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Meditation als Weg zur Befreiung seelischer Muster
ОглавлениеMorgens, nach dem Aufwachen holte ich mir also eine Kanne Tee, setzte mich auf mein Kissen ins Bett, trank einige Tassen, bis ich mich bereit fühlte.
Zuerst begann ich, mit der Verlangsamung und der Wahrnehmung meines Atems.
Ich beobachtete ihn und achtete zusätzlich darauf, jeden kommenden Gedanken wieder ins Nichts aufzulösen und gehen zu lassen.
Dann bemerkte ich irgendwann, dass es mir auch gut tat, mich noch bewusster körperlich zu entspannen, mich also auf einzelne Muskelpartien zu konzentrieren und somit von Stress und Anspannung loszulassen. Dies hatte auch ein geistiges Loslassen zur Folge. Ich sank also rückwärts in mein Bett, bis ich mich, und alle Körperteile, vollkommen losgelöst ja förmlich "schlapp" fühlte. Dann befand ich mich in einer relaxten, entspannten Haltung, die mir tatsächlich erlaubte meine innere Körpervibration zu spüren ohne für einige Minuten zu denken.
Der nächste Schritt war nun, davon loszulassen, überhaupt irgendetwas spüren zu wollen, und von meinem Willen loszulassen, "Nichts" denken zu wollen, es versetzte mich tatsächlich nach monatelanger Übung für einige Minuten in eine Art Vakuum, dass dem so viel erläutertem "Nichts" gleichkommt.
Dieses "Nichts", das wie eine minutenlange Lücke zwischen den Gedanken darstellt, fühlt sich gleichzeitig ewig oder unendlich an.
Als ob man in das Unendliche unseres Universum hineinguckt und eine Ahnung von Zeit- und Raumlosigkeit bekommt.
Diese Momente des "Nichts" sind gleichzeitig unendlich entspannend. Es ist ein Loslassen von allem was ist, was gleichzeitig beinhaltet, dass man "alles- was- ist" akzeptiert, wie es ist und es SEIN lässt.
Die Zeit erschien mir plötzlich so, als ob sie langsamer vergeht.
Man ist nach einer halbstündigen Meditation erstaunt, dass nicht etwa zwei - oder drei Stunden vergangen sind.
Es ist, als ob man Zeit dehnen könnte.
Die ersten Gedanken, die mir
nach
einer solchen "Lücke des Denkens", dem "Nichts", in den Kopf kamen, waren dann für mich fast ausnahmslos, sehr klar und für mich oft von Bedeutung.
Sie sind meist sehr scharf, durchsichtig und oft ein genauer Fingerzeig auf die Lösung zu einem ureigenen Problem.
Wenn man diese Methode öfter anwendet, merkt man, dass das bisherige normale Denken eigentlich kaum wirkliche seelische Probleme lösen kann, sondern sogar eher schafft. Denn im Denken bewerten und verurteilen wir Geschehnisse in unserem Leben nur aus
geistiger
Sicht.
Doch liegt dem eigentlichen Problem in uns häufig ein
seelischer
Schmerz zu Grunde, den wir mit unserem Kopf gar nicht fähig sind zu lösen. Denn die Ursache dieses Gefühlsschmerzes ist meist in unserem frühen Leben, der Kindheit verborgen, zu welcher wir mit unserer Logik gar keinen Zugang haben.
Das menschliche Erinnerungsvermögen bezieht sich nämlich meist erst auf eine Zeit
ab
dem
Lebensalter von drei Jahren.
Bei der Auseinandersetzung mit meinem damaligen Freund beispielsweise, dem ich voller Wut vorwarf, dass er sich mir gegenüber nicht gerecht verhält, bemerkte ich, dass der Streit und das Verhalten meines Freundes nicht (nur) das Problem sind, sondern sie stellten auch symbolisch eine fehlende gerechte Anerkennung meines Selbst oder ein "Sich-nicht-geliebt-fühlen" dar, was irgendwo in mir selbst bestand und in dem Falle aus meinen jungen Jahren herrührte.
Sozusagen "triggerte" der Streit mit meinem Freund eine alte Ur-Angst in mir, ein altes Gefühl aus meiner frühen Kindheit, die mein Geist ausschließlich auf das jetzige, aktuelle Problem bezog.
Dies war am Ende also ein Hinweis auf meine eigentliche, innere Verletzung, die ich so, in meinem normalen Leben bisher nicht hatte wahrnehmen können.
Dazu hatte ich mir unbewusst einen bestimmten Verdrängungsmechanismus anerzogen: Ich ging in meine Logik, in mein Denken und versuchte das Problem vom Geiste her zu lösen. Dies hielt mich jedoch davon ab, es zu
fühlen
. Denn solche seelische Verletzungen sind nicht denkbar, sondern nur fühlbar.
Meditation war deshalb für mich eine gute Methode. Man bringt also den Geist zur Ruhe, das Denken, um endlich Kontakt zu den eigenen Gefühlen und zum Seelenleben aufzunehmen.
Ich gewöhnte mir an, bei Konflikten irgendwie Zeit und Raum zu schaffen, in denen ich meditieren konnte und wenn es zwischendurch auf der Toilette wenigstens 10 Minuten waren, die ich in mein damaliges, stressiges Arbeitsleben einschob.
Ich versuchte wirklich damit aufzuhören, Dinge logisch und im Kopf zu lösen.
Der bessere, neuere Weg für mich war, "ES" in der Meditation "kommen zu lassen, "ES "passieren-zu-lassen". Hierin konzentrierte ich mich auf die Körperzonen, wo der Gefühlsschmerz „erschien“ und versuchte dran zu bleiben, an dem verletzten Kind. Ich tat nichts dabei, fokussierte mich nur auf ein völliges Loslassen und Fallenlassen, wie ein Baby, was sich bei der Mutter endlich anschmiegen darf.
Hier eröffneten sich mir plötzlich wahrhaftige, wirkliche Weisheiten, es kamen Gefühle auf, auch Ideen und Lösungen zu Problemen, die ich niemals erahnt hätte.
Es fühlte sich jedes Mal an, wie eine Geburt. Ich "gebar" Antworten nur durch das "Nichts- Tun" und sich "Fallen- Lassen" ohne irgendetwas dafür zu "machen" oder anstrengend über etwas nachzudenken.
Also
nach
dieser "Gedanken-Leere" in der Meditation kam mir plötzlich aus dem "Nichts" ein neues Grund- und Lebensgefühl, das zu tiefgreifenden Veränderungen in meinem Verhalten führte.
Ich begann mich sogar manchmal vor der Meditation zu "programmieren", also zum Beispiel stellte ich eine Frage zu einem Sachverhalt in meinem Leben direkt davor.
Nach dieser absoluten "Leere", der Verbindung mit dem großen Einen, also der Meditation, kam dann eine Antwort, die meistens darauf hinwies, wo die eigentliche Ursache liegt.
Das Aufhören des Denkens heißt gleichzeitig ein Loslassen von allem was ist, und bedeutet eine ausnahmslose Hingabe an das Leben.
Ich gebe mich also allem hin, egal was passiert, welche Vibrationen und Gefühle mich durchströmen, welchen Schmerz ich empfinde. Ich lasse es geschehen und beobachte wie ein Filmvorführer meinen eigenen Gefühlsfilm, der in meinem Körper herum rumort und sich oft in allerlei Schmerzen und brodelnden Energien im Leib ausdrückt, oft aber auch ausbleibt und einfach stumm in die Leere hinein gähnt und nichts als "Nichts" in sich selbst verlauten lässt.
Dieses unendliche "Nichts" also, das bei mir anfänglich erst sekundenlang andauerte und dass ich mit mehr Übung irgendwann auf Minuten, dann Stunden dehnen konnte, erscheint anfänglich wie eine Pause des Denkens.
Doch dieser Spalt zwischen den Gedanken beinhaltete für mich noch etwas ganz Großartiges: Er erlaubte mir nämlich einen Blick auf das große Universum, das was uns alle verbindet, ich bekam eine Ahnung von dem "was ist" ist, von etwas wie Gott oder der Göttin, dem "Great Spirit", dem "Einen, Großen und Ganzen".
Aber vor allem spürte ich nach einer solchen Meditation sehr oft, dass eine tiefgreifende und nachhaltige Heilung sich in mir vollzog und dass ich endlich ein Problem wirklich an der Wurzel angepackt hatte. Manchmal umfing mich danach eine liebende, warme fast heiße Energie, die durch meinen Körper strömte, mich dann nächtelang nicht schlafen ließ, eine Energie, als ob man frisch verliebt wäre, ein Jungbrunnen, ein Glückselig- Sein.
Und ich begann allmählich ein tiefes Vertrauen in meine eigene Kraft und Macht zu entwickeln, die mir erlaubte alles was mich am "Glücklich- Sein" hindert, loszulassen und mich immer freier und befreiter zu fühlen.
Irgendwann erreichte ich in der Meditation eine solche Beruhigung meines Selbst, dass ich kaum noch spürte, dass ich überhaupt atmete.
Ich fühlte in mir eine innere, ewige nie gekannte Stille.
Ja am Ende erfuhr ich dieses absolute Still- Sein, als eine tiefe, erdige, innere Ruhe, einen inneren Gleichmut, eine Gelassenheit, Dinge zu sehen, welche mir wiederum im Alltag half, auf Menschen und Situationen anders zu reagieren und vor allem half, mich in meinem Leben vom Reagierenden zum Agierenden zu entwickeln.
An diesem inneren Ort, dem Ort des "Nichts", fühlt man sich so "Ganz" und glücklich mit sich selbst, dass man empfindet, unabhängig von der äußeren Umwelt zu sein..
Man weiß einfach, dass man sich jederzeit selbst "retten" kann, man weiß um den Ort der Stille, da, wo es einem endlich wieder gut geht, wo man Stärke, Kraft schöpfen kann, Klarheit, Weisheit.
Man lernt das Allein- Sein zu schätzen, ja es sogar zu suchen und erfährt Liebe zu sich selbst in seiner allerhöchsten Form.
Im Alltag begann ich mir jeden Morgen zwei Stunden einzurichten, in denen ich meditierte. Später nutzte ich jegliche Freizeit, an den Wochenenden sogar ganze Tage.
Doch war inmitten der gesellschaftlichen Umstände, in denen ich mich damals befand, mir nicht jederzeit und immer die Gelegenheit gegeben, das auf jeden Fall durchzuhalten.
Ich lernte auch kurze Pausen, wie U- Bahn- und Busfahrten dafür zu nutzen.
Ich hatte jedoch ein beständiges Grundgefühl, mehr Zeit zu brauchen, mehr Ruhe, mehr Gelegenheit, um wirklich das Tiefste in mir anzuschauen und innere Konflikte zu lösen.
Da beschloss ich, auf den Jakobsweg zu gehen, mir etwa zwei Monate Zeit zu nehmen. Hier entdeckte ich das Langsam- Gehen.