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Insektenfresser (Kerfjäger)  Maulwurf

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Der Maulwurf oder Mull (Talpa europaea), das Urbild der Familie und einer auf Europa und Asien beschränkten Sippe, läßt sich, nach den vorstehend gegebenen Merkmalen der Familie, mit wenigen Worten beschreiben. Die Leibeslänge beträgt, einschließlich des 2,5 Centim. langen Schwanzes, 15, höchstens 17 Centim., die Höhe am Widerrist ungefähr 5 Centim. Das Gebiß besteht aus 44 Zähnen und zwar im Oberkiefer sechs, im Unterkiefer acht einfachen unter sich nicht wesentlich verschiedenen, einwurzeligen Vorderzähnen, großen, zweiwurzeligen Eckzähnen und oben sieben, unten sechs Bakkenzähnen jederseits, von denen die ersten drei und beziehentlich zwei klein und einwurzelig, daher als Lückzähne anzusprechen, die darauf folgenden vier aber mehrwurzelig, theilweise auch mehrspitzig, also Mahlzähne sind. Von der Leibeswalze stehen die sehr kurzen Beine ziemlich wagerecht ab; die sehr breite, handförmige Pfote kehrt die Fläche, welche bei anderen Thieren die innere ist, immer nach au Maulwurf ßen und rückwärts. Unter den kurzen, durch breite, stark abgeplattete und stumpfschneidige Krallen bewehrten Zehen ist die mittelste am längsten, die äußeren aber verkürzen sich allmählich und sind fast vollständig mit einander durch Spannhäute verbunden, ja beinahe verwachsen. An den kleinen und kurzen Hinterfüßen sind die Zehen und die Krallen spitzig und schwach. Die Augen haben etwa die Größe eines Mohnkornes, liegen in der Mitte zwischen der Rüsselspitze und den Ohren und sind vollkommen von den Kopfhaaren überdeckt, besitzen aber Lider und können willkürlich hervorgedrückt und zurückgezogen, also benutzt werden. Die kleinen Ohren haben keine äußeren Ohrmuscheln, sondern werden außen bloß von einem kurzen Hautrande umgeben, welcher ebenfalls unter den Haaren verborgen liegt und zur Oeffnung und Schließung des Gehörganges dient. Die gleichmäßig schwarze Behaarung ist überall sehr dicht, kurz und weich, sammetartig; auch die glänzenden Schnurren und Augenborsten zeichnen sich durch Kürze und Feinheit aus. Mit Ausnahme der Pfoten, der Sohlen, der Rüsselspitze und des Schwanzendes bedeckt der Pelz den ganzen Körper. Sein bald mehr ins Bräunliche, bald mehr ins Bläuliche oder selbst ins Weißliche schillernder Glanz ist ziemlich lebhaft. Die nackten Theile sind fleischfarbig, die Augen schwarz wie kleine einfarbige Glasperlen, denn man kann an ihnen den Stern von der Regenbogenhaut nicht unterscheiden. Das Weibchen ist schlanker gebaut als das Männchen, und junge Thiere sind etwas mehr graulich gefärbt. Dies sind die einzigen Unterschiede, welche zwischen den Geschlechtern und Altern bestehen. Es gibt aber auch Abarten, bei denen die aschgraue Färbung des Jugendkleides eine bleibende ist, oder welche am Bauche auf der aschgrauen Grundfarbe breite, graugelbe Längsstreifen zeigen, auch solche, welche mit weißen Flecken auf schwarzem Grunde gezeichnet sind. Aeußerst selten findet man gelbe und weiße Maulwürfe.

Von seinem Aufenthalte gibt er selbst sehr bald die sicherste Kunde, da er beständig neue Hügel aufwerfen muß, um leben zu können. Diese Hügel bezeichnen immer die Richtung und Ausdehnung seines jedesmaligen Jagdgrundes. Bei seiner außerordentlichen Gefräßigkeit muß er diesen fortwährend vergrößern und daher auch beständig an dem Ausbaue seines unterirdischen Gebietes arbeiten. Ohne Unterlaß gräbt er wagerechte Gänge in geringer Tiefe unter der Oberfläche und wirft, um den losgescharrten Boden zu entfernen, die bekannten Hügel auf. »Unter allen einheimischen, unterirdischen Thieren«, schildert Blasius, »bereitet sich der gemeine Maulwurf am mühsamsten seine kunstreichen Wohnungen und Gänge. Er hat nicht allein für die Befriedigung seiner lebhaften Freßlust, sondern auch für die Einrichtung seiner Wohnung und Gänge, für Sicherheit gegen Gefahr mancherlei Art zu sorgen. Am kunstreichsten und sorgsamsten ist die eigentliche Wohnung, sein Lager, eingerichtet. Gewöhnlich befindet es sich an einer Stelle, welche von außen schwer zugänglich ist, unter Baumwurzeln, unter Mauern und dergleichen und meist weit entfernt von dem täglichen Jagdgebiete. Mit letzterem, in welchem die täglich sich vermehrenden Nahrungsröhren mannigfaltig sich verzweigen und kreuzen, ist die Wohnung durch eine lange, meist ziemlich gerade Laufröhre verbunden. Außer diesen Röhren werden noch eigenthümliche Gänge in der Fortpflanzungszeit angelegt. Die eigentliche Behausung zeichnet sich an der Oberfläche meist durch einen gewölbten Erdhaufen von auffallender Größe aus. Sie besteht im Innern aus einer rundlichen, reichlich acht Centim. weiten Kammer, welche zum Lagerplatze dient, und aus zwei kreisförmigen Gängen, von denen der größere, in gleicher Höhe mit der Kammer, dieselbe ringsum in einer Entfernung von ungefähr 16 bis 25 Centim. einschließt, und der kleinere, etwas oberhalb der Kammer, mit dem größeren ziemlich gleichartig verläuft. Aus der Kammer gehen gewöhnlich drei Röhren schräg nach oben in die kleinere Kreisröhre und aus dieser, ohne Ausnahme abwechselnd mit den vorhergehenden Verbindungsröhren, fünf bis sechs Röhren schräg abwärts in die größere Kreisröhre; von letzterer aus strecken sich strahlenförmige und ziemlich wagerechte nach außen, und ebenfalls wieder abwechselnd mit den zuletzt genannten Verbindungsröhren etwa acht bis zehn einfache oder verzweigte Gänge nach allen Richtungen hin, die aber in einiger Entfernung meist bogenförmig nach der gemeinsamen Laufröhre umbiegen. Auch aus der Kammer abwärts führt eine Sicherheitsröhre in einem wieder ansteigenden Bogen in diese Laufröhre. Die Wände der Kammer und der zu der Wohnung gehörigen Röhren sind sehr dicht, fest zusammengestampft und glatt gedrückt. Die Kammer selbst ist zum Lager ausgepolstert mit weichen Blättern von Gräsern, meist jungen Getreidepflänzchen, Laub, Moos, Stroh, Mist oder zarten Wurzeln, welche der Maulwurf größtentheils von der Oberfläche der Erde herbeiführt. Kommt ihm Gefahr von oben, so schiebt er das weiche Lagerpolster zur Seite und fällt nach unten, sieht er sich von unten oder von der Seite bedroht, so bleiben ihm die Verbindungsröhren zu der kleineren Kreisröhre theilweise offen. Die Wohnung bietet ihm zu Schlaf und Ruhe unter allen Umständen Sicherheit dar und ist deshalb auch sein gewöhnlicher Aufenthalt, wenn er nicht auf Nahrung ausgeht.«

Das Innere der Baue steht nie unmittelbar mit der äußeren Luft in Verbindung; doch dringt diese zwischen den Schollen der aufgeworfenen Haufen in hinreichender Menge ein, um dem Thiere den nöthigen Sauerstoff zuzuführen. Außer der Luft zur Athmung bedarf der Maulwurf aber auch Wasser zum Trinken, und deshalb errichtet er sich stets besondere Gänge, welche zu nahen Pfützen oder Bächen führen, oder gräbt, wo solche ihm mangeln, besondere Schächte, worin sich dann Regenwasser sammelt. Ein alter Maulwurfsfänger hat häufig an der untersten Stelle tiefer Röhren ein senkrechtes Loch gefunden, welches den Brunnen bildet, aus dem der Maulwurf trinkt. »Manche dieser Löcher«, beschreibt er, »sind von beträchtlicher Größe. Sie waren oft anscheinlich trocken; allein wenn ich ein wenig Erde hineinwarf, überzeugte ich mich, daß sie Wasser enthielten. In diesen Röhren kann der Maulwurf sicher hinab? und heraufrutschen. Bei nassem Wetter sind alle seine Brunnen bis an den Rand gefüllt und ebenso in manchen Arten von Boden auch bei trockner Witterung. Wie sehr der Maulwurf des Wassers benöthigt ist, ergibt sich übrigens aus dem Umstande, daß man bei anhaltender Trockenheit in einer Röhre, welche nach dem Loche oder Wasserbehälter führt, ihrer sehr viele fangen kann.«

Das Graben selbst wird dem Maulwurf sehr leicht. Mit Hülfe seiner starken Nackenmuskeln und der gewaltigen Schaufelhände, mit denen er sich an einem bestimmten Orte festhält, bohrt er die Schnauze in den lockeren Boden ein, zerscharrt um sich herum die Erdschollen mit den Vorderpfoten und wirft sie mit außerordentlicher Schnelligkeit hinter sich. Durch die Schließfähigkeit seiner Ohren ist er vor dem Eindringen von Sand und Erde in dieselben vollkommen geschützt. Die aufgescharrte Erde läßt er in seinem eben gemachten Gange so lange hinter sich liegen, bis die Menge ihm unbequem wird. Dann versucht er an die Oberfläche zu kommen und wirft die Erde nach und nach mit der Schnauze heraus. Dabei ist er fast immer mit einer 12 bis 15 Centim. hohen Schicht lockerer Erde überdeckt. In leichtem Boden gräbt er mit einer wirklich verwunderungswürdigen Schnelligkeit. Oten hat einen Maulwurf ein Vierteljahr lang in einer Kiste mit Sand gehabt und beobachtet, daß sich das Thier fast ebenso schnell, wie ein Fisch durch das Wasser gleitet, durch den Sand wühlt, die Schnauze voran, dann die Tatzen, den Sand zur Seite werfend, die Hinterfüße nachschiebend. Noch schneller bewegt sich der Maulwurf in den Laufgängen, wie man durch sehr hübsche Beobachtungen nachgewiesen hat.

Die Hauptnahrung des Maulwurfs besteht in Regenwürmern und Kerbthierlarven, welche unter der Erde leben. Namentlich der Regenwürmer halber legt er seine großen und ausgedehnten Baue an, wie man sich sehr leicht überzeugen kann, wenn man einen Pfahl in lockeres Erdreich stößt und an ihm rüttelt. Die Würmer wissen, daß sie an dem Maulwurfe einen Feind haben. Sobald sie die Bewegung verspüren, kommen sie von allen Seiten eilfertig aus der Erde hervor und versuchen, auf der Oberfläche sich zu retten, ganz offenbar, weil sie glau ben, daß die Erschütterung von einem wühlenden Maulwurfe herrührte. Außer diesen Würmern und Larven frißt dieser noch Käfer, namentlich Mai? und Mistkäfer, Maulwurfsgrillen und alle übrigen Kerbthiere, welche er erlangen kann, wie ihm auch Schnecken und Asseln besonders zu behagen scheinen. Sein ungewöhnlich feiner Geruch hilft ihm die Thiere aufspüren, und er folgt ihnen in größeren oder kleineren Tiefen, je nachdem sie selbst höher oder niedriger gehen. Aber er betreibt nicht bloß in seinen Bauen die Jagd, sondern holt sich auch ab und zu von der Oberfläche, ja wie man sagt, sogar aus dem Wasser eine Mahlzeit. Die Spitzmaus oder die Wühlmaus, der Frosch, die Eidechse oder Blindschleiche und Natter, welche sich in seinen Bau verirren, sind verloren. »Ich habe«, sagt Blasius, »mehrere Male im Freien beobachtet, daß ein Frosch von einem Maulwurfe überlistet und an den Hinterbeinen unter die Erde gezogen wurde; bei welcher unfreiwilligen Versenkung das unglückliche Opfer ein lautes, klägliches Geschrei ausstieß.« Lenz erfuhr, daß er ebenso auch mit den Schlangen verfährt.

Schon aus dem bis jetzt Mitgetheilten ist hervorgegangen, daß der Maulwurf im Verhältnis zu seiner Größe ein wahrhaft furchtbares Raubthier ist. Dem entsprechen auch seine geistigen Eigenschaften. Er ist wild, außerordentlich wüthend, blutdürstig, grausam und rachsüchtig, und lebt eigentlich mit keinem einzigen Geschöpfe im Frieden, außer mit seinem Weibchen, mit diesem aber auch bloß während der Paarungszeit, und so lange die Jungen klein sind. Während des übrigen Jahres duldet er kein anderes lebendes Wesen in seiner Nähe, am allerwenigsten einen Mitbewohner in seinem Baue, ganz gleichgültig, welcher Art dieser sein möge. Falls überlegene Feinde, wie Wiesel oder Kreuzotter, seine Gänge befahren, und zwar in der Absicht, auf ihn Jagd zu machen, muß er freilich unterliegen, wenn er auf diese ungebetenen Gäste trifft; mit ihm gleich kräftigen oder schwächeren Thieren aber kämpft er auf Leben und Tod. Nicht einmal mit anderen seiner Art, seien sie nun von demselben Geschlecht wie er oder nicht, lebt er in Freundschaft. Zwei Maulwürfe, die sich außer der Paarungszeit treffen, beginnen augenblicklich einen Zweikampf miteinander, welcher in den meisten Fällen den Tod des einen, in sehr vielen anderen Fällen aber auch den Tod beider herbeiführt. Am eifersüchtigsten und wüthendsten kämpfen erklärlicherweise zwei Maulwürfe desselben Geschlechts miteinander, und der Ausgang solcher Gefechte ist dann auch sehr zweifelhaft. Der eine unterliegt, verendet und wird von dem anderen sofort aufgefressen. So ist es sehr begreiflich, daß jeder Maulwurf für sich allein einen Bau bewohnt und sich hier auf eigne Faust beschäftigt und vergnügt, entweder mit Graben und Fressen oder mit Schlafen und Ausruhen. Fast alle Landleute, welche ihre Betrachtungen über das Thier angestellt haben, sind darin einig, daß der Maulwurf drei Stunden »wie ein Pferd« arbeite und dann drei Stunden schlafe, hierauf wieder dieselbe Zeit zur Jagd verwende und die nächstfolgenden drei Stunden wieder dem Schlafe widmen.

Ein anderes Leben beginnt um die Paarungszeit. Jetzt verlassen die liebesbedürftigen Männchen und Weibchen zur Nachtzeit häufig ihren Bau und streifen über der Erde umher, um andere Maulwurfspaläste aufzusuchen und hier Besuche abzustatten. Es ist erwiesen, daß es weit mehr Männchen als Weibchen gibt, und daher treffen denn auch gewöhnlich ein Paar verliebte Männchen eher zusammen als ein Maulwurf mit einer Maulwürfin. So oft dies geschieht, entspinnt sich ein wüthender Kampf und zwar ebensowohl über als unter der Erde oder hier und dort nacheinander, bis schließlich der eine sich für besiegt ansieht und zu entfliehen versucht. Endlich, vielleicht nach mancherlei Kampf und Streit, findet der männliche Maulwurf ein Weibchen auf und versucht nun, es mit Gewalt oder Güte an sich zu fesseln. Er bezieht also mit seiner Schönen entweder seinen oder ihren Bau und legt hier Röhren an, welche den gewöhnlichen Jagdröhren ähneln, aber zu einem ganz anderen Zwecke bestimmt sind, nämlich um das Weibchen darin einzusperren, wenn sich ein anderer Bewerber für dasselbe findet. Sobald er seine liebe Hälfte derartig in Sicherheit gebracht hat, kehrt er sofort zu dem etwaigen Gegner zurück. Beide erweitern die Röhren, in denen sie sich getroffen haben, zu einem Kampfplatze, und nun wird auf Tod und Leben gefochten. Das eingesperrte Weibchen hat inzwischen sich zu befreien gesucht und, neue Röhren grabend, weiter und weiter entfernt; der Sieger, sei es jetzt der erste oder zweite Bewerber, eilt ihm jedoch nach und bringt es wieder zurück, und nach mancherlei Kämpfen gewöhnen sich die beiden mürrischen Einsiedler auch wirklich aneinander. Jetzt graben sie gemeinschaftlich Sicherheits? und Nahrungsröhren aus, und das Weibchen legt ein Nest für ihre Jungen an, in der Regel da, wo drei oder mehr Gänge in einem Punkte zusammenstoßen, damit bei Gefahr möglichst viele Auswege zur Flucht vorhanden sind. Das Nest ist eine einfache, dicht mit weichen, meist zerbissenen Pflanzentheilen, hauptsächlich mit Laub, Gras, Moos, Stroh, Mist und anderen derartigen Stoffen ausgefütterte Kammer und liegt gewöhnlich in ziemlich weiter Entfernung von dem früher geschilderten Kessel, mit dem es durch die Laufröhre verbunden ist. Nach etwa vierwöchentlicher Tragzeit wirft das Weibchen in dieses Nest drei bis fünf blinde Junge, welche zu den unbehülflichsten von allen Säugern gerechnet werden müssen. Sie sind anfangs nackt und blind und etwa so groß wie eine derbe Bohne. Aber schon in der frühesten Jugend zeigen sie dieselbe Unersättlichkeit wie ihre Eltern und wachsen deshalb sehr schnell heran. Die Mutter gibt die größte Sorgfalt für die Erhaltung ihrer Kinderschar kund und scheut keine Gefahr, wenn es deren Rettung gilt. Wird sie zufällig mit den Jungen aus dem Boden gepflügt oder gegraben, so schleppt sie dieselben im Maule in ein nahes Loch oder in einen Moos?, Mist? oder Laubhaufen u. a., und verbirgt sie hier vorläufig so eilig als möglich. Aber auch das Männchen nimmt sich, wie behauptet wird, ihrer an, trägt ihnen Regenwürmer und andere Kerbthiere zu, theilt bei Ueberflutungen redlich die Gefahr und sucht die Jungen im Maule an einen sicheren Ort zu schaffen. Nach etwa fünf Wochen haben diese ungefähr die halbe Größe der Alten erreicht, liegen jedoch immer noch im Neste und warten, bis eines von den Eltern ihnen Atzung zuträgt, welche sie dann mit unglaublicher Gier in Empfang nehmen und verspeisen. Wird ihre Mutter ihnen weggenommen, so wagen sie sich wohl auch, gepeinigt vom wüthendsten Hunger, in die Laufröhre, wahrscheinlich um nach der Pflegerin zu suchen; werden sie nicht gestört, so gehen sie endlich aus dem Neste heraus und selbst auf die Oberfläche, wo sie sich necken und miteinander balgen. Ihre ersten Versuche im Wühlen sind noch sehr unvollkommen: sie streichen ohne alle Ordnung flach unter der Oberfläche des Bodens hin, oft so dicht, daß sie kaum mit Erde bedeckt sind, und versuchen es nur selten, Haufen aufzuwerfen. Aber die Wühlerei lernt sich mit den Jahren, und im nächsten Frühjahre sind sie schon vollkommen geschult in ihrer Kunst. Ungeachtet man junge Maulwürfe vom April an bis zum August und noch länger findet, darf man doch nicht annehmen, daß das Weibchen zweimal im Jahre wirft, hat vielmehr Ursache zu vermuthen, daß die Paarungs? und demzufolge auch die Wurfzeit in verschiedene Monate fällt.

Der Maulwurf hält keinen Winterschlaf wie manche andere Kerbthierjäger, sondern ist Sommer und Winter in ewiger Bewegung. Er folgt den Regenwürmern und Kerbthieren und zieht sich mit ihnen in die Tiefe der Erde oder zur Oberfläche des Bodens empor, gerade so, wie sie steigen oder fallen. Nicht selten sieht man Maulwürfe im frischen Schnee oder in tief gefrorenem Boden ihre Haufen aufwerfen, und unter dem weichen Schnee unmittelbar über dem vereisten Boden machen sie oft große Wanderungen. Glaubwürdige Fänger haben berichtet, daß sie sich sogar Wintervorräthe anlegen sollen: eine große Menge Würmer nämlich, welche theilweise, jedoch nicht lebensgefährlich verstümmelt würden, und ebenso, daß in strengen Wintern diese Vorrathskammern reicher gespickt wären als in milden u. a. Diese Thatsache bedarf der Bestätigung, wie es überhaupt über den Maulwurf noch viel zu beobachten gibt.

Es läßt sich nicht leugnen, daß der Maulwurf durch Wegfangen der Regenwürmer, Maulwurfsgrillen, Engerlinge und anderer verderblicher Kerbthiere großen Nutzen stiftet, und er wird deshalb an allen Orten, wo man seine aufgeworfenen Haufen leicht wegschaffen kann, immer eines der wohlthätigsten Säugethiere bleiben. Allein ebenso gewiß ist, daß er in Gärten nicht geduldet werden darf, weil er hier durch das Durchwühlen der Erde, aus welcher theure Pflanzen ihre Nahrung ziehen, oder durch das Herauswerfen der letzteren den geordneten Pflanzenstaat wesentlich gefährden kann. Auf Wiesen, in Laubwäldern, in Feldfruchtstücken ist er ein Gast, welcher unbedingt geschützt werden sollte, an anderen Orten verursacht er unsäglichen Aerger und Schaden. Man kennt viele Mittel, um ihn zu vertreiben, thut aber jedenfalls am besten, wenn man letzteres einem alten, erfahrenen Maulwurfsfänger überträgt, da dieser bekanntlich auf jedem Dorfe zu finden ist, und die Kunst, ihn auszurotten, weit besser versteht, als Beschreibungen sie lehren können.

Der Maulwurf hat ebenfalls zu fabelhaften Geschichten Anlaß gegeben. Die Alten hielten ihn für stumm und blind und schrieben seinem Fette, seinem Blute, seinen Eingeweiden, ja selbst dem Felle wunderbare Heilkräfte zu. Heutigen Tages noch besteht an vielen Orten der Aberglaube, daß man von dem Wechselfieber geheilt werde, wenn man einen Maulwurf auf der flachen Hand sterben lasse, und manche alte Weiber sind fest überzeugt, daß sie Krankheiten durch bloßes Auflegen der Hand heilen könnten, wenn sie diese vorher durch einen auf ihr sterbenden Maulwurf geheiligt hätten.

Ich finde es sehr erklärlich, daß ein Thier, welches in seinem Leben so wenig bekannt ist, dem gewöhnlichen Menschen als wunderbar oder selbst heilig erscheinen muß: denn eben da, wo das Verständnis aufhört, fängt das Wunder an.

Brehm’s Thierleben: Die Säugethiere 1

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