Читать книгу Trevellian und der Bazooka-Killer - Alfred Bekker - Страница 7
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Ein regnerischer, trüber Morgen in New York City. Der gesamte Big Apple glich einer Waschküche. Die Wischer des Sportwagen schafften es kaum, die Scheiben einigermaßen frei zu halten.
Ich hatte Milo gerade an der bekannten Ecke abgeholt und war auf dem Weg zur Federal Plaza, als uns der Anruf aus dem Hauptquartier erreichte. Es war unser Chef persönlich. Da ich die Freisprechanlage eingeschaltet hatte, konnten Milo und ich ihn beide hören.
»Guten Morgen«, meldete sich Assistant Director Jonathan D. McKee, der Leiter des FBI Field Office New York. Anschließend gab er uns eine Adresse in der Bronx durch und erklärte: »Dort hat es heute Nacht ein Attentat auf Brian Imperioli gegeben. Eine genaue Identifizierung der Opfer war noch nicht möglich. Aber die Kollegen der City Police gehen davon aus, dass Imperioli tot ist.«
Ich ordnete mich an einer Ampel rechts ein. Der Tatort lag genau entgegengesetzt zu unserer gegenwärtigen Fahrtrichtung.
»Das bedeutet Krieg«, meinte Milo.
»Ich kann nur hoffen, dass Sie sich irren, Milo«, erwiderte Mr. McKee. »Jedenfalls drohen monatelange Ermittlungsarbeiten jetzt bedeutungslos zu werden ...«
Mr. McKee spielte damit darauf an, dass wir seit geraumer Zeit begonnen hatten, ein Netz um Imperioli herum aufzubauen. Der Italoamerikaner hatte im Verlauf der letzten dreißig Jahre eine steile Karriere in der Unterwelt gemacht. Als graue Eminenz beherrschte er inzwischen einen beträchtlichen Teil des Kokainhandels. Ganze Bezirke hatte er unter seiner Kontrolle. In letzter Zeit hatte er insbesondere in der Bronx stark an Boden gewonnen und die dort traditionell etablierten puertoricanischen Syndikate zurückgedrängt und lieferte sich nun einen Konkurrenzkampf mit der Chinatown-Connection.
»Einzelheiten wird Ihnen Captain Ron Gallego von der Homicide Squad III des 103. Precinct erläutern«, erklärte Mr. McKee. »Er leitet den Einsatz am Tatort. Nur so viel kann ich Ihnen schon sagen: Der Angriff auf Imperioli erfolgte sehr wahrscheinlich mit einer Bazooka.«
Ich pfiff durch die Zähne. »Spricht für Profis«, meinte ich.
Mr. McKee war derselben Ansicht. »Fragt sich nur, wer diese Killer in Bewegung gesetzt hat.«
»Na, da kommt doch nahezu jeder in Frage, der sich in den letzten zehn Jahren auf dem Kokainmarkt breit zu machen versuchte«, sagte ich.
»Nicht zu vergessen die Konkurrenz aus der eigenen Familie«, ergänzte Milo.
Wir wussten durch V-Männer, dass es innerhalb des Imperioli-Clans erhebliche Meinungsverschiedenheiten über den zukünftigen Kurs der Familiengeschäfte gab.
»Der Große Alte«, wie Imperioli inzwischen gleichermaßen respektvoll und ängstlich genannt wurde, hatte die Zügel fest im Griff gehabt.
Wer nicht nach seiner Pfeife tanzte, den hatte Brian Imperioli aus dem Weg geräumt. Auch innerhalb der eigenen Verwandtschaft hatte er mit eisernem Besen gekehrt. Drei Cousins waren unter bislang ungeklärten Umständen zu Tode gekommen. Der Große Alte war allerdings clever genug, um zu verhindern, dass irgendeine Spur zu ihm führte.
»Dieser Fall hat Priorität«, kündigte Mr. McKee an. »Wenn wir nicht sehr schnell Licht in die Sache bringen und es uns gelingt, den Sumpf trockenzulegen, in dem der Imperioli-Clan operiert, dann wird ein blutiger Kampf um die Neuverteilung der Macht und der Drogenmärkte ausbrechen.«
Wir setzten das Rotlicht auf das Dach des Sportwagens, um schneller durch den dichten Verkehr des Big Apple zu kommen. Zur morgendlichen Rushhour war das kein Vergnügen.
Als wir auf den Franklin D. Roosevelt Drive gelangten, ging es etwas schneller voran. Wir fuhren Richtung Norden, am East River entlang. Zu unserer Rechten tauchte Wards Island auf, eine unbewohnte Insel, auf der sich die nach Harlem führende East 125th Street mit dem Grand Central Parkway nach Queens und dem in die Bronx führenden Bruckner Expressway traf.
Wir passierten eine Unterführung der 125th Street, gelangten auf den Harlem River Driveway und bogen anschließend rechts in die 135th Street. Zweihundert Meter weiter überquerten wir das Harlem River genannte Verbindungsstück zwischen Hudson und East River. Unser Ziel war das Gelände von Matthews & Partners, einer stillgelegten Fabrik ganz im Süden der Bronx. Das Gelände war weiträumig abgesperrt. Die Kollegen der City Police befanden sich in hoher Mannschaftsstärke im Einsatz. Der Regen tropfte ihnen von den Mützen.
»Die Jungs sind an einem Tag wie diesem um ihren Job nicht zu beneiden, Jesse«, meinte Milo.
Ich lächelte dünn. »Du vergisst, dass wir gleich auch noch hinaus in diese Waschküche müssen!«
»Mistwetter.«
Besonders zu bedauern waren die Kollegen der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst sämtlicher New Yorker Polizeieinheiten. Der Regen war auf Seiten der Mörder. Einen Teil der Spuren würde er unwiederbringlich vernichten.
Wir wurden von den NYPD-Kollegen angehalten. Ich ließ die Scheibe hinunter und zeigte meine ID-Card.
»Alles klar! Fahren Sie weiter«, sagte der Officer. »Captain Gallego von der Homicide Squad wartet schon auf Sie!«
»Danke.«
Der Tatort befand sich in einer trostlosen Sackgasse, die auf das Firmengelände führte. Dutzende von Einsatzfahrzeugen blockierten den Weg. Wir stiegen aus. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch. Es regnete immer noch Bindfäden. Ein rauer Wind fegte vom East River zwischen den Gebäuden hindurch.
Zwei ausgebrannte, verkohlte Autowracks fielen mir auf.
Wir trafen Captain Gallego im Gespräch mit einem SRD-Kollegen und einem Gerichtsmediziner. Milo und ich kannten Gallego seit einem Auffrischungskurs im Combat-Schießen, an dem wir alle drei im letzten Jahr teilgenommen hatten. Inzwischen war Gallego zum Captain befördert worden und leitete eigenständig eine Mordkommission des 103. Reviers.
Das Wasser tropfte von der Baseball-Kappe.
»Hi!«, grüßte er, als er uns bemerkte. »Das FBI ist ja schneller, als ich dachte!«
»Wir waren noch nicht einmal im Büro, da wurden wir schon hierher beordert«, sagte ich.
Gallego schüttelte den Kopf. »Aus dem Bett direkt an einen Ort wie diesen – es gibt Tage, an denen sollte man besser nicht aufstehen, was?«
Ich nickte. »Kann man wohl sagen.«
»Unsere Leute arbeiten hier mit Hochdruck, um so viele Spuren wie möglich zu sichern.« Gallego deutete zu einem der leerstehenden Gebäude. »Aus dem dritten Fenster von links im vierten Stock wurde zweimal mit einer panzerbrechenden Bazooka geschossen. Im ersten Wagen befanden sich wahrscheinlich sechs Personen. Die Kollegen werden etwas Zeit brauchen, um das genau rekonstruieren zu können.«
»Verstehe.«
Ein unangenehmer, verbrannter Geruch hing in der Luft.
»Das Kennzeichen des zweiten Wagens blieb erhalten. Er ist auf Mr. Brian Imperioli zugelassen. Die endgültige Identifizierung der Leichen wird noch etwas auf sich warten lassen, wie ihr euch denken könnt. Insgesamt waren drei Personen in der Limousine.«
»Und trotzdem seid ihr relativ sicher, dass der große Boss persönlich im Wagen gesessen hat?«, hakte Milo nach.
Ich beobachtete derweil, wie sich die Kollegen der SRD und des Coroners am Wrack der Limousine zu schaffen machten. Eine Seite war mit einem Schneidbrenner regelrecht aufgeschnitten worden. Ein paar graue Plastikbeutel lagen auf dem Boden. Ich wollte gar nicht genau wissen, was sich darin befand.
»Es gab zwei verkohlte Hundekadaver im Inneren des Wagens«, berichtete Gallego. »Das waren wahrscheinlich Imperiolis berüchtigte Dobermänner. Kurz zuvor waren die Hunde wohl noch im Einsatz.« Er deutete in Richtung des Firmengeländes. »Komm mit, Jesse. Die Kollegen haben das meiste schon weggeräumt, aber ihr solltet euch trotzdem selbst ein Bild machen.«
Milo und ich wechselten einen verwirrten Blick.
Wir folgten Gallego die wenigen Meter bis zum Firmengelände.
Ein Trike und mehrere Harleys standen auf dem Hof vor der ausgebrannten Fabrikhalle herum. Ein Leichenwagen des Coroners befand sich etwas abseits. Blutlachen waren auf dem Asphalt zu sehen.
»Die Leichen sind bereits geborgen worden«, erklärte Gallego. »Auf Kreidemarkierungen haben wir verzichtet. Hat ohnehin keinen Sinn bei diesem Wetter.«
Der zuständige Gerichtsmediziner umrundete den Wagen. Wir gingen auf ihn zu. Der Regen wurde noch etwas heftiger, so als wäre das Wetter auf der Seite der Mörder.
Der Gerichtsmediziner hieß Dr. Ray MacMillan. Das schüttere feuerrote Haar klebte ihm am Kopf.
»Jesse Trevellian, stellvertretender Special Agent in Charge, FBI«, stellte ich mich kurz vor. »Dies ist mein Kollege Special Agent Milo Tucker.«
Dr. MacMillan nickte knapp. »Es sind insgesamt drei Tote, die wir hier fanden« , berichtete er. »Drei Männer starben durch MP-Feuer, der vierte durch Bisswunden. Insbesondere das Bisswundenopfer war in einem grauenhaften Zustand und kaum noch zu identifizieren.«
»Wir vermuten, dass es sich um den Fahrer des Trike handelt, und haben die Zulassungsnummer überprüft«, mischte sich Captain Gallego ein.
»Und?«, hakte ich nach.
»Der Zerfleischte heißt wahrscheinlich Alan Reilly. Hatte eine lange Liste von Vorstrafen, war hier in der Bronx eine lokale Größe als Gang-Leader und nannte sich Bronx Commander. Die anderen drei sind auch bekannt. Jesper Thomas, Nolan Gottfried und Ashton Gutierrez – gehörten wie Reilly zu den Bronx Pirates, die sich ihre Maschinen wahrscheinlich mit dem Handel von Crack finanzierten.«
»Brian Imperioli war der Große Alte im Kokain-Geschäft«, meinte Milo. »Eigentlich ist er ein paar Nummern zu groß, um eine Gang wie die Bronx Pirates persönlich mit Kokain zu beliefern.«
»Für mich sieht das wie eine Bestrafungsaktion aus«, sagte ich. »Imperioli hat sich mit dem Bronx Commander getroffen, um ihn für irgendetwas zur Rechenschaft zu ziehen.« Ich zuckte die Achseln. »Wer weiß, vielleicht hat er einen Teil des Stoffs auf eigene Rechnung verkauft ...«
»Und als Imperioli den Ort der Auseinandersetzung verließ, hat ihn jemand mit einer panzerbrechenden Bazooka in die Luft gejagt«, ergänzte Milo.
»Das könnte einer der Bronx Pirates gewesen sein«, vermutete Gallego. »Die hatten wahrscheinlich ein paar Leute um den Treffpunkt herum postiert, die Imperioli dann niedergestreckt haben.«
Gallegos Handy schrillte. Er nahm den Apparat ans Ohr, sagte zwei Mal kurz »Ja!«, wandte sich anschließend an mich und erklärte: »Das war Lieutenant Raskinowicz. Unsere Leute haben die Stelle gefunden, von der aus gefeuert wurde.«
»Dann nichts wie hin«, schlug ich vor.