Читать книгу Kubinke im Spinnennetz: Kriminalroman - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 7
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Später stand Jens Günther mit einem Becher Kaffee in der Hand in der Nähe eines der zahlreichen Einsatzfahrzeuge, die inzwischen den Ort des Geschehens erreicht hatten. Überall waren Angehörige der der Rostocker Polizei und der örtlichen Feuerwehr zu sehen. Die Blinklichter der Einsatzfahrzeuge warfen jetzt ein flackerndes Zwielicht auf die Szenerie.
Günther führte den Becher zum Mund und stellte dabei fest, dass seine Hand zitterte. Er nahm die andere Hand zu Hilfe, damit es nicht so auffiel. Das musste der Schock sein. In all den Jahren, die Jens Günther nun schon bei der Polizei seinem Dienst verrichtete, hatte er so etwas noch nicht erlebt. Das Bild von Teresa Materns furchtbar zugerichteten Körper stand ihm vor Augen. Und er war sicher, dass er diesen Anblick lange nicht vergessen würde.
Der Notarzt kam jetzt aus dem Krankenwagen heraus, in dem die Erstbehandlung durchgeführt worden war. Schon sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Er war bleich. Jede Nachfrage war da überflüssig. Er schüttelte nur leicht den Kopf.
„Wir konnten nichts mehr tun”, sagte er.
Günther musste schlucken.
Ein Kloß steckte ihm im Hals.
„Todesopfer Nummer zehn”, murmelte er.
„Ja.“
„Ich nehme an, dass einige der Schwerverletzten im Laufe des Tages noch dazukommen werden, oder täusche ich mich?”
„Nein, Sie täuschen sich nicht”, gestand der Notarzt mit düsterer Miene.
Günthers Blick glitt jetzt zum Gebäude, von dem aus jetzt eine dunkle Rauchsäule wie ein dunkles Fanal in den Himmel stieg. Es war genau der Trakt von der Explosion getroffen worden, in dem die Räume der Polizei untergebracht waren. Ein beträchtlicher Teil der zur Straße ausgerichteten Wand war durch die Wucht der Detonation weggerissen worden. Es sah aus, als befände man sich in einem Kriegsgebiet. Der gesamte Komplex war inzwischen evakuiert worden. Auch für jene Bereiche, in denen die kommunalen Angestellten ihre Büros gehabt hatten, bestand akute Einsturzgefahr. Es stand so gut wie fest, dass man das gesamte Gebäude abreißen musste.
Niemand konnte die Ruine im Moment betreten. Es war einfach zu gefährlich.
Einige mit Gasmasken ausgerüstete Angehörige des örtlichen Feuerwehr gestikulierten.
„Herr Günther?”, fragte plötzlich eine Stimme.
Günther drehte sich um. Er sah in das Gesicht eines untersetzten, sehr breitschultrig wirkenden Mannes mit hoher Stirn und buschigen, schräg nach oben ausgerichteten Augenbrauen.
„Ja?”
„Polizeiobermeister Breitner, Rostocker Polizei. Ich habe hier die Einsatzleitung und man sagte mir, ich würde Sie hier finden.”
„... ich ...”
„Hat man sich um Sie gekümmert?”
„Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert”, sagte Günther schroff. Er trank etwas überhastet den Kaffee aus, um sein nervöses Zittern zu überspielen. Seine Stimme vibrierte. Er hatte das Gefühl, dass ihm ein Kloß im Hals steckte.
„Sind Sie vernehmungsfähig, Herr Günther, oder ...”
„Ich sagte doch - es geht mir gut!”, erwiderte Günther nun noch eine Spur schroffer, als er es beabsichtigt hatte. „Entschuldigen Sie. Aber fast alle meine Kollegen sind entweder tot oder schwer verletzt. Das muss man erst mal verdauen.”
„Wir müssen damit rechnen, dass es sich um einen gezielten Anschlag auf den Teil des Gebäudes gehandelt hat, in dem die Polizei untergebracht war”, erklärte Breitner. „Es könnte ein Terror-Akt gewesen sein. Die Polizei in Schwerin ist ebenso informiert worden, als auch das BKA in Berlin.“
„Ich kann Ihnen sagen, wer dafür verantwortlich ist!”, meinte Günther und sein Gesicht verzog sich dabei für einen Augenblick zu einer grimmigen Fratze. „Das war ein Racheakt!”
„Wovon reden Sie?”
„Lesen Sie gar keine Zeitung mehr? Wenigstens für die Nachrichten im lokalen Frühstücksfernsehen sollten Sie Zeit haben.”
„Hören Sie, Herr Günther, bei allem Verständnis für das, was Sie durchmachen ...”
„Es ist Zeitverschwendung, mit Ihnen zu reden”, knurrte Günther und machte eine wegwerfende Handbewegung. Der leere Kaffeebecher flog durch die Luft und landete auf dem Asphalt. Günther setzte sich mit finsterer Entschlossenheit in den Gesichtszügen in Bewegung.
„Warten Sie!”, verlangte Breitner.
Günther reagierte erst, als der Polizeiobermeister ihn ein zweites Mal ansprach.
„Was wollen Sie noch?”
„Was haben Sie mit Ihrer Bemerkung gerade gemeint? Wenn Sie irgendetwas über die Hintergründe dieses Anschlags wissen, dann sollten Sie uns einweihen, Herr Günther.”
Günther blieb stehen und drehte sich noch einmal vollständig zu dem Polizeiobermeister um. „Ich glaube nicht, dass dieser Fall lange genug in Ihrer Zuständigkeit bleibt, als dass es sich lohnen würde, länger mit Ihnen darüber zu reden”, meinte er.
In diesem Augenblick klingelte Breitners Handy. Der Polizeiobermeister nahm das Gerät ans Ohr.
„Hier Breitner. Was gibt’s?” Breitners Gesichtsfarbe veränderte sich in den nächsten Augenblicken von einem zornigen Dunkelrot in ein bleiches Weiß. Zweimal stieß er ein entsetztes „Nein!” während des Gesprächs hervor. Dann steckte er das Handy wieder weg. Er sah Günther an. „Es hat zwei weitere Anschläge dieser Art gegeben”, erklärte er.
„Was?”, entfuhr es Günther.
„Betroffen sind Polizeidienststellen von Neubrandenburg und Lübeck. Über die Zahl der Opfer kann man noch nichts sagen. Angeblich sollen die meisten Kollegen, die in Lübeck stationiert sind, in einem Einsatz gewesen sein, so dass die Kollegen dort wohl etwas glimpflicher davongekommen sind.”
„Diese verdammten Schweinehunde”, murmelte Günther. Er ballte die Hände zu Fäusten.
„Und jetzt raus mit der Sprache! Was ist Ihr Verdacht?”