Читать книгу Blutregen - Amy Blankenship, Amy Blankenship - Страница 5
Kapitel 4
ОглавлениеAngelica schlüpfte durch die Tür ihres Schlafzimmers und schloss sie schnell hinter sich. Nachdem sie den Schlüssel im Schloss umgedreht hatte, lehnte sie ihre Stirn gegen das dicke Holz und wünschte sich, dass die Tür aus etwas Stärkerem gemacht wäre… Titan vielleicht.
Mit einem schweren Seufzen runzelte sie die Stirn und trat von der Tür weg, starrte das Schloss an, als wäre es ihre einzige Hoffnung. Irgendwie war es das auch. Dieses kleine Schloss war das einzige zwischen ihr und dem Verlangen Syn jetzt zu sehen, jetzt, wo er nicht hier war und sie beobachtete… sie auf Schritt und Tritt verfolgte.
Sie hob ihre Hand und rieb mit wütenden, kreisenden Bewegungen ihre rechte Schläfe, während sie versuchte, die Tatsache zu verdauen, dass sie gerade von dem Mann… oder was auch immer er war, weggelaufen war, nur um ihn jetzt so sehr zu vermissen, dass ihre Brust tatsächlich schmerzte.
„Ich brauche niemanden“, erinnerte Angelica sich selbst, aber ihre Finger hielten an ihrer Schläfe inne. Sie senkte schnell ihre Hand, schmeckte die Lüge in ihren Worten. Nachdem sie Entzugserscheinungen hatte, konnte sie ihn wohl auch als das bezeichnen, was er war… eine Sucht.
Langsam entfernte sie sich von der Tür, schloss ihre Augen und erlaubte es ihren Gedanken, tiefer zu gehen. Es brauchte kein Genie, um zu erkennen, dass Syn ihren Kopf durcheinander brachte, und, um Gottes Willen, sie begann sich selbst zu hinterfragen. Es war eine gefährliche Grenze, denn wenn sie es wagte, sie zu überschreiten… dann gab es kein Zurück mehr.
Sie sollten nicht zusammenarbeiten… wieso hatte Storm das nicht vorausgesehen? Alles, was Syn da unten in den Tunneln gemacht hatte, war, sie zum Narren zu halten. Es war auch nicht so, als bräuchte er überhaupt einen Partner, wenn er doch einfach nur eine verdammte Absperrung um die Ausgänge errichten musste, und die Arbeit war erledigt.
Die Erinnerung kam wieder zurück wie ein lebhafter Albtraum. Unten in den Tunneln unter dem Museum… hatte sie ein intensives Gefühl von Klaustrophobie erlebt, als die Decke des Tunnels plötzlich gebebt hatte und zerbrochen war. Es war ein sehr furchteinflößendes Gefühl, zu erkennen, dass man in seinem eigenen Grab stand.
Gerade als die großen Felsbrocken begonnen hatten, abzubrechen und um sie zu Boden zu fallen, hatte sie eine Menge Dämonen gesehen, die über die versteckte Treppe nach unten gerannt waren, um in die Tunnel zu entkommen… und sie war direkt in ihrem Fluchtweg gestanden. Eine Welle aus Schutt, die ihnen auf den Fersen gewesen war, hatte die Dämonen aufgefressen, die nicht schnell genug gerannt waren, um ihr zu entkommen.
Sie war vor Angst wie angewurzelt dagestanden, als Arme sich plötzlich um sie geschlossen hatten und die Treppe verblasst war, bis sie ganz verschwunden war. Angelica zitterte wieder und schlang ihre Arme um sich selbst, als sie sich an das Gefühl erinnerte, wie der Tunnel um sie eingebrochen war, aber was sie schlussendlich zerstört hatte, war das, was danach geschehen war.
Als ihre Welt sich wieder stabilisiert hatte, war sie auf dem Dach eines Gebäudes gestanden, anstatt darunter. Nachdem sie immer noch ein leichtes Vibrieren unter ihren Füßen gefühlt hatte, hatte sie ihren Kopf gerade rechtzeitig gedreht, um zusehen zu können, wie das Museum einstürzte… in die Tunnel, in denen sie eben noch gestanden hatte.
Langsam hatte sie ihren Blick wieder auf die warme Brust gerichtet, an die sie gedrückt worden war, und dabei erkannt, dass ihre Hände sich in seinem Hemd zu Fäusten geballt hatten, was die Tatsache bewies, dass sie Angst gehabt hatte, und ihn brauchte. In diesem Moment hatte sie sich nur noch in seinen starken Armen verstecken wollen… wo nichts sie verletzen konnte.
Dann hatte sie den Fehler gemacht, zu dem schönen Mann hochzusehen, an den sie sich geklammert hatte. Die Enden seines dunklen Haares hoben sich in dem Wind, den der Einsturz des Gebäudes verursacht hatte, aber er schien völlig ruhig zu sein… oder zumindest hatte sie das gedacht, bis ihr Blick seine violetten Augen traf, die auf sie hinunterstarrten, voller Hitze und ungezähmter Macht.
Der Anblick hatte sie an das erste Mal erinnert, wo sie sein gespenstisch schönes Gesicht gesehen hatte… in der Höhle in jener Nacht, wo das Symbol auf ihrer Handfläche erschienen war.
Ihr Atem ging schneller, als ihr Blick sich auf seine sinnlichen Lippen senkte. Die Erkenntnis, dass sie ihn wollte, hatte sie dazu bewogen, einen Schritt zurückzugehen. In dem Moment, als sie seine Arme verlassen hatte, senkte Syn sie… seine Augen wurden sofort dunkel und nachdenklich… ein wenig gefährlich, sodass sie ein Schaudern unterdrücken hatte müssen.
Angelica ließ die Erinnerungen los und hob ihre Handfläche, sah, dass sich seit ihrem ersten Treffen nichts geändert hatte… das Symbol war noch immer da, bis ins kleinste Detail. Es war jetzt schon eine ganze Weile da. Innerlich zog sie den Kopf ein, als ihr dämmerte, dass sie sich nie wirklich bemüht hatte, es zu entfernen.
Syn hatte ihr gesagt, dass er es ihr zu ihrem Schutz gegeben hatte, und aus irgendeinem merkwürdigen Grund hatte sie ihm geglaubt. Wann hatte sie begonnen, ihm so bedingungslos zu vertrauen?
Früher hätte sie jede Bewegung, jede Absicht einer Kreatur, die so mächtig war wie Syn, hinterfragt. Aber in den letzten Wochen hatte ihre argwöhnische Natur sich zurückgelehnt, während die Neugier und Hitze, die Syn in ihr entfachten, ihr Tun kontrollierten.
TEP-Mitglieder beschrieben sie normalerweise als Einzelgängerin, die kein Interesse daran hatte, Freunde zu finden. Sie hatte immer gewollt, dass alle sie so sahen… damit sie Abstand halten wollen würden. Seit Syn in ihrem Leben aufgetaucht war, fühlte sie sich verletzlich. Sie war wie besessen von ihm, ebenso, wie er von ihr besessen zu sein schien und sie wollte, dass das aufhörte… oder nicht? Der Schmerz in ihrer Brust schien sich bei diesem Gedanken noch auszuweiten.
„Willkommen im Land der Verwirrung… Hausnummer 1“, erklärte sie der Stille im Raum, dann verzog sie das Gesicht darüber, wie erbärmlich sie klang. Sie war doch viel stärker.
Angelica senkte ihren bösen Blick wieder auf die Markierung in ihrer Handfläche und fragte sich, ob sie die Ursache für die merkwürdigen Gefühle war, die sie für ihn empfand… so wie die Gedankenkontrolle eines Vampirs funktionierte. Schließlich… war Syn der Vorfahre der Vampire, nicht wahr? Sie durfte diese kleine, gefährliche Tatsache nicht einfach vergessen. Er hatte schon zugegeben, dass ihm der Krieg gegen die Dämonen völlig gleichgültig war… also wieso war er hier und lenkte sie ab? Wieso half er nur ihr?
„Das hat alles mit dir angefangen“, beschuldigte sie das Symbol.
Sie hob ihre andere Hand und hielt sie über die verschlungenen Linien auf ihrer Handfläche, wollte diese ebenso behandeln, wie sie es mit jeder anderen Dämonenmarkierung getan hatte, die sie in der Vergangenheit von Opfern entfernt hatte.
Die Spitze ihres Zeigefingers strich ganz leicht über das Muster, suchte nach dem geringsten Anzeichen für Bösartigkeit, gegen die sie arbeiten konnte. Schwache Falten entstanden auf ihrer Stirn, als sie keine bösen Absichten in den Linien finden konnte. Dann konzentrierte sie sich stärker auf das komplexe Symbol und biss sich auf ihre Unterlippe, als sie begann, dem Pfad zu folgen, bis sie schließlich gegen eine sehr mächtige Mauer stieß.
Angelicas Lippen öffneten sich und sie atmete scharf ein, als die Gefühle plötzlich über sie hereinstürzten. Sie fühlte sich einen Moment lang fast schwindelig, ehe sie ein starkes Ziehen aus der Barriere spürte, in dem Moment als ihre Mächte sie trafen. Diese Aktion überraschte sie so sehr, dass sie panisch wurde und ihre Macht zurückholte, woraufhin sie fühlte, wie die Magie des Symbols nach ihr griff und an ihrer Haut leckte, ehe sie wieder dorthin verschwand, wo auch immer sie hergekommen war.
Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geschworen, dass die verdammte Markierung sie gerade gekostet hatte.
Syn erschien lautlos hinter Angelica, denn er hatte gefühlt, wie sie sich an der Verbindung zu schaffen gemacht hatte, die es ihr erlaubte, seine Macht zu nutzen, um sich schützen zu können. Er hatte sie für ein paar Stunden alleine lassen wollen, um seine Ruhe wiederzufinden, nachdem er ihre Abweisung schon wieder ertragen hatte müssen. Doch indem sie mit dem Symbol auf ihrer Hand spielte, hatte sie ihn unwissentlich hergeholt, um zuzusehen, wie sie erfolglos versuchte, ihre Verbindung zu durchbrechen.
Seine Wut trat dadurch wieder an die Oberfläche… wollte sie ihn so dringend loswerden, nur damit sie aufhören konnte, sich selbst zu belügen? Nachdem er Jahrtausende gesucht und sie endlich wiedergefunden hatte, würde er nicht zulassen, dass sie auch nur die kleinste Verbindung verletzte, die er mit ihr wiederaufbauen hatte können.
„Feigling“, schimpfte Angelica sich selbst über ihre Reaktion und öffnete ihre Faust, um es noch einmal zu probieren. Sie atmete scharf ein, als die Linien sofort mit einem neuerlichen Machtschub zu leuchten begannen.
„Wieso versuchst du nicht, deinen Frust an dem abzureagieren, der ihn erzeugt hat?“, fragte Syn direkt hinter ihr.
Angelica zuckte zusammen, weil er so nahe war, und wirbelte herum, um ihren Stalker mit einem bösen Blick aufzuspießen. Es war schwierig, seinen Blick festzuhalten, denn er schien viel wütender zu sein als sie.
Ehe sie seine Absicht erkennen konnte, hatte er einen Arm um ihre Taille gelegt und zog sie an seinen starken Körper. Ebenso schnell drückte sie ihre Hand gegen seine Brust, um zumindest ein klein Bisschen Abstand von ihm zu wahren. Ernsthaft, wenn er versuchte, sie verrückt zu machen, dann war er auf dem richtigen Weg.
„Du hast recht, ich sollte es an dir auslassen“, sagte sie betont und drückte sich von ihm weg, war überrascht, dass er sie so einfach gehen ließ, dass sie fast ihr Gleichgewicht verlor. Sie knirschte mit den Zähnen, versuchte, die merkwürdige Enttäuschung zu ignorieren, die sie fühlte, weil er sie so schnell losgelassen hatte.
Sie schloss ihre Hand um die Markierung und sagte das erste, was ihr einfiel: „Was, zur Hölle, hast du mit mir gemacht?“
„Mache ich dir Angst?“, fragte Syn, lehnte sich an ihren Bettpfosten und verschränkte seine Arme vor seiner Brust.
Angelica war auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen und sie zog ihre Augenbrauen zusammen, als er seine Arme verschränkte, ehe sie ihren Blick zu seinen leuchtend violetten Augen hob. Sie wollte schwören, dass sie vor Wut leuchteten, aber er schien völlig ruhig zu sein.
„Ich habe keine Angst vor dir“, erklärte sie großspurig, dann machte sie schnell einen Schritt zurück, als er sich von dem Bettpfosten abstieß und auf sie zukam.
„Ich habe nichts gemacht, um dich zu verletzen“, verteidigte Syn sich, wobei er ein Knurren kaum unterdrücken konnte, denn er wusste, sie hatten dieses Spiel schon früher gespielt. Sie hatte schon in der Vergangenheit gegen ihn gekämpft, hatte ihn fast verrückt gemacht, und er hatte keine Lust darauf, zu warten, bis die Geschichte sich wiederholte. Er fühlte einen Stich im Herzen, als er sich daran erinnerte, wie jene Geschichte geendet hatte. „Du bist der einzige Grund, weshalb ich hier bin.“
Angelica schüttelte ihren Kopf, wollte nicht die Verantwortung tragen, jemandes Grund für irgendetwas zu sein. Sie hatte so viele Mauern um sich aufgebaut, dass der einzige, der jemals eine Chance gehabt hatte, zu ihr vorzudringen, Zachary gewesen war. Genau genommen war es sein anderes Ich, Zach, gewesen, der gnadenlos durch diese Mauern gestürmt war. Einen Moment lang fühlte sie sich bei dem Gedanken traurig, denn sie vermisste seine Freundschaft und seine unerwünschten Ratschläge.
Syns Augen wurden schmal, als er hörte, wie sie der Nähe nachtrauerte, die sie mit dem Phönix geteilt hatte. Es war schade, dass sie die Tatsache vergessen hatte, dass er, Syn, ein sehr besitzergreifender Mann war, der sie noch nie mit anderen teilen hatte wollen. Er hatte schon früher Morde begangen, um sie zu behalten, und er würde es jederzeit ohne zu zögern wieder tun.
Er zog die Zügel um seine Macht enger, als sie versuchte, bei der Erinnerung aufzuflammen, und Syn erkannte, dass er an seine Grenzen stieß. Wie hatte sie es geschafft, ihn so schnell auf diesen ungeduldigen Zustand zu reduzieren?
„Du bist nicht wegen mir hierher gekommen.“ Angelica runzelte die Stirn, als sie das aussprach, was ihr offensichtlich erschien. „Du bist wegen deiner Jungs gekommen, wobei ich bemerken darf, dass sie genau so alt aussehen, wie du… eher wie deine Brüder, nicht deine Kinder. Und jetzt bleibst du hier, um Storm zu helfen, gegen die Dämonen zu kämpfen.“ Ihre Stimme versagte, als ihr Rücken die Wand im selben Moment traf, wie seine beiden Handflächen an ihren beiden Seiten dort auftrafen… sodass sie an der gestrichenen Felswand des Schlosses eingeschlossen war.
„Meine Partnerin ist diejenige, die Storm hilft… nicht ich“, knurrte Syn barsch. „Ich bin nur hier, um zu verhindern, dass sie sich wieder umbringen lässt!“
„Ich wurde noch nie umgebracht“, entgegnete Angelica scharf, dann zuckte sie, als die Wand unter seinen Handflächen knackte und dünne Linien durch den Fels neben ihrem Kopf und ihren Schultern liefen.
„Hör auf“, flüsterte sie kaum hörbar.
Etwas war eindeutig nicht in Ordnung mit ihm, aber anstatt ihr Angst zu machen… brach es ihr plötzlich das Herz. Sie atmete langsamer, wollte im Augenblick besser vorsichtig sein, denn sie fühlte, dass, wenn sie es nicht war, der mächtige Mann vor ihr zerbrechen würde, und das wäre der Beginn ihrer tiefsten Angst.
„Ich werde dich festhalten, bis ich mich wieder beruhigt habe“, warnte Syn sie einen Moment bevor er sich nach vorne beugte und sie an sich zog.
Als Angelica ihn gewähren ließ, fühlte Syn, wie ein Teil der überwältigenden Trauer seine angespannten Schultern verließ. Sie erinnerte sich zwar nicht an ihren Tod, aber für ihn war es eine Erinnerung, die er tief in sich selbst begraben halten wollte… um seinen Verstand zu bewahren. Sie noch immer in seinen Armen, senkte er sich auf seine Knie und zog sie mit sich. Er ließ eine zitternde Hand über ihren Rücken hoch in ihr seidiges, schwarzes Haar kriechen, um ihre Wange an seinen Hals zu drücken und seine Lippen auf ihren Scheitel zu legen.
Angelica blinzelte, als sie seinen Körper zittern fühlte und seinen schweren Atem in ihrem Ohr hörte. Es war, als kämpfte er gegen etwas, das sie nicht sehen konnte. Nachdem sie dies als Grund dafür nutzen konnte, im Moment einmal nachzugeben, entspannte sie sich langsam an ihm und ließ ihn sie festhalten. Sie war überrascht, wie warm und beschützt sie sich in seinen Armen fühlte. Er war so groß und so stark, doch sie fühlte auch seine Zurückhaltung, als er sie hielt.
Als sie den Mut gesammelt hatte, ihre Neugierde zu befriedigen, sprach sie mit leiser, ruhiger Stimme: „Ich verstehe nicht, was ich getan habe, um deine Aufmerksamkeit zu gewinnen.“
„Nein… das kannst du auch nicht verstehen“, bestätigte Syn und küsste sanft ihr dunkles Haar, ehe er seine Wange daran schmiegte.
Ein Teil von ihm wollte sie nicht an ihre schwierige Vergangenheit erinnern… wollte den Hass für das, was er getan hatte, in ihren Augen nicht sehen. Nicht, wenn er doch nicht die Absicht hatte, sie um Vergebung zu bitten. Sie hatten es verdient zu sterben… alle.
„Du bist nicht sehr hilfreich“, wies Angelica ihn hin, die sich langsam sehr müde fühlte, nach all den Adrenalinschüben der letzten Stunden.
Sie hatte nicht gelogen… sie hatte keine Angst vor ihm… nicht wirklich. Sie hatte zugesehen, wie er sich selbst fast getötet hatte, um einen Raum voller ermordeter Kinder wieder zum Leben zu erwecken. Wie konnte sie jemals Angst vor ihm haben, wenn sie sich doch kaum davon abhalten konnte, sich an ihn zu binden? Sie würde einen Weg finden müssen, sich permanent von ihm zu entfernen.
„Du bist grausam zu mir, Angelica“, flüsterte Syn, der ihre tiefsten Gedanken gehört hatte. „Wenn du deine Seele weiterhin wegsperren möchtest… wirst du herausfinden, wie grausam ich wegen dir geworden bin.“
Ihre Furcht erwachte bei diesen Worten und Angelica versuchte erfolglos, sich aus seinen Armen zu befreien. Wollte er ihre Seele nehmen, so wie die so vieler Menschen? War das der wirkliche Grund, weshalb er sie immer verfolgte?
„Meine Seele gehört nicht dir und das wird sie auch nie“, beharrte sie, als ihr Fluchtinstinkt sie dazu brachte, ihren Kampf um ihre Freiheit zu verstärken.
„Tut sie nicht?“, knurrte Syn, der fühlte, wie sein Verstand wackelte. „Soll ich noch eine weitere Welt zerstören, um es dir zu beweisen?“
Angelicas Augen weiteten sich und sie hielt still. Was meinte er damit, eine weitere Welt zerstören? Schnell beschloss sie, nicht zu fragen, denn ernsthaft… wer würde das schon wissen wollen? Sie fühlte ihre Angst immer noch an ihr kleben, nachdem sie die verstörenden Fragen in die dunkelsten Winkel ihres Gehirns verbannt hatte.
Er konnte fühlen, wie ihr Atem schneller ging, über seinen Nacken strich, und obwohl es ein beruhigendes Gefühl war, erhitzte es sein Blut, was im Moment nicht gut für seine Selbstkontrolle war. Diese Welt hatte ihn schon lange genug auf Abstand gehalten. Syn hielt sie fester und krümmte seinen Körper schützend um sie, als die kleinen Glühbirnen des hübschen Armleuchters in der Mitte des Zimmers explodierten und Funken in alle Richtungen sprühten, ehe es dunkel wurde.
Angelica wollte zur Decke hochsehen, aber Syn ließ sie ihren Kopf nicht heben, also blieb sie in seinen Armen und fragte sich, was sie tun sollte. Der Morgen dämmerte schon, sodass der Raum in dunkle Schatten getaucht war, aber nicht völlig dunkel.
„Kämpfen wir?“, fragte sie flüsternd. Denn wenn es so war, dann wusste sie schon, dass sie verlieren würde.
„Nein“, knurrte er grob, dann starrte er wütend auf den ovalen Spiegel über ihrer Kommode, als dieser es wagte, mit einem lauten Knacken zu zerspringen.
„Wie wäre es dann, wenn du mir erzählst, was los ist, bevor du wieder mein Schlafzimmer zerstörst?“, platzte es aus Angelica heraus.
Syn erstarrte, als er sie sagen hörte… wieder. Erinnerte sie sich endlich wieder an Dinge, die nicht in diesem Leben… oder auf dieser Welt geschehen waren? War ihre Seele stark genug, um endlich den Käfig ihres sterblichen Gefängnisses aufzubrechen? Vorsichtig ballte er die Hand, die in ihrem dunklen Haar verflochten war, zu einer Faust, damit er sich von ihr zurücklehnen und in ihren Augen nach der Wahrheit suchen konnte.
„Wieder?“ Seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren erschrocken.
„Was?“, fragte Angelica verwirrt. Mann… so wie er sie festhielt, war es wirklich schwierig, sich zu konzentrieren. Es war wirklich ermüdend.
„Du sagtest, ich soll dir sagen, was los ist, bevor ich… wieder dein Schlafzimmer zerstöre“, wiederholte er, wobei er das Wort ‚wieder‘ betonte.
„Habe ich das?“, flüsterte Angelica, als sie fühlte, wie ein kalter Schauder über ihre Arme lief. Ihre Lippen öffneten sich, um zu widersprechen, aber sie hatte ‚wieder‘ gesagt und konnte es jetzt nicht zurücknehmen, denn es fühlte sich plötzlich an, als wäre es die Wahrheit.
Syn ließ seine Frustration los und ein gemeines Lächeln hob seine Mundwinkel. Er hatte ihr Schlafzimmer mehr als nur einmal zerstört, obwohl er natürlich keine Ahnung hatte, welche Erinnerung nun versuchte, zurückzukommen, aber es war ihm egal. Gut oder schlecht, er wartete ungeduldig darauf, ebenso wie auf den Streit, den sie deshalb wahrscheinlich haben würden.
Ihre Seele war ihr innerstes Selbst und hatte ihm schon vergeben… es war der Rest von ihr, den er dazu zwingen würde müssen, aufzugeben.
Als sie ihn dabei erwischte, wie er über ihre Verwirrung grinste, löste Angelica sich schnell aus seinen Armen, war froh, dass er ihr Haar losließ, ehe sie sich das Genick verdrehen konnte.
„Gut, es gefällt dir, in deiner Freizeit Schlafzimmer umzugestalten… wie auch immer. Wenn du mich jetzt nicht alleine lässt, damit ich mich ausruhen kann, dann werde ich dich umgestalten.“ Sie runzelte die Stirn, als er prompt verschwand, wobei der Klang seines Lachens noch einen Moment im Zimmer hing.
Angelica lauschte dem warmen Gelächter bis es verklang. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie ihn jemals so lachen gehört hatte… oder auch nur lächeln gesehen hatte. Also wieso schmerzte bei dem Geräusch ihre Brust, als hätte sie etwas gleichzeitig wiedergewonnen und verloren, das sie liebte.
Nachdem sie sich völlig ausgelaugt fühlte, krabbelte sie hinüber zu ihrem Bett und kletterte hoch auf die Matratze, versuchte dabei, das Gefühl, dass sie die ganze Zeit rückwärts fiel, zu ignorieren. Sie sah in ihrem Geiste ein kurzes Bild von seinem warmherzigen Lächeln aufblitzen… einem Lächeln, von dem sie eben behauptet hatte, dass sie es noch nie gesehen hatte. Dieser kurze Vorgeschmack ließ sie sich danach sehnen mehr davon zu sehen.
Erschöpft schloss sie ihre Augen, gab sich selbst auf und ließ zu, dass sie dem folgte, was auch immer so unaufhörlich an ihr zog.
Syn erschien am Dach des Schlosses. Er hatte einen leichten Schimmer von Violett in ihren dunklen Augen gesehen und beschlossen, sie nicht zu stören, wenn sie in ihren Gedanken stöberte. Er hatte schon früher beobachtet, wie die Farbe ihrer Iris sich veränderte, aber nur, wenn sie ihre Macht benutzte. Das war scheinbar die einzige Zeit, wo sie es sich erlaubte, sie selbst zu sein und die mächtige Seele zu fühlen, die tief in ihr eingeschlossen war.
Er konnte verstehen, weshalb sie unbewusst ihre Seele vor einer Welt schützte, wo sterbliches Leben und Tod so schnell abliefen. Es war reiner Instinkt, aber diese Angst war nun nicht mehr angebracht. In derselben Sekunde, wie sie ihn aus dieser dunklen Höhle gerufen hatte… hatte er ihr seine Macht in der Gestalt der Markierung in ihrer Handfläche geschickt. Später hatte er diese Macht verstärkt, indem er seine Lebensenergie in sie geatmet hatte… obwohl sie die Bedeutung dieses Austauschs nicht verstanden hatte.
Sie hatte nun Fähigkeiten, derer sie sich nicht einmal bewusst war, und er hatte ihr aus rein egoistischen Gründen nicht geholfen, sie herauszufinden. Sie war jetzt schon zu unabhängig für seinen Geschmack. Obwohl die Zeit nun nicht mehr ihr Feind war und die meisten ihrer Verletzungen sofort heilen würden… stellten die mächtigen Unsterblichen, die der Stadt den Krieg erklärt hatten, immer noch eine Gefahr für sie dar.
Es gab noch eine weitere Sache, die er für sie tun konnte, um ihr zu helfen, größere Chancen zu haben, aber er versuchte, geduldig zu sein, denn er wusste, dass sie noch nicht bereit war, für die Nebenwirkungen davon, wenn er sein Blut mit ihrem vermischen würde. Er hatte diesen Fehler schon einmal gemacht. Es war nicht dasselbe, wie wenn ihre Kinder ihr Blut mit ihren Seelenfreundinnen teilten.
Er senkte seinen Blick auf das Dach, hörte die Stille, die aus dem Zimmer unter ihm kam. Außerdem, wenn er sie nun beißen würde, dann würde sie das als Beweis dafür sehen, dass er genau das war, wovon sie sich selbst überzeugt hatte… ein Monster.
Sanft mit ihr umzugehen, bedeutete für sie ein Risiko, und es würde nicht viel mehr brauchen, um ihn dazu zu drängen, zu dem Monster zu werden, das sie brauchte. Schließlich… hatte er diese Rolle schon einmal gespielt.