der einzige Platzhalter zu sein; nicht im Gemenge, sondern im einzelnen Rennen; nicht Einer gegen Einen, sondern allein gegen Alle will ich die Schönheit meiner Dame und die Ehre, meines Namens verteidigen.«

»Und Ihr könntet hinzufügen, Monseigneur, dass Eines und das Andere durch andere Waffen, als das Kinderspielzeug verteidigt werden dürften, dessen man sich zu solchen Spielen bedient.«

»Ich bin auch bereit, mein Vetter, sie mit den Waffen zu vertreten, deren man sich bedienen wird, mich anzugreifen. An meinem Zelt wird ein Friedens- und ein Kriegsschild hängen. Wer das Erstere berührt, erzeigt mir eine Ehre, wer das Letztere berührt, macht mir ein Vergnügen.«

Der Herzog von Nevers verneigte sich wie jemand, der alles vernommen hat, was er wissen wollte, und das Gespräch damit zu beendigen wünscht. Der Herzog von Touraine schien den Zweck dieser Fragen nicht verstanden zu haben, und spielte nachlässig mit einem der Spitzenstreifen, die von dem Kopfputze der Königin herabhingen.

In diesem Augenblicke ertönten die Trompeten; die Ritter, die dadurch das Zeichen erhielten, dass der Kampf beginnen sollte, schnallten die Schilder fest, legten ihre Lanzen ein, setzten sich fest im Bügel, so dass Jeder bereit war, als der letzte Ton der Fanfare und die Kampfrichter von beiden Seiten der Schranken riefen: »die Zügel los!« Kaum waren diese Worte ausgesprochen, als der Boden unter den Staubwolken verschwand, in deren Mitte es unmöglich war, den Kämpfern zu folgen. Fast in demselben Augenblick hörte man den Lärm der beiden aufeinander treffenden Parteien. Die Schranken erschienen jetzt den Zuschauern wie ein wogendes Meer von Gold und Stahl. Von Zeit zu Zeit sah man hier oder dort einen bekannten Helmschmuck auftauchen, aber fast alle Waffentaten dieses ersten Zusammentreffens waren verloren, und erst als die Trompeten zum Rückzuge bliesen, konnte man erkennen, auf welcher Seite der Vorteil sei. Acht berittene und gerüstete Ritter blieben noch um den König; es waren der Herzog von Burgund, Messire Wilhelm von Namur, Mesire Guy von Trimouille, Messire Johann von Harpedanne, der Baron von Saint-Very, Messire Reinald von Roye, Messire Philipp von Bar, und Messire Peter von Craon.

Der König hatte wohl einen Augenblick daran gedacht, diesem Letzten wegen des Zornes, den er gegen ihn hegte, das Turnier zu verbieten, aber er überlegte, dass dessen Entfernung die Ordnung stören würde, welche durchaus eine gleiche Zahl erforderte. Nur sechs Ritter waren noch bei dem Konnetabel: Der Herzog von Berry, Messire Johann von Barbangen, der Herr von Beaubanoen, Messire Gottfried von Charny, Messire Johann von Vienne, und der Sire von Coucy. Alle Andern waren entweder aus dem Sattel gehoben und hatten dadurch das Recht verloren, das Pferd wieder zu besteigen; oder sie hatten die Barriere berührt, indem sie vor ihrem Widersacher zurückwichen, und wurden daher als besiegt betrachtet. Die Ehre des erstens Rennens blieb daher dem König, welcher die meisten Ritter behalten hatte. Die Pagen und Stallmeister benutzten diesen Augenblick der Ruhe, um die Schranken zu sprengen, damit der Staub gedämpft würde; die Damen billigten dies sehr, und die Ritter, welche gewiss waren, dass jetzt ihre Tapferkeit gerühmt und gepriesen werden würde, schöpften frischen Muth. Jeder rief seinen Pagen oder Stallmeister, ließ seine Rüstung untersuchen, sein Pferd abwischen, sein Schild festschnallen, und bereitete sich zu neuem Kampfe vor.

Sie durften nicht lange auf das Signal warten. Die Trompeten ertönten zum zweiten Male, die Lanzen wurden eingelegt, und auf den Ruf: »Zügel los!« sprengten die beiden, schon um die Hälfte verminderten Parteien aufeinander ein. Aller Augen richteten sich auf den König und Messire Olivier von Clisson, welche gegen einander rannen. In der Mitte der Schranken trafen sie zusammen. Der König stieß seinen Gegner mitten auf den Schild, so stark und fest, dass die Lanze splitterte, aber obgleich der Stoß gewiss derb war, blieb der alte Krieger doch fest im Bügel und Sattel sitzen, und nur sein Pferd senkte sich etwas auf die Hanken, um sich jedoch beim ersten Spornstoß seines Reiters kräftig wieder zu erheben.

Der Connetable hatte erst seine Lanze eingelegt, wie um den König zu bedrohen; als er aber den selben erreichen konnte, hob er die Spitze empor, und deutete so an, dass er es für eine Ehre halte, gegen seinen König zu rennen, ihn aber zu sehr achte, um ihn auch nur im Spiele zu treffen.

»Clisson, Clisson«, sagte der König lachend, »bedient Ihr Euch Eures Konnetablesschwertes nicht geschickter, als Eurer Ritterlanze, so werd' ich Euch die Klinge nehmen und Euch nur die Scheide lassen, denn Ihr könntet ebenso gut mit einer Haselrute in die Schranken kommen, als mit einer Lanze, wenn Ihr Euch ihrer so bedienen wollt.«

»Monseigneur«, erwiderte Clisson, »mit einer Gerte würde ich den Feinden Eurer Hoheit entgegen treten, und mit Gottes Hilfe dennoch triumphieren; denn die Liebe und Achtung für Sie würden mir eben so viel Muth geben, Euch zu verteidigen, als sie mir Furcht einflößte, Euch anzugreifen. Und was die Art und Weise betrifft, mit der ich mich meiner Lanze gegen jeden Andern als Euch zu bedienen gedenke, so könnt Ihr davon selbst urteilen. Seht nur!«

Messire Wilhelm von Namur hatte Messire Gottfried von Charny aus dem Sattel gehoben und suchte mit den Augen einen neuen Gegner. Jeder aber war beschäftigt, und obgleich er das Recht hatte, einem Jeden seiner Partei zu Hilfe zu kommen, der zu sehr gedrängt wurde, verachtete er doch diesen ungleichen Kampf. In diesem Augenblicke hörte er die Stimme des Connetable, welcher ihm zu rief: »Zu mir, Messire von Namur, wenn Ihr wollt!«

Messire Wilhelm nickte zum Zeichen der Bejahung, setzte sich fester in die Bügel, legte die Lanze ein, fasste die Zügel und sprengte auf Messire Olivier zu; dieser seinerseits setzte sein Pferd in Galopp, seinem Gegner die Hälfte des Weges zu sparen. Sie trafen auf einander.

Messire Wilhelm hatte seine Lanze auf den Helm Clissons gerichtet und so wohl gezielt, dass er das Visier des Konnetabels traf und ihn enthelmte. Die Lanze des Messire Olivier traf seinen Gegner mitten auf die Brust. Wilhelm von Namur war ein zu guter Ritter, um bügellos zu werden, aber die Heftigkeit des Stoßes war so groß, dass der Sattelgurt platzte und der Ritter mit samt dem Sattel zehn Schritt weit flog. Lauter Beifallsjubel ertönte von allen Seiten. Die Damen schwangen ihre Schärpen. Es war ein herrlicher Lanzenstoß.

Clisson nahm sich nicht die Zeit, einen neuen Helm zu fordern, denn er sah, dass sein kleiner Haufe hart bedrängt wurde. Er warf sich mit entblößtem Haupte mitten in das Gefecht, brach seine Lanze, die durch drei Rennen schon erschüttert war, beim ersten Stoße an dem Helme des Messire Johann von Harpedanne, den er dadurch enthelmte, zog das Schwert, und drängte diesen so heftig, dass er die Barriere erreicht hatte, ehe er sich noch besinnen konnte. Der Konnetabel kehrte hierauf zu dem Schlachtfeld zurück. Nur zwei Ritter kämpften noch miteinander, der Messire von Craon und der Herr von Beaumanoir. Der König war seit dem Rennen gegen Clisson bloßer Zuschauer geblieben. Der Konnetabel machte es eben so, und wartete auf den Ausgang des Kampfes zwischen seinem letzten Ritter und seinem letzten Gegner. Der Vorteil schien auf Seiten des Herrn von Beaumanoir zu sein, als dessen Schwert an dem Schilde des Messire Peter von Craon sprang. Da es nur erlaubt war, sich der Lanze und des Schwertes zu bedienen, und der Herr von Beaumanoir diese Waffen nicht mehr hatte, sah er sich zu seinem großen Verdrusse genötigt, den Kampf aufzugeben. Er gab sich daher durch ein Zeichen der Hand als besiegt zu erkennen. Messire Peter von Craon wendete sich jetzt um, indem er glaubte, der Einzige zu sein, welcher das Feld behauptete; da erblickte er zehn Schritt von sich Clisson, seinen alten Feind, der ihm lachend zurief, die Ehre des Tages solle sich zwischen ihnen beiden entscheiden.

Peter von Craon schäumte unter feinem Visier vor Wut, denn obgleich er ein gewandter Ritter und in allen Waffenspielen wohl erfahren war, kannte er doch den Eisenmann, mit dem er es zu thun hatte; dennoch zögerte er nicht einen Augenblick, ließ seinem Pferde den Zügel schießen, warf sich beinahe auf die Croupe seines Pferdes, fasste sein Schwert mit beiden Händen, und stürzte auf den Konnetabel ein. Während des Weges sah man die Klinge zwei Mal sich blitzend um sein Haupt schwingen, dann fiel sie mit einem Schlage, wie der des Hammers auf den Amboss, auf den Schild nieder, mit dem Clisson sein unbehelmtes Haupt deckte. Wahrlich, wäre das Schwert scharf gewesen, so wäre der Schild, obgleich er vom feinsten Stahle war, nur ein schwaches Schutzmittel gegen einen solchen Hieb gewesen, aber man kämpfte nur mit stumpfen Waffen, und der Konnetabel wurde durch diesen furchtbaren Streich eben so wenig erschüttert, als hätte die Hand eines schwachen Kindes ihn mit einer Weidenrute getroffen.

Der alte Krieger wendete sich gegen Peter von Craon, der, von seinem Pferde fortgerissen, einige Schritte an ihm vorübergesprengt war, ihn aber bereits mit vorgehaltenem Schwerte erwartete. Dies Mal war es der Konnetabel, der angriff, Peter von Craon, der sich vertheidigte. Der Angriff war ganz einfach; Messire Olivier schlug das Schwert seines Feindes bei Seite, ergriff dann das seinige mit beiden Händen, und als hätte er es verschmäht, sich der Schneide seines Schwertes zu bedienen, führte er mit der flachen Klinge einen so furchtbaren Hieb auf den Helm des Messire von Craon, dass derselben zusammengepresst wurde, als hätte er zwischen Amboss und Hammer gelegen. Der Ritter streckte den Arm aus und sank ohne ein einziges Wort ohnmächtig vom Pferde.

Der Konnetabel ritt hierauf gegen den König vor, sprang vom Pferde, nahm sein Schwert bei der Spitze, reichte ihm den Griff dar, und erklärte sich so für besiegt, dem König die Ehre des Tages abtretend. Aber der König sah, dass dies nur eine Handlung bloßer Höflichkeit sei, sprang ebenfalls vom Pferde, umarmte Clisson und führte ihn unter dem Beifallsruf der Herren und Damen zu dem Balkon der Königin. Hier wünschten ihm Madame Isabelle, der Herzog von Touraine, der mit Vergnügen das Missgeschick des Messire Peter von Craon gesehen hatte, und der Herzog von Nevers Glück. Dieser Letztere war zwar kein Freund des Konnetabels, selbst aber ein zu guter Kämpfer, um nicht dessen Waffentaten zu bewundern.

In diesem Augenblicke hielt eine Kavalkade vor dem Tor der St. Katharinenkirche an. Der, welcher der Führer derselben zu sein schien, stieg vom Pferde und näherte sich den Schranken. Ganz bestäubt trat er ein, ging gerade auf den König zu, beugte ein Knie vor demselben und überreichte ihm ein Schreiben, das mit dem Wappen des Königs von England versiegelt war. Karl öffnete es und fand, dass König Richard und dessen Oheim den Waffenstillstand bewilligten, der drei Jahre währen sollte, zu Lande wie zur See, nämlich vom 1. Aug. 1389 bis zum 19. Aug. 1392. Der König las das Schreiben so gleich mit lauter Stimme vor, und diese Nachricht, die Jedermann mit Ungeduld er wartete, schien dadurch, dass sie eben in einem solchen Augenblicke eintraf, noch eine neue Bürgschaft für das Glück einer Regierung, die unter günstigen Vorzeichen begann. Der Herr von Châtel-Morand, der der Überbringer dieser Botschaft war, wurde daher auch vom Hofe sehr freundlich empfangen, und der König nahm ihn, gestiefelt und bestäubt wie er war, als Zeichen seiner besonderen Zufriedenheit mit an seine Tafel.

Am Abend desselben Tages erschienen der Herr von La Rivière und Messire Johann Lemercier von Seiten des Königs, so wie Messire Johann von Beuil und der Seneschal von Touraine von Seiten des Herzogs im Hôtel des Messire Peter von Craon, welches neben dem St. Johanniskirchhof lag, und verkündeten ihm, dass weder der König noch der Herzog ferner seiner Dienste bedürften.

In der nächsten Nacht, und obgleich er von seinem Unfalle noch viele Schmerzen auszustehen hatte, verließ Messire Peter von Craon mit seiner ganzen Dienerschaft Paris und schlug den Weg nach Anjou ein, wo er ein großes festes Schloss besaß, Sablé genannt.

Isabelle von Bayern

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