Читать книгу Endless Trust - Alexia Mayer-Kahlen - Страница 6
Prolog
Оглавление„Das Leben ist nicht fair. Wie kann es einem alles geben und dann alles nehmen? Wir waren doch erst am Anfang. So viel war noch möglich, so viel hätten wir noch gemeinsam erleben können. Und jetzt? Vorbei … einfach so.“
Charly saß mit einem türkisfarbenen Halfter in der Hand auf der leeren Pferdekoppel. Ihre langen blonden Haare leuchteten in der Herbstsonne, aber Charly spürte nichts als Kälte, eine tiefe Verlorenheit, wie sie sie in ihren sechzehn Lebensjahren noch nie gefühlt hatte.
„Ich vermisse dich, ich vermisse dich so sehr, dass es wirklich wehtut! Ich weiß nicht, wie alles weitergehen soll, wie ich alles schaffen soll, wo ich meine Kraft hernehmen soll.“
Tränen begannen, ihre Wangen herabzulaufen.
„Ich verstehe erst jetzt, dass du so viel mehr warst als mein bester Freund! Du warst mein kompletter Lebensinhalt, alles, worum sich meine Welt gedreht hat, mein Ausgleich zu allem und jedem. Ich wollte nirgendwo anders hin, wenn es mir schlecht ging, und wusste, du bist immer da, hörst mir zu und schaffst es, mich aufzumuntern, in jeder noch so schwierigen Lebenslage.“
Von den Birken, die die Koppel säumten, regnete ein Schwall hellgelber Blätter auf Charly herab, doch sie bemerkte es noch nicht mal. Ruckartig stand sie auf. Sie konnte plötzlich den Anblick der Pferde nicht mehr ertragen, die auf der anderen Seite der Birkenallee friedlich im frühmorgendlichen Sonnenlicht grasten. Charly wandte sich ab und ging über die Koppel auf die backsteinernen Stallgebäude zu.
Dort angekommen, begann sie, mechanisch einen Spind voller Pferde- und Reitsachen auszuräumen und in einer großen Umzugskiste zu verstauen, die schon bereitstand: Schabracken in Türkis, Smaragdgrün, Royalblau, Weiß. Passende Bandagen und Gamaschen. Diverse Stirnriemen, zwei Trensen, eine Kandare. Dressurgerten, Sporen, Reithelm und vieles mehr. Alles, was ein Reiterleben so ausmachte, verschwand nach und nach in der großen Kiste. Dabei liefen Charly immer wieder stille Tränen über die Wangen.
Als alles eingepackt war, kam ein kräftiger Mann Anfang vierzig die Stallgasse herab.
„Alles drin?“
Charly nickte. „Fahr schon mal. Ich brauche hier noch ein bisschen.“
Ihr Vater legte seine Hand auf ihre Schulter. „Soll ich warten?“
„Nein, fahr. Echt. Ich komm schon irgendwie nach Hause.“
Theo Sommer nickte und nahm die Kiste hoch.
„Soll ich dir Mama schicken? Oder Jule?“
„Alles gut, Papa. Ich brauche nur noch ein bisschen Zeit für mich.“
Ihr Vater nickte. „Wie du willst, Kleines. Bis später dann.“
Als er den Stall verlassen hatte, wandte sich Charly einer leeren Pferdebox zu, die ein bisschen abseits, am Ende der Stallgasse, lag. Für einen Moment konnte sie sich nicht vom Fleck bewegen, doch dann zwang sie sich, hinüberzugehen und hineinzuschauen. Sie war sauber eingestreut, in einer Ecke lag ein Berg frisches Heu, als ob ihr Bewohner jeden Moment wiederkäme.
Charly lehnte ihren Kopf an die Gitterstäbe der Box. Alles in ihr war leer, so unendlich leer.
„Vorhin bei den Paddocks habe ich dich für einen Moment gesehen, wie du deinen Kopf hochreißt und laut wieherst, so wie du es immer getan hast, wenn ich um die Ecke kam. Doch im nächsten Moment war da wieder … nichts. Vier Wochen schon, es ist alles so unwirklich. Jeder Gedanke an dich zerreißt mir mein Herz. Wieder und wieder. Dein zärtliches Brummeln, mit dem du mich begrüßt hast, wenn ich in den Stall gekommen bin, wie du an meiner Wange geknibbelt hast oder wie ich deine Muskeln unter mir spüren konnte, wenn wir ohne Sattel galoppiert sind; dein Stolz, deine Schönheit, deine Stärke. Janko, du fehlst mir so, so sehr.“
Charly wurde von einem Schluchzen geschüttelt.
„Irgendwie dachte ich immer, dass wir füreinander bestimmt sind, du und ich. Das darf doch nicht so einfach vorbei sein!“
Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, starrte Charly eine Weile ins Leere. Dann schlich sich ein wehmütiges Lächeln auf ihr Gesicht.
„Weißt du noch, Großer, wie es angefangen hat mit uns beiden? Vor viereinhalb Jahren? Wie ich dich zuerst gar nicht beachten wollte, weil ich nur die schicke schwarze Stute im Kopf hatte? Aber du, du hast von Anfang an um mich gekämpft, weil du wusstest, dass wir beide zusammengehören …“