Читать книгу Ein Kommissar läuft Amok: Ein Kubinke Krimi - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 11
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„Sie müssen einen Moment warten“, sagte Frau Dorothea Schneidermann, die Sekretärin unseres Chefs, als wir dessen Vorzimmer erreichten. „Kriminaldirektor Hoch führt gerade noch ein paar wichtige Telefongespräche.“
Ich konnte mir gut vorstellen, dass diese Gespräche in Zusammenhang mit unserem Fall standen. Kriminaldirektor Hoch war zwar erst seit kurzem Leiter des BKA, so wie Rudi und ich erst seit relativ kurzer Zeit Kriminalinspektoren waren, die im Auftrag der BKA Zentrale von Berlin ermittelten. Aber als jahrzehntelanger Dienststellenleiter der Hamburger Polizei hatte er mit Sicherheit ein dichtes, landesweites Netz von Kontakten knüpfen können. Und die konnten gerade in einem Fall wie diesem von Nutzen sein.
Schließlich war es nun ziemlich offensichtlich, dass wir es mit einer faulen Stelle innerhalb unserer Organisation zu tun haben mussten. Ob das nur Unfähigkeit einzelner beteiligter Personen oder der Versuch war, bewusst etwas zu verschleiern, würde sich zeigen müssen.
„Ich habe für Sie beide Zimmer in Essen gebucht. Und außerdem einen Flug”, sagte Dorothea Schneidermann.
„Danke”, sagte ich.
„Wir können es kaum erwarten, in dieser Weltstadt zu landen” meinte Rudi sarkastisch.
„Die Stadt hat sich entwickelt”, meinte Dorothea Schneidermann. „Wenn man so will, könnte man Essen, Duisburg, Bottrop, Bochum und die anderen Städte zu einer zusammenfassen, so eng, wie sie aneinanderliegen. Da ist doch schon alles zu einer Großstadt zusammengewachsen.”
„Hm, da muss an mir irgendwie was vorbeigegangen sein”, meinte Rudi mit einem Grinsen.
„Tja, langsam sollte Ihr Horizont etwas weiter sein, Rudi”, meinte Dorothea. „Ein Ex-Freund von mir wohnt in Essen und arbeitet für eine High-Tech-Schmiede. Ich gebe es zu, wäre das nicht der Fall, wüsste ich auch nichts darüber, aber mit Hamburg oder Berlin kann man dort sicher wohl auch mithalten.”
Die Tür ging auf. Herr Hoch stand dort. Die Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt, die Krawatte hing ihm gelockert um den Hals.
„Kommen Sie rein!”, sagte er.
Wir folgten der Aufforderung. Wenig später saßen wir in seinem Büro.
„Also die Wahrheit über Marenberg sieht wohl so aus, dass man in der Tat das Vermächtnis dieses Mannes schützen wollte. Die Kriminalpolizei Essen wird derzeit von dem ehemaligen stellvertretenden Dienststellenleiter Timo Gottfriedson geleitet. Zunächst kommissarisch, ob das eine dauerhafte Lösung ist, wird sich zeigen. Aber wenn es Unregelmäßigkeiten gibt und die mit dem Chef zu tun haben, halte ich es grundsätzlich nicht für die beste Lösung, den Stellvertreter für die Aufklärung sorgen zu lassen.”
„Sie glauben, dass dieser Gottfriedson davon wusste?”
„Möglich. Ich kann nicht mal ausschließen, dass er gar nicht in erster Linie Marenberg, sondern sich selbst schützen wollte. Wie ich jetzt aus anderer Quelle erfahren habe, ist Gottfriedson mit Marenbergs Familie befreundet. Kann auch sein, dass man von dort Druck auf ihn ausgeübt hat. Wie auch immer: Fakt ist wohl, dass bei Marenberg Depressionen diagnostiziert wurden. Fakt ist auch, dass er Medikamente nehmen musste. Fakt ist zum dritten, dass er zu dem gestellten Psychologen nicht regelmäßig hingegangen ist und damit eigentlich seine Auflagen verletzt hat, unter denen er seinen Job machte. Und Fakt ist weiterhin, dass er mindestens noch einen zweiten Psychologen und einen weiteren Arzt wegen dieser Sache aufgesucht hat.”
„Könnte es sein, dass er Medikamente gehortet und überdosiert hat?”
„Es spricht einiges dafür, dass er abhängig war. Eine Sekundärerkrankung, die sich wohl aus der Medikamentierung wegen der depressiven Verstimmungen ergeben hat.”
„Arzt-Hopping, um genug verschrieben zu bekommen. Da wäre er nicht der erste”, meinte Rudi.
„Es gibt noch etwas anderes, worauf ich Sie hinweisen möchte, was jetzt ebenfalls ans Tageslicht gekommen ist.”
Ich hob die Augenbrauen.
„Noch mehr?”
Eigentlich reichte das schon. Es wäre dringend angezeigt gewesen, Kevin Marenberg zumindest zu beurlauben. Vielleicht, so dachte ich in diesem Moment, hätte dann die anschließende Tragödie verhindert werden können. In diesem Punkt sollte ich mich allerdings täuschen.
„Kevin Marenberg ermittelte seit Jahren gegen einen gewissen Jörg Rustow und seine Organisation”, erklärte Kriminaldirektor Hoch. „Mehrere Fälle von Unregelmäßigkeiten und professionellem Versagen der Polizei und seiner Mitarbeiter betrifft indirekt diesen Rustow, denn es ging um Fälle im Dunstkreis seiner Organisation.”
„Womit verdient denn dieser Rustow sein Geld?”, fragte ich.
„Ich habe Ihnen ein umfangreiches Dossier zugemailt”, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Jörg Rustow gilt als der Boss der sogenannten Happy-Hour-Connection. Diese Verbindung ist ein Ring, der sogenannte Designerdrogen herstellt und über Clubs vertreibt. Die Happy-Hour-Connection ist nicht nur in Essen aktiv, sondern auch in den angrenzenden Städten. Aber in dieser Stadt ist das Zentrum ihrer Aktivitäten.”
„Dr. Wildenbacher glaubt, es könnte möglich sein, dass Marenberg regelmäßig Designerdrogen genommen hat”, sagte ich. „Es ist schon ein eigenartiger Zufall, dass er ausgerechnet in dieser Richtung auch noch mit anderweitigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.”
Kriminaldirektor Hoch nickte.
„Tatsache ist, dass er keinen entscheidenden Erfolg gegen die Happy-Hour-Connection vorweisen konnte. Das steht alles in einem merkwürdigen Kontrast zu den Bemühungen. Denn aus den mir inzwischen zugänglichen Unterlagen wird auch klar, dass Marenberg hier ganz bewusst einen Schwerpunkt seiner Arbeit gesetzt hat.”
„Wir werden schon herausfinden, was dahintersteckt”, sagte ich.
„In Essen wird sie eine Kommissarin namens Christina Bellmann abholen. Und der kommissarische Dienststellenleiter Gottfriedson hat mir seine uneingeschränkte Kooperationsbereitschaft zugesagt, nachdem er zunächst das Gegenteil getan hat.” Kriminaldirektor Hoch zuckte mit den Schultern. „Sie werden vor Ort selbst entscheiden müssen, wie weit Sie ihn in Ihre Ermittlungen einbeziehen. Aber ich rate Ihnen zur Vorsicht.”