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Kapitel II

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комната вскрытия - Obduktionsraum - stand auf der wuchtig anmu­ten­den, doppelflügeligen Tür. Der einsti­ge Glanz des Edelstahls war im Laufe der Jahrzehnte zu einer matten, mit Kratzern übersäten, un­ansehnlichen Ober­fläche verkommen. Der Einsatz scharfer Scheuermittel hatte aber nicht nur auf dem Metall seine Spuren hinterlassen: Auch das Glas der beiden bullaugenähnlichen Fenster, die in je einem der Flügel in ge­nieteten Rahmen für einen Ein- oder Ausblick sorgen sollten, war stumpf geworden. Nicht blind, aber man konnte dahin­ter nur noch schemenhaft Strukturen erken­nen.

Vor dieser Barriere, der Grenze zwischen den Lebenden und den Toten, stand der junge Uniformierte und starrte vor sich auf den Boden. Betroffen zum einen und ängstlich, verlegen zum anderen. Sein erstes Mal. Nicht dass er im Laufe der Aus­bildung schon den obligatorischen Gang in die Gerichts­medizin hinter sich gebracht hatte. Heute war es etwas an­deres. Scheu blickte er auf und als er merkte, dass seine Be­gleiterin in den Anblick einer Fotografie vertieft war, er­laubte er seinen Augen, einige Momente auf der jungen Frau zu verweilen. Zusammengesunken, fast kauernd, saß sie auf einem der Plastikstühle und hielt das Bild mit beiden Hän­den geradezu andächtig vor ihr Gesicht. Ihre Lippen formten stum­­me Laute, fast, als würde sie allein in einer Kirche sitzen und innig beten. Sie war schlank, zierlich, aber nicht dünn. Ihr ebenmäßiges Gesicht wurde eingerahmt von einigen lo­ckigen Strähnen, die nicht wie der Rest ihrer blonden Haare in dem wilden Dutt an ihrem Hinterkopf gezähmt waren. Das Blau ihrer Augen konnte er auch aus dem ge­bo­tenen Abstand noch leuchten sehen, die Stupsnase, gerötet vom Ge­brauch zu vieler Taschentücher, stand gerade über dem kleinen, aber volllippigen Mund. Zerbrechlich wirkte das Mäd­chen, und erschöpft. Er kannte ihre Geschichte und wuss­­te, dass ihr das Leben in ihren jungen Jahren schon zu viel zugemutet hatte. Umstände, die ihr schon früh Verant­wor­tung abgerungen hatten, die Entscheidungen und Taten er­forderten, denen Menschen in ihrem Alter eigentlich noch nicht ausgesetzt werden sollten. Und wenn sich gleich hinter dieser Tür, die so abweisend kalt den Raum dahinter ver­schloss, die Vermutung bestätigen würde… ein weiterer Schick­­salsschlag für seinen Schützling, als den er sie zumin­dest für den Moment ansah. Da sie immer noch das Foto betrachtete, von dem er nur vermuten konnte, was darauf zu sehen war, studierte er die zarten Finger, die schlanken Bei­ne. Ihm fiel auf, dass sie die Füße, die in weinroten Stie­feletten steckten, ein wenig nach innen gedreht hatte, was ihre Ver­letzlichkeit in dieser Situation noch unterstrich.

Da waren sie nun: Er, wahrscheinlich kaum fünf Jahre älter als sie, und die blonde Frau, zwei Fremde, die sich erst kurz zuvor getroffen hatten, um an diesem unwirtlichen Ort zu­sammen zu warten. Zu warten, dass entweder eine schreck­liche Ahnung zur nicht minder schrecklichen Gewissheit würde oder aber, dass die Erleichterung einen Atemzug lang durch den Körper strömte, um dann der zernagenden Unge­wissheit wieder jenen Raum zu geben, der von allen anderen Gedanken Besitz ergriff.

Jetzt blickte sie auf, jedoch richtete sie ihre traurigen Augen nicht auf ihn, sondern auf die Uhr, die ihr gegenüber neben der Stahl­tür an der Wand hing. Was sie sah, löste keine er­kenn­­bare Reaktion aus: keine Langeweile, keine Ungeduld, keine Verärgerung. Wahrscheinlich schaute sie nur auf die Uhr, weil es Menschen, die auf etwas warten, einfach tun – und fragte man sie nach der Zeit, sie wüssten die Antwort nicht…

Hinter den Bullaugen veränderte sich das Licht ein wenig und kurz darauf öffnete sich ein Türflügel nach innen. In der Öffnung erschien ein Mann, vielleicht Anfang sechzig, unter­setzt. Sein langer weißer Kittel war schmuddelig, die Finger, die an der Tür zu sehen waren, ungepflegt. Um seinen Hals baumelte eine OP-Maske und die dicken Gläser seiner Weit­sichtbrille vermochten nicht, seinen glasigen Blick zu ver­schleiern. Ebenso wie die rote Nase und das aufgedun­sene Gesicht gab er davon Zeugnis, dass auch am heutigen Vor­mittag schon zu viel Vodka die Kehle des Rechts­medi­ziners benetzt hatte.

модойдите сюда“, grunzte er kaum verständlich und ohne Begrüßung. Kommen Sie.

Er trat einen Schritt zur Seite.

Zögerlich erhob sich die junge Frau, sah unsicher zu dem Uniformierten und trat, nachdem dieser genickt und mit der Hand Richtung Tür gewiesen hatte, in den Raum. Der junge Mann blieb dicht bei ihr. Schüchtern sah sie sich um, wäh­rend sie dem Arzt zu einer Wand aus Kühl­fäch­ern folgte, de­ren Stahltüren ebenso abgenutzt und über­al­tert aussahen, wie die am Eingang. Sie fröstelte augen­schein­­lich, schob die gestrickten Pulswärmer bis über die Hand­fläche, stellte den Kragen ihres Mantels auf und zog den Schal etwas enger. Wie­der suchte sie Augenkontakt zu dem Beamten, der ihren Blick unbeholfen erwiderte und sich dann dem Kühlfach zu­wandte, an dem sich der bekittelte Mann zu schaf­fen mach­te. Die Tür schwang auf und eine Bahre wurde sichtbar. Ein La­ken, weiß und sauber, deckte den mensch­lichen Kör­per ab, der auf der metallenen Schublade lag. Der Pathologe zog sie heraus, bis etwa die Hälfte davon in den Raum ragte. Ohne Ankündigung, ohne vorbereitende Worte und ohne die Fra­ge, ob sie denn bereit sei, schlug er das Lei­nentuch zu­rück, so dass Kopf und Schul­tern einer jun­gen Frau zum Vorschein kamen. Der Tod war gnädig mit ihr ge­we­sen. Die an Alabas­ter erinnernde Haut war un­versehrt, die Augen und Lippen waren geschlossen. Sie strahl­te eine para­doxe Friedlichkeit aus, fast, als würde sie schlafen. Der Poli­zist konnte sich dem zarten Antlitz der To­ten ebenso nicht ent­ziehen wie zuvor auf dem Gang dem Anblick seines Schütz­lings. Trotz der schulterlangen, rot­gefärbten Haare der Verstorbenen war die ver­wandt­schaft­liche Bezie­h­ung zu seiner Begleiterin leicht zu erkennen. In­nerlich sank er ein wenig zusammen. Wie musste sie sich füh­len? Er sah hin­über und bemerkte, dass sie vor sich auf den Boden starr­te – sie hatte es noch nicht fertiggebracht, den Leichnam an­zu­sehen. Und wie sie da­stand, noch hilfloser und angreif­barer als zuvor, hätte er ihr die Notwendigkeit am liebsten erspart, auch wenn er wusste, dass dies nicht mög­lich war. Doch bevor er sich mit trösten­den Worten an die Frau wen­den konnte, raunte der ungedul­dig wirkende Arzt ein bar­sches „это ее?Ist sie es?

Die Frau blickte auf und sofort zeigte sich der Schmerz auf ihrem Gesicht. Es dauerte eine Zeit, bis sie schweigend nickte und sich, bevor einer der beiden Männer es hätten ver­hin­dern können, nach vorne beugte und der Toten einen Kuss auf die Stirn gab. Dann wandte sie sich dem Polizisten zu, den die feste, fast entschlossene Stimme überraschte, als sie ihn bat, ihr genau zu erzählen, was passiert sei.

Höllenteufel (Leseprobe)

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