Читать книгу Bis dein Atem gefriert - Ana Dee - Страница 7
Kapitel Zwei
ОглавлениеMatilda, du weißt Bescheid?“ Frija musterte sie fragend.
„Ich habe dein Töchterchen doch nicht zum ersten Mal in meiner Obhut“, erwiderte ihre beste Freundin lachend. „Sie wird für die bevorstehende Mathematik-Klausur fleißig büffeln und anschließend gibt es eine extragroße Pizza.“ Matilda zwinkerte Sara fröhlich zu. „Entspanne dich und genieße die zwei Tage. Es wird wirklich Zeit, dass du Stockholm wieder unsicher machst.“ Sie nickte wissend.
„Ich bin nur dort, um meinen Job zu erledigen“, rechtfertigte sich Frija.
„Ja sicher. Aber wer sagt denn, dass du nicht auch ein wenig Spaß haben kannst?“
Matilda versuchte bei jeder Gelegenheit sie zu verkuppeln. Frija war gerade einmal Anfang vierzig und lebte seit Jahren allein. Ihrer Freundin hatte sie bis heute nicht den Grund erzählt, und das war auch gut so. Je weniger Personen involviert waren, desto besser. Das brachte sie zwar hin und wieder in Erklärungsnot, aber damit konnte sie leben.
Frija nahm ihre Tochter zum Abschied in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Mach keine Dummheiten, meine Kleine.“
„Ich doch nicht, Mama“, erwiderte Sara genervt.
„Gut, dann werde ich mich jetzt auf den Weg machen“, sagte Frija und stand unschlüssig vor der Tür.
Matilda ergriff daraufhin die Initiative und schob Frija nach draußen. „Los jetzt, hopp, hopp, ab nach Stockholm.“
„Du bist unmöglich“, lachte Frija. „Pass bitte gut auf mein Mädchen auf.“
„Du kannst dich auf mich verlassen, großes Indianerehrenwort.“
Frija winkte Sara und Matilda noch ein letztes Mal zu und stieg in den Wagen. Bevor sie losfuhr, atmete sie mehrmals tief durch. Sie hatte diese innere Unruhe immer noch nicht abgelegt, obwohl oberflächlich gesehen alles wieder in bester Ordnung zu sein schien. Katzendame Smilla hatte mittlerweile ihr hübsches Holzhäuschen neben dem Eingang bezogen und es irrte auch keine unheimliche Gestalt durch die Nacht, deren dunkle Silhouette sich im Nichts auflöste.
Frija startete den Motor, drückte kurz auf die Hupe und fuhr in Richtung Schnellstraße. Dunkle Wälder, lichtdurchflutete Seenlandschaften und idyllische Ortschaften zogen an ihr vorüber. Bunte Schilder am Straßenrand verwiesen auf Feriendomizile.
Nach einer Stunde Fahrzeit verdichtete sich der Verkehr rund um Stockholm und Frija spürte die ersten Anzeichen einer Kopfschmerzattacke. Ein starker Kaffee würde mit Sicherheit Abhilfe schaffen.
Am späten Vormittag hatte sie ihr Ziel erreicht. Stockholm ist eine der schönsten Städte der Welt, dachte sie, während sie den Wagen durch die Straßen lenkte. Sie fuhr gern in die Großstadt, auch wenn der Aufenthalt mit einigen Risiken verbunden war. Sie liebte die Architektur, das viele Wasser ringsum, welches der Stadt ein gewisses Inselfeeling verlieh.
In der Innenstadt steuerte sie das Parkhaus an, in dem die Agentur firmeneigene Stellplätze für die Mitarbeiter gemietet hatte, und stieg aus. Der Hall der zuschlagenden Autotür war hier besonders laut.
Frija lief in Richtung Aufzüge und fuhr in die vierte Etage. Lautlos glitten die Türen auf und ein weicher Teppichflor dämpfte ihre Schritte. Die Büros der Agentur waren modern und geschmackvoll eingerichtet. Bodentiefe Fenster, die für Tageslicht durchflutete Räume sorgten. Weiße Schreibtische und extravagante Bürostühle komplettierten den futuristisch anmutenden Look.
„Hallo Frija, schön, Sie zu sehen.“
Frija reichte Jördis Lind die Hand und setzte sich vor den Schreibtisch aus Glas und Chrom. Ihre Chefin blätterte geschäftig in den Unterlagen, die Frija ihr zugeschickt hatte. Seit elf Jahren arbeitete sie nun schon für diese Agentur, aber die Distanz zu ihrer Vorgesetzten war geblieben.
„Ich habe unserem Kunden die Entwürfe gestern vorgelegt und er war …“, sie legte eine künstliche Pause ein und Frija runzelte besorgt die Stirn. „Ihr Konzept hat ihn regelrecht umgehauen, wenn ich das einmal so salopp formulieren darf.“ Auf dem sonst so ernsten Gesicht von Jördis Lind zeigte sich ein schmallippiges Lächeln.
Auch Frijas Miene erhellte sich. „Das sind doch fantastische Nachrichten.“
„Und wie, Sie haben wie immer hervorragende Arbeit geleistet. Auch die vorhergehenden Aufträge sind zur vollsten Zufriedenheit der Kunden ausgeführt worden“, ließ sich Jördis zu einem kurzen Lob hinreißen.
„Danke, das freut mich sehr“, antwortete Frija. „Ich wäre dann für neue Aufträge bereit.“
„Nichts lieber als das. Folgendes …“
Frija hatte den gesamten Tag im Büro verbracht und war auf dem Weg ins Birger Jarl, wo sie sich ein Zimmer gebucht hatte. Das Hotel war ein moderner kastenförmiger Bau ohne viel Schnickschnack, und genauso schlicht waren auch die Zimmer eingerichtet. Tisch, Sessel, Fernseher, karierte Tagesdecke.
Bis zum frühen Abend blieb Frija in ihrem Hotelzimmer, um sich einen Überblick über die neuen Kundenaufträge zu verschaffen. Sie notierte erste Gedanken und freute sich schon darauf, ihrer Kreativität wieder freien Lauf zu lassen. Aber das Schönste daran war, wieder von zu Hause aus arbeiten zu können. Trautes Heim, Glück allein, dachte sie zufrieden.
Erst als ihr Magen wegen des ausgebliebenen Abendessens rebellierte, legte sie die Unterlagen beiseite und öffnete den Koffer. Kniehohe Stiefel, ein klassischer Hosenanzug und ein eleganter Mantel landeten auf dem Bett. Frija hatte über all die Jahre ihre mädchenhafte Figur behalten, was ihr manchmal den einen oder anderen bewundernden Blick einbrachte.
Sie sprang kurz unter die Dusche, föhnte ihr langes Haar, das anschließend in leichten Wellen ihre Schultern umschmeichelte. Dank der Schminktipps ihrer Tochter, die in dieser Richtung einiges mehr draufhatte, verlieh sie mit ein wenig Make-up ihrem Gesicht ein frischeres, jugendlicheres Aussehen.
Zufrieden betrachtete sie sich im Spiegel. Nun ja, die Männer würden nicht reihenweise umfallen, aber sie fühlte sich ausgesprochen wohl in ihrer Haut. Bevor sie loszog, rief sie noch einmal Sara an, um ihr eine gute Nacht zu wünschen.
„Hallo, mein Mäuschen, wie geht es dir?“
„Hi Mam, alles okay“, antwortete Sara. „Und was wirst du heute Abend noch so anstellen?“
„Ich habe mich bereits in Schale geworfen, um in meinem Lieblingsrestaurant einen Happen zu essen.“
„Na dann, guten Appetit. Und bleib bitte anständig“, kicherte Sara.
„Das werde ich“, erwiderte Frija lachend.
„Bis morgen, Mam.“
„Schlaf schön, Liebes.“
Auf dem Weg zum Fahrstuhl schwebte sie fast lautlos über den flauschigen Teppich. Die Lobby war wie leer gefegt, nur ein älterer Herr saß in einem Sessel und studierte die Tageszeitung. Frija trat durch die Tür nach draußen. Die Luft war kühl, genau das Richtige, um die aufkommende Müdigkeit zu vertreiben.
Die kurze Strecke bis zum Restaurant legte sie innerhalb weniger Minuten zurück. Es lag zwar in einer Nebenstraße, war aber wegen seiner ausgezeichneten Küche sehr angesagt. Obwohl das Restaurant gut besucht war, ergatterte Frija einen Fensterplatz. Sie gab ihre Bestellung auf – ein Glas Weißwein und Schweinemedaillons mit Kartoffelecken. Das hatte sie sich nach diesem erfolgreichen Arbeitstag redlich verdient.
An den Tischen saßen hauptsächlich Paare und Frija fühlte sich ein wenig einsam. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Großstadt eine gewisse Hektik und Distanz ausstrahlte, die Frija in ihrem heimeligen Nest sonst nie zu spüren bekam.
„Guten Abend, ist dieser Platz noch frei?“
Überrascht schaute Frija auf und blickte in ein markantes Männergesicht mit wachen Augen. Das grau melierte Haar war akkurat und modern geschnitten, der Anzug elegant.
„Bitteschön“, murmelte Frija und pflückte hastig ihre Tasche vom Stuhl.
„Vielen Dank.“
Der Mann setzte sich und ihr stieg der Duft eines ausgesprochen teuren Aftershaves in die Nase.
„Ich störe Sie doch nicht?“ Er lächelte sanft.
„Nein, keineswegs“, antwortete sie einsilbig.
Der Fremde schien mindestens zehn Jahre älter als sie zu sein, sah jedoch ausgesprochen attraktiv aus. Aber das war es nicht, was sie so an ihm faszinierte. Ihn umgab eine außergewöhnliche Aura, die sie magisch in ihren Bann zog.
„Wie schmeckt der Wein?“, fragte er.
„Blumig“, antwortete sie.
„Vielen Dank für die Empfehlung.“ Er hob die Hand und winkte die Kellnerin zu sich heran. „Bringen Sie mir auch ein Glas.“ Er nickte lächelnd und wandte sich wieder Frija zu. „Immer wenn ich geschäftlich in Stockholm unterwegs bin, kehre ich in dieses Restaurant ein. Es hat einen sehr guten Ruf.“
„Stimmt“, erwiderte sie. „Genau aus diesem Grund sitze ich hier und warte auf mein Abendessen.“
Wahrscheinlich werde ich ihn mit meiner einsilbigen Art noch vergraulen, dachte sie. Aber sie fühlte sich in seiner Gegenwart befangen, ohne zu wissen, woran das liegen könnte. Sonst war sie nie um eine witzige und humorvolle Antwort verlegen.
Die Kellnerin servierte ihm den Wein und ging mit wiegenden Hüften zur Theke zurück. Bevor er an seinem Glas nippte, warf er einen für Frijas Geschmack anzüglichen Blick auf den Hintern der jungen Frau.
„Es scheint so, als ob wir den gleichen Geschmack hätten. Der Wein ist eine sehr gute Wahl“, sagte er.
„Wohl eher nicht“, antwortete sie.
Oh wie peinlich, die Worte waren ihr unbedacht herausgerutscht. Sie war gedanklich noch beim Hinterteil der jungen Servicekraft gewesen.
„Wie bitte?“ Der Mann zog die Stirn kraus.
„Verzeihung, ich hatte Sie missverstanden.“ Sie lächelte entschuldigend.
„Schon gut.“ Seine Stirn glättete sich. „Leben Sie in Stockholm?“, fragte er und warf einen neugierigen Blick auf ihre Hände.
„Nein. Ich bin genau wie Sie hier beruflich unterwegs.“
„Oh, als Geschäftsfrau?“, hakte er nach.
„Nicht so ganz, ich bin in der Werbebranche tätig. Und womit verdienen Sie Ihre Brötchen, wenn ich fragen darf?“
„Ich arbeite als Consultant und besitze eine eigene Firma.“
„Nicht schlecht.“ Sie prostete ihm zu.
Die junge Kellnerin kehrte an den Tisch zurück und servierte die Schweinemedaillons. „Guten Appetit.“
„Vielen Dank.“ Frija griff zum Besteck.
„Lassen Sie es sich schmecken“, sagte ihr Gegenüber, der diesmal auf einen Blick in Richtung Servicekraft verzichtete.
Frija teilte das Fleisch und probierte den ersten Bissen.
„Kommen Sie aus der Gegend?“
Sie schaute irritiert von ihrem Teller auf.
„Entschuldigen Sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.“ Er reichte ihr umständlich die Hand. „Ich bin Leif Bergmann.“
Frija reagierte leicht verwirrt, sie wollte ihm keinesfalls ihren Namen verraten. Doch er hielt ihre Hand fest in seiner und wartete auf eine Antwort.
„Ich bin Frija. Angenehm, Sie kennenzulernen.“
Sie zog ihre Hand rasch zurück und merkte, dass er sich enttäuscht zurücklehnte.
„Frija, ein sehr schöner Name“, sagte er. „Ich wohne übrigens in Södergarn, in der Nähe des Sees. Das Segeln gehört zu meinen großen Leidenschaften.“
Sie betrachtete seine gepflegten Hände. Auch er trug keinen Ehering.
„Ich bin am Erken zu Hause“, antwortete sie, wenn auch mit einem gewissen Widerwillen.
„Tatsächlich? Dann haben wir ja schon die zweite Gemeinsamkeit.“ Seine Augen blitzten. „Möchten Sie noch ein Glas Wein?“
„Ja, warum nicht“, erwiderte sie.
Er orderte gleich eine ganze Flasche, während sie ihren Teller leerte. Das Essen war mittlerweile kalt geworden.
„In welchem Hotel sind Sie untergekommen?“, fragte Frija, um das Gespräch wieder in eine andere Richtung zu lenken. Sie hatte schon viel zu viel Privates über sich preisgegeben.
„Ich besitze ein kleines Loft in Stockholm“, antwortete er nicht ohne Stolz.
Tja, Consulting eben, dachte sie. Leif wusste demnach, was er tat, und war anscheinend erfolgreich darin. Allerdings ließ sie sich nicht davon beeindrucken, was er auch zu spüren schien.
„So spare ich mir die hohe Hotelrechnung, denn ich halte mich sehr oft in Stockholm auf“, sagte er.
„Verständlich. Aber ein eigenes Apartment würde sich nicht lohnen, dafür bin ich viel selten in Stockholm.“
„Was genau machen Sie denn in der Werbung? Filme?“
„Nein, eher selten. Die Arbeit ist sehr vielfältig und es kommt ganz darauf an, was der Kunde wünscht.“
Ihre Antwort schien ihn zufriedenzustellen.
„Ich habe Betriebswirtschaft studiert und liebe es, mit Zahlen zu jonglieren.“
Er lachte und sie sah seine blendend weißen Zähne. Sonnyboy war das erste Wort, was ihr bei diesem Anblick einfiel.
„Mathematik war mir schon seit der Schulzeit suspekt. Kein Wunder also, dass ich bei meiner Berufswahl keinen Gedanken daran verschwendet habe“, erwiderte sie. „Dafür war die Fotografie schon immer mein Steckenpferd.“
„Ich mag es, wenn Menschen etwas für Kunst übrig haben“, sagte er. „Hin und wieder unterstützte ich junge Künstler, um ihr Talent zu fördern.“
„Das ist sehr bemerkenswert“, entgegnete sie und nippte an ihrem Wein.
„Darf ich Ihnen nachschenken?“, fragte Leif aufmerksam.
„Ich glaube, zwei Gläser genügen.“
„Ach was, so jung kommen wir nie wieder zusammen.“
Leif lächelte charmant und Frija gab sich geschlagen. Er füllte das Glas.
„Skål.“
„Zum Wohl“, prostete sie und hob ihr Glas.
Sie war schon ein klein wenig beschwipst und schwebte wie auf Wolken. Leif schien Gefallen an ihr gefunden zu haben und flirtete sehr offensichtlich. Frija legte immer wieder den Kopf in den Nacken und lachte. Obwohl er sehr von sich überzeugt war, zeigte er ihr auch seine bodenständige Seite. Das imponierte ihr und mit jedem Schluck Wein fühlte sie sich mehr zu ihm hingezogen. Sie musste an einen Magneten denken und kicherte albern.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte er.
„Nein, nein, ganz im Gegenteil“, antwortete sie rasch.
Leif war ein ausgesprochen guter Zuhörer und sie erzählte den Abend nur über sich. Sein Interesse schmeichelte ihr, sie hatte schon ganz vergessen, wie sich die positiven Schwingungen zwischen Mann und Frau anfühlten. Ein Blick auf die Uhr holte sie jedoch in die Gegenwart zurück.
„Oh, es ist schon nach Mitternacht“, stellte sie bedauernd fest und gab der Kellnerin einen Wink, um die Rechnung zu begleichen.
„Ich übernehme“, sagte Leif großzügig und reichte der jungen Frau die Scheine. „Stimmt so.“
Dann half er Frija ganz gentlemanlike in den Mantel und geleitete sie zur Tür, wo sich Frija von ihm verabschiedete.
„Vielen Dank für diesen netten Abend, ich habe mich seit Langem nicht mehr so gut unterhalten“, sagte sie.
Er neigte seinen Kopf und ihre Blicke trafen sich. Frija spürte, wie sich eine angenehme Wärme in ihrer Magengegend ausbreitete.
„Ich habe mich noch gar nicht erkundigt, in welchem Hotel Sie wohnen.“ Leif musterte sie fragend.
„Ich wohne im Birger Jarl, nur ein paar Straßen entfernt“, antwortete sie.
„Das ist ja nur ein Katzensprung. Ich würde Sie gern hinbringen, wenn Sie nichts dagegen haben.“
„Von mir aus gern.“ Sie hakte sich bei ihm unter und schwankte kurz. „Ich glaube, das war doch ein Glas Wein zu viel. Normalerweise bin ich zurückhaltender“, fügte sie entschuldigend hinzu.
„Mach dir nicht so viele Gedanken, Frija“, raunte er ihr ins Ohr und sein warmer Atem streifte ihre Haut.
Ein prickelnder Schauer durchfuhr sie, aber sie hatte definitiv zu viel Wein intus und sollte lieber einen klaren Kopf bewahren. Leif war ohne ihre Zustimmung in ein vertrauliches Du übergegangen und die Distanz zwischen ihnen schrumpfte.
„Da vorn ist es ja schon“, sagte er und griff nach ihrer Hand.
Frija atmete erleichtert auf, Zeit für den Abschied. „Leif, ich danke dir noch einmal für diesen wunderschönen Abend.“ Sie entzog ihm sanft ihre Hand. „Gute Nacht.“
Doch Leif schien andere Pläne zu haben. Er umfasste ihren Nacken und zog sie behutsam zu sich heran. Dann folgte ein stürmischer Kuss. Seine Zunge bahnte sich fordernd einen Weg zwischen ihre Lippen, während seine Hände ihre Taille umfassten.
Frija hob ihre Hände und drückte sie gegen seinen Oberkörper, um sich zu befreien, doch Leif ließ keine Zentimeter locker. Er schmeckte nach Wein und roch so verdammt gut. Irgendwann erstarb ihre Gegenwehr und sie gab sich diesem leidenschaftlichen Kuss hin.
„Leif, bitte!“ Atemlos taumelte sie zurück.
Er machte einen Schritt auf sie zu. „Lass uns nach oben gehen …“, raunte er.
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, versuchte sie, sich aus der Affäre zu ziehen.
Mit einem Mal waren seine Hände überall und Frija spürte, wie eine Welle der Erregung durch ihren Körper pulsierte. Leif wusste anscheinend genau, welche Knöpfe er bedienen musste. Genau in diesem Moment verließ ein junges Paar das Hotel.
„Hej, warum macht ihr nicht auf dem Zimmer weiter“, rief ihnen der junge Mann lachend zu.
„Gute Idee“, keuchte Leif, umfasste Frijas Hand und zog sie mit sich. „Welches Zimmer?“
„Ich gehe voraus“, erwiderte sie. Zwischen ihren Beinen loderte ein unstillbares Verlangen. Es war der helle Wahnsinn, was sie hier tat, auch in Anbetracht ihrer Vergangenheit. Aber sie konnte dieser intensiven Lust nicht widerstehen. Sie sah das Feuer in seinen Augen, in denen sich die pure Leidenschaft spiegelte.
Hastig öffnete sie die Zimmertür und stolperte mit Leif im Schlepptau ins Innere. Sie konnte seine Dominanz spüren, auf die sie abermals erregt reagierte. Mit ungezügelter Leidenschaft rissen sie sich die Kleidung vom Leib und landeten auf dem Doppelbett, das ihren Sturz sanft abfederte.
Sie spürte Leifs heißen Atem auf ihrer Haut, als er ihren Körper mit der Zunge erforschte und sich in tiefere Bereiche vorarbeitete. Ihr Leib zitterte und der erste Orgasmus überrollte sie wie eine meterhohe Welle. Sie biss in ihre Faust, um ihre Lust nicht laut hinauszuschreien und die anderen Hotelgäste zu wecken.
Leif beugte sich wieder über sie und liebkoste ihren Hals. Dann drang er in sie ein und sie spürte seine harten Stöße. Ihre Nägel bohrten sich in das feste Fleisch seines durchaus muskulösen Rückens und sie fieberte einem weiteren Höhepunkt entgegen.
Verwirrt richtete sich Frija auf und griff sich leise stöhnend an den Kopf. Wein, Leif und Sex. Die Erinnerung schlug wie eine Bombe ein. Die Betthälfte neben ihr war kalt und leer. Wo war Leif nur abgeblieben?
Das passiert, wenn der Körper das Ruder übernimmt und sich der Kopf komplett ausschaltet, dachte sie ernüchtert. Seufzend schlug sie die Bettdecke zurück. Auf dem Tisch fand sie einen Zettel.
Musste los, danke für die wundervolle Nacht. Heute Abend – gleiche Uhrzeit, gleiches Lokal?
Leif
Hm, wollte sie ihn überhaupt wiedersehen? Der Sex mit ihm war grandios gewesen, so etwas hatte sie bisher noch nie erlebt. Gnadenlos, hart und animalisch. Eine Explosion war der nächsten gefolgt und das ganze Hotelzimmer roch nach wilder Begierde.
Uneins mit sich und der Welt riss sie den Fensterflügel auf und sog die kühle Luft in ihre Lungen. Verdammt, diese Kopfschmerzen brachten sie noch um. Zum Glück musste sie erst gegen zehn im Büro erscheinen.
Nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, tappte sie ins Badezimmer und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser prasselte auf sie nieder und sie spülte sich die Sünden der Nacht von der Haut. In all den Jahren war sie standhaft geblieben, hatte sich den körperlichen Freuden verwehrt. Wahrscheinlich ein Fehler.
Jetzt ärgerte sie sich, dass der Wein ihre Zunge gelöst hatte. Bei den Gesprächen mit Leif hatte sich alles nur um sie gedreht, und das bereute sie. Hoffentlich war sie nicht zu offenherzig gewesen, denn der Wein hatte einen Großteil der Erinnerungen an den Abend vernebelt.
Sie griff nach dem flauschigen Badehandtuch und rubbelte sich trocken. Anschließend putzte sie die Zähne, um den pelzigen Geschmack loszuwerden. Die obligatorische Kopfschmerztablette folgte. Ein gutes Frühstück würde es schon wieder richten.
Das Buffet war mittlerweile abgegrast und Frija gab sich mit den Resten zufrieden. Saurer Hering landete auf ihrem Teller, Knäckebrot und eine Tasse starken Kaffees, der die Lebensgeister wecken sollte. Es war wohltuend, als die leichte Übelkeit allmählich verebbte.
Während sie an ihrem Kaffee nippte, dachte sie an Leif, und diese Gedanken lösten ein beunruhigendes Kribbeln in ihr aus. Wie sehr hatte sie diese Gefühle doch vermisst.
Leif hielt sich nicht lange mit irgendwelchem Geplänkel auf, er kam gleich zur Sache. Das gefiel ihr. Für sein Alter war er unglaublich fit und gut gebaut, das musste man ihm lassen. Was sie allerdings störte, dass sie so überraschend schnell intim geworden waren. Das war absolut nicht Frijas Art. Wahrscheinlich war sie sexuell grenzenlos ausgehungert nach all den Jahren der Einsamkeit.
Im Hotelzimmer legte sie noch ein wenig Make-up auf, um die Spuren der Nacht zu verwischen, und stieg anschließend in den Wagen, um zur Agentur zu fahren.
„Hallo Frija“, begrüßte Ole sie mit einem strahlenden Lächeln und führte sie in sein Büro. „Du siehst abgekämpft aus“, stellte er nach einer kurzen Musterung fest.
„Ja, die viele Arbeit.“
„Dann gönn dir ein paar Tage Ruhe, bevor du das nächste Projekt startest.“
„Ich werde deinen Rat befolgen“, versprach sie.
Ole war fünf Jahre jünger als sie und ein feiner Kerl. Er machte keinen Hehl daraus, was er für Frija empfand, aber bisher war der Funke einfach nicht übergesprungen. Ole lebte getrennt und hatte einen Sohn aus erster Ehe.
„Frija?“ Er sah sie fragend an.
„Entschuldige, was hattest du gerade gesagt?“
„Alles in Ordnung mit dir? Du wirkst heut so abwesend.“
„Na ja, diese Tage haben wir doch alle, wenn sich die Melancholie ins Gemüt schleicht“, lächelte sie.
„Nun gut, weiter im Text.“
Ole erklärte ihr die Aufträge ausführlich, doch sie war mit ihren Gedanken ständig bei Leif. Sollte sie ihn noch einmal treffen? Sie schwankte mit ihrer Entscheidung und war hin- und hergerissen. Dieser Mann berührte etwas tief in ihrem Inneren, das sie nicht genau benennen konnte.
„Hast du noch Fragen?“
„Nein. Und falls doch, dann rufe ich dich an.“
„Genau, so machen wir es“, bestätigte er.
Frija verstaute die Unterlagen wieder in ihrer Tasche und stand auf.
„Noch Lust auf einen Kaffee, bevor du fährst“, fragte er und lächelte schüchtern.
„Ja, gern.“
Erst jetzt fiel ihr auf, wie unterschiedlich Leif und Ole doch waren. Leif nahm viel mehr Raum ein, war sofort präsent und man konnte sich nur schwer seiner Aufmerksamkeit entziehen. Ole wirkte eher still und in sich gekehrt. Sobald sie mit ihm zusammen war, beruhigte sich auch ihr Herzschlag, während bei Leif ihr Puls raste. Verrückte Welt.
Ole kehrte mit zwei vollen Tassen in sein Büro zurück und holte eine Packung Kekse aus dem Schreibtisch.
„Man gönnt sich ja sonst nichts“, grinste er. „Nicht jeder hat es so gut wie du. Es muss wunderbar sein, jeden Morgen mit diesem grandiosen Ausblick auf den See aufzuwachen. Lass mich raten, dein Schreibtisch steht direkt am Fenster?“
„Stimmt, und ich weiß dieses Glück durchaus zu schätzen“, antwortete sie verträumt. Dieses Haus war für sie wie ein Hochsicherheitstrakt. Nur dort konnte sie den Rest der Welt ausschließen, fühlte sich geborgen, und so sollte es auch in Zukunft bleiben. „Sara kann wie in einem Kokon wohlbehütet aufwachsen, das war mir von Anfang an sehr wichtig.“
„Trotzdem bin ich der Meinung, dass du dich viel zu sehr einigelst. Du lebst seit Jahren allein, das muss dich doch auf Dauer zermürben.“
„Ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht“, hielt sie dagegen. „Die Gemeinschaft von Svanberga ist unschlagbar. Jeder hilft jedem, und diesen Zusammenhalt möchte ich nicht missen.“
„Ich dachte auch eher an den privaten Bereich“, sprach Ole leise. „Für dich gibt es keine Schulter zum Anlehnen, du darfst keine Schwäche zulassen, und sage mir nicht, dass es anders ist.“
Eine seiner Stärken war eine gehörige Portion Empathie. Er konnte sich unglaublich gut in sein Gegenüber einfühlen.
„Ich kann leider nicht über meinen Schatten springen“, erwiderte sie aufrichtig. „Trotzdem bin ich zufrieden mit meinem Leben. Es gibt Freunde, die mich auffangen und mir den Weg weisen und dich zähle ich dazu.“
„Tja, Freunde …“
Ole ließ den Satz unvollendet, aber Frija wusste genau, worauf er anspielte. Enttäuschung, aber auch Schmerz spiegelten sich auf seinem Gesicht wider. Es wurde Zeit, sich zu verabschieden, und sie leerte ihre Tasse.
„Danke für den Kaffee“, sagte sie und umarmte Ole. „Lass es dir gut gehen, bis zum nächsten Termin.“
Er reagierte kühl und begleitete sie nicht wie üblich zur Tür.
Nachdem sie sein Büro verlassen hatte, atmete sie auf. Was nun? Sie war ein wenig verärgert wegen Leif, weil er ihr nur diesen zerknitterten Zettel hinterlassen hatte. Sie konnte ihn weder anrufen noch anderweitig erreichen, und der Gedanke, ihn nie wieder zu sehen, bereitete ihr Unbehagen. Das war völlig untypisch, sich schon nach so kurzer Zeit einem Menschen verbunden zu fühlen.
Eigentlich müsste sie jetzt die Rückfahrt antreten. Nervös schritt sie auf und ab und setzte sich dann in ihren Wagen. Für ein weiteres Treffen mit Leif hatte sie nichts Passendes im Koffer und entschied sich kurzerhand für eine Shoppingtour, wo sie nun schon einmal hier war.
Sie legte die kurze Strecke in den Stadtkern zurück und stellte ihren Wagen auf einem Parkplatz ab. Bevor sie ausstieg, schickte sie Sara und Matilda eine Nachricht, dass es später werden würde, weil sie noch etwas Wichtiges zu erledigen hatte. Es wäre das erste Mal, dass sie nicht pünktlich zurückfahren würde, und erneut meldete sich das schlechte Gewissen zu Wort. Hatte sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen? Wiederum … stand ihr nicht auch ein wenig Freiraum zu nach all den Jahren?
Sie schaute an sich herunter – sportlich, bequem, unauffällig. So konnte sie Leif unmöglich gegenübertreten und es war sicher nicht verkehrt, sich etwas Schickes zu gönnen. Auf der Suche nach ein wenig mehr Glamour durchstreifte sie die Boutiquen. Mittendrin kippte jedoch die Vorfreude auf das Treffen mit Leif.
Sie hatte die Umkleidekabine mit einem Arm voller Kleidungsstücke gerade verlassen, als sie einen Mann bemerkte, der ständig zu ihr herüberblickte. Er war ihr schon in den vorherigen Geschäften aufgefallen und sie glaubte nicht an Zufälle.
Zwei der Kleider gab sie der Angestellten zurück, mit dem Rest steuerte sie die Kasse an. Immer wieder warf sie einen misstrauischen Blick über die Schulter, bis sie sah, dass der Mann seiner Frau eine Hose in die Hand drückte. Gott sei Dank, nur falscher Alarm.
Sie zahlte, nahm die große Tüte entgegen und eilte zum Ausgang. Jetzt nur noch Schuhe, und der Abend wäre gerettet. In einem kleinen Laden wurde sie fündig und ergatterte im Ausverkauf zwei günstige Paar Schuhe. Jetzt musste sie schnellstens ins Hotel zurück, um sich umzuziehen und auszuchecken. Sie gönnte sich noch eine Dusche, wechselte die Kleidung und packte ihren Trolley. An der Rezeption gab sie ihre Karte zurück und beglich die Rechnung.
Um die Zeit bis zum Abend zu überbrücken, besuchte sie die Nachmittagsvorstellung eines Kinos. Hier war es warm und gemütlich und der Film würde sie ablenken. Sie wollte nicht ständig an Leif denken. Mit einem Getränk und einer kleinen Tüte Popcorn setzte sie sich in die letzte Reihe und genoss die Vorführung.
Frija saß im hinteren Bereich des Restaurants, der Tisch am Fenster war leider schon besetzt gewesen. Nervös nippte sie an ihrem Mineralwasser und hatte den Blick fest auf die Eingangstür geheftet. Bereits zehn Minuten waren vergangen und ihr schwante nichts Gutes. Sie fühlte sich wie eine aufgetakelte Fregatte und schalt sich eine Närrin. Leif hatte wahrscheinlich nur Interesse geheuchelt, um sie ins Bett zu kriegen. Nicht mehr und nicht weniger.
Dummerweise war sie ihm auf den Leim gegangen, weil sie tatsächlich angenommen hatte, dass sie ihm gefallen würde. Obwohl sie ahnte, dass er sie versetzt hatte, wollte sie ihm noch eine Viertelstunde Galgenfrist gewähren und dann nach Svanberga zurückfahren.
Ihr Blick wanderte durch den Raum und das beschämende Gefühl nahm überhand, nur in glückliche Gesichter zu schauen. Frauen, die mit geröteten Wangen ihren Männern vom Tag erzählten und Paare, die verliebt Händchen hielten. Sollte Ole doch am Ende recht behalten, dass sie tief in ihrem Inneren unzufrieden mit ihrem Leben war?
Sie winkte verdrossen die Kellnerin zu sich heran und zahlte das Wasser, das sie nicht einmal ausgetrunken hatte. Wütend streifte sie sich ihren Mantel über und lief zur Tür, wo sie beinahe mit Leif zusammengestoßen wäre.
„Wo willst du denn hin?“, fragte er.
„Nachdem ich eine halbe Stunde vergebens auf dich gewartet habe, möchte ich jetzt gehen“, antwortete sie mit fester Stimme.
„Ach komm, jetzt verdirb uns doch nicht den schönen Abend.“ Er strahlte sie an und schob sie sanft zum Tisch zurück. Dann er setzte sich und schlug die Beine übereinander. „Wie war dein Tag?“, erkundigte er sich.
Sichtlich irritiert nahm sie wieder Platz. Er entschuldigte sich nicht einmal für sein Zuspätkommen, den Mantel hatte er ihr auch nicht abgenommen.
„Hallo?“
„Ja, gut …“, antwortete sie zögerlich.
„Ich nehme an, du sprichst von deinem Tag.“
Sie nickte.
Er beugte sich nach vorn. „Ich bin wirklich sehr froh, dass du gekommen bist.“
Sie wollte eine Erklärung von ihm, weil er sie hatte warten lassen, überlegte es sich dann aber anders.
„Bei mir ist es heute wie in einem Taubenschlag zugegangen, die Kunden können einem wirklich die Kraft rauben.“
Er fuhr sich müde übers Gesicht und wirkte mit einem Mal abgekämpft. Vielleicht tat sie ihm Unrecht und er hatte sich den Abend erst freischaufeln müssen. Das stimmte sie wieder versöhnlich.
„Das kann ich gut verstehen, in meiner Branche ist es ähnlich“, stimmte sie ihm zu.
„Ich wusste vom ersten Augenblick an, dass wir uns gut verstehen und die eine oder andere Gemeinsamkeit teilen“, erwiderte er. „Möchtest du ein Glas Wein?“
„Nein danke, ich muss noch zurückfahren.“
„Zum Erken?“ Er schien enttäuscht.
„Ich würde gern länger bleiben, aber ich werde zu Hause erwartet.“
„Du hast Familie?“, hakte er nach.
„Ich bin nicht verheiratet, falls du das meinst“, erwiderte sie. Genau in diesem Augenblick klingelte ihr Smartphone.
„Hallo Sara … ja, ich fahre gleich los. Keine Sorge, meine Mäuschen, es ist alles okay. In zwei Stunden bin ich da.“ Sie steckte das Telefon wieder zurück in ihre Handtasche.
„Du hast eine Tochter?“ Sein fragender Blick ruhte auf ihr.
Frija stutzte für eine Millisekunde. „Ja.“
„Schön.“ Er war so unglaublich attraktiv und hatte das sanfte Lächeln eines Engels. „Wie alt ist sie denn?“
„Sechzehn.“
Er lächelte noch immer. „Schwieriges Alter. Sie wollen immer mit dem Kopf durch die Wand“, sagte er verständnisvoll.
„Stimmt, ich kann ein Lied davon singen.“ Sie nippte an ihrem Wasser. „Hast du auch Kinder?“
Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Es hat nicht sollen sein. Ich bin seit Jahren geschieden und friste das trostlose Dasein eines Singles.“
„Oh …“ Sie hätte alles vermutet, aber nicht das. Sicher, er trug keinen Ehering, das war ihr schon am Anfang aufgefallen. Aber seit Jahren allein?
„Ich habe immer nach der Einen Ausschau gehalten“, unterbrach er ihre Gedankengänge, als hätte er diese erraten. „Wahrscheinlich ist dieser Wunsch zu anspruchsvoll, mit einem Seelenverwandten sein Leben teilen zu wollen.“
„Nein, keineswegs“, widersprach sie ihm. „Ich denke ähnlich darüber.“
„Nun, vielleicht werden meine Träume ja doch noch in Erfüllung gehen.“ Er prostete ihr zu.
Meine Güte, dieses charmante Lächeln, dachte sie bestimmt zum x-ten Mal. In ihrem Bauch kribbelte es gewaltig, und nicht nur dort. Zwischen ihnen herrschte eine knisternde Stimmung, die ganze Wälder hätte in Brand stecken können. Zumindest empfand sie so, und ihm erging es sicher ähnlich. Ein Blick auf die Uhr ließ sie erschrocken innehalten.
„Entschuldige Leif, aber es wird Zeit für den Aufbruch“, sagte sie und erhob sich. „Danke für die Einladung, ich habe den Abend sehr genossen.“
Mit einem rundum zufriedenen Gesichtsausdruck stand Leif ebenfalls auf. „Wollten wir nicht noch Nummern tauschen?“
Er sah sie erwartungsvoll an, doch sie zögerte. Sollte sie nach all den Jahren ihre Deckung aufgeben? War er das wirklich wert? Leif verführte sie wie noch kein Mann je zuvor, aber auch auf der geistigen Ebene herrschte ein gewisser Einklang.
„Ja natürlich“, antwortete sie und reichte ihm das Kärtchen, das er mit einem glücklichen Lächeln in sein Portemonnaie steckte.
„Von diesem Augenblick an trage ich dich immer bei mir“, sagte er.
Sie hielt seine Ausdrucksweise für ein wenig übertrieben, aber wenn er so empfand, warum nicht. Welches Recht hatte sie schon, über ihn zu urteilen?
Leif nahm sie zum Abschied in den Arm und küsste sie auf die Wange. „Bitte fahr vorsichtig“, ermahnte er sie. „Es wäre schön, wenn du mir eine kurze Nachricht schicken könntest, dass du zu Hause angekommen bist.“
Seine Fürsorglichkeit rührte sie. Da war wieder jemand, der sich Gedanken um sie machte. Sie hatte beinahe schon vergessen, wie gut sich das anfühlte.
„Leif, ich muss jetzt aber wirklich los“, hauchte sie und löste sich aus seiner Umarmung.
Er nickte verständnisvoll, half ihr in den Mantel und begleitete sie zur Tür. „Pass auf dich auf.“
„Das werde ich.“
Sie winkte ihm noch einmal zu und entfernte sich mit schnellen Schritten. Kaum war sie außer Reichweite, meldete sich sofort das schlechte Gewissen zu Wort. Wie hatte sie ihre Tochter nur warten lassen können? Sie verhielt sich wie ein unreifer Teenager, völlig chaotisch und destruktiv. Aber die Ausstrahlung dieses Mannes vernebelte ihr die Sinne. Leif war auf eine fast diabolische Art und Weise attraktiv und anziehend.
Endlich hatte sie ihren Wagen erreicht und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Meine Güte, was für ein Abend. Wenn sie das Matilda erzählen würde … Kopfschüttelnd steckte sie den Schlüssel ins Zündschloss. Sie hatte sich noch nicht einmal angeschnallt, da verkündete ihr Smartphone eine neue Nachricht.
Ich will dich wiedersehen.
Wer weiß, dachte sie, und ein seliges Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie ließ das Handy zurück in ihre Tasche gleiten und wendete den Wagen, um nach Svanberga zurückzufahren.
„Hej, schön dich zu sehen.“ Matilda umfasste Frijas Schultern und forschte in ihrem Gesicht. „Irgendetwas ist mir dir passiert“, sagte sie daraufhin.
„Ach was“, wehrte Frija ab. „Du interpretierst wieder viel zu viel hinein.“
„Aber in all den Jahren bist du noch nie zu spät gekommen“, erwiderte Matilda mit ernster Miene.
„Soll das etwa ein Verhör werden?“
„Niemals …“, lenkte ihre beste Freundin ein.
„Wir können gern ein anderes Mal darüber reden“, versprach Frija rasch. „Aber nach diesem anstrengenden Tag möchte ich mit Sara nur noch nach Hause.“
„Schon in Ordnung.“ Matilda lächelte. „Sara, deine Mam ist da“, rief sie ins Haus.
„Ich komme ja schon.“ Mit dem Rucksack über der Schulter erschien Sara in der Tür. „Ist was passiert?“, lautete ihre erste Frage.
„Nein, entschuldige bitte die Verspätung.“
„Okay“, erwiderte Sara schulterzuckend, verabschiedete sich von Matilda und ging zum Wagen.
„Ich werde mich morgen bei dir melden, Matilda“, schlug Frija einen versöhnlichen Ton an.
„Du wirst schon deine Gründe haben“, erwiderte sie lachend. „Ich will mir mit Kjell noch einen gemütlichen Abend machen. Ruf kurz durch, wenn du angekommen bist. Smilla ist im Haus.“
„Danke, du bist ein Schatz.“
Frija umarmte ihre Freundin, deren blumiges Parfüm ihr sofort in die Nase stieg. Sie würde Matilda bei einer Tasse Tee die heiße Nacht mit Leif beichten, nichts sollte zwischen ihnen stehen. Vielleicht konnte sie auch mit ihr darüber beratschlagen, wie es mit diesem Mann weitergehen sollte. Schon jetzt spukte er ihr unablässig im Kopf herum, obwohl sie nicht unbedingt vorhatte, ihn nochmals zu treffen. Dass sie so leichtfertig ihre Handynummer herausgegeben hatte, ärgerte sie im Nachhinein.
„Mam?“
„Sorry, ich war mit meinen Gedanken gerade woanders“, entschuldigte sie sich.
„Du bist ganz schön durcheinander“, stellte Sara nüchtern fest. „Waren deine Entwürfe nicht korrekt?“
„Doch, doch“, erwiderte Frija rasch, als sie in den Wagen stiegen. „Meine Chefin war sehr zufrieden und du weißt ja, was sie für hohe Ansprüche an ihre Mitarbeiter stellt.“
„Na dann, ab nach Hause.“ Sara legte ihren Gurt um.
„Hast du schon zu Abend gegessen?“, wollte Frija wissen.
„Ja. Matilda hatte Lasagne in den Backofen geschoben, war lecker.“
„Auch gut, dann muss ich nichts mehr zubereiten.“
Innerhalb weniger Minuten hatten sie die kurze Strecke zurückgelegt, das Haus lag einsam und verlassen im Dunkeln. Die glatte Oberfläche des Sees schimmerte wie poliertes Glas, in dem sich die schmale Mondsichel spiegelte.
„Was bin ich froh, wieder in meinem Bett schlafen zu können“, seufzte Frija und schloss die Haustür auf.
Smilla kam ihnen laut maunzend entgegen, ließ sich aber weder von Frija noch von Sara streicheln. Beleidigt setzte sie sich vor ihre Futternäpfe, obwohl diese noch bis zum Rand gefüllt waren.
„Unsere Dramaqueen“, lachte Sara.
„Oh, oh, da kenne ich aber noch eine“, stimmte Frija in das Lachen ihrer Tochter ein.
„Ach Mama, du nun wieder.“
Sara verschwand in ihrem Zimmer, während Frija ihren Trolley auspackte. Hastig stopfte sie die Schmutzwäsche in die Trommel der Waschmaschine, damit Sara keinen Verdacht schöpfte. Warum nur fühlte sie sich mit einem Schlag so schuldig? Das erotische Knistern zwischen Leif und ihr schien ihren Hormonhaushalt mächtig durcheinandergewirbelt zu haben.
Während die Waschmaschine leise rumpelnd ihre Arbeit versah, entkorkte Frija in der Küche eine Flasche Rotwein und schenkte sich ein Glas ein. Das war total unüblich, sie trank sonst nur zu besonderen Anlässen. Aber gerade in diesem Moment hatte sie das Gefühl, ihr aufgewühltes Gemüt beruhigen zu müssen. Himmelherrgott, es war doch nur Sex gewesen!
Ein helles Licht streifte die weiß gestrichene Holzbalkendecke und verwundert schaute Frija aus dem Fenster. Ein Fahrzeug wendete umständlich vor dem Haus und fuhr wieder davon. War das nicht ein Stockholmer Kennzeichen? Hastig zog sie die Vorhänge zu.
Sara steckte den Kopf zur Tür hinaus. „Was war denn das für eine Schnarchnase? Wo wollte der Typ um diese Uhrzeit hin?“
„Keine Ahnung“, erwiderte Frija. „Sonst verirren sich nur Touristen in den Sommermonaten zu uns.“
Zu ihrem Grundstück gehörten ein handtuchgroßes Stück Wald und ein Teilstück der Uferzone des Sees. Obwohl sogar ein Parken-Verboten-Schild am Wegesrand stand, nahm es damit niemand so genau.
„Sara, was würdest du von einem Hund halten?“, fragte Frija.
„Echt jetzt? Ich habe Ewigkeiten darum gebettelt und nun kommst du damit um die Ecke“, beschwerte sie sich. „Mama, du kannst mir sagen, was du willst, aber irgendetwas stimmt doch nicht?“
„Ach Schätzchen, es war doch nur so ein Gedanke. Ich jogge immer allein und so ein vierbeiniger Begleiter wäre schon ganz nett.“
„Mach was du denkst, ich gehe jetzt ins Bett.“ Sara gähnte demonstrativ.
Frija wusste, dass ihre Tochter noch lange wach sein würde, um mit ihren Freundinnen zu chatten. Aber gut, die Kids waren nur einmal jung.
„Gute Nacht, mein Mäuschen.“ Sie küsste Sara auf die Stirn.
„Gute Nacht, Mam.“
Nach einer kurzen Nacht, in der Frija nur wenig Schlaf gefunden hatte, saß sie wieder hinter ihrem Schreibtisch. Sara war in der Schule und Smilla tobte sich am Waldrand aus, während Frijas Gedanken ständig zu Leif wanderten. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er sie so in seinen Bann zog?
Immer wieder starrte sie auf das Smartphone, wischte über das Display und wartete sehnsüchtig auf eine Nachricht von ihm. Sie hatte ihm einen guten Morgen gewünscht und auch gesehen, dass er ihre Message bereits gelesen hatte. Nun ja, wahrscheinlich steckte er in einem Meeting fest oder führte ein Beratungsgespräch, wer wusste das schon. Oder hatte sie seinen Worten zu viel Gewicht verliehen?
Frija fühlte sich wie ein frisch verliebter Teenager. Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch und sie spürte eine gewisse Nervosität. Noch immer konnte sie seine forschenden Hände auf ihrem Körper spüren und seine Küsse schmecken.
Ein Blick auf die Uhr brachte sie wieder zur Räson. Hatte sie tatsächlich eine ganze Stunde vertrödelt, in der sie nur von Leif geträumt hatte?
Es fiel Frija ausgesprochen schwer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, aber letztlich hatte sie zwei erste Entwürfe abgespeichert. Zufrieden mit dem Tageswerk streifte sie sich die Sportsachen über und trat aus dem Haus. Smilla begleitete sie ein Stück des Weges, bis ein heruntersegelndes Blatt ihre gesamte Aufmerksamkeit verlangte.
Frija verfiel in einen leichten Trab und ließ sich treiben. Das Wetter war recht mild und am Ufer des Sees kräuselten sich die Wellen. Hin und wieder durchbrach die Sonne die dichte Wolkendecke und malte ein sich wandelndes Spiel von Licht und Schatten auf den mit Laub bedeckten Boden.
Frija behielt das gemäßigte Tempo bei und lief einen schmalen Trampelpfad entlang, der um den See führte. Sie liebte die Natur und konnte sich ein Leben in der Stadt nicht mehr vorstellen. Dieses Haus zu kaufen, war eine der besten Entscheidung ihres Lebens gewesen.
Allmählich kam sie in Fahrt und öffnete die Jacke, um nicht zu schwitzen. Ihre Schritte wurden vom weichen Waldboden gedämpft und der Wind fuhr leise säuselnd durch das Geäst der Bäume.
Inzwischen hatte Frija die Stelle erreicht, an der sie wendete, und verlangsamte das Tempo. Etwas glitzerte am Wegesrand und sie bückte sich, um es aufzuheben. War das nicht Saras Kette, die sie zu ihrem sechsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte?
Frija ließ spielerisch die Kette durch ihre Finger gleiten und betrachtete stirnrunzelnd den Anhänger – ein galoppierendes Pferd mit wehender Mähne. Wie die meisten Mädchen in diesem Alter war auch ihre Tochter verrückt nach Pferden gewesen und hatte unbedingt Reitunterricht nehmen wollen. Aber das gehörte schon eine Weile der Vergangenheit an. Nachdem das Schulpferd krankheitsbedingt ausgemustert und eingeschläfert wurde musste, wollte sich Sara nicht mehr diesem Hobby widmen.
Frija riss sich vom Anblick der Kette los und zog fröstelnd die Schultern hoch. Sie fühlte sich plötzlich beobachtet und gar nicht mehr wohl in ihrer Haut. Suchend schaute sie sich um, und als sie versehentlich auf einen trockenen Ast trat, erhob sich ein Schwarm Krähen lautstark protestierend in die Lüfte.
Das war für sie das Startzeichen. So schnell ihre Beine sie tragen konnten, lief sie zurück zum Haus. Unterwegs sammelte sie noch Smilla ein und öffnete hektisch die Tür. Endlich in Sicherheit.
Sie setzte die Katze auf dem Boden ab und suchte sofort Saras Zimmer auf, wo sie die Schmuckschatulle ihrer Tochter auf dem Bett ausschüttete. Nachdem sie den Schmuck vor sich ausgebreitet hatte, entdeckte sie die Kette und erst jetzt fiel ihr auf, dass die Anhänger keineswegs identisch waren.
„Ich werde noch wahnsinnig“, murmelte sie und ließ sich mit einem Seufzer auf den Bürostuhl fallen. Sie legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Warum war sie in letzter Zeit nur so schreckhaft?
Das Motorengeräusch eines sich nähernden Wagens riss Frija aus ihrer Grübelei und sie eilte zur Tür.
„Hej, was machst du denn hier?“, rief sie erstaunt.
„Dein Auftritt gestern hat mir keine Ruhe gelassen“, antwortete Matilda.
„Jetzt übertreibst du aber maßlos“, legte Frija ihr Veto ein.
„Na, da bin ich aber anderer Meinung.“
Matilda zwängte sich an ihr vorbei in den Flur und lief direkt ins Wohnzimmer. Erst jetzt bemerkte Frija das kleine Päckchen in Matildas Händen.
„Jetzt sieh mich nicht so vorwurfsvoll an, ich habe Kuchen mit dabei.“
„Da hätte ich mir das Joggen ja sparen können“, lachte Frija und verschwand in der Küche, um Kaffee zu kochen. Nur wenige Minuten später saßen sie zusammen auf der Couch und machten sich über den Kuchen her.
„So, und jetzt raus mit der Sprache: Warum bist du wirklich zu spät gekommen?“
„Matilda …“, seufzte Frija.
„Ein Mann, nicht wahr? Das sehe ich dir doch an der Nasenspitze an.“
„Ach, sag bloß.“ Frija rang mit sich, aber ihrer Freundin konnte sie nichts vormachen. „Ja, ich hatte ein Date“, gestand sie kleinlaut.
„Wusste ich’s doch.“ Zufrieden lehnte sich Matilda zurück. „Tatsächlich nur ein Date?“ Sie zog fragend eine Braue hoch.
„Okay, ich habe mit ihm geschlafen, falls du darauf anspielst. Und am Tag darauf haben wir uns noch einmal getroffen.“
„Das ist doch wunderbar“, freute sich Matilda. „Ich hatte schon befürchtet, dass mit dir etwas nicht stimmen könnte. Kein Mensch kann über Jahre hinweg wie ein Eremit dahinvegetieren.“
„Also wirklich, ich lebe doch nicht wie eine Einsiedlerin“, widersprach Frija.
„Wenn ich ehrlich bin, dann hatte es manchmal schon den Anschein“, legte Matilda nach. „Und jetzt erzähl mir alles. Wie ist er so?“ Ihre Augen glänzten.
„Er ist um einiges älter als ich, mindestens zehn Jahre. Aber immer noch fit und gut gebaut.“
Matilda nickte anerkennend. „Hat der gute Mann auch einen Namen?“
„Leif.“
„Nun lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Verheiratet oder Single?“
„Er hat gesagt, dass er seit Jahren allein lebt, und da er keinen Ehering trägt, wird das wohl der Wahrheit entsprechen.“
„Was macht er beruflich?“, hakte Matilda nach.
„Soll das ein Verhör werden?“, beschwerte sich Frija.
„Nun komm schon. Es ist das erste Mal, dass ich dich so aufgelöst erlebe und ich gönne dir das Glück von Herzen. Als ob du das nicht wüsstest.“
„Wenn doch alles nur so einfach wäre. Allein der Gedanke, Sara mit meinem Liebesleben zu konfrontieren, bereitet mir Bauchschmerzen.“
„Sie wird es verstehen, da bin ich mir sicher. Es macht doch keinen Sinn, die Gefühle zu unterdrücken.“
Ach Matilda, dachte Frija betrübt. Sie hatte bisher niemandem von ihrer Vergangenheit erzählt, zum Schutz aller. Ein Mann in ihrem Leben würde die Sache nur noch verkomplizieren – und damit war die Entscheidung auch getroffen. Sie würde Leif nicht wiedersehen.
„Matilda, wir brauchen im Prinzip nicht weiter darüber zu sprechen, das Thema ist erledigt“, sagte sie, um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen.
„Warum willst du dieser Beziehung keine Chance geben? Sara wird nicht ewig bei dir wohnen, dann bist du ganz allein.“
„Ich habe immerhin noch Smilla“, scherzte Frija.
„Hör auf mit dem Quatsch, es ist mir ernst. Du ganz allein hier draußen … allein dieser Gedanke schnürt mir die Kehle zu.“
„Jetzt mach mal einen Punkt, es ist doch noch eine Weile bis dahin. Du führst dich ja auf, als wäre das ein Weltuntergangsszenario.“
Matilda schüttelte ungläubig ihren Kopf. „Frija, irgendetwas stimmt doch da nicht.“
„Pass auf, ich werde ein Kreuzchen in den Kalender machen und diese kurze Liaison abhaken. Es war nur eine Nacht, und noch mehr hineinzuinterpretieren bringt rein gar nichts. Außerdem ist Leif beruflich viel unterwegs, er führt ein eher unstetes Leben. Keine Ahnung, ob ich dem auf Dauer gewachsen wäre.“
„Was macht er denn nun beruflich?“
„Consultant.“
„Alle Achtung, da verdient er nicht schlecht.“
„Ich habe mein Auskommen“, antwortete Frija nüchtern.
„Könnte es sein, dass du dich heute ständig auf den Schlips getreten fühlst?“, Matilda musterte sie von der Seite.
„Ich bin nach dieser Nacht ziemlich durcheinander und muss mich erst einmal sammeln. Leif ist ein ungewöhnlicher Mann, das muss ich schon zugeben. Im Bett war er einmalig, so etwas habe ich noch nie erlebt.“
„Und den willst du laufen lassen?“
„Es war doch nur eine Nacht“, erwiderte Frija gequält.
„Wer weiß, wer weiß“, lachte Matilda. „Irgendwann in nächster Zeit wird auch Sara mit einem Freund nach Hause kommen, ob dir das nun passt oder nicht.“
„Oh nein, erinnere mich bloß nicht daran“, stöhnte Frija. „Ich bin wirklich froh darüber, dass sie es so langsam angeht.“
Insgeheim musste sie Matilda allerdings recht geben, ihre heimelige Zweisamkeit mit Sara war nicht für die Ewigkeit bestimmt. Sie würde über kurz oder lang ihre eigenen Wege gehen.
„Matilda, ich muss Sara von der Schule abholen, danke für deinen Besuch.“
Sie brachte ihre Freundin zur Tür und umarmte sie zum Abschied.
„Ich wünsche dir trotzdem alles Glück dieser Welt. Du hast es verdient, mehr als jeder andere“, sagte Matilda lächelnd.
„Danke, für deine lieben Worte. Aber jetzt muss ich wirklich los.“
Frija schnappte sich die Autoschlüssel und warf einen schnellen Blick auf das Smartphone. Leif hatte noch immer nicht geantwortet.