Читать книгу Mord im Kurs und 9 andere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 6
Mord im Kurs Alfred Bekker
ОглавлениеSchreiben befreit, heißt es. Man ordnet dsdurch angeblich seine Gedanken.
Die vielen Stimmen im Kopf.
Eine Weile habe ich das gglaubt.
Aber es stimmt nicht.
Gleichgültig, mit welch salbungsvollen Worten unsere Kursleiterin dies auch zu beschwören versucht. Die Stimmerm sind immer noch da. Und manch anderes auch. Aber in so einem Volkshochschulkurs für Kreatives Schreiben lernt man nette Menschen kennen. Frauen überwiegend. Und das ist doch auch etwas.
Es ist eine traurige Sache.
Warum bleiben sie nicht?
Warum erschrecken sie, wenn sie das Haus betreten? Weshalb beklagen sie alle sich über einen bestimmten Geruch, von dem sie nicht sagen können, wodurch er verursacht wird?
Sie wollen nicht bleiben und mit mir reden.
Ich weiß nicht warum.
Ist es zuviel, was ich verlange?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Und doch, es ist immer dasselbe. Sie wollen nicht bleiben. Ich kann von Glück sagen, wenn sie sich wenigstens mit mir an den gedeckten Tisch setzen.
"Hat jemand etwas<von Franziska gehört?", fragt die Kursleiterin irgendwann einmal, nachdem Franziska schon das dritte mal nicht zum Kurs gekommen ist.
Zunächst herrscht Schweigen.
Schließlich sagt eine junge Frau mit mattglänzendem Haar und einem sehr ernstem Gesicht, bei dem man unweillkürlich auf die Idee kommt, dass eine schwere Jugend sehr schwermütige Gedanken zur Folge haben: "Ich habe bei ihr geklingelt, aber es war wohl niemand da."
"Also wenn ihr jemand zufällig begegnen sollte", so die Kursleiterin, "dann möge er ihr doch bitte schöne Grüße von mir ausrichten und sie fragen, ob sie nun an unserer Lesung teilnehmen will oder nicht. Irgendwann muss ich ja auch planen."
Sie wird micht teilnehmen, denke ich.
Weder an der Lesung, noch asn sinst iergend etwas.
Franziska wird bald gar nichts mehr tun.
Ich zünde die Kerzen an.
Der Schein des Lichts fällt auf ihre ebenmäßigen Züge und taucht sie in ein diffuses Licht.
Ich konnte sie nicht gehen lassen.
Ich konnte einfach nicht.
"Ich meine, es ist halt so, dass Kurse meistens im Laufe der Zeit kleiner werden", sagt die Leiterin irgendwann einmal. "Aber wenn man keine Luist mehr hat, könnte man sich eientlich wenigstens abmelden, finde ich."
Hast du eine Ahnung!, denke ich.
"Sie wollen wirklich schon gehen?"
Ihr Gesicht wirkt verlegen.
"Ja."
"Aber..."
"Ich muß mich auf den Weg machen. Verstehen Sie mich doch, es ist höchste Zeit..."
"Ich habe den Tisch gedeckt!"
"Hören Sie, ich will Sie nicht kränken, aber..."
"Aber?"
"Ich weiß nicht, ob es richtig war, Ihre Einladung anzunehmen... Was ich sagen will ist..."
"Sie können mir das nicht antun! Ich habe für Sie gekocht!"
"Das ist sehr nett, aber - "
"Alles ist vorbereitet... "
Sie runzelt genau in diesem Moment die Stirn.
"Vorbereitet?"
Viele von ihnen haben genau in diesem Moment die Stirn gerunzelt.
Ich kann es unmöglich erklären, aber es ist so.
Ich habe kein gutes Gefühl.
"Es gibt Lachs in Kräuterbutter. Dazu einen guten Wein. Es wird Ihnen schmecken..."
Ich habe etwas Scheußliches getan.
Naja, das haben die meisten vielleicht irgendwann schonmal in ihrem Leben. Aber das, was ich getan habe, ist von besonderer Scheußlichkeit. Ich weiß es, aber ich kann es nicht ändern.
Ich empfinde auch keine Schuld.
Es ist so gekommen.
Aus.
Fertig.
Reden wir über etwas anderes.
Ich sehe ihr in die Augen, diese leuchtend blauen Augen, die mich eigentlich ganz friedlich anblicken.
Sie sitzt mir gegenüber, mit diesen Augen, mit ihrem schmalen Mund, mit ihrem feingeschnittenen Gesicht. Ihr Mund lächelt nicht mehr. Er ist vielmehr unbeweglich, etwas starr, ich weiß auch nicht.
Ich hebe mein Glas und proste ihr zu.
Sie schweigt.
Ich rede mit ihr. Oder besser: Ich erzähle ihr alles mögliche. Über mich. Über meine Ansichten. Über Gott. Und die Welt.
Nein, vielleicht doch nicht über Gott. Was ich damit sagen will ist folgendes: Gott hat in dieser Geschichte eigentlich nicht allzuviel verloren.
Ich sollte ihn aus dem Spiel lassen.
Um seinetwillen.
Mein Mund produziert Worte. Eins nach dem anderen, ohne Unterlaß. Eigentlich bin ich ein schweigsamer Mensch, vielleicht sogar schüchtern. Ich lebe zurückgezogen mit meinen drei Katzen. Das Haus, in dem ich wohne, liegt etwas abseits, nicht weit von der Talsperre entfernt.
Ich habe es für mich allein und das ist gut so.
Ein Tag vergeht. Und ein weiterer.
Ich lasse sie am Tisch sitzen. Sie blickt mich starr an, wenn wir uns unterhalten.
Hätte ich sie doch gehen lassen sollen?
Vielleicht.
Ich konnte es nicht.
Es war einfach unmöglich.
Ich brauchte sie.
Und ich hoffe nur, daß ich ihr nicht allzu sehr wehgetan habe. Jedenfalls hat sie nicht geschrien. Sie war wohl sofort tot. Ganz bestimmt.
Ein Kursteilnehmer trägt eine Geschichte vore, die von einem Mord handelt. Er stottert beim Lesen. Der Text bricht plötzlich ab. "Mir fällt kein Ende ein", meint der Schreiber, der sich mit der flachen Hand bei jeder Gelegenheit über das schüttere Haar streicht. Dadurch wird es ganz elektrisch, steht in der Gegen herum. Wie jemandem, der auf dem elektrischen Stuhl sitzt.
"Ich habe jetzt eine richtige Schreibhemmung, weil ich einfach nicht weiuterkomme!", stöhnt er nochmal auf.
Er kann noch nicht richtig dichten, aber so gequält dreinschauen wie ein richtiger Dichter kann er schon.
Immerhin etwas.
Der Mensch wächst mit seinen Azfgaben, heißt es.
"Vielleicht kann ich mich einfsch nicht so richtig in einen Mörder hineinversetzen", meint der Wie-ein-geqquälter-Dichter-Dreinschauende dann.
Er wendet sich an mich.
Ausgerechnet.
"Wie schaffst du das enn?"
"Ich?"
"Du hast doch letzte Woche auch eine Mörder-Story geschrieben."
"Ja."
"Na?"
"Ich weiß nicht."
Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich höre die Stimmen. Ich versuche zu verstehen, was sie sagen...
"Ist Ihnen nicht gut?", dringt die Stimme der Kursleiterin plötzlich in mein Bewusstsein.
"Mir? Wieso?"
"Sie sehen so blass aus!"
Am vierten oder fünften Tag nahm ich sie über die Schulter und setzte sie in einen der großen Ohrensessel, die bei mir im Wohnzimmer stehen. Wir saßen beieinander. Es war schön.
Jedenfalls besser, als wenn man alleine dasitzt.
Von Tag zu Tag gab es mehr Fliegen im Haus und mir war klar, woher das kam.
Ich betrachtete wehmütig ihr Gesicht.
Schade, aber ich würde mich von ihr verabschieden müssen.
Ich schob es noch ein paar Tage vor mir her. Schließlich hatte ich mich an ihre Gesellschaft gewöhnt.
Dennoch, es war unvermeidlich.
Ich löste ein paar Fußbodenbretter, unter denen ich eine Art Grube angelegt hatte, und legte sie zu den anderen.
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