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Siebentes Kapitel

Der vierte Reiter denkt nicht, er handelt

Der Ritter von Stülpe war um dieselbe Zeit schon weiter vorauf auf dem Wege nach der Oder. Wenn der Ritter Mathias, auf seinem schweren Gaul trabend, einem schwergerüsteten Deutschen, der zur Schlacht reitet, zu vergleichen war, so glich Hake von Stülpe einem Beduinen, der auf seinem langgestreckten mageren Klepper, den Leib über, durch die Wüste fegt. Wenn er dabei Gedanken hegte, gab er sich doch nicht Mühe, Worte dafür zu suchen. Sein Auge schaute wie das der Falken nach rechts und links, ohne dass er den Kopf wandte, und mancher Mann wäre ihm nicht gern begegnet allein auf der Heerstraße.

Ja, so ging es denen, die jetzt ängstlich auf der Höhe sich nach ihm umschauten, und er war doch nur ein einziger, und sie gewiss ein Schock und drüber. Während sie den gekrümmten Weg zogen, flog ein Klepper mit losgelassenen Zügeln wie ein Bolzen quer übers Land. Wer die vielen von einem fernen Berge gesehen, hätte vorhin gemeint, es ziehe eine Herde brauner Tiere über den Schnee, denn alle waren in braunen Kutten, wenn nicht in wollenen, doch in härenen. Es waren Mönche, offenbar auf einer Reise oder Wallfahrt nach weithin; darauf deuteten die Bündel auf ihren Rücken oder an ihren Armen. Aber es war doch kein Gepäck, nach dem ein Schnapphahn auszieht, noch würde einer so vermessen sein, auf offener Straße um so weniges eine ganze Schar anzugreifen. Die flohen und taumelten nun wie eine Herde Schafe, wenn der Wolf durch die Heide setzt, seitwärts, vorwärts, aber da keiner wusste, wohin, stießen und taumelten sie gegeneinander. Sie schrieen, und der Reiter schrie auch aus Leibeskräften: Halt! Halt! Hilfe! Halt! Weder mit eingelegter Lanze, noch mit gezücktem Schwerte, sondern beide Arme ausgestreckt, denen sichtlich der Zügel entfallen, war nämlich Herr Hake von Stülpe in den dichtesten Tross gesprengt, und er konnte gewiss nicht dafür, dass von dem schnaubenden Tiere einige links und andere rechts geschleudert, auf dem Schnee sich wälzten.

Dass es nicht Herrn Hakes Absicht gewesen, hat er selbst beteuert, als es ihm gelungen, den Zaum und die Kette seines Tieres wieder zu fassen; er schalt auf sein Pferd und den Gürtler, der so schlechtes Riemwerk für das schwere Geld geliefert, sei doch auf dieser irdischen Welt niemand zu trauen, und lauere der Schalk hinter dem ehrlichsten Gesicht, und es tue ihm von Herzen leid, dass er die guten Bauern so aufgeschreckt; sie sollten nur ihre Kohlköpfe auflangen und wieder auf die Esel packen; er wolle ihnen, was verloren, bezahlen.

„Kohlköpfe?“, fragte erstaunt der Prior der Kapuziner, und alle, die von ihrem Schrecken verpusteten, sahen den Ritter verwundert an.

“Ihr zieht vermutlich nach Müncheberg zu Markte. Grüßt doch meinen Vetter, den Diakonus. Wenn Ihr Eure Esel verkaufen wollt; der versteht sich drauf.“

„Zu Markt“! Esel! Was ist dem Reiter?“ fragten die Mönche; sie sahen, es war einer, der ihnen nicht an Haut und Beutel wollte.

„Für was hält der Ritter uns?“ sprach der Prior.

Da hielt sich Herr Hake, der auch vom Sattel gestiegen, wie, als um das Sattelzeug in Ordnung zu bringen, die Hand an die Augen, als blende ihn der Schnee: „Ei, seid Ihr nicht aus Schmalenwische und Kikebusch, Hörige meinem Schwager von Biberstein?“

Da riefen zehn Stimmen, eine verwunderter als die andere: „Schmalenwische und Kikebusch, Hörige! Hört doch! Er ist blind!“

„Donnerwetter!“ fuhr eine Bassstimme drunter, die einem Kapuziner gehörte, von einem Körperbau, der eines Riesen spottete. Aber gerade dieser Körper hatte die meiste Mühe, sich von der Erde aufzurichten, und als es gelang, hinkte der Riese in der Kapuze mit gar nicht freundlichem Gesicht auf den Ritter zu: „Dreitausend Himmel-Donnerwetter, wenn Ihr ein Ritter seid, so wisst, dass wir Kapuziner sind und die sind von der Regel des heiligen Dominikus, und voran gehen die Franziskaner wir sind dem Teufel seine Hörigen, dass Ihr's wisst; und plagt Euch der Geier, dass Ihr unter uns reitet, wie der Fuchs unter die Rebhühner!“

Da fielen dem Junker die Schuppen von den Augen, er rieb sich aber nicht die, sondern die Stirn, als er den Kopf schüttelte und den Mund auftat: „So schütze mich der heilige Kapuzius! Das ist doch zu arg. Ja, dass Ihr Menschen mit zwei Beinen wärt, das sah ich schon dort.“

Die Mönche schüttelten den Kopf und meinten, es sei nicht recht richtig mit dem guten Ritter, der jetzt, gar trauriger Gestalt, am Riemenzeug bastelte, und ob er schon die Nase dicht 'ran steckte, doch die Schnalle nicht zu finden schien, die er suchte.

„Gott und seine Heiligen bewahren uns alle vor dem Teufel!“ sprach er, indem er, wie um sich zu verpusten, den Arm über den Sattelgurt legte, und die Mönche riefen: „Amen!“

„Nun ist's gewiss, ich kann nicht recht sehen.“

Einer und der andere lachten, wie wenn ein dummer Mensch etwas sagt, was jeder weiß. „Man sieht ihm ja das Fell übel dem Auge.“

„Für was hielt er uns?“

„Ihr müsst's mir schon zu gut halten, wenn ich's Euch nachher sage, warum das so kam. Oben, als ich um die Waldecke bog, sah ich's vor mir, wie ein großes Bettuch, und darauf sprangen ein Schock Flöhe.“

Es hätte einen andern Mann erschrecken können, wie die Mönche mit gar nicht feinen Mienen sich um ihn stellten. Hatten sie schon keine Waffen, waren ihrer doch darunter, die zu jeder Zeit einen guten Landsknecht abgegeben hätten. Der Prior aber winkte ihnen, mit dem Finger an der Stirn: „Ihr seht ja, wie's mit dem Mann steht.“

„Ach, wenn Ihr das wüsstet, Hochwürdiger, Ihr würfet Euch alle, wie Ihr seid, gratis in den Schnee, und betetet drei und noch mehr Pater Noster für mich. Es hülfe doch nichts. Was gehen mich die Flöhe an, ich führe nicht mit ihnen Krieg. Auch nicht mit den Ratten, so flimmerte es mir drauf. Aber nachher sah ich lauter Füchse über den Schnee streichen, und da wollte ich noch vorhin drauf schwören, so war's; und da ließ ich meinem Tiere die Zügel, denn ich bin ein verzweifelter Fuchsjäger.“

Nun war's an den Mönchen laut zu lachen, dass ein so blinder ungeschickter Mann ein Fuchsjäger sein wollte. Aber der Goliath unter den Kapuzinern sprach: „Er soll schon die Augen aufsperren, wenn er uns das Schmerzensgeld zahlt.“

„Was Ihr lieben Herren und frommen Brüder verlangt,“ entgegnete demütig, ja fast kläglich der Ritter. „Da sei Gott für, dass ich einem Diener der Kirche, und sei's, der niedrigste Messner, entziehe, was ihm zukommt: Ich hab's zu schwer gebüßt.“ Als der Ritter dabei seinen ledernen Geldsäckel, den er um den Leib geschnallt trug, klingen ließ, sahen sie, dass er ein guter Mann war, der ihnen nichts Böses wollte. Sie bedauerten ihn und rieten ihm, er solle sich besprechen lassen, aber er schüttelte traurig den Kopf.

„Da hilft nichts, denn wenn's mit den Augen wieder gut ist, fährt's in einen anderen Sinn, und das Schlimmste ist, dass ich's selber nicht merke, wie es in mir herumzieht aus einer Kammer in die andere, und ich mache tolles Zeug, bis ich wie jetzt drauf gestoßen werde, dass der böse Feind mit mir sein Spiel hat, und alles – um einen falschen Beichtgroschen!“

Der Ritter musste sein Unglück erzählen, wie er auch gar nicht Lust zu haben schien.

„Das ist das Erschreckliche, meine Brüder, dass alles von einem verfluchten Juden kommt. Dem verkauft' ich einen alten Wolfspelz und freute mich, dass es Abend war, und er war kurzsichtig, dass er's nicht merkte, wie der von den Motten zerfressen war. Denn das ist doch nichts Schlechtes, dass ein guter Christ einen Juden anführt.“ Ihr Schweigen schien keine verneinende Antwort. „Nun aber am Morgen sah ich, dass mich der Jude betrogen hatte, und er war über alle Berge. Hatte mir der Heidenhund einen falschen Groschen gegeben. Kein Christenmensch wollte ihn nehmen, nicht bei Abend, nicht bei Nacht. Der Wirt warf ihn mir bei der Zeche zurück, der Krämer ließ ihn auf dem Ladentisch klingen und lachte mich an. Mich verdross der Groschen und war's auch nur darum, dass ich mir sagen musste, es hätt' mich ein Jud' übers Ohr gehauen. Also los werden musst' ich ihn. Und da gab ich ihn einem Priester bei der Beichte; 's ist dunkel in der Kirche, und ein Priester ist ja kein Wechsler, dachte ich. Und dann, meine Herren, dacht' ich auch: Was die Kirche hat, weiß sie zu nutzen, und in ihrer heiligen Hand wird unrecht Gut zum Rechten; warum denn nicht ein falscher Groschen zu einem guten Groschen? Nun seht, vom Augenblick an, wo der Priester den Groschen in die Tasche steckte und ihn nicht ansah, riss es mich in den Gliedern, jetzt im Ohr, jetzt im Aug', jetzt in der Nase. Ich war kaum zu Haus, so fiel mir meine ganze Sündenlast zu Gemüte, ich lief zum Priester, wollte den Groschen einwechseln. Ja, der war fort, wie über alle Berge. War ein fremder Priester gewesen – das wusst' ich auch, sonst hätt' ich mich wohl gehütet – niemand wusste, wo er hingekommen. In meiner Himmelhöllenangst bin ich ihm nachgereist; er blieb verschwunden. Mir brannte es in der Seele, den Groschen musste ich wieder haben. Ich ging in Magdeburg, in Halle, an alle Wechseltische, ob ich den Groschen nicht fände? Ja, wenn ich einen falschen Groschen forderte, schrieen sie mich an; es fehlte nicht viel, so hätten sie mich durch die Schergen hinauswerfen lassen. So wagte ich zuletzt gar nicht mehr zu fragen.“

Die Geschichte schien auf die Zuhörer einen ernsten Eindruck zu machen. Begreiflichermaßen wünschten sie auch die Wirkungen der Sünde zu erfahren.

„Auch das lässt sich kaum beschreiben. Ich bin seitdem ein anderer Mensch worden, überall hapert's, überall stockt's. Kann mich wohl rühmen, bin ein Reiter wie einer und mein Ross ist lammfromm; aber ehe ich mich versehe, schmeißt's mich in den Graben. Kann keinem meiner Sinne mehr trauen. Wenn ich unter guten Freunden bin, plötzlich schwirrt's mir um die Augen, ich glaube mich unter Räubern, Tagedieben, Lotterbuben, und schlage um mich, rechts, links, hast du nicht gesehen, siehst du nicht.“

„Das ist der böse Feind“, murmelten sie, und wenn sie sich vorher um ihn drängten, so ward jetzt der Raum zwischen ihnen allmählich luftiger. Hake, der es merkte, sagte:

„Ach, unter so heiligen Männern wird er doch nicht! – Zwar, ich kann's niemand verdenken. Neulich will ich einen Pfarrer nach Haus führen, wir waren zu Kindelbier gewesen, es war nachtschlafende Zeit, und ich weiß noch nicht wie's kam, bis zur Pfarre waren nur tausend Schritt, und hatte den Weg tausendmal gemacht, aber mit einem Mal staken wir im Sumpf bis an den Bauch. Ja keiner hörte uns. Da sprach der Pfaff: Ihr seid dünn, ich bin dick, Ihr kommt durch, versucht's und holt mir Hilfe. Da er mich so sehr bat, musste ich wohl, ich kam auch durch und schlug Lärm, und mit Leitern und Stricken und Fackeln liefen wir zurück, aber mögt Ihr's glauben, der Hahn krähte zum dritten Mal, ehe ich den Pfaff gefunden, und er hatte sich doch den Hals ausgeschrieen, und ich war nicht zwanzig Schritt von ihm wie toll hin und her gelaufen. Wir zogen ihn 'raus, aber da war auch keine Spur von Wein an ihm. – Ach und so Ihr wüsstet, was ich vor den Wölfen Angst auszustehen habe; wo ich gehe und reite, höre ich sie hinter mir, als wären sie mein Schatten. Darum mag ich immer allein ausreiten, dass ich meine Freunde nicht in Ungemach und Schreck bringe.“

„Das sind die sogenannten Furien des Gewissens, lieber Ritter, wie die Alten sagen,“ sprach der Abt. „Diese lassen Euch keine Ruh'. Wenn Ihr an heiliger Stätte seid, die ich Euch anriete, so oft Ihr könnt, heimzusuchen, werdet Ihr vor diesen Wölfen sicher sein.“

Der Stülper schüttelte den Kopf: „Ach, Herr Prior, vorgestern im Kloster, da war's doch, als die Mönche im Chor sangen, hörte ich lauter Esel schreien.“

Da waren alle der Meinung, dass der Ritter etwas Ernstliches tun müsse.

„Meint Ihr, dass ich's für Kinderspiel hielt, dass ich nicht schon Ernstliches getan hab'? Ließ mich hinschicken von Pontius zu Pilatus: zum Wunderblut von Wilsnack, zur Madonna in Göritz, zur heiligen Anna in Grüßow, zum heiligen Blut in Beelitz, nach Bismark in der Altmark zum Kreuz, das vom Himmel gefallen, zum gebenedeiten Wunderbild der Mutter Gottes in Reichenfelde in der Neumark, ach zu allen, in Tangermünde, in Ziesar, in Lenzen und Angermünde. Die Partikel vom Arm der heiligen Barbara in Wilsnack habe ich mir an alle Teile des Leibes gehalten, und geopfert habe ich, aber auch nicht mal die Mutter Gottes von Nykamer hat mit dem Kopf genickt, hat's doch zu so manchem Lumpen getan, und ich ließ einen Goldgülden springen. Hol's der Geier, wozu hat man denn Heilige!“

Die Fürnehmsten unter den Mönchen schüttelten den Kopf und meinten, da hilft vielleicht nur eine Pilgerschaft nach Loretto.

„Nein, Ihr Herren,“ sprach der Stülper entschieden, „das tu' ich nicht. Von den draußen halt' ich nichts. Wozu haben wir wundertätige Bilder, wenn sie keine Wunder tun wollen! Wenn wir so viel Geld geben, und sie in Gold- und Silberfranzen kleiden, und Altäre errichten und Kerzen brennen lassen, das müsste ja mit dem Teufel zugehen, wenn sie keine Wunder tun wollten. Für wen denn, wenn sie's nicht für 'nen ehrlichen Brandenburger tun wollen! Wozu haben wir denn Bischöfe und reiche Stifter und Domherren, die dafür sorgen können? Die brauchen freilich keine Wunder, die sitzen im vollen. Aber was habt Ihr davon, was haben wir arme Ritter davon? Ihre Altaristen schlucken die Einnahme, für wen? Für die reichen Bäuche. Ihr müsst barfuß gehen, in härenen Kutten, im Winter, müsst Euer Brot im Quersack betteln und predigen. Und warum? Dass sie ihr Fett und Geld den anderen zutragen. Nein, ich bin ein braver Brandenburger, das sind wir alle, meine Brüder, die schlaraffen und saufen, wir sind arm und ehrlich, aber haben ein Herz im Leibe: Bleib' im Lande und nähr' dich redlich, das ist mein Spruch!“

So widersinnig das war, klang es doch nicht so. So sehr die Rede auch dem widersprach, oder besser, wie die Faust aufs Auge zu dem passte, womit er angefangen, war es doch in einem so herzlichen Tone vorgebracht, dass es unter den ehrlichen Mönchen eine Art zustimmender Bewegung hervorbrachte. Und wenn man diese recht ins Auge fasste, erschien es auch nicht wunderbar; denn die Mehrzahl waren derbe Leute aus dem Volke, deren Händen man noch die Schwielen vom Pfluge oder vom Hammer oder Amboss ansah. Der Fanatismus, der sie zur Reise nach Frankfurt in Bewegung gesetzt, war ihnen eingeimpft, wie man das leicht, wer das Folgende liest, begreifen wird.

„Nein“, fuhr der Stülper fort, „ich muss schwer tragen an meiner Sünde, aber hab' sie im Land' begangen, müssen sie mir also auch im Land' abnehmen. Und das heilige Kreuzdonnerwetter soll drein schlagen, wer zweifelt, dass der Stülper es nicht bezahlen kann. Wenn ich nur wüsst', wo ich den Dominikaner träf', der uns den Ablass aus Rom verkauft. Das ist ein guter Mann; nach Rom geh' ich nicht, aber der bringt's uns ins Land, auf den Markt, das lobe ich mir.“

Da riefen zehn Stimmen zugleich, dass der Ritter auf dem rechten Wege sei und nur mit ihnen zu ziehen brauche nach Frankfurt, wo der berühmte Tezel disputieren werde. Da könne er Ablass kaufen, soviel er wolle, und sie waren so freundlich ihm auszurechnen, wie viel's ihm kosten werde. Ja der Goliath Barnabas, der ehedem ein Schmied gewesen, steckte es ihm zu, dass er ihm nur den Handel überlassen solle, da werde er's schon wohlfeiler einzurichten suchen, denn der Tezel haue gern übers Ohr, zumal die Fremden und Fürnehmen, die selten kämen.

Wer war da nun froher, als Herr Hake und schüttelte sich mit den Brüdern die Hände, und bat sie, wann sie heimkehrten, möchten sie in Stülpe ansprechen; auch ließ er sich's nicht nehmen, dass, wenn sie ihm vergönnten, in ihrer heiligen Gemeinschaft mitzuziehen, der Prior auf sein Pferd steige, er wisse, was ihm gebühre, und ging nebenher und führte das Ross. Aber er begriff nicht, was sie denn in Frankfurt wollten.

„Ihr seid doch schon geistlich, was braucht Ihr also noch Ablass.“

„Ziehen auch nicht um Ablass nach Frankfurt“, sagte der ehemalige Schmied und machte mit dem Arm eine Bewegung, die noch nach dem Amboss schmeckte.

„Ah, Ihr wollt mit ihm disputieren?“

Der Schmied schüttelte den Kopf, er sah den Prior an, ob der's billigte, aber lassen konnte er's nicht, es musste raus: „Wir wollen den Doktor Luther verbrennen.“ Und alle, die es hörten, begleiteten mit schrecklichen Gebärden die Antwort.

„Wer ist der Doktor Luther?“

Da meinten die Barfüßler, dass man es nun recht klar sähe, wie der böse Feind den armen Ritter besitze, dass er nicht einmal wusste, wer der Doktor Luther war, und alle wollten es ihm mit einmal erklären. Da schrieen sie: „Er ist ein Ketzer“.

„Ein Lästermaul“

„Ein Dieb, er will den Papst bestehlen.“

„Ein Ignorant,“ sagte ein gelehrter Mönch, „er leugnet die Kraft des Ablasses.“

„Die wundertätigen Bilder hätten keine Kraft,“ aber der Chor schrie: „Ein Erzjudas, ein Ungläubiger und Heide, der brennen muss.“

Der Prior aber wollt's ihm besser erklären: „Als wie Ihr, Ritter, den falschen Beichtgroschen dem Priester gabt, gibt er falsche Lehre dem Volk für wahre aus.“

„Verbrennt ihn!“, schrie der Hake, als überkäm's ihn, und klatschte in die Fäuste. Da richtete sich sein Pferd baumgerade auf, und der Prior lag, ehe einer ihm beispringen konnte, auf der Erde. Zum Glück fiel er, wo's weich ist, und tat sich keinen Schaden, wollte aber nicht mehr aufs Pferd. Nun stieg, da der Ritter nicht selbst reiten wollte, ein anderer, der Goliath, auf den Klepper. Aber, wie es nun kam, als der Stülpe, ganz wie außer sich war, dass einer sich unterstehen könne, dem Volke falsche Lehre zu predigen, und dafür wäre Verbrennen noch zu wenig, und wie er mit der Faust gegen das Eisenblech auf seiner Brust schlug, da schlug sein Pferd mit beiden Beinen hinten aus und der Kapuziner schlug der Länge lang vorn über. Ein Glück noch, dass er mit der Nase in den Schnee fiel. Nun wollte keiner mehr aufs Pferd; also musste Hake wieder hinauf. Aber jetzt ward das Tier erst wirsch. Und wie auch der Ritter sich gar nicht zur Ruhe gab, dass ein Priester falsche Lehre lehren könne, da war's, als hätt's die Tarantel gestochen und schlug vorn und hinten und links und rechts aus, dass die frommen Brüder nicht weit genug davon bleiben mochten. Es half auch nichts, dass der Ritter sie bat, dass sie die Litanei singen möchten und die Weihkessel um ihn schwenken, je mehr sie sangen und Kreuze schlugen, so wilder kreiste das Pferd, dass sie recht sahen, wie der Teufel Macht darüber hatte, und hielten den armen Ritter für einen verlorenen Mann. Insbesondere, als er den Kopf umwandte und rückwärts sah, als könnte er den Hals drehen, wie eine Scheibe. So ritt er eine Weile und sprach kein Wort, aber seine Augen wurden immer größer und rollten in den Höhlen, und nun sperrte er den Mund auf wie ein Scheunentor und rief: „Gott sei unser aller Seelen gnädig, da kommen sie!“ Und eh' sie sich umsehen konnten, heulten die Wölfe. Der Stülper flog wie der Wind und die Barfüßler hinter ihm. Wer's sah, der hätt's nicht geglaubt, dass man so was sehen könnte. Fünfzig oder sechzig Barfüßler, und in Kutten, und aus dem blanken Schnee rennt sich's schlecht. Mancher lag schon und war liegen geblieben, mit geschundenem Knie, bis sie alle nicht mehr laufen konnten. Da war der Ritter von Stülpe längst aus dem Gesichte und die Wölfe auch, so schnell waren sie gelaufen. Aber sie sprachen nachher nicht gern davon.

Den Ritter haben sie in Frankfurt nicht wiedergesehen. Einige aber meinen, die ganze Geschichte wäre eine Verwechselung mit den Prälaten im Walde, denn die Furcht ist ansteckend, und was einer gesehen hat, das möchte der andere auch gesehen haben. Wie dem nun sei, in der Chronik steht's nicht geschrieben.

Der Werwolf

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