Читать книгу Der Fluch der Steine - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 4

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"Du wirst sterben, Mark Potter!" flüsterte John Jennings leise vor sich hin. Der Gedanke gefiel ihm, daß sich sein Opfer in diesem Moment nicht wehren konnte. Es ahnte nicht einmal, in welcher Gefahr es sich befand und das seine Atemzüge buchstäblich gezählt waren...

Die Kräfte der schwarzen Magie sind eine tödliche Waffe, dachte Jennings. Genau die richtige Waffe für einen unbarmherzigen Scharfrichter...

Und genau so sah Jennings sich.

In Gedanken stellte er sich sein Opfer vor. Die Augen, die sich in dem Moment vor Entsetzen weiteten, wenn die Luft wegblieb, der verzweifelte Griff zum Hals, um sich von der unsichtbaren Schlinge zu befreien, die sich immer enger zu ziehen schien und schließlich das letzte Todesröcheln. Der Schweiß stand Jennings auf der Stirn. Wie ein Besessener hatte er für diesen Augenblick gearbeitet und nun war es soweit. Er ließ Hammer und Meißel sinken.

Sein Blick fixierte die steinerne Büste vor ihm auf dem Tisch. Dann sah er seitwärts, wo er das Foto eines etwa vierzigjährigen grauhaarigen Mannes hingelegt hatte. Es war seine Vorlage.

Jennings atmete tief durch.

Das Gesicht war perfekt. Jennings legte Hammer und Meißel zur Seite. Er hatte ein natürliches Gefühl dafür, wann man mit einer Arbeit aufhören mußte, um sie nicht zu ruinieren. Er bewegte den Rollstuhl, in dem er saß, ein Stück nach hinten und verharrte dann einige Augenblicke lang. Sein Blick hing noch immer an der Büste.

Ein Kopf aus kaltem Stein, dessen Gesicht dem auf dem Foto so ähnlich war, daß einem Betrachter schon fast unheimlich werden konnte.

In Jennings feingeschnittenem, etwas melancholisch wirkendem Gesicht zuckte es. Bilder tauchten vor seinem inneren Auge auf. Bilder eines Unfalls, die ihn seit jenem Tag verfolgten und dafür sorgten, daß er ohne Medikamente kaum Schlaf finden konnte...

Ein einziger Augenblick, dachte Jennings, der alles verändert hatte...

Jennings schluckte.

Er kniff die Augen zusammen und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Dann rollte er durch das halbe Atelier. Bei einem Schrank stoppte er und holte eine schwere gußeiserne Kette sowie eine Dose mit schwarzer Farbe und einen feinen Pinsel aus einer Schublade. Damit kehrte er zurück zu dem steinernen Gesicht.

Er öffnete die Farbdose, indem er den Deckel mit dem Meißel heraushebelte und trug mit dem feinen Pinsel eine Reihe von Zeichen auf der Stirn des Steinkopfes auf.

Dann nahm er die Kette und schlang sie der Büste um den Hals. Ganz fest zog er sie, so als wollte er jemanden damit erwürgen.

"Die Kraft der Finsternis wird dir den Atem nehmen, Mark Potter!" murmelte er und wiederholte es gleich darauf. Er sagte es immer wieder und es wurde eine Art dumpfer Singsang daraus. Jennings' eigentlich sehr gutaussehendes Gesicht verzog sich dabei zu einer Maske des Hasses.

Schließlich brach er abrupt ab.

In seinen Augen blitzte es.

"Deine Seele ist eine Beute Satans, Mark Potter!" stieß er dann hervor und lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück. Er schwieg. Es war vollbracht.

In den nächsten Tagen würde er aufmerksam die Todesanzeigen der Londoner Tageszeitungen studieren... Eine ganze Weile saß er einfach nur so da. Ein stilles Lächeln von kalter Grausamkeit stand ihm dabei im Gesicht. Er wirkte in sich gekehrt. Dann sah er das blinkende Lämpchen des Sprechgeräts am anderen Ende des Tisches. Er bewegte sich mit seinem Rollstuhl dorthin und drückte auf einen der Knöpfe.

"Was gibt es?" fragte er mürrisch, denn eigentlich hatte er diesen Augenblick noch etwas auskosten wollen.

Eine weibliche Stimme antwortete.

"Da ist wieder diese junge Journalistin. Miss Dana McGraw vom LONDON CHRONICLE wartet auf dich, John!"

"Jetzt nicht!"

"Aber du bist mit ihr jetzt verabredet!"

"Ich habe gesagt: jetzt nicht!" fauchte Jennings. "Hast du mich verstanden, Elizabeth?"

"Was soll ich ihr sagen?"

"Denk dir was aus und mach einen neuen Termin mit ihr, okay?"

Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern schaltete das Gerät aus und umrundete erneut den Tisch. Dann betrachtete er mit einem Ausdruck der Zufriedenheit die Steinbüste von Mark Potter. Er fühlte sich leer und ausgelaugt.

Und erleichtert.

*

"Guten Morgen, Dana!" begrüßte mich Morton T. Smith, der Chefredakteur des LONDON CHRONICLE, als ich sein Büro betrat. Für eine Sekunde war ich etwas irritiert, denn anstatt des eher etwas mürrischen Gesichtsausdruck, der ansonsten so typisch für ihn war, schien er heute gut gelaunt zu sein.

"Guten Morgen", erwiderte ich.

Er erhob sich und umrundete seinen Schreibtisch, der über und über mit Manuskripten bedeckt war.

"Ich wollte mal fragen, wie weit Sie schon mit Ihrer Reportage über diesen Künstler sind?"

"John Jennings?"

"Genau!"

Ich atmete tief durch. "Er scheint seit dem Unfall, den er vor drei Jahren hatte, sehr exzentrisch geworden zu sein", erklärte ich dann.

"Seitdem sitzt er ja auch wohl im Rollstuhl, oder?" hakte Smith nach, der sich erklärtermaßen nicht sehr für moderne Kunst interessierte. Der Chefredakteur zuckte die Achseln und verschränkte die Arme vor der Brust. "Seine Exzentrik ist schließlich der Grund dafür, daß wir überhaupt etwas über ihn bringen. So sehe ich das jedenfalls!"

Da hatte Smith natürlich recht. John Jennings war ein Star auf dem Kunstmarkt.

Seine Objekte und Skulpturen erreichten astronomische Preise. Und das, obwohl der Künstler erst Mitte dreißig war. Nicht, daß seine Jugend gegen seine Kunst gesprochen hätte, aber die meisten erreichten diese Preisklasse erst, wenn sie verstorben waren.

Wirklich prominent hatte Jennings seine Hinwendung zu Okkultismus und Magie gemacht, die er seit seinem tragischen Verkehrsunfall vollzogen hatte. Die einen hielten ihn nun für halb wahnsinnig, aber auf andere wirkte gerade das anziehend. Es gab Jennings etwas Mysteriöses, wie auch die Tatsache, daß

er sich kaum noch in der Öffentlichkeit zeigte.

Der LONDON CHRONICLE war die erste Zeitung seit langem, die überhaupt hoffen konnte, an ihn heranzukommen. Und das auch nur, weil einer der Herausgeber des CHRONICLE

offensichtlich gute Kontakte zu Jennings' Manager besaß.

"Also", wiederholte Smith. "Wie weit sind Sie, Dana?"

"Ich stehe noch ganz am Anfang!" mußte ich bekennen und Smith runzelte die Stirn. Er sagte es nicht, aber ich konnte ihm ansehen, was in seinem Kopf für Gedanken herumspukten: Da hätte ich Ihnen mehr zugetraut, Dana!

"Das müssen Sie mir erklären!"

"Er hat bereits zweimal Termine mit mir von einer Minute zur anderen abgesagt. Es scheint wirklich nicht so einfach zu sein, an ihn heranzukommen... Ich habe zwar im Archiv recherchiert, aber schließlich sollte auf den Seiten der CHRONICLE ja nicht nur das stehen, was ohnehin alle wissen..."

"Allerdings!" nickte Smith. "Da gebe ich Ihnen recht." Er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Verzögerungen aller Art haßte er wie die Pest.

"Er ist ein scheuer Mann", gab ich zu bedenken. Smith sah mich sehr ernst an. "Glauben Sie, daß es noch Zweck hat, an der Sache dranzubleiben?"

"Ja, davon bin ich überzeugt!" behauptete ich, obwohl ich mir da inzwischen gar nicht mehr so sicher war. Es war gut möglich, daß Jennings mich ewig hinhalten würde, nur um sich schließlich zu überlegen, dem LONDON CHRONICLE doch kein Interview zu geben.

Aber ich hatte an der Sache ein persönliches Interesse, denn dieser mysteriöse Mann faszinierte mich. Ich hatte einiges über ihn und sein Leben gelesen und brannte darauf, ihn kennenzulernen.

"Gut", hörte ich Smith sagen. "Dann machen Sie weiter." Heute schien er seinen nachsichtigen Tag zu haben.

*

Der neue Termin, den ich mit John Jennings' Sekretärin abgemacht hatte, lag an einem Montag Nachmittag.

Jim Berringer begleitete mich. Er war Fotograf beim LONDON

CHRONICLE und wir bildeten bei den meisten Reportagen ein Team. Jim und ich waren gleichaltrig. Er war blond, trug das Haar etwas zu lang und wirkte sehr unkonventionell. Wir waren trotz unserer Gegensätzlichkeit ein wunderbares Team. Allerdings nur beruflich, auch wenn Jim manchmal durchblicken ließ, daß er nichts dagegen gehabt hätte, das auch ins Private zu erweitern.

"Ich glaube, ich habe einmal eines dieser Objekte fotografiert, für die Jennings so berühmt ist!" meinte Jim, während uns mein roter Mercedes durch den Londoner Großstadtverkehr trug. "Es waren hundert

aufeinandergestapelte Stühle und das Werk hieß 'Die Masse'. Um ehrlich zu sein, kann ich mit so etwas wenig anfangen!"

"Dann fehlt dir vielleicht der Kunstsinn!" neckte ich ihn. Jim grinste. "Gut möglich. Trotzdem verstehe ich die astronomischen Preise nicht, Stühle aufeinanderstapeln könnte ich schließlich auch!"

"Aber du bist nicht als erster auf die Idee gekommen und das macht den Unterschied aus!"

"Wenn du es sagst...", erwiderte er spöttisch. "Trotzdem wundere ich mich, daß es offenbar Leute gibt, die dafür solche Summen ausgeben!"

Ich lächelte nachsichtig.

"Weißt du Jim, es gibt eben auch Menschen, deren Kunstsinn über die Kalender des PLAYBOY hinausgeht."

Er lief rot an.

"Ha, ha, sehr witzig!" meinte er dann. Inzwischen hatten wir unser Ziel erreicht. John Jennings residierte in einer ehemaligen Fabrikhalle, die er für seine Zwecke hatte umbauen lassen. Er hatte hier alles unter einem Dach: Ein weiträumiges Atelier, seine Privaträume und Büroräume für sein Management. Originelle Kunst war nämlich nur die eine Hälfte seines Erfolges. Die andere war der Tatsache zu danken, daß er sich gut zu vermarkten wußte. Auf dem weitläufigen Gelände war auch ein Parkplatz. Ich stellte den roten Mercedes dort ab und wir stiegen aus. Es war ein freundlicher, sonniger Tag. Jim blinzelte ein bißchen und meinte: "Hoffentlich sind wir heute nicht wieder vergeblich hier!"

Der Eingang von Jennings' Gebäude war schmucklos. Es war eine stählerne Schiebetür, die elektrisch bewegt wurde und durch die man bequem mit einem Wagen hätte fahren können. Die Schiebetür selbst wirkte schroff und abweisend. Hier hatte sich ein Mann eine Festung gebaut, hinter deren Mauern er sich zurückziehen konnte.

Seitlich war eine Sprechanlage. Ich meldete mich und wir wurden eingelassen. Als wir eintraten bemerkte ich die Videokamera über uns, deren Linse uns automatisch folgte. Ein kahler Gang lag vor uns. Bläuliches Neonlicht herrschte hier und sorgte für eine fast unwirtliche Atmosphäre. Schon nachdem ich die ersten Schritte in dieses Gebäude getan hatte, beschlich mich ein leichtes Unbehagen. Schritte hallten in dem Gang wider. Elizabeth Norman, Jennings' Sekretärin, kam in ihrem konservativen Kostüm auf uns zu. Sie war sicher noch keine dreißig und hatte ein hübsches, feingeschnittenes Gesicht mit dunkelbraunen Augen. Die Haare trug sie in einem Pagenschnitt.

"Guten Tag, Miss McGraw!" begrüßte sie mich und wandte sich dann Jim zu.

"Können wir zu Mr. Jennings?"

"Einen Augenblick noch. Wenn Sie mir bitte folgen..." Wir folgten Miss Norman in einen weiträumigen

Aufenthaltsraum, in dem sich ein Springbrunnen befand. Es war eine Mischung aus Büro und Wartezimmer. Schon bei unserem letzten Termin mit Jennings hatten wir hier einige Zeit verbracht.

Ein Mann in den mittleren Jahren und einem kantigen, harten Gesicht begrüßte uns. Es war Brent Erikson, Jennings' Manager. Erikson war der Mann, dem Jennings es wohl letztlich zu verdanken hatte, daß sein Name nicht nur denen ein Begriff war, die die Feuilletons aufmerksam lasen.

"Ich möchte mich nochmals bei Ihnen entschuldigen, Miss McGraw!" erklärte er, wobei sich in seinem Gesicht keinerlei Regung zeigte. "Aber wissen Sie, John ist einer der genialsten Künstler, die wir in den letzten Jahrzehnten in unserem Land hatten. Und da muß man ihm vielleicht manches nachsehen, wenn Sie verstehen, was ich meine."

"Sicher", erwiderte ich kühl.

Brent Erikson machte eine ausladende Handbewegung.

"John ist ein schöpferischer Geist. Wenn er bei der Arbeit ist, vergißt er alles um sich herum. Er gleicht dann einem Besessenen, ißt nicht, trinkt nicht... Man muß in die-sen Phasen auf ihn aufpassen, sonst würde er zusammenbrechen!"

"Mr. Jennings schafft also weiterhin Kunstwerke?" vergewisserte ich mich, denn seit Jahren war nichts Neues mehr von ihm auf den Markt oder in die Museen gelangt.

"Ja. Aber er ist damit bislang nicht an die Öffentlichkeit gegangen."

"Warum nicht?"

Erikson zuckte die Achseln.

"Ich nehme an, weil Johns gegenwärtige Arbeit nichts mehr mit dem gemeinsam hat, was er zuvor gemacht hat. Es ist ein völliger Bruch. Sie wissen, daß er vor drei Jahren einen Unfall hatte. Seitdem hat künstlerisch eine neue Phase für ihn begonnen."

"Dann haben Sie seine neueren Werke aber bereits gesehen", stellte ich fest.

Erikson lächelte.

"Natürlich", sagte er. "Alle weiteren Fragen wird Ihnen nun John persönlich beantworten - vorausgesetzt er hat Lust dazu."

"Sicher."

"Wenn Sie mir bitte folgen wollen..."

Wir erhoben uns, aber nach zwei Schritten stoppte Erikson und wandte sich an Jim.

"Sie nicht", bestimmte er, woraufhin Jim erst ein ziemlich verdutztes und dann ein hilfesuchendes Gesicht machte.

"Das verstehe ich nicht", meinte er.

Erikson lächelte kalt und geschäftsmäßig.

"Ich habe nichts gegen Sie, Sir. Aber dies ist ein erstes Treffen und es war Johns ausdrücklicher Wunsch, daß dabei keine Fotos gemacht werden. Er will nur Miss McGraw treffen, sonst niemanden."

"Verstehe!" knurrte Jim. Er wandte sich an mich. "Ich werde mir dann wohl ein Taxi rufen... Bis dann, Dana!"

"Kommen Sie, Miss McGraw!" sagte Erikson indessen. Ich hatte genau in diesem Moment plötzlich ein sehr intensives Bild vor meinem inneren Auge.

Ketten, die sich um meinen Hals schlangen.

Ich rang unwillkürlich nach Luft. Einen Sekunde später war es vorbei.

"Ist irgend etwas, Dana?" hörte ich Jims Stimme wie durch Watte.

Ich schüttelte den Kopf.

"Nein, nichts", flüsterte ich.

*

John Jennings erwartete mich in einem Raum mit hohen Fenstern. Er hatte dunkles Haar und sehr aufmerksame, intelligente Augen, deren Blick mich einer eingehenden Musterung unterzog. Sein Gesicht wies einen melancholischen Zug auf. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem jungen Alain Delon. Der schmallippige Mund bildete einen dünnen, gerade Strich.

"Nehmen Sie Platz, Miss McGraw!" sagte er mit leiser, dunkel klingender Stimme und deutete auf eine Gruppe von Ledersesseln. "Möchten Sie etwas trinken?"

"Nein danke", erwiderte ich, während ich mich in einem der Sessel niederließ.

Jennings rollte auf mich zu und stoppte dann etwa zwei Meter von mir entfernt.

"Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, daß unsere letzten Termine geplatzt sind. Aber ich arbeite sehr hart."

"Ihr Manager sagte mir bereits etwas ähnliches!" erwiderte ich. "Woran arbeiten Sie im Moment?"

Jennings hob die Hand und schüttelte den Kopf. Ich begriff. Er wollte nicht darüber reden und ich hätte mich in diesem Moment dafür ohrfeigen können, so ungestüm vorgeprescht zu sein. John Jennings war ein scheuer Mann, der sich nicht gleich jedem offenbarte. Wenn er es überhaupt tat, dann nur nach einer eingehenden Prüfung. Und dieser wurde ich offenbar gerade unterzogen.

"Sie sind noch recht jung für Ihren Job, Miss McGraw", sagte er. "Ich hatte Sie mir älter vorgestellt."

"Enttäuscht?"

"Nein. Vielleicht haben Sie dadurch weniger Vorurteile."

"Vorurteile? Wogegen? Gegen schwarze Magie und Okkultismus?"

Zum ersten Mal sah ich in diesem Moment, das sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Die Ahnung eines Lächelns huschte über seine Lippen und in den dunklen Augen blitzte es kurz auf.

Vielleicht würde es mir ja doch gelingen, mit ihm eine gemeinsame Wellenlänge zu finden.

Ich hoffte es jedenfalls.

"Sie glauben an die Macht der Magie, nicht wahr?" sagte ich. "Jedenfalls konnte man das überall lesen." Jennings nickte.

"Es ist für mich keine Frage des Glaubens, Miss McGraw, auch wenn Sie das vielleicht überraschen mag. Ich weiß, welche Kräfte durch Magie kontrolliert werden können!" Er ballte die rechte Hand zu einer Faust, so als würde er etwas darin zerquetschen. Sein Tonfall wurde klirrend.

"Was meinen Sie genau damit, Mr. Jennings?" hakte ich nach. Und wieder hatte ich kurz das Bild einer Kette vor Augen, die wie eine Schlinge um den Hals eines Menschen gelegt worden war.

"Schwarze Magie kann beispielsweise auf große Entfernung töten, Miss McGraw! Wußten Sie das?"

Die Art und Weise, in der er das sagte, trieb mir einen Schauder über den Rücken.

"Wie kommen Sie gerade darauf?" fragte ich.

"Es ist ein Beispiel, weiter nichts. Es gibt Mächte, von deren Existenz die meisten Menschen nichts wissen wollen. Aber sie sind wirksam... Nennen Sie es Okkultismus oder Magie oder übersinnliche Beeinflussung... Zu verschiedenen Zeiten haben die Menschen diesen Phänomenen unterschiedliche Namen gegeben. Aber im Kern läuft es immer auf dasselbe hinaus: Auf die Macht des menschlichen Geistes, die bis jetzt kaum ausgeschöpft wurde! Diese Macht freizusetzen - das ist Magie, Miss McGraw!"

"Ein interessanter Gedanke!"

Jennings' Gesichtsausdruck wurde etwas weicher. "Ich weiß

nicht, ob Sie wirklich verstehen, was ich Ihnen gesagt habe. Wahrscheinlich rede ich in Ihren Augen nur Unsinn..."

"Habe ich das gesagt?" wich ich aus.

Er zuckte die Achseln. "Die meisten denken das. Und tatsächlich tummeln sich auf dem Gebiet ja auch eine Menge Scharlatane und Verrückte, die versuchen, unerklärliche Dinge für ihre eigenen Zwecke auszunutzen. Aber der Kern ist ein sehr altes Wissen, das bereits Jahrtausende im Besitz des Menschen ist..."

"Ich weiß, wovon Sie reden", behauptete ich. Jennings hob die Augenbrauen.

"Wirklich?"

"Meine Eltern verstarben früh und so wurde ich von meiner Großtante Margaret aufgezogen. Sie hat sich immer sehr stark mit diesem Gebiet beschäftigt und eine Art Privatarchiv dafür angelegt."

"Interessant", murmelte Jennings. Seine Züge wurden etwas weicher und weniger melancholisch. Eigentlich war ich hier, um etwas über ihn zu erfahren und nicht umgekehrt. Aber es schien, als müßte ich erst etwas von mir preisgeben, bevor er ebenfalls dazu bereit war, sich etwas mehr zu öffnen. John Jennings rollte zu einem Schrank hinüber, zog eine der Schubladen heraus und kam einen Moment später mit etwa einem Dutzend Zeitungsausschnitten zurück. Er legte sie vor mir auf ein niedriges Glastischchen. Ich erkannte die Ausschnitte sofort wieder und mußte unwillkürlich lächeln.

"Sie haben meine Reportagen gesammelt?" stellte ich etwas überrascht fest.

"Nur die der letzten Zeit. Schließlich wollte ich wissen, mit wem ich es zu tun habe! Ihren Artikeln nach scheinen Sie das Interesse Ihrer Großtante für das Übernatürliche zu teilen. Sie beschäftigen sich oft damit."

"Ja, das interessiert mich sehr, Mr. Jennings." Er kam etwas näher. "Nennen Sie mich John." Ich zuckte die Schultern.

"Meinetwegen, John."

"Ich gebe morgen ein Fest. Nur für ein paar Freunde und Bekannte. Einige Leute vom Kunstmarkt sind auch dabei. Aber es bleibt eine geschlossene Gesellschaft. Haben Sie Interesse?"

"Ich werde kommen", kündigte ich an.

"Gut. Um 20.00 Uhr. Aber lassen Sie Ihren windigen Fotografen in der Redaktion. Ich möchte nicht, daß Bilder gemacht werden und auch einigen meiner anderen Gäste wäre das vielleicht unangenehm. Schließlich findet das ganze in einem fast privaten Rahmen statt."

Es blieb mir nichts anderes übrig, als diese Bedingung zu akzeptieren.

Jennings reichte mir die Hand. "Es hat mich sehr gefreut Sie kennenzulernen, Dana!"

*

Die Villa meiner Großtante Margaret Sandford ist eine Mischung aus archäologischem Museum und einer

Kuriositätensammlung. Dazu kommt dann noch ihr Privatarchiv über den Bereich Okkultismus und Übersinnliches. Margarets Mann Frank war Archäologe gewesen und galt als

verschollen, seit er von einer Forschungsreise nicht zurückgekehrt war. Von ihm stammte die Mehrzahl der archäologischen Fundstücke und fremdartigen Artefakte aus aller Welt, die hier zusammengetragen waren.

Seit dem Tod meiner Eltern wohnte ich hier und daher war diese für manche Betrachter sicher etwas eigenartige Umgebung nichts Ungewöhnliches für mich.

Als ich nach Hause kam, setzte Margaret mir eine Tasse Tee vor.

"Danke sehr", murmelte ich, während ich mich in einen der altmodischen Sessel fallenließ. Margaret setzte sich zu mir, ebenfalls mit einer Tasse Tee.

Sie erzählte mir von einem Buch in dem sie gerade las. Es handelte sich um eine alte Schrift über einen recht abseitigen magischen Zirkel, der im neunzehnten Jahrhundert in London und Umgebung bestanden hatte und dann ziemlich plötzlich von der Bildfläche verschwunden war.

"Einflußreiche Persönlichkeiten sollen diesem Kult angehört haben", erklärte sie. "Darunter sogar ein Minister Königin Victorias..."

Ich nahm einen Schluck Tee und hatte einen Moment später plötzlich wieder das Bild einer Kette vor meinem inneren Auge, die um einen Hals geschlungen wurde. Ich sah ein paar feingliedriger Männerhände, die die Kette zu einer Schlinge zusammenzogen. Ich faßte mir unwillkürlich an den Hals und schluckte. Ein beklemmendes Gefühl hatte sich in mir breitgemacht und ich atmete tief durch, so als brauchte ich dringend frische Luft.

"Dana!" hörte ich Margarets Stimme. Ich wandte den Kopf zu ihr hin.

"Entschuldige, Tante Marge", murmelte ich.

"Na, kein Wunder, mein Kind! Du hattest vermutlich einen anstrengenden Tag in der Redaktion, mußtest dich gegen deinen griesgrämigen Chefredakteur behaupten und ich erzähle dir etwas über eine seit hundert Jahren angestaubte Schrift!"

"Ich war heute bei diesem Künstler - John Jennings." Margaret lächelte.

"Hat er diesmal den Termin also nicht platzen lassen."

"Nein..."

Sie sah mich an. Ihre Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen und ihr Blick wurde prüfend. Mir war sehr wohl bewußt, wie schlecht ich etwas vor ihr verbergen konnte. Darum versuchte ich es zumeist auch gar nicht erst.

"Dieser Jennings scheint dich ja sehr beeindruckt zu haben", stellte Margaret fest.

Da hatte sie vermutlich sogar recht, obwohl ich noch nicht wußte, was es eigentlich war, das mich an diesem Künstler so fasziniert hatte.

"Ich glaube, es ist mir gelungen, sein Vertrauen zu gewinnen", sagte ich und berichtete meiner Großtante in knappen Worten von unserer Begegnung. "Er redet viel über den menschlichen Geist und geheimnisvolle Kräfte. Ich nehme an, daß der Unfall, der ihn in den Rollstuhl brachte, dafür verantwortlich ist."

"Gut möglich", meinte auch Margaret. "So etwas kann ein regelrechter Schock sein. Jemand wie Jennings mußte sein ganzes Leben umstellen. Alles verändert sich. Man ist auf die Hilfe anderer angewiesen und fühlt sich wie ein Außenseiter und Krüppel..."

Ich war noch immer ziemlich unaufmerksam bei unserem Gespräch. Müde war ich allerdings nicht. Nein, daran lag es nicht... Gesichter erschienen in rascher Folge vor meinem inneren Auge. Erst das von Jennings, dann das seiner Sekretärin und schließlich das Gesicht von Brent Erikson, seinem Manager. Dann wieder Jennings.

Ich hatte unwillkürlich wieder den Gedanken an eine Kette, die sich schlingengleich um einen Hals zog...

Ein besonderes, charakteristisches Unbehagen hatte sich inzwischen in mir breitgemacht. Ein Gefühl, das ich nur zu gut kannte.

"Tante Marge", begann ich und blickte in Margarets aufmerksame Augen. Meine Großtante hatte ihre hauchdünne chinesische Teetasse zur Seite gestellt und sich etwas vorgebeugt.

"Sag's mir, mein Kind. Was ist los?"

"Ich habe immer wieder ein Bild vor mir, daß mich einfach nicht losläßt..."

"Deine Gabe...", flüsterte Margaret. Sie war überzeugt davon, daß ich eine leichte hellseherische Gabe besaß, die sich unter anderem in Träumen und Ahnungen äußerte. Ich schwankte noch, ob diese Gabe wirklich über das hinaus ging, was allen Menschen widerfährt. Ein Teil von mir war bereit zu akzeptieren, daß diese Träume, Tagträume und plötzlichen Eingebungen etwas zu bedeuten hatten. Ein anderer Teil von mir sträubte sich vehement dagegen.

"Ich weiß nicht, ob es etwas mit der Gabe zu tun hat, Tante Marge. Ich bin mir nicht sicher..."

"Was ist das für ein Bild?"

Ich erzählte es ihr. Margaret machte ein ziemlich ratloses Gesicht.

Schließlich sagte sie: "Es hat etwas mit diesem Künstler zu tun, nicht wahr?"

"Ich weiß es nicht, Tante Marge. Ich weiß nur, daß ich Angst habe, obwohl es dafür keinen realen Grund zu geben scheint." Margaret nickte leicht und erklärte mir dann in gedämpftem Tonfall: "Du mußt dich der Tatsache endlich stellen, daß du eine übersinnliche Gabe besitzt!"

"Tante Marge..."

"Und du mußt lernen, sie zu beherrschen!" Aber ich war mir nicht sicher, ob das wirklich der richtige Weg für mich war, denn schon allein der Gedanke daran, ein Ereignis aus der Zukunft zu sehen, jagte mir eisige Schauer über den Rücken. Die Vorstellung, daß mein Leben vielleicht teilweise vorherbestimmt war, fand ich entsetzlich.

"Dinge, die man beherrscht, machen einem keine Angst mehr, Dana!" hörte ich Margaret sagen.

Ich hatte ein Gefühl der Beklemmung, das mich so schnell nicht mehr loslassen sollte. Ich rieb mir unwillkürlich mit der Hand über den Hals und fühlte eine Gänsehaut, so als hätte eiskaltes Metall mich berührt.

*

Am nächsten Abend fand ich mich in John Jennings ehemaliger Fabrikhalle ein, in der sich jetzt seine luxuriöse Künstler-Residenz befand.

Ich war mir zunächst etwas unsicher darüber, was ich anziehen sollte und hatte mich schließlich für ein elegantes lindgrünes Kleid entschieden. Es stellte sich heraus, daß

das keineswegs zu vornehm war.

Ein wohlorganisierter Party-Service schien alles fest im Griff zu haben. Ich fand mich in einem salonartig

eingerichteten Raum wieder und bekam von der Bedienung einen Drink. Überall standen kleine Gruppen von Männern und Frauen zusammen und unterhielten sich. Viele schienen sich untereinander zu kennen.

Die Stimmung war ausgelassen.

Eine Blondine mit einem sehr avantgardistisch wirkenden Kleid lachte so schrill, daß sich die Umstehenden zu ihr umdrehten.

Ich nippte an meinem Glas und stand im nächsten Moment Jennings' Sekretärin gegenüber. Elizabeth Norman schien etwas überrascht zu sein, mich hier zu sehen, aber sie hatte ihre Gesichtszüge schnell wieder unter Kontrolle und lächelte geschäftsmäßig.

"Oh, Sie sind auch hier?" fragte sie.

"Ja, John hat mich eingeladen. Wo ist er übrigens?" Miss Norman überhörte meine Frage geflissentlich und erwiderte mit hochgezogenen Augenbrauen: "Sie dürfen ihn also schon John nennen! Alle Achtung!"

Ihr Ton schwankte zwischen Verletztheit und Ironie. Ihr Sektglas war leer.

Vielleicht war dessen Inhalt dafür verantwortlich, daß die sonst so kühle und geschäftsmäßig wirkende Elizabeth Norman sich im Augenblick nicht hundertprozentig unter Kontrolle zu haben schien...

Elizabeth kam etwas näher zu mir heran. Ich konnte ihr Parfum riechen, von dem sie für meinen Geschmack entschieden zuviel aufgetragen hatte.

"Ich durfte ihn erst nach drei Monaten John nennen", flüsterte sie mir dann zu und kicherte. "Wie Sie sehen, sind Sie auf dem besten Weg, sein Vertrauen zu erwerben, Miss McGraw."

Und dann war sie auch schon davon gerauscht. Das Rascheln ihres Kleides verlor sich im Stimmengewirr. Sie drehte sich noch einmal kurz zu mir um und zeigte mir einen maskenhaften Gesichtsausdruck, bevor sie dann von anderen Gästen in ein Gespräch verwickelt wurde.

Ich fragte mich noch, was dieser Auftritt wohl zu bedeuten hatte, da hörte ich in meinem Rücken eine Männerstimme, die mir sehr vertraut vorkam.

Wäre da nicht dieser französische Akzent gewesen...

"Nehmen Sie es ihr nicht übel, Mademoiselle! So weit ich weiß, waren Mademoiselle Norman und Monsieur Jennings früher einmal liiert. Aber, mon dieux, ein Mann wie John Jennings hat natürlich nur eine wahre Geliebte in seinem Leben. Die Kunst."

Ich drehte mich herum, während er sprach und blickte in zwei warme dunkle Augen, die in der Mitte eines

feingeschnittenen, leicht kantigen Gesichtes saßen. Das volle dunkle Haar trug er kurz. Ich erkannte diesen

hochgewachsenen, breitschultrigen Mann, dessen Alter irgendwo zwischen 40 und 45 liegen mochte, sofort wieder.

Doch noch ehe auch nur ein einziger Ton über meine Lippen gekommen war, hatte er meine Hand genommen und stellte sich als Guy de Laforet, Kunsthändler aus Paris vor.

Unsere Blicke verschmolzen für einen Moment miteinander. Er hatte meine Hand noch immer nicht losgelassen und drückte sie zärtlich. Ein charmantes, unnachahmliches Lächeln umspielte seine Lippen.

Natürlich war dieser Mann nicht ein französischer Kunstsammler namens Guy de Laforet. Doch obwohl ich ihn sogar liebte, hätte ich nicht sagen können, wer er wirklich war. Ich hatte ihn als Ashton Taylor kennengelernt, einen Ex-Geheimagenten und Ex-Schmuggler mit dubioser Vergangenheit, der sich in London als Privatdetektiv niedergelassen und auf Fälle mit okkultistischem Hintergrund spezialisiert hatte. Aber als wir gemeinsam in Südfrankreich den mysteriösen Mordfall eines französischen Schauspielers aufklärten, wurde offenbar, daß sein Leben als Ashton Taylor nicht das einzige zu sein schien, das er führte...

"Darf ich erfahren, mit wem ich das Vergnügen habe, Mademoiselle?" fragte er dann.

Ich atmete tief durch. Aber ich machte die Maskerade mit, schließlich hatte mein Gegenüber mit Sicherheit einen triftigen Grund dafür.

"Dana McGraw, LONDON CHRONICLE", murmelte ich.

"Ich wußte gar nicht, daß dies eine öffentliche Veranstaltung ist, zu der auch die Presse geladen wurde... Darf ich Sie Dana nennen?"

"Werden Sie immer so rasch vertraulich?" neckte ich ihn.

"Es gibt Menschen, bei denen man von vorn herein das Gefühl hat, sie schon lange zu kennen", erwiderte Ashton schmunzelnd.

Der Klang seiner Stimme übte wieder jenen unverwechselbaren Zauber auf mich aus, den ich schon bei unserer ersten Begegnung empfunden hatte.

Ich war nach wie vor in ihn verliebt, auch wenn wir uns ziemlich selten sahen. Manchmal sah oder hörte ich monatelang nichts von Ashton. Er war wie ein geheimnisvolles Phantom, das plötzlich auftauchte und ebenso plötzlich auch wieder verschwand.

"Sie sagten, daß Sie Kunst sammeln, Guy - so darf ich Sie doch nennen?"

"Aber sicher!"

"Was halten Sie von John Jennings - als Künstler, meine ich. Über sein Privatleben scheinen Sie ja recht gut informiert zu sein."

"Ich habe einige Dinge von ihm in meiner Sammlung", erklärte er. "Wissen Sie, ich bin Privatmann und versuche auf diese Weise Geld, das ansonsten nur auf irgendwelchen Konten herumliegen würde, einem guten Zweck zuzuführen - der Kunst!" Ashton spielte seine Rolle perfekt.

Ich mußte ihm insgeheim ein Kompliment machen. Allerdings fragte ich mich natürlich auch, was ihn wohl in Wirklichkeit in dieses Haus geführt hatte. Irgendein Auftrag, das stand fest. Seit jemand, der Ashton sehr nahegestanden hatte, in die Fänge einer obskuren Sekte geraten war, engagierte er sich besonders in Fällen, die mit Okkultismus, Magie und ähnlichem zu tun hatten. Aber die Tatsache allein, daß John Jennings an die Macht des Übersinnlichen glaubte, war für sich genommen wohl kein hinreichender Grund für Ashton, um im Dunstkreis des Künstlers zu ermitteln.

"Ich mache eine Reportage über Jennings", erklärte ich Ashton. "Oder vielmehr: Ich versuche es. Er scheint ein sehr scheuer Mann zu sein."

"Ich weiß", nickte er. "Dennoch wünsche ich Ihnen viel Erfolg dabei. Es wäre allerdings nett, wenn Sie meine Anwesenheit hier in London nicht erwähnen, Mademoiselle. Das treibt nur die Kunstpreise in den Galerien hoch!" Ich lächelte. "Darauf werde ich natürlich Rücksicht nehmen!"

"Wenn Sie mich jetzt entschuldigen! Wir werden sicher noch das Vergnügen haben..."

"Ich hoffe doch, Guy!"

*

Wenig später war Ashton verschwunden und ich war wieder allein zwischen den Party-Gästen. Am kalten Buffet hatte ich ein kurzes, etwas angestrengtes Gespräch mit Brent Erikson, dem Manager.

Er schien an diesem Abend mit mir nichts anfangen zu können und ich fühlte mich in seiner Gegenwart aus irgend einem Grund nicht wohl. Das Lächeln, das auf seinem Gesicht stand, erschien mir falsch.

Und dann sah ich John Jennings. Mit seinem melancholischen Gesichtsausdruck hatte er dem Gespräch zweier Kritiker gelauscht, doch jetzt war seine Aufmerksamkeit bei mir. Er rollte auf mich zu.

"Ich freue mich, daß Sie gekommen sind, Miss McGraw."

"Ein Fest in diesem Stil - wie paßt das zu einem Künstler, der in den letzten Jahren so zurückgezogen gelebt hat?" fragte ich.

John musterte mich einen Augenblick lang. Seine Augenbrauen bildeten dabei eine eigentümliche Schlangenlinie. "Jede Medaille hat ihre zwei Seiten", erklärte er dann.

"Da haben Sie sicher recht, John!"

Vielleicht war es eine Ahnung, die mich zur Seite blicken ließ. Jedenfalls hatte ich mich in den letzten Sekunden beobachtet gefühlt. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich Erikson, der mich durch eine Gruppe scherzender Party-Gäste hindurch anstarrte.

Neben ihm stand Elizabeth Norman, die auf den Manager einzureden schien. Allerdings konnte ich nichts verstehen, nicht einmal Bruchstücke.

"Erzählen Sie mir von Ihrer Großtante, Dana!" forderte mich Jennings auf.

"Nun, was wollen Sie wissen?"

"Hat Sie jemals magische Rituale praktiziert?" Ich zuckte die Schultern. "Das nehme ich nicht an. Sie hat sich nur sehr stark für alles interessiert, was damit zusammenhängt."

"Sie müssen mir versprechen, daß sie sie mir eines Tages vorstellen, Dana."

Unser Gespräch plätscherte dahin und ich gewann den Eindruck, daß er um etwas herumredete, von dem er nicht so recht wußte, wie er es mir sagen sollte.

"Sie haben mich nach meiner gegenwärtigen Arbeit gefragt...", begann er schließlich. "Ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluß gelangt, daß ich Sie Ihnen zeigen möchte."

Ich war etwas verwirrt.

"Bedeutet das, daß Sie mir Ihr Atelier zeigen, John?"

"Ja. Gleich jetzt. Kommen Sie!"

"Aber mein Fotograf ist jetzt nicht hier und ich habe nicht einmal einen Notizblock dabei, um..."

"Um so besser!" versetzte Jennings. "Und Fotos kämen ohnehin nicht in Frage. Sie sind als Privatperson hier, nicht als Journalistin. Und als solche werde ich Ihnen mein Atelier zeigen..."

So verwirrend diese Wandlung in Jennings' Ansicht in dieser Sache war, ich beschloß, die Gelegenheit einfach beim Schopf zu packen. Es interessierte mich brennend, woran der Künstler derzeit arbeitete.

Aber da war auch ein Unbehagen in mir, für das es keinen logischen Grund zu geben schien.

"Folgen Sie mir!" sagte Jennings mit einer Bestimmtheit, die so gar nicht zu diesen eher weichen, melancholischen Zügen zu passen schien.

*

Der Fluch der Steine

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