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Vorwort

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Die Prozessionen der Karwoche in Mendrisio zählen zur Tradition der religiösen Feiern mit Beteiligung der Bevölkerung, wie die Heiligen Darstellungen, die man seit uralten Zeiten kennt und die früher sehr stark verbreitet waren. Durch die Säkularisierung im letzten Jahrhundert sind diese Bräuche jedoch fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Doch in Mendrisio wurde diese Tradition nie unterbrochen; sie ist noch heute lebendig und in der Bevölkerung verwurzelt, die Einwohner der Stadt sind in verschiedenen organisatorischen Funktionen und als Darsteller aktiv daran beteiligt. Bei den Vorbereitungen und dem Ablauf befolgt man immer noch die über Jahrhunderte hinweg überlieferten Regeln und «Rituale». Die Prozessionen sind eine Kombination aus Ritualen, Tradition, Glaube, Theater und Folklore; was sie gegenüber anderen, ebenfalls noch heute in Europa praktizierten Prozessionen auszeichnet, sind die Trasparenti: Hunderte durchscheinende, von hinten beleuchtete Gemälde. Es handelt sich um regelrechte Kunstwerke, die ab 1791-92 von unterschiedlichen Künstlern angefertigt wurden. Diese Bilder werden an den Häusern der Ortschaft entlang der Prozessionsstrecke aufgehängt, zusammen mit über 300 Lampions, die man an der Karfreitagsprozession in der Hand mitträgt. Ausserdem feiert man in der Kirche San Giovanni, des ehemaligen Klosters der Serviten Marias, die Siebentägige Feier der Trauernden Jungfrau: Jeden Abend wird einem der Schmerzen Marias gedacht und das Stabat Mater (dessen lateinischer Text Jacopone da Todi zugeschrieben wird) wird mit Originalmusik aufgeführt. Der virtuelle Raum der Kirche wird dabei durch ein Altarbild aus dem Jahre 1794, erweitert, welches eigens entworfen wurde, um die Muttergottesstatue aufzunehmen (siehe Abb. S. 21).

Die Stiftung Historische Prozessionen von Mendrisio (Fondazione Processioni Storiche di Mendrisio) setzt sich für die Bewahrung und Förderung dieser Tradition ein; zwei in unregelmässigen Abständen tagende Kommissionen überwachen den Schutz, die Erhaltung und die Restaurierung der alten Trasparenti (von denen einige im Museo del Trasparente in der Casa Croci ausgestellt sind), sowie die Anfertigung von Kopien und die Erstellung von Neuanfertigungen.


Der älteste existierende Stadtplan von Mendrisio aus dem Jahre 1885 mit den vermutlichen Positionen der ersten 10 Tore.


F. Catenazzi (?), Jesus vor Herodes, um 1795, Tor Nr. 5, und kleine Leucht-Balkone in der Via San Damiano.

Das hohe Alter und die Einzigartigkeit der Trasparenti, die Vielfalt, das Überdauern und die Vitalität dieser Traditionen waren die Gründe, die dazu führten, die Prozessionen zur Aufnahme in die Liste der Vorschläge für das immaterielle Kulturerbe der UNESCO vorzuschlagen.


Die Einreichung des Dossiers für die UNESCO-Kandidatur am 27. März 2018. Von links: Nadia Lupi, Mitglied Stiftungsrat Prozessionen, Samuele Maffi, stellvertretender Bürgermeister von Mendrisio, Davide Vitali, Bundesamt für Kultur, Giuseppe Poma, ehemaliger Präsident und Förderer der Stiftung Prozessionen, Francesca Luisoni und Giovanna Ceccarelli, wissenschaftliche Beraterinnen Ufficio dialettologia e etnografia (Amt für Dialektologie und Ethnographie) des Kantons Tessin.


Die Bruderschaft von Morbio Superiore mit den Passionswerkzeugen, Fotografie aus dem Jahre 1924.

Die Hauptbestandteile der Prozessionen sind:

1) Die 'historische' Veranstaltung, die als «Funziun di Giüdee» bezeichnet wird, am Gründonnerstagabend. Der das Kreuz tragende Christus und weitere Personen in Kostümen (Einwohner von Mendrisio) ziehen durch die Gassen und stellen das biblische Ereignis dar.

2) Der 'religiöse' Umzug am Karfreitag, der «Entierro» genannt wird, also die «Beerdigung» mit Statuen des toten Christus und der Schmerzensreichen Madonna, begleitet vom Klerus, Musikgruppen, Symbolen der Bruderschaften und rund 300 tragbaren Lampions.

3) Verschiedene Objekte und Kunstwerke: An diesen Tagen ist die Stadt mit den Trasparenti (sowohl zwischen den Häusern aufgehängte Bögen als auch Bilder und Lampions) geschmückt; an der Prozession werden die Holzstatuen der Schmerzensmutter (Maria mit den 7 Schwertern) und des toten Christus zusammen mit verschiedenen weiteren symbolischen Objekten in Form von Skulpturen und Bildern mitgeführt; die ersten Kostüme des Umzugs am Gründonnerstags hatte man 1898 von der Theaterschneiderei der Mailänder Scala anfertigen lassen; seitdem werden sie im alten Stil ausgebessert.


Ausstellung zu den Gründonnerstags-Bräuchen im Gartenpavillon hinter der Kirche San Giovanni.

Die Prozessionen der Karwoche in Mendrisio

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