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Der Hochkönig stand schon eine geraume Weile auf der Mauer der Götter und blickte auf das Meer hinaus. Er hatte jene Stelle, an der sich der Opferstein befand, links hinter sich gelassen und war die Mauer entlang geschritten, bis der Blick auf das Meer völlig frei vor ihm lag.

Unter ihm breitete sich der Hafen aus.

Die befestigten Anlegebuchten der großen Schiffe starrten ihm überwiegend leer entgegen. Kein geschäftiges Treiben mehr. Als hätten die Händler den kommenden Krieg gerochen, hatten sie in den letzten Tagen den Hafen gemieden und die Schiffe an verschiedenen anderen Stellen entleert.

Der Hochkönig zählte nur drei Schiffe, die im Hafen lagen. Handelsschiffe, die unbewaffnet waren. Auch deren Bäuche waren nun vermutlich bereits mit Waren gefüllt, denn weit und breit ließ sich kein Hafenarbeiter mehr blicken.

Vor dem Hafen lagen die Lagerhäuser und die Unterkünfte der Hafenarbeiter sowie eine kleine Wachgarnison, doch selbst dort regte sich momentan kein Leben.

Zwischen dem Hafengebiet und der Stadt lag eine freie Fläche, die von mehreren parallel verlaufenden Straßen unterbrochen war, Straßen für den Handelsverkehr, die Hafen und Stadt jeweils in einer geraden Linie verbanden. An ihrem Ende schloss sich der Tempelbezirk und die Stadt Embadan selbst an.

Die Sonne näherte sich dem Horizont.

Wie eine blutrote Orange näherte sie sich der Wasseroberfläche, flammend wie ein Mahnmal. Drohend sah sie aus – ein Vorbote der Gefahr, der sich Embadan näherte?

Weit draußen auf dem offenen Meer, aber immer noch in Sichtweite, kreuzte die fremde Flotte.

„Worauf wartet ihr Befehlshaber?“, überlegte Ezon. Er glaubte zu wissen, dass es Teldoras war, der sich hier näherte. Meinte er etwa einen Überraschungsangriff starten zu können, nachdem er das Heer aus der Hauptstadt gelockt hatte?

Ezon hörte Schritte. Harek trat neben den Hochkönig und blickte ebenfalls besorgt auf das Meer hinaus.

„Hatte Teldoras‘ Angriff auf Veluan nur den Zweck, das Heer von Embadan wegzulocken?“, vermutete der oberste Drachenseher Harek. Er schien einem ähnlichen Gedankengang wie der Hochkönig zu folgen.

„Was will er damit erreichen?“, fragte Ezon nachdenklich. „Die Stadt und der Tempel sind heiliges Gebiet. Wenn er Embadan angreift, verscherzt er es sich mit allen Königen.“

„Doch der Hafen selbst ist kein geschütztes Gebiet“, gab Harek zu bedenken.

„Trotzdem, was will er damit bezwecken? Selbst wenn er den Hafen erobert ... Embadan ist nach wie vor nicht schutzlos. Es befinden sich genügend Drachenwächter in der Stadt.“

„Wer den Hafen kontrolliert, kontrolliert sämtliche Waren, die in die Stadt kommen. Er braucht die Stadt nicht einmal anzugreifen, wenn er uns in die Knie zwingen will.“

„Du meinst, er hungert uns aus?“

„Vielleicht versucht er es. Aber dazu muss er erst sein Landheer in Stellung bringen.“

„Das ist in Veluan gebunden. Unser Heerführer Argun folgte dem Hilferuf von Veluan. Dort wird es zur Entscheidungsschlacht kommen.“

„Die Dalba gewinnen wird. Nach allem, was man hört, sind seine Soldaten bestens ausgebildet. Teldoras lässt unser Heer in der Fremde ausbluten. In der Zwischenzeit wird er Embadan einnehmen – und wenn das geschwächte Heer zurückkehrt, wird Argun vor vollendeten Tatsachen stehen“, prophezeite Harek.

„Wir müssen den Hafen verteidigen!“ In Ezons Stimme schwangen hörbar Zweifel mit.

„Wozu?“, entgegnete Harek. „Wir schwächen uns nur selbst. Was bringt es uns, zahlreiche Männer zu opfern, nur um schlussendlich der Übermacht doch zu erliegen? Klar, wir können Widerstand leisten, aber gegen die Soldaten, die seine Schiffe bald anlanden werden, kommen wir nicht an.“

„Es gefällt mir nicht, kampflos einfach aufzugeben“, stellte Ezon fest.

„Die Hafenbesatzung wird mehrere Stunden die Stellung halten können“, vermutete Harek. „Sie weiß doch, dass das Hauptheer von Tarana anderswo beschäftigt ist und wird sich darauf einstellen. Sie wird ihr Bestes geben. Es sieht bei Gott nicht so aus, als gibst du kampflos auf, Hochkönig“, schmeichelte Harek.

Ezon nickte langsam. Man sah ihm an, dass ihm die Situation alles andere als behagte. Fieberhaft suchte er eine Lösung, rechnete im Geist aus, wie viele Soldaten er zur Verstärkung der Hafenbesatzung schicken müsste, aber jedes Ergebnis listete nur die Zahl der Toten auf, die er zu opfern bereit war. Harek schlug die richtige Entscheidung vor, wenn er argumentierte, dass er den Hafen verloren geben sollte.

Trotzdem, es gefiel ihm nicht. Er kam sich irgendwie schäbig vor.

Alles fügt sich wunderbar, dachte Harek. So leicht lässt sich Hochkönig Ezon in die Enge treiben.

Ohne dass auch nur der geringste Verdacht auf ihn fiel, konnte er den ersten Schritt wagen, der zum Untergang des Hochkönigs führen sollte.

Teldoras würde zufrieden mit ihm sein. Er, Harek, hielt seinen Teil der Abmachung, wie abgesprochen, ein. Wie ernst es Teldoras mit seinem Teil halten würde, das musste allerdings erst die Zukunft zeigen.

Aber das Fundament für den künftigen Erfolg war gelegt.

*


Als die Sonne nahezu die Horizontlinie berührte, gab Teldoras den Befehl, den Hafen anzulaufen. Das Flaggschiff segelte voraus. Zusammen mit Minotin stand der König von Dalba am Bug und blickte auf den Hafen.

„Sie müssen uns doch gesehen haben“, sagte Teldoras und sprach auf den Umstand an, dass sich keine Menschenseele blicken ließ.

„Sie rechnen vielleicht nicht mit einem Angriff“, vermutete Minotin, gleichzeitig wusste er aber, dass diese Hoffnung sehr unwahrscheinlich war.

In kürzester Zeit mussten sie jene Distanz unterschreiten, die als Schussdistanz galt.

Wenn sie diese unsichtbare Linie überschritten hatten, ohne dass ihnen die Geschosse aus den Katapulten entgegenschlugen, konnten sie damit rechnen, den Hafen handstreichartig einzunehmen.

„Es wird Harek sein“, vermutete Minotin plötzlich, „der Ezon dazu überredet hat, den Hafen nicht zu verteidigen.“

„Weshalb sollte Ezon darauf eingehen?“

„Das weiß ich nicht.“

„So?“

„Aber alles andere ergibt keinen Sinn.“ Unwillig schüttelte Minotin den Kopf´, als müsste er alle anderen Gedanken, die sich einschleichen wollten, vertreiben. „Vielleicht ist er militärisch zu schwach, sowohl Stadt wie auch Hafen zu verteidigen? Das könnte immerhin möglich sein.“

Als sie nur mehr wenige Bootslängen von der Uferlinie trennten, tat sich dann doch noch etwas. Die schweren Geschütze schwiegen allerdings weiterhin. Doch im Schutz der zuvorderst stehenden Lagerhallen war die Hafengarnison aufmarschiert.

Die Hafenverteidigung hatte sich auf eine andere Taktik als die erwartete verlegt. Offensichtlich wollte sie die Soldaten daran hindern, von den Schiffen zu stürmen. Vielleicht rechnete sie auch damit, dass sie einen so hohen Blutzoll fordern konnte, dass die feindlichen Soldaten einen Rückzieher machten.

„Da müssen wir durch!“, befahl Teldoras. Er machte eine Bewegung mit der Hand.

Minotin befahl einen Trupp von fünf Mann an Bord, die mit ihren Schilden eine massive Barriere errichteten sollten. Ihre Schilde vorausgestreckt, so ließ er sie Aufstellung nehmen. Sie hatten die Flanke zu schützen, in deren Schutz der Landesteg von den Matrosen an Land gelegt werden sollte.

Die Segel wurden eingeholt. Mit der Restgeschwindigkeit näherte sich das Schiff der Landebucht. Jetzt zeigte sich die Voraussicht der Schiffsbauer von Teldoras, denn kein feindlicher Bogenschütze fand ein Ziel an Deck. Im Schutz der Aufbauten an Deck für den Steuermann legte das erste Schiff an der Hafenmole an. Die Matrosen mit dem Landesteg standen bereit. Jeder der Matrosen wurde zusätzlich von einem Soldaten mit einem mächtigen Schild geschützt.

Ein erster, furchtbarer Pfeilhagel kam den Angreifern entgegen. Das Singen der fliegenden Geschosse begleitete unheildrohend den Flug. Das dumpfe Tock-Tock-Geräusch, mit dem die Pfeile in die Schilde fuhren, ängstigte die Matrosen nur in den ersten Sekunden, dann fassten sie Vertrauen, da keiner der Pfeile ein Opfer fand, zumindest so lange nicht, solange sie sich an die Anweisungen der sie begleitenden Soldaten hielten. Die Schilde waren groß genug, dass sie sowohl frontal wie auch von oben schützten.

In der Deckung der Schilde wurde der Landesteg über die Reling geschoben. Der erste Steg fand Kontakt mit dem Land.

Die Matrosen zogen sich zurück. Vorerst. Sie machten den wartenden Sturmtruppen Platz.

„Vorwärts!“

„Nieder mit dem Feind!“

Der erste Trupp stürmte an Land, in der linken Hand den Schild, in der rechten das Kurzschwert, die effektivste Waffe des Fußsoldaten. Ihr lauter Kampfruf erschallte. Den Soldaten von Dalba sollte er Mut machen, die Verteidiger von Tarana zermürben. Und tatsächlich, bei den Verteidigern machten sich erste Anzeichen von Nervosität bemerkbar, als die Angreifer laut brüllend auf ihre Stellungen zuliefen. Die Soldaten von Dalba hatten im Voraus festgelegt, wer sich welches konkrete Ziel vornahm.

Das erste Ergebnis, das sich bemerkbar machte, war das Versiegen des Pfeilbeschusses. Noch während die Soldaten den Verteidigern entgegenstürmten, wagten sich die Matrosen im Schutz der Schildträger ebenfalls an Land und vertäuten das Schiff. Andere Matrosen legten einen zweiten Landesteg. Der nächste Trupp Soldaten strömte an Land.

In der Zwischenzeit hatte die erste Kampflinie der Angreifer die Verteidiger in ihrem Sturmlauf überrannt, und die geordneten Schlachtreihe brach zusammen, dafür entwickelten sich erbitterte Zweikämpfe.

Das nächste Schiff legte an.

An Bord warteten die Soldaten bereits ungeduldig. Sie hämmerten die Griffe ihrer Schwerter an ihre Schilde. Das Geräusch dröhnte unheilverkündend an Land. Und es erfüllte seinen Zweck und steigerte die Nervosität der Verteidiger.

In den Zwischenräumen der eng stehenden Lagerhallen konnten die Verteidiger ihren Vorteil der Deckung nicht ausspielen, nicht nur das, sie standen sich sogar im Weg und behinderten sich gegenseitig.

Bald war abzusehen, dass die zusammengezogene Garnison den Hafenbezirk nicht halten konnte. Die Hafengarnison, die anfangs noch gehofft hatte, dass der Hochkönig Verstärkung senden würde, erkannte recht bald, dass sie auf verlorenem Posten stand.

Damit war ihr Schicksal so gut wie besiegelt, denn ihr Kampfeifer erlahmte und sie ergaben sich.

Die Eroberung des Hafens von Embadan hatte nicht viel Zeit in Anspruch genommen, dann konnten Teldoras und Minotin ihren Fuß sicher an Land setzen.

*


Die Nacht und den kommenden Tag nutzte Teldoras, um das Hafengebiet zu sichern. Die überlebenden gegnerischen Soldaten wurden entwaffnet und in eines der Lagerhäuser gesperrt, wo sie unter Bewachung verblieben. Über ihr Schicksal sollte später entschieden werden, aber Teldoras tendierte dazu, ihnen ein Angebot zu unterbreiten, das sie zum Überlaufen animieren sollte.

Teldoras selbst quartierte sich in jenem Gebäude ein, in dem die Hafenverwaltung untergebracht war, und da sie die Wohnräume des Hafenkommandanten verwaist vorfanden, beschlagnahmte Teldoras diese Räumlichkeiten für sich.

Unter der Aufsicht von Minotin wurde das Hafengebiet militärisch neu organisiert.

Als die Dunkelheit an diesem Tag hereinbrach, meldete einer der Wachtposten die Annäherung eines einzelnen Menschen. Der Mann kam allein, aber er ging aufrecht und für jedermann sichtbar. Damit wollte er wohl zeigen, dass er offen kam und ein Anliegen vorzubringen hatte.

„Warum kommt er nicht im Schutz einer weißen Flagge?“, fragte sich der Wachtposten. „Einem Parlamentär kann ich den ihm zustehenden Schutz garantieren ...“

„Er plant offensichtlich keinen Hinterhalt“, beruhigte ihn ein Kamerad. „Hören wir ihn zumindest an.“

Der Wachmann nahm seine Armbrust und legte einen Pfeil ein. So bewaffnet trat er einen Schritt aus der Deckung und richtete die Waffe auf den Herankommenden.

„Halt!“, befahl er mit lauter Stimme.

Der Fremde blieb augenblicklich stehen, aber er zeigte kein Anzeichen von Furcht.

„Ich will euch nichts Schlimmes“, rief er laut, „aber ich muss König Teldoras sprechen.“

„Gleich den König? Was ist, wenn Teldoras dich nicht sprechen will?“

„Verlass dich darauf, er will mich sprechen. Meldet ihm meine Ankunft. Sagt ihm, Harek bittet um eine Unterredung.“

Den Wachtposten verschlug es nun selbst die Sprache. Für eine geraume Weile verharrte er still und betrachtete den Fremden. Er musterte ihn abschätzend. Man konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Ratlos und unsicher rieb er sich die Wange.

Er kannte den Namen, aber er besaß absolut keine Vorstellung davon, wie der Stellvertreter des Hochkönigs aussah.

„Kannst du beweisen, dass du Harek bist?“, fragte er vorsichtshalber.

„Schick nach Teldoras. Er kennt mich!“

„Wenn du im offiziellen Auftrag hier bist ...“

„Ich kommt in einem eigenen Geschäft!“, unterbrach Harek, dem man langsam eine gewisse Ungeduld in seiner Stimme anhörte. „Wenn du mich nicht anmelden willst, so stelle dich auf einen Kampf ein!“

„Gemach, Fremder. Ich will mich nur überzeugen, dass ich keinen Meuchelmörder bis zum König vordringen lasse.“

„Wenn ich so etwas im Sinn hätte, wärst du der Letzte, dem ich das gestehen würde. Also, wie hast du dich entschieden?“

„Ich geleite dich zu Minotin.“

„Ein Lakai?“

„Er steht neben Teldoras. Mag sein, dass du den König im gleichen Saal triffst, wenn ich dich zu ihm bringe.“

„Dann säume nicht länger. Ich habe nicht die gesamte Nacht Zeit.“

Harek wartete die Antwort nicht ab, sondern setzte sich augenblicklich in Bewegung, kam auf den Wachtposten zu, schritt an ihm vorbei und schlug direkt den Weg ein, der in die Richtung der Hafenverwaltung führte, dorthin, wo Teldoras augenblicklich residierte.

Der Wachtposten hatte gerade noch genügend Zeit, seinem Nebenmann einen Blick zuzuwerfen, der verstehend nickte, dann lief er Harek nach und beeilte sich, ihm zumindest einen Schritt voraus zu sein. Es machte keinen guten Eindruck, wenn der Führer hinter dem Geführten zum König vordrang.

Vor dem Zugang zur Hafenverwaltung stand ein weiterer Soldat. In seiner rechten Hand hielt er einen Speer, den er quer über den Eingang hielt.

„Ich bringe einen Gast für Teldoras“, sagte die Wache.

„Hast du deinen Gast nach Waffen durchsucht?“

„Nein, und du wirst das ebenso unterlassen!“, sagte Harek scharf. „Ich habe mit Teldoras zu reden. Und er wird sehr ungehalten sein, wenn ihr mich noch länger aufhaltet.“

„Teldoras selbst hat uns in unsere Pflichten eingewiesen“, erwiderte der Posten vor dem Eingang.

„Mag sein, dass er das veranlasst hat. Ich jedenfalls verlange, augenblicklich vorgelassen zu werden! Und wenn ich augenblicklich sage, meine ich es auch!“

Harek hob seine Arme und streckte sie steif aus, dann vollzog er eine schnelle Halbdrehung. Die eine Faust stieß jenen Posten beiseite, der ihn hierher begleitet hatte, die andere fegte den Posten vor dem Eingang beiseite.

Bevor die beiden sich von ihrer Überraschung erholt hatten, marschierte Harek in das Gebäude. Hinter ihm ertönte wütendes Schreien, und gleich darauf vernahm er das Stampfen von schweren Schritten, aber da hatte Harek bereits das Treppenhaus erreicht und hastete die ersten Stufen empor. Der oberste Drachenseher kannte sich in diesem Gemäuer aus. Gleich im ersten Halbstock gab es ein eisernes Gitter, das den weiteren Zugang versperren konnte. Dieses Gitter schloss Harek. Er ließ das Schloss einschnappen.

Wenn die beiden Wachen keinen passenden Schlüssel mit sich führten, musste sie das für einige Minuten aussperren. Zeit genug für Harek, mit Teldoras ins Gespräch zu kommen.

Harek wartete nicht darauf, ob sein Tun die beabsichtigte Wirkung erzielte, er eilte gleich den nächsten Halbstock empor und war um die Ecke gebogen, bevor die Wachen vor dem Gitter standen.

Er konnte nur mehr das wütende Schreien vernehmen.

Das Schreien alarmierte Minotin, der plötzlich vor Harek erschien.

Die beiden Männer starrten sich gegenseitig an, überrascht zuerst, doch dann erkannten sie sich. „Eure Wachen sind ein wenig zu gründlich – und zu misstrauisch“, sagte Harek.

„Was hast du mit ihnen gemacht?“

„Ich bin ihnen lediglich davongelaufen“, schwächte Harek den aufkommenden Ärger von Minotin ab. „Wo finde ich Teldoras?“

Statt einer Antwort deutete Minotin mit dem ausgestreckten Zeigefinger über seine Schulter auf jene Tür, durch die er auf den Gang getreten war.

„Beruhige die Wachen, und sorge dafür, dass sie mit ihrem Geschrei aufhören!“, verlangte Harek, ehe er auch Minotin stehen ließ und in die angegebene Richtung weitermarschierte. In dem Raum fand er tatsächlich Teldoras vor.

Der König blickte ihm mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht entgegen. Schließlich hatte auch er den Lärm auf dem Gang und das anschließende Gespräch zwischen Harek und seinem Gast mitbekommen.

„Dein Auftreten werden meine Soldaten so schnell nicht vergessen“, sagte Teldoras.

„Wenn es hilft, dass sie mich künftig ohne langes Zögern zu dir vorlassen, soll es mir recht sein.“

„Ich werde sie entsprechend instruieren.“

„Du bist früh da“, sagte Harek unvermittelt. „Ich habe nicht so bald mit dir gerechnet.“

„Und ich habe nicht so bald mit einem Angriff auf mein Land gerechnet“, entgegnete Teldoras. „Wie ich gehört habe, ist Argun mit der Armee von Tarana auf dem Weg nach Dalba. Dieser Zeitpunkt erschien mir günstig, gegen Embadan loszuschlagen.“

„Tarana ist nicht wehrlos. Die Drachenwächter stellen eine nicht zu verachtende Streitmacht dar.“

„Den Hafen von Embadan konnten sie nicht schützen.“

„Den Hafen und den dazu gehörenden Stadtteil haben sie nicht verteidigt, weil ich den Hochkönig davon überzeugen konnte, dass es nur unnötige Opfer gekostet hätte. Du hattest es lediglich mit der Hafengarnison zu – und die ist zu nicht mehr als zu polizeilichen Aufgaben zu haben.“

„Es besteht demnach kein Verlangen, den Hafen wieder zurückzuerobern?“

„Du kannst beruhigt sein. Hier bist du vorerst sicher. Aber von hier aus kannst du vorerst nichts weiter unternehmen.“

„Die Armee ist unterwegs ...“

„Ich habe dir schon gesagt, dass Embadan nicht wehrlos ist. Die Stadt und der Tempel sind heilig. Solltest du mit deinen schwachen Kräften dennoch einen Angriff wagen, wird sich augenblicklich jeder ausgediente Rekrut – und da sind nahezu alle Männer in Embadan – wieder in die Reihen der Soldaten eingliedern. Du kannst sicherlich ein Blutbad veranstalten, aber strategisch bringt es dir nichts – und als künftiger Hochkönig hast du außerdem jede Achtung verspielt. Also halte dich zurück. Das ist es, was ich dir sagen wollte.“

„Du verdammst mich zur Untätigkeit!“

„Vorerst, ja!“

„Und für wie lange?“

„Das hängt vom Verlauf des Krieges in Dalba ab“, gab Harek zu.

„Die Schlacht ist bereits geschlagen, wenn sich jeder an den Plan gehalten hat.“

„Dann werden wir ja bald Bericht davon erhalten.“

„Ich rechne damit, dass Rhugar mit dem Heer in spätestens drei Tagen hier sein wird.“

„Dann gedulde dich noch drei Tage, König Teldoras.“

Die Mauer der Götter 4: Drachenfeldzug

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