Читать книгу Umgelegt in Chicago - Bluternte 1929: Kriminalroman - Alfred Bekker - Страница 7
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Eine Woche verging, ohne dass sich Jessica Rampell bei mir meldete. Ich tat gerade so viel, wie es mir für 25 Dollar angemessen erschien und erkundigte mich nach Möglichkeiten, ohne Aufsehen über den See zu kommen.
Ansonsten hatte ich in dieser Woche nicht viel zu tun. Die meiste Zeit über saß ich in meinem Büro, legte die Füße auf den Tisch, trank Bourbon und musste mir von meiner Sekretärin Kitty Meyerwitz Vorhaltungen darüber machen lassen, dass bald Ebbe in der Kasse wäre.
„Trösten Sie sich, Kitty! Auf die Ebbe folgt unweigerlich die Flut“, sagte ich.
Sie stemmte ihre schlanken Arme in die Hüften. „Sprechen Sie von einer Bourbon-Flut?“
„Wo bleibt Ihr Optimismus?“
„Den habe ich verloren, seit Joe tot ist und ich darauf angewiesen bin - wir darauf angewiesen sind! -, dass Sie die Fische an Land ziehen.“
Sie spielte damit auf meinen erschossenen Partner Joe Bonadore an, dessen leerer Schreibtisch mich täglich daran erinnerte, dass der Job, den ich machte, nicht ganz ungefährlich war.
Es regnete tagelang Bindfäden. Vielleicht war das der Grund dafür, dass sich einfach niemand in mein Büro verirrte. Nicht einmal die untreuen Ehemänner schienen bei dieser Witterung vor die Tür zu gehen. Es war wie verhext.
Immerhin hatte ich ausführliche Gelegenheit dazu, die Chicago Tribune von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen.
Die Sache mit meinem erschossenen Klienten war einmal auf der dritten Seite. Dann gab es in den folgenden Ausgaben noch ein paar Nachberichte auf den Seiten 18 und 19. Hier in Chicago ist eine Schießerei, bei der es nur einen Toten gibt, keine große Sache.
Die verletzten Angestellten des Diners wurden überhaupt nicht erwähnt. Mein Name allerdings leider schon. Na großartig!, dachte ich. Diese Werbung fehlte mir gerade noch.
Es war Sonntag, als der Regen endlich nachließ. Ein kühler Wind fegte jetzt vom Lake Michigan her durch die Straßen.
Ich verschlief den Großteil des Sonntags in meinem Ein- Zimmer-Apartment in der North Side. Die Nacht davor hatte ich in verschiedenen Speakeasys zugebracht. Mein Kopf drohte zu platzen.
Am Nachmittag stand ich auf und versuchte mit Aspirin, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich war gerade angezogen, da klopfte es heftig an der Tür.
„Chicago Police Department! Machen Sie auf!“, knurrte eine heisere Stimme dumpf hinter der Tür.
Ich trat seitlich neben die Tür und öffnete einen Spalt.
Die Vorhängekette verhinderte, dass die Tür durch den Fußtritt, der dann folgte, zur Seite flog.
„Hier Lieutenant Quincer! Machen Sie auf, Boulder!“
Ich atmete tief durch. „Konfuzius sagt: Eile mit Weile!“
„Woher haben Sie denn den Schwachsinn, Boulder?“
„Ich hatte mal einen chinesischen Klienten...“
Ich nahm die Kette weg. Lieutenant James Quincer trat mit zwei weiteren Polizisten ein.
Quincer war blond, Ende dreißig und etwa 1,75 m groß. Das breite Grinsen saß so schief wie sein Hut. Leider brachte es mein Job mit sich, dass ich diesem unsympathischen Kerl mit dem Gemüt eines Schlachters immer wieder über den Weg lief. Seiner Meinung nach gehörten Leute wie ich nicht auf die Straße. Ich redete mir immer ein, dass es der pure Neid auf jemanden war, der nicht vor irgendwelchen Vorgesetzten zu katzbuckeln brauchte, was ihn zu einem Arschloch erster Klasse machte.
Aber wahrscheinlich war es etwas Persönliches.
Oder meine roten Haare. Aber das spielte eigentlich keine Rolle.
Ich nahm mir jedes Mal aufs Neue vor, Lieutenant Quincer hinzunehmen wie schlechtes Wetter.
Es gelang mir nie.
„Kommen Sie mit, Boulder und stellen Sie keine unnützen Fragen!“
„Was liegt vor? Geht’s noch mal um die Schießerei im Diner? Ich dachte, dazu wäre alles gesagt.“
„Halten Sie einfach die Klappe und kommen Sie mit.“
„Bin ich verhaftet?“
„Wenn Sie sich nicht beeilen, hole ich das nach. Captain Chesterfield wartet auf Sie in der Morgue.“
In meinem Hirn arbeitete es fieberhaft. Mit Chesterfield, Quincers Dienstvorgesetzten, verstand ich mich wesentlich besser. Wenn sich der Leiter der Mordkommission mit mir in der Leichenhalle treffen wollte, konnte das nur heißen, dass es jemanden erwischt hatte, von dem er annahm, dass ich ihn kannte.
Ich zog also Weste, Jackett und Mantel über und meinte: „Mein Wagen steht eine Straße weiter.“
„Sie kommen mit uns“, bestimmte Quincer und ließ dabei an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
„Der Privatdetektiv als natürlicher Feind des Polizisten – wer hat Ihnen nur diesen Floh ins Ohr gesetzt, Quincer?“
„Wenn Typen wie Sie uns nicht dauernd ins Handwerk pfuschen würden, könnten wir unseren Job wenigstens richtig machen!“
Ich lächelte dünn. „Und wenn Typen wie Sie Ihren Job richtig machen würden, würde niemand Leuten wir mir Aufträge geben!“
Quincer lief rot an.
Er ballte die Faust und holte aus. Einer seiner beiden Kollegen hielt ihn mit Mühe zurück. Seine Nasenflügel bebten.
„Nur zu!“, sagte ich. „Gewalt gegen unbescholtene Bürger macht sich immer schlecht in den Personalakten – und Chesterfield würde Sie vierteilen, weil das auf seine Abteilung zurückfällt.“
Quincer atmete tief durch und befreite den Arm, den sein Kollege wie in einem Schraubstock gehalten hatte. „Glück gehabt, Boulder!“
„Wer sich so schlecht beherrschen kann, fliegt früher oder später raus, Quincer! Lassen Sie es sich gesagt sein!“
„Sie müssen es ja wissen, Boulder!“, grunzte er und spielte damit auf die Tatsache an, dass ich auch mal Cop gewesen war.
Ich sah ihn an, verzog ironisch die Mundwinkel und trieb es auf die Spitze, indem ich sagte: „Ich habe seit Joe Bonadores Tod immer noch keinen neuen Partner. Wäre das nichts für Sie?“
Quincer trat gegen einen Stuhl. Dann drehte er sich um und ging durch die Tür.
„Übertreiben Sie es nicht!“, meinte einer der beiden Kerle, die mit ihm gekommen waren.
„Wer sind Sie?“, fragte ich. „Ich habe Sie noch nie gesehen!
„Lieutenant Ray Garnett. Ich bin neu in der Abteilung.“