Читать книгу Titus Schulgeschichten I - Andreas Dietrich - Страница 6
Schon wieder zu spät, Ahmed
ОглавлениеFür die neuen Schüler und Schülerinnen hatte das neue Schuljahr um acht Uhr begonnen. Alle anderen Schülerinnen und Schüler mussten erst zur zweiten Stunde erscheinen. Sie konnten heute ausschlafen.
Nicht jedem Schüler reichte die eine Stunde länger zu schlafen. Die meisten Schüler waren pünktlich um acht Uhr fünfzig anwesend. Nur Ahmed schaffte es einmal wieder nicht. Er kam wieder einmal zu spät.
Ahmed war selten pünktlich. Meist kam er eine Minute nach dem Klingeln in den Klassenraum. Es kam aber ab und zu auch vor, dass Ahmed erst später erschien. Das war auch heute so.
Ahmed ließ sich immer wieder eine Geschichte einfallen, warum er mehrere Minuten zu spät kam. Seine Klassenkameraden und Klassenkameradinnen waren auch heute gespannt, welche Geschichte Ahmed diesmal erzählen würde.
Stefan kannte Ahmed noch nicht. Stefan war unser neuer Lehrer an der Schule. Alle an der Schule waren gespannt, wie Stefan die Geschichte von Ahmed aufnehmen würde. Kein Lehrer und keine Lehrerin glaubte bisher den Geschichten von Ahmed. Sollte das bei Stefan anders sein?
Bevor Stefan entscheiden konnte, ob er der Geschichte von Ahmed glauben konnte oder nicht, musste Ahmed erst einmal seine Geschichte erzählen. Als Ahmed fünfzehn Minuten nach dem Klingeln in den Klassenraum kam, wurde er von Stefan zur Rede gestellt.
„Du bist wohl Ahmed“ fragte Stefan. Ahmed bestätigte es mit einem kurzen Ja. Er hätte auch eine Entschuldigung parat. Die anderen Schüler und Schülerinnen lachten. Sie kannten Ahmed ja.
Ahmed erzählte seine Geschichte, weswegen er zu spät kam. Stefan und die anderen Schüler und Schülerinnen lauschten der Geschichte.
„Ich stand heute wie immer auf, wenn Schule war. So als ob ich zur ersten Stunde musste. Ich bin dann in die Küche gegangen und habe mir mein Frühstück gemacht. Nach dem Frühstück bin ich dann ins Bad gegangen. Ich habe geduscht und mir meine Zähne geputzt. Dann habe ich mir meine Kette mit meinem Kreuz umgelegt.
Ich wollte mich gerade fertig machen, Jacke anziehen, Schuhe und so. Da fiel mir ein, dass ja der erste Schultag war. Ich musste ja gar nicht zur ersten Stunde. Da ich sowieso nicht gut geschlafen hatte, entschied ich mich, mich noch einmal aufs Bett zu legen. Das habe ich dann auch getan.
Ich bin dann wohl wirklich eingeschlafen. Glücklicherweise bin ich aber noch rechtzeitig wach geworden. Ich wollte sogleich in den Flur gehen und mir meine Jacke und Schuhe anziehen. Da merkte ich, dass meine Kette weg war. Ohne meine Kette gehe ich nicht aus dem Haus. Also suchte ich meine Kette.“
„Du hast aber gar keine Kette um“ erwiderte Stefan. „Stimmt. Ich habe sie dann auch nicht gefunden. Ich wollte nicht zu spät zur Schule kommen, also habe ich dann doch ohne Kette das Haus verlassen.“
„Das hast du ja auch super geschafft“ sprach Stefan ironisch. „Was habe ich geschafft“ fragte Ahmed. „Na, nicht zu spät zum Unterricht zu erscheinen. Die Stunde läuft ja schon fünfzehn Minuten“ erwiderte Stefan.
„Das passt doch“ sprach Ahmed. „Eine Stunde sind sechzig Minuten. Ziehe ich jetzt fünfzehn Minuten ab, so sind es noch fünfundvierzig Minuten. So lange dauert doch eine Schulstunde.“
Stefan schüttelte mit den Kopf. „Ja, da hast du im Prinzip recht. Die Schulstunde dauert aber nur noch dreißig Minuten!“
„Echt“ fragte Ahmed. „Dann geht eine Schulstunde nur noch dreißig Minuten? Super!“
Stefan schüttelte wieder den Kopf. Das war ein verlorener Kampf. Ahmed sollte sich auf seinen Platz setzen. Das tat Ahmed auch.
Ahmeds Banknachbar flüsterte zu Ahmed. „Seit wann bist du denn religiös? Du hattest doch noch nie eine Kette um den Hals?“ Ahmed antwortete „Was nicht ist, kann ja noch werden“.
Ahmeds Banknachbar erwähnte, morgen müsse Ahmed mit einer Kette vorbeikommen, sonst glaubt der neue Lehrer die Geschichte nicht.
Ahmed kam mit keiner Kette in den Unterricht. Dafür hatte Ahmed auch eine Geschichte parat. Vielleicht gab es jemanden, der ihm diese Geschichte abkaufte. Die heutige Geschichte hatte nur einen Gläubigen: Stefan.