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Thomas. Und die Studenten.

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Er stand auf und ging aus der Sitzreihe heraus. Dann verließ er den Saal, obwohl der Professor seine Vorlesung noch nicht beendet hatte. Er hatte genug. Für heute. Einige Augen sahen ihm nach. Viele waren sowieso heute nicht im Hörsaal. Der Prof war bekannt für interessante Themen. Aber auch für schlechte Vorlesungen.

Er ging in die Cafeteria. Löste sich einen Kaffee am Automaten. Ein Tisch war noch frei, dort setzte er sich hin. Keine bekannten Gesichter heute hier. War aber auch kein Wunder. Denn er kannte so gut wie keine anderen Studenten. Das Semester, sein erstes Semester, hatte schon vor zwei Monaten begonnen. Genug Zeit, andere Studenten kennenzulernen. Aber irgendwie war er doch anders als die anderen. Als die meisten anderen. Es gab noch einige wie ihn, aber in diesem Studiengang nicht sehr viele. Seniorenstudenten heißen sie. Während bei Geschichte, Ägyptologie und Kunstgeschichte diese Alten die Hörsäle geradezu belagern und überbevölkern, war das in seinem Studienfach anders. Und er hatte auch gar keine Lust, sich auf andere Alte einzulassen. So alt war er ja nun auch noch nicht. 65 Jahre wohl, so würden die meisten ihn schätzen. Die, die ihn schätzten, wußten, daß er 68 war. Sein würde. Im Juli.

Einmal hatte ihn eine Ältere angequatscht. Am Ende der Vorlesung wollte sie ihn wohl auf einen Kaffee festhalten. Er war aber unwillig. Hörte gar nicht zu. Unhöflich wollte er eigentlich nicht sein, aber er mußte es. Notwehr. Oder so ähnlich. Er sah sie ein paar mal wieder – nicht.

Jetzt saß er allein an dem runden Tisch. Ein paar Stühle so sinnlos wie er. Am Nachbartisch drei Studenten. So Anfang 20. Er hatte sie noch nie gesehen. Wohl anderes Studienfach. Oder anderes Semester. Zwei Männer. Gibt es das. Männer mit Anfang 20. Sind doch Kinder. Und eine Frau. Ein Mädchen. Sie lachten. Ihn nervte es. Der Kaffee war inzwischen nicht nur trinkwarm, sondern trinkkalt. Zu heiß kam er aus der Maschine. Den richtigen Zeitpunkt fürs Trinken gab es hier nicht. Der Kaffee übersprang immer den genießbaren Temperaturbereich. Sublimation. Vom festen in den gasförmigen Zustand. Oder umgekehrt. Vom ungenießbaren in den ungenießbaren Zustand. Ohne Umweg über den genießbaren. Dafür war er aber billig. Und hatte eine schöne Farbe. Und einen schönen Geruch. Und keinen Geschmack auch.

Schon wieder lachte sie. Frau. Das. Mädchen. Er schaute hinüber. Strafend. Sie war ganz hübsch. Ungeschminkt. Natürlich. Sie lachte. Laut. Die Jungen hörten es. Verstanden es. Nicht. Erwiderten es. Sie freuten sich. An ihr. An ihrem Lachen.

Jetzt sah sie. Daß er sie sah. Sie sah ihn. Was will der Alte. Sie wandte sich wieder den Jungen zu. Irgendeine Hausarbeit machten sie wohl zusammen. Viel Papier lag auf dem Tisch. Unter den Pappbechern. Ränder hatten sie. Die Becher auf dem Papier. Es wurde wieder still. Am Nachbartisch. Der Kaffee floß über seinen Unterschenkel. Er wußte nicht, ob er zu heiß oder zu kalt war. Der Unterschenkel wußte es. Lorenz hatte ihn ausgekippt. Hat er nicht gewollt. Aber es war geschehen. Der andere Lorenz begriff am Schnellsten. Er nahm eine Papierserviette – es gibt hier keinen Mangel an nichts, vor allem nicht an Papierservietten. Die kann man vorne an der Theke, bei der man sein Tablett auf einer Ablage abstellen und mit dem Strom der Menschen weiterschieben kann, um es, d.h. die ausgewählten Getränke und Speisen, zu bezahlen, nehmen. Einfach nehmen. Georgia läßt das durch, sie schaut nicht so auf die Zahl der Servietten. Anders als Petra. Obwohl Petra auch nichts davon hat, daß weniger Servietten genommen werden. Mehr Servietten werden Petra auch nicht vom Gehalt abgezogen. Ist jedenfalls die allgemeine Meinung. Sagt man – und tupfte damit auf dem Ende seiner Hose. Nicht seiner, sondern von dessen. Die Sprache, die Menschen in der Sprache, verwechseln das. Meistens. Die Hand. Die von dem anderen Lorenz. Nicht.

Der Kaffee war jetzt kalt. So schnell geht das auf einer Hose. Schneller als anderswo. Wenn der Kaffee zu heiß ist, sollte er ihn über die Hose kippen. Dann ist er im Nu kalt. Aber geht nicht. Jetzt war er schon zu kalt – ihm war es unangenehm. Und der andere Lorenz tupfte immer noch, der richtige Lorenz hatte sich auch Servietten genommen. Um so zu erscheinen, als wolle er auch mal. Tupfen. Sie nicht. Sie wollte nicht so erscheinen. Sah zu. Wie er abgetupft wurde. Sein Hosenbein. Lachte. In das Hosenbein. Auf das Hosenbein.

„Heike“. „Hermann – mit einem ‚r‘“. Hallo Hermann. Das ist Lorenz – und an Deinem Bein hängt der andere Lorenz. Niemand weiß, wie er heißt. Auch seine Mutter nicht. Sagt er. Und sie. – Thomas. Hermann vom Denkmal ist mein Nachname. Thomas Hermann. Komplett. Lorenz zögerte, sagte dann: Sie sind aber kein Studierender! Du. Ich bin es. Seniorenstudium. Für Alte, die meinen, noch was erleben zu sollen. Zu wollen. Oder so. Wir zahlen viel. Füttern Euch durch. Und zahlen den Kaffee, den ihr dann über uns schüttet.

Wollen Sie nicht Ihren Stuhl zu uns schieben? – Du! … Du? Ach. – Geographie macht ihr. Ist das jetzt schon ein echtes Studienfach? Ich dachte, das machen Sportlehrer nebenbei.

Und Du? Wenn keine Geographie, bleibt nur Mongolistik. Für Leute wie Dich. Mich? Kennst Du solche Leute wie mich? 27 Jahre habe ich gearbeitet. Dann war irgendwann Schluß. Eigentlich wollte ich noch länger machen, aber dann ergab es sich so. Ich wurde ergeben. Ergab mich. Die Kindereien hier gefallen mir. Es geht ein bißchen langsam zu. Aus dem Beruf heraus habe ich da noch einen gewissen Vorsprung. Bald nicht mehr. Das spüre ich schon. Jetzt. Dann muß ich sehen, ob ich weitermache. Denn so richtig studieren will ich eigentlich nicht. Will nur ein warmes Dach überm Kopf. Und eine Mahlzeit am Tag. Fast wie im Knast.

Zweites Semester. Habe im Sommersemester angefangen. Wie nur wenige. Die beiden Lorenzen sind schon im 3. Sind ordentlich und haben im Winter angefangen. Aber das merkt man kaum. Das mit Sommer und Winter. Und das mit 2. und 3. Semester. Und daß Männer sich angeblich besser orientieren können. Auf Landkarten und so.

Tut mir leid. Der Kaffee war keine Absicht. Ich wollte Heike gerade etwas zeigen. Passiert mir manchmal. Aber auf Karten passiert mir das nicht. Kein Problem. Jetzt ist das Hosenbein schon fast wieder trocken. Und was macht Ihr genau? Sieht nach Hausarbeit aus. Oder? Gruppenarbeit. Zu meiner Zeit hieß es Gruppensex. Hat man aber nicht in der Cafeteria gemacht – und dann nicht auf dem Tisch. Eher drunter. Gruppenarbeit. Müssen wir am Freitag Mittag abgeben. Das meiste, was wir haben, ist das, was fehlt. Andere Gruppen liegen da besser. Wir haben uns in meinen ersten Wochen hier gefunden. Da war ich noch ganz frisch. Die Lorenzen wußten schon alles. Dachten sie. Ich auch. Und ich muß noch morgen und übermorgen in der Kneipe arbeiten. Geld und Trink verdienen. Das wird eng. Mit der Gruppenarbeit. Die beiden Lorenzen arbeiten nicht. Nie. Brauchen nicht.

Ich muß mal. Meine Aufseherin sucht sicherlich schon nach mir. Vielleicht sieht man sich. Hier. Ja. Vielleicht. Bis.

Sie saß schon wieder. Der andere Lorenz brachte jetzt alle Pappbecher weg, den Rest schüttete er aus. An der Theke. Der Tisch war jetzt sauber, keine Gefahr eines Pappbechers.

Heike trieb zur Eile. Die Lorenzen.

Zur ersten Vorlesung war er pünktlich. Heute war es anders. Nicht die Vorlesung. Seine Stimmung. Er ging wieder in die Cafeteria. Setzte sich nicht. Keiner da. Von den drei. Ging in die Bibliothek. Blieb dort mehrere Stunden. Kein Essen. Abend. Zur ersten Vorlesung war er pünktlich. Irgendetwas war anders. Anders als anders. Er ging in die Cafeteria. Keiner da. Bibliothek. Freitag. Vorlesung. Keine. Auf dem Weg Richtung Cafeteria sah er Heike. Sie stand allein. Da. Gar nicht. Sie hatte auf Lorenz gewartet. Der auf dem Tö war. Jetzt stand er neben Heike. Der Lorenz. Und der andere Lorenz. Auch. Wo kam der jetzt her. Heike sah ihn. Als erste. Er ging zu ihnen. Thomas. Wie vor ein paar Tagen. Und vor einigen Jahren. Heike – Lorenz mal zwei. Hast Du keine Vorlesung. Ach, ja, gibt es bei Mongolistik ja auch nicht. Ihr seid doch nur 1 Student. Oder. Ich bin nur – 1. Ihr seid – 2 oder 3. Wir wollen uns draußen auf die Mauer setzen. Schönes Wetter. Nach dem Regen. Ist noch kalt, aber geht schon. In zwei Monaten ist schon echter Frühling. Spürt man schon heute.

Ich komm mit. Muß mich aber warm anziehen. Sonst kriege ich Ärger. Ärger als sonst. Und dann muß ich lange Unterhosen anziehen. Wie bei der Bundeswehr. Das kennt ihr ja schon lange nicht mehr. Unterhose. Und lange Bundeswehr.

Heike setzte sich als erste. Im Schneidersitz. Saß sie. Du erkältest Dich von unten. Frauen sind da doch besonders empfindlich. Dachte ich ja bloß. Zug und Kälte von unten. Oder der Seite. Oder oben. Oder sonstwoher. Ist immer ganz schlecht für Frauen. Lorenz setzte sich auf ein Buch. Warm war es so. Der andere Lorenz auch. Er stand, blickt auf sie. Sie saßen wie auf einer Hühnerleiter. Einen Pappbecher in der Hand. Sie hatten sich diesen in der Cafeteria geholt. Bei Petra – sie hatte mit Georgia getauscht. Normalerweise ist heute Georgia dran. Petra hat aber. So ist sie. Was macht Eure Gruppe. Ich meine: Eure Arbeit. Heute ist Freitag. Ihr müßtet abgeben. Ja, Papi. Haste Dir gut gemerkt. Leistungstest bestanden. Verblödungstest auch. Und, was ist Eure Lösung. Keine. Keine Lösung. Keine Gruppenarbeit. Keine Lösung. Aber Ihr müßt doch etwas abgeben. Oder braucht Ihr nicht. Doch, eigentlich schon. Aber Heike hätte. Hat sie aber nicht. Wegen der Kneipe. Das hat einfach zu lange gedauert, abends. Wenn ich nach Hause komme, ist es 1 Uhr. Und dann kann ich nicht schlafen. Und morgens dann für die Gruppe arbeiten, geht nicht. Ihr habt es aber gewußt. Daß ich arbeite, meine ich.

Er stand jetzt ganz gerade. Ich muß noch in eine Vorlesung. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder. Ja. Vielleicht.

Er dachte nicht mehr an Lorenz. Oder den anderen. Auch nicht mehr an Heike. Er hätte sie fast übersehen, wäre fast in sie hineingerannt. Konnte gerade noch. Heike. Herr… Thomas. Was macht Eure Arbeit. Was hat sie gemacht. Ärger. Nur Ärger. Und habt Ihr. Ja. Aber war ganz beschissen. Also durchgefallen. Keine Ahnung. Das wissen wir erst in drei oder vier Wochen. Ist so ein Gefühl. Auch von dem anderen Lorenz. Und von Lorenz. Wir haben einen Teil der Aufgabe nicht gelöst. Wegen der Kneipe. Aber immerhin. Wir haben abgegeben.

Lorenz ist in der Cafeteria. Kommst Du mit. Ja. Der andere Lorenz ist wahrscheinlich auch da. Seid Ihr eigentlich Zwillinge. Du meinst: Ich und Lorenz. Das wäre ne Herausforderung. Nein. Ich treffe Euch immer im Paket. Ja hat sich so ergeben. Und ich finde die beiden auch sehr in Ordnung. Und wir können gut zusammenarbeiten. Wenn wir es schaffen. Manchmal geht es ganz gut. Nicht so wie bei der Hausarbeit. Das gibt es auch.

Lorenz. Hallo Herr… Thomas. Der andere Lorenz: Tach. Ich muß heute abend wieder arbeiten. Sonst komme ich mit dem Geld nicht hin. Heike gibt für irgendetwas das viele Geld aus. Wir wissen nicht, wofür. Noch. Schminke und Klamotten sind es bei ihr jedenfalls nicht. Gottseidank. Und Ihr beiden habt genug Geld. Genug. Wo gibt es das. Aber wir müssen nicht in die Kneipe. Wir gehen freiwillig. In die Kneipe. Werden bedient. Einmal in der Woche. Mehr geht nicht. Auch bei uns. Aber immerhin.

Wieso verdient Ihr dann nicht auch Geld. Extra. Wie Heike. Arbeiten. Ne, das kommt noch früh genug. Der andere Lorenz: Genau.

Hast Du genug Geld. Ja. Von der Arbeit. Früher. Von früher. Was hast Du denn gemacht. So genauer. Einfach schwer zu sagen. Schwer einfach. Gearbeitet. Arbeit gemacht. Gemachte Arbeit erledigt. In einem Büro. Na, das war ja jetzt konkret. Ganz extrem sogar.

Wenn ich Geld bräuchte, wüßte ich schon, wie. Wie ich es bekomme. Wie denn. Arbeiten. Ne, nix arbeiten. Was Anständiges!

Und. Was ist die Idee. Sag ich Euch doch nicht. Der andere Lorenz ging zur Theke. Wo Petra. Heute. Der Pappbecher krümmte sich. Vor Schmerz. Vom heißen Kaffee. Die Finger auch. Die vom anderen Lorenz. Sie schafften es gerade noch zum Tisch. Dann platschte Kaffee über den Rand. Vom Becher. Auf die Unterlage. Auf dem Tisch. Ein Buch. Veröffentlichen. Wie. Ein Buch veröffentlichen. Was meinst Du damit. Hast Du ein Buch geschrieben. Ne, das ist nicht mein Ding. Aber veröffentlichen, das schon eher. Wie geht das denn. Den Guttenberg machen. Ja und nein. Was Älteres. Das habe ich bisher noch nicht gemacht. Aber wäre so eine Idee. Wie meinst Du das. Na, wo das Urheberrecht ausgelaufen ist. 70 Jahre nach dem Tod des Verfassers. Da muß man nur ein bißchen warten. Schon ist es rum. Deswegen siehst Du schon so etwas … ältlich aus. Wartest seit 70 Jahren auf die 70 Jahre. Nach dem Tod. Eines anderen.

Ne, besser man rechnet zurück. Aber was für ein Buch. Die Bibel. Die Abenteuer des Josefine Mutzenbacher. Ne, alles viel zu bekannt. Etwas weniger Bekanntes. Muß gut sein. Ein bißchen aufmotzen. In die heutige Sprache bringen. Merkt keiner. Wenn es gut ist.

Alles, was im 19. Jahrhundert geschrieben wurde. Die Sprache ist noch ziemlich so wie heute. Na, wie gestern. Und die Erkenntnisse sind heute auch nicht viel weiter. In einigen Bereichen. Zum Beispiel. Keine Ahnung. Geh in die Bibliothek. Nimm ein angeschimmeltes Buch aus dem Regal. Aus dem 19. Jahrhundert. Und lies vor. Heike. Und dem anderen Lorenz. Ne, die kennen das ja jetzt. Deinen Eltern. Zum Beispiel. Oder anderen Studenten. Ob die was merken. Mußt es natürlich gut machen, dann merkt es keiner.

Zum Beispiel Mommsen. Der ist heut noch relevant. Wo spielt der denn. In Madrid. Ne, nix Madrid. Kennt Ihr Mommsen nicht. Hat den Literaturnobelpreis bekommen. Ich dachte, der heißt Grass. Ist Mommsen auch schon tot. Ja, schon länger. Seine Arbeiten aber nicht. Hat der Gedichte geschrieben. Oder nen Roman, was man kennen kann. Nichts davon. War auch eigentlich kein Schriftsteller. Hat den Nobelpreis für sein Buch Römische Geschichte erhalten. Ach, ein Historiker. Eigentlich auch nicht. War Jurist. Das Werk hat er kurz nach 1850 veröffentlicht. Den Preis hat er aber erst 1902 oder so bekommen. Eben den Preis für Literatur. Weil er – und es – auch sprachlich toll war. Sogar Mark Twain war von Mommsen beeindruckt. Mark Twain, den kenn ich wenigstens. Was, da gab es den Nobelpreis schon. Ja. Bis heute. Und alle Welt wartet wieder auf die Bekanntgabe der neuen Preisträger. Für alles Unnütze: Literatur, Frieden und so. Früher wartete man jedenfalls auch auf den Preis für Literatur. Hat sich irgendwie geändert.

Und was hat Nobel … Mommsen mit uns zu tun. Gute Frage. Mommsen hat auch viele andere Bücher geschrieben. Heute noch aktuell. Unglaublich. Zum Beispiel Römisches Staatsrecht und Römische Kaisergeschichte. Werden heute noch aufgelegt. Ein bißchen ein Wiedererweckungsversuch. Aber keine Anekdotensammlung. Sondern wirklich noch hilfreich. Kleine Auflage, aber dennoch. Nicht nur für Experten. Aber nicht nur Mommsen. Bald darauf hat ein Ludwig Friedlaender Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms veröffentlicht. War Altphilologe und Kulturhistoriker. Ach, Philosoph – wie Kant. Nein, Philologe. Kennt Ihr normale Studienfächer nicht mehr. Eure Lehrer waren doch auch Philologen. Oder habt Ihr das Abitur auf dem Markt gekauft.

Oder Wilhelm Grönbech mit Kultur und Religion der Germanen. Der war sehr gelehrt, hat über Indien, Griechenland in der Antike geschrieben. Und dann plötzlich auch über die Germanen. War Däne. Ist richtig eingeschlagen. Damals. Wann. Kurz nach 1900.

Geht es nicht ein bißchen aktueller. Ja. Es gibt einen französischen Nobelpreisträger, der ein Buch geschrieben hat: In hundert Jahren. Zukunftsstudie. Er hat es natürlich auf Französisch geschrieben. Denke ich. Ein Roman etwa. Keine Ahnung. Aber ich glaube nicht. Es war wohl wirklich eine ernsthafte Studie. Er ist auch schon viel früher in seinem Fachgebiet durch systematische Studien aufgefallen. Als Schriftsteller. Nein, er war Mediziner, hat den Nobelpreis für Medizin erhalten. 1913. Seine medizinischen Studien lagen aber noch im 19. Jahrhundert. Und was ist jetzt so besonders an diesem Buch. Wenn Du es noch nicht einmal kennst. Ja. Stimmt. Ich weiß nicht einmal, ob es eine französische Originalfassung als Buch gibt. Habe ich bisher noch nicht gefunden. Aber er war kein bloßer Mediziner, hat beispielsweise ein Buch mit dem Titel Der Mensch ist dumm. Satirische Bilder aus der Geschichte der menschlichen Dummheiten geschrieben. Das ist auch auf Deutsch erschienen. Das verstehe wer will. Du kennst die Bücher, aber es gibt sie nicht. Richtig? Was die Zukunftsstudie angeht. Stimmt. Woher kennst Du es dann. Komisch, nicht. Ich habe es in einem Taschenbuch aus den 1920er Jahren als Ankündigung gesehen. Na, aber dann gibt es das doch! Wozu also der Zauber. Verstehe. Das Taschenbuch hat eine etwas – sagen wir: – bedingte Ankündigung enthalten. Was soll das. Wart ab. Dort stand: Verlag noch unentschieden (Bereits gedruckt). Mußt Du uns mit Deinen Merkwürdigkeiten nerven. Geh doch zur Polizei, wenn Du ein Buch vermißt. Hat man Dir bestimmt geklaut.

Versteht Ihr. Das ist doch ne echte Herausforderung. Niemand weiß, ob es das Buch gibt. Das ist keine Hausarbeit über den Verlauf der deutschen Mittelgebirge. Und wie sie wieder zurückfanden. Das ist etwas Echtes. Laß andere sich darum kümmern. Wir haben unser eigenes Ding. Habe ich schon versucht. Habe schon Verlage darauf hingewiesen. Aber bislang ist keiner darauf angesprungen. Vermutlich ist denen das zu aufwendig. Und warum sollen wir uns dann darum kümmern? Ich sollt gar nicht. Ich will. Und dachte, daß Ihr vielleicht auch Interesse … Dachte nur. Aber vorhin hast Du uns die Ohren vollgejammert mit Büchern aus dem 19. Jahrhundert. War doch nichts? Vorhin war Euch das 19. Jahrhundert zu alt. Aber. Beim nächsten Mal zeige ich Euch was. Weiß noch nicht, was. Aber. Bestimmt.

Heike stand auf. Stand. Bis morgen. Ja.

Er ging zum Parkplatz. Sein Auto stand dort. Fuhr los. Wohin.

Lorenz hatte nichts vor. Ging in die Bibliothek. In dieser Abteilung war er zuvor noch gar nicht gewesen. Waren nur alte Schinken. Alter Einband. Alter Inhalt. Wollte die Schrift auf dem Rücken lesen. Hingebrochene Schrift. Er konnte nicht. Nahm das Buch aus dem Regal. Öffnete es. Legte sich eine Seite vor. Er konnte es immer noch nicht lesen. Immer noch gebrochen. Egal.

Vorlesung. Keine Vorlesung. Cafeteria. Heute war es seltsam leer. Und ruhig. Das bewirkte bei ihm das Gegenteil. Unruhig. Sah er nach den Studenten. Die kamen. Und nicht kamen.

Erbsensuppe mit einem Brötchen. Gab es. Dazu. Schmeckte ihm heute. Sonst nie. Lorenz schlenderte Richtung Cafeteria. Zielgerichteter Gang ohne Ziel. Er sah ihn. Erst sehr spät. Lorenz sagte es ihm. Merkwürdige Schrift. Unlesbar. Ach, so, wußte nicht. Daß man Euch das erst erklären muß. Ist nicht unlesbar. Aber man muß es können. Sonst kann man nicht. Wie wollt Ihr studieren, wenn Ihr diese Schrift nicht mal lesen könnt? Alles vor 1930 oder 1940. Ach, so, ne Nazi-Schrift. Ne, alte Schrift. Gotische. Sog. deutsche Schrift. Gotisch ist für Euch was anderes. Schwarz anziehen. Oder so. Du hast doch keine Ahnung. Brauch ich auch nicht. Hab Ahnung hinter mir.

Um die Schrift zu lesen. Muß man die Schrift lesen können. Geht schon. Braucht Ihr auch. Auch in Geographie. Schedels Weltchronik. Von 1493. Damals gedruckt. Da führt kein Weg an der Schrift vorbei.

Wofür brauch ich die Weltchronik vom alten Schädel? Ist nicht examensrelevant. Wofür überhaupt was? Was.

Heike. Worüber? Diese blöde Schrift. Unlesbar. Unleserlich. Schnapsidee. Weiß gar nicht, wie so eine Schrift aussieht. – Ich muß los.

Vorlesung. Essen. Bibliothek. Nacht. Vorlesung. Unterm Vordach. Der Regen hatte gerade aufgehört. Aufzuhören. Der andere Lorenz. Hallo. Hallo. Ja, mir auch. Liegt am Wetter. Wahrscheinlich. Morgen.

Er war unzufrieden. Saß im Auto und bewegte das Lenkrad. Trocken. Im Regen. Keinen Schritt. Die Reifen standen noch auf derselben Stelle wie am Morgen. Hatten sichs gut gemerkt. Er ärgerte sich, daß die anderen nicht verstanden. Warum? Er beschloß, nächste Woche ein Buch mitzubringen. Und es ihnen zu zeigen. Wie man liest. Buchstabe für Buchstabe. Er schloß den Wagen. Stellte den Motor. Ab. In die Uni. Zurück. Die Frau in der Bibliothek war noch da. War noch. Unverheiratet. Nur Bücher. So blaß. So staubig. Er ging zu dem Bereich, wo die alten Schinken hingen. Und standen. Abteilung Wirtschaftsgeschichte. Er hatte früher häufig solche Bücher in der Hand gehalten. Schon beruflich. War lange her. Fand er. Seine Finger öffneten das Buch. Es war lange nicht mehr gelesen worden. Vielleicht nie. So. Richtig. Eine Hand nahm sich ein anderes Buch. Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte. Der hellenistischen Welt. Dickes Ding. Legte das Ding. Zurück.

Er war unzufrieden. Stöberte weiter. Die Hände waren. Ungeduldig. Wie er. Heute. Die Finger glitten. Über die Buchrücken. Er ging durch die Reihen. Und fand. Nichts. Dann sahen seine Hände. Etwas. Was auch Heike. Und Lorenz. Und auch den anderen Lorenz. Geographie der Griechen und Römer. Aus ihren Schriften dargestellt. Von Konrad Mannert. 1788. Nürnberg. Er war zufrieden. Zunächst. Aber hatte das Buch heute noch Bedeutung? Oder war es reine Vergangenheit. Er konnte es nicht beurteilen. Er fragte Bekannte, die sich mit den ollen Römern auskannten. Und Griechen. Und so. Es schien. Daß es noch Bedeutung hatte. So ein bißchen. Keine reine Vergangenheit. Er beschloß beim nächsten Mal. Es auszuleihen. Tat es.

Nach dem Wochenende. Thomas holte eine Plastiktüte aus seinem Mantel, als sie in der Cafeteria saßen. Draußen war es zu kalt. Wieder. Kein Anwehen von Frühling. Von Winter mehr. Der andere Lorenz wurde neugierig. Ist das das Buch, das wie von heute ist? Angeblich. Ja, so ähnlich.

Ich habe das Buch aus dem Regal genommen. Alter Schinken. Zwei Leseproben. Waren gar nicht so komisch. Hätte man für heute halten können. Was ist es denn? Er legte es auf den Tisch. Den Titel. Obenauf. Neben die Pappbecher. Und die Ringe. Von Kaffee. Und Krümmel. Von Brot.

M. Konrad Mannert: Geographie der Griechen und Römer, aus ihren Schriften dargestellt. Nürnberg 1788.

Ich dachte. Daß es Euch näher liegt. Als Römische Geschichte. Oder so. Hat aber damit zu tun. Ist von 1788. Das ist ja auch in Nazi-Schrift. Ja, hat Hitler persönlich geschrieben. 1788. Willst Du uns. Ja. Diese Schrift ist ziemlich alt. Noch vor 1900. Seit fast tausend Jahren. Hat sich weiterentwickelt. Wie alles. Weit vor Hitler. Ach, ne. Dann ist es harmlos? Mein Vater hat gesagt. Daß auch vor 1930 schon moderne Schrift verwendet wurde. In Büchern und so. Dann ist diese Schrift hier also doch Nazi. Haben die Nazis wieder ausgegraben. Ja. Nein. Vor 1930. Ja. Hat auch da schon Leute gegeben. In Deutschland. Die experimentiert haben. Die die olle Schrift, die deutsche, nicht mehr wollten. Etwa die Veröffentlichungen des Bauhauses. Auch welche. Die auch die Schreibweise verändert haben. Kleinschreibung. Und so. Der Dichter Stefan George. Zum Beispiel. Nur Bücher mit Kleinschreibung. Und in Antiqua. Oder anderen Schriften, aber nicht gebrochen. Auch neue Schriften. Waren Ausnahmen. Das Meiste bis 1941 war: in deutscher Schrift. Sogar eine Zeitschrift. Die das nicht erwarten ließ. Die Revolution. War um 1914 in gebrochener Schrift erschienen. Also vieles. In gebrochener Schrift.

Wieso 1941. War da der Krieg vorbei, Kapitulation. Was, keine Geschichte. Keinen Unterricht gehabt. Er erregte sich. Nein. 1945 war der Krieg zu Ende. 1941 ist ein anderes Datum. Da hat Hitler einen Erlaß veröffentlicht. Erlaß. Er-lassen. Daß die gebrochene Schrift „Juden-Schwabacher“ sei. Künftig. Fürderhin. Nur noch Antiqua. Das ist doch Unsinn. Hat Hitler nie getan. Der war doch so was von deutsch. Und zurück. Und alt. Ja. Das war eine Kehrtwende. 180 Grad. Ist ein Rätsel geblieben. Wie ein Kabarettist sagte: Hitler wollte ein vereinigtes Europa. Unter seiner Herrschaft. Dafür war die gebrochene Schrift. Deutsche Schrift ungeeignet. Er wollte Vereinheitlichung. Für alle. Daher wohl der Schritt. Glaub ich nicht. Doch. Nicht nur Erlaß. Wurde auch umgesetzt. Ich habe ein Buch. Von Alfred Rosenberg. Heute würde man ihn Chefideologen des Dritten Reichs nennen. Mythus des XX. Jahrhunderts. Von 1943. Ist in moderner Antiqua. Anders als frühere Auflagen. Ist Folge des Hitler-Erlasses. Wenn Du ein Buch von dem hast. Bist Du auch Nazi. Ich habe auch Bücher von Marx und die Bibel. Und den Koran. Bin ich dann wenigstens marxistischer christo-islamischer Nazi?

Ich dachte. So ein paar Semester würden Euch helfen. Nicht so klein zu denken. Eher im Großen. Und Ganzen. War aber nix. Scheints.

Sie kamen zurück auf die Schrift. Was für ein unwichtiges Zeug. Nicht Inhalt. Nur Formalkram. Wen interessiert das. Formen waren über Jahrhunderte wichtiger als Inhalte. Das könnt Ihr Euch gar nicht mehr vorstellen. Das gibt es aber auch heute manchmal. Z.B. im Recht. Oder auch in der Kirche. Stimmt.

Heike schaute auf. Zum anderen Lorenz. Der saß wieder. Mit krummem Rücken. Auf dem Stuhl. Gebeugt. Nach vorne. Und hinten. Lorenz hörte zu. Nicht dem anderen, der mit dem Stuhl auf dem Boden Geräusche machte. Sondern ihm. Mit Verwunderung. Und Widerstand. Aber auch mit. Interesse. Heike schwieg. Hatte geschwiegen. Die ganze Zeit. Sie wußte nicht. Was sie davon halten sollte. Wollte er Ihnen etwas unterjubeln. War er. Ein Nazi. Oder so. Sah nicht danach aus. Aber das sind die Schlimmsten. Sagt man. Immer.

1788. Sagte er. Das Buch hier ist von 1788. Das ist lange zurück. Lange vor den Nazis. Ist sogar nicht einmal 19. Jahrhundert. Als der Rassismus. Und der Antisemitismus. Geboren wurden. Sagt man. Also vor der Geburt. Von Rassismus. So grob. Gab es natürlich auch davor. Schon immer. Antisemitismus zum Beispiel. Auch schon im Mittelalter. Das war vor 1900. Übrigens. Vor 1500. Sogar.

Und. Was sagt Ihr. Der Text klingt doch ganz normal. Finde ich. Ja. Die Schreibweise ist anders. Zum Teil. Zum Beispiel „seyn“. Aber das kann man modernisieren. Beim Abschreiben. Beim Vorlesen spielt es sowieso keine Rolle. Stimmt.

Bestimmt. Und was soll das jetzt. Was willst Du damit machen. Wir könnten doch.

Blöde Idee! Wo ist da die Geschäftsidee? Was – solche Ausdrücke kennst Du? Hast Du mal den Wirtschaftsteil in der FAZ gelesen? Sogar den Wetterbericht! Also: Geschäftsidee? Geschäft ist es weniger, aber vielleicht doch. Auch. Man kann aber zeigen, wie aktuell die Vorlagen aus der alten Zeit heute noch sind. Und vielleicht auch ein bißchen Geld bekommen. 10 %. Sagt man. Vom Umsatz. Wenn es funktioniert. Ja. Und wenn es keiner merkt. Ja.

Dann ist es Betrug. Oder so. Wirklich? Hätte ich nicht gedacht. Ich finde es schön, kann kein Betrug sein. Also.

Sie sahen sich einige Tage nicht. Wochenende. Montag. Dienstag. Mittwoch. Er ging zur Cafeteria. Dort traf er den anderen Lorenz. Der hatte ein Brötchen. Im Mund. Halb. Hallo Lorenz. „Thomas“. Mit vollem Mund. Vorlesung. Seit zwei Minuten. Nachher komme ich in die Cafeteria. Heike auch. Lorenz auch. Soweit ich weiß. Gut. Dann zeige ich Euch was.

Heike saß ungeduldig. Auf dem Stuhl. Das hatte er bisher noch nicht gesehen. Was hatte Heike? Lorenz. War da was. Oder nichts. Lorenz kaute. Am Kaffee. Am Becher. Am Papp. Der andere Lorenz war nicht da. War da. Habt Ihr was zu Eurer Hausarbeit erfahren? Sieht aus wie Beerdigungskaffee. Nur Streuselkuchen fehlt. Und Bienenstich. Ne, erst in zwei Wochen. Oder so. Kann ich einen Kaffee ausgeben. Lorenz, Du auch? Er kam zurück. Mit dem Tablett. Von Georgia. Heute. Und vier Kaffeepappbechern. Und Kaffee. Bechern. Und Apfelkuchen. Zwei für alle. Das reicht. Muß. Zur Feier des Tages.

Was für eine Feier. Was für ein Anlaß? Kein. Es gibt keinen. Ich wollte nur etwas Nettes machen. Traut man mir nicht zu. Weiß ich.

Der andere Lorenz. Das Deckblatt von Mannert. Wie. Von Mannert? Das Du beim letzten Mal gezeigt hast. Was ist damit. Da stand „M. Konrad Mannert“. Wofür steht das „M“. Martin. Quatsch. Ist in anderer Schrift gesetzt. Nicht gebrochene, sondern. Sozusagen Arial. Quatsch, Arial ist neumodische Computerschrift. Ist bei Mannert in Antiqua geschrieben. Warum? Warum. Weil es einen lateinischen Ausdruck abbildet. Deutsche Begriffe und Texte sind gebrochen. Lateinische Wörter in Antiqua. Gedruckt. Hat man seit dem Beginn des Buchdrucks so gemacht. Also ab 1450 oder so. War also auch schon kurz vor 1900.

Warum Antiqua? Weil das die Schrift war, die schon die ollen Römer nutzten. So ähnlich jedenfalls. In Großbuchstaben. Wenn man römische Grabinschriften liest oder römische Säulen oder so sieht, ist das ganz einfach. Die gebrochene Schrift ist da schon sehr viel schwieriger zu lesen.

Und wofür? Wofür steht M? Weiß nicht. Ich denke. Für Magister. Dort steht Lehrer an der Schule St. Sebald Nürnberg. Lehrer ist Magister. Oder so. Im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert waren viele Lehrer fleißig. So was kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Ein Lehrer, der wissenschaftlich tätig ist. Nebenbei. Und es mit einem Prof durchaus aufnehmen kann. Das war nicht nur Mannert. Im 19. Jahrhundert wimmelte es nur von Gymnasialprofessoren, die ihr Leben der Wissenschaft widmeten. Das lebt häufig noch heute nach. Etwa der Pauly. Paulys Real Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Den Neuen Pauly gibt es auch heute. Wieder. Als Enzyklopädie der Antike. In 15 Bänden. Oder so. August Friedrich Pauly. Ab 1822 war er Rektor der Lateinschule in Biberach, dann sog. Gymnasialprofessor in Heilbronn. Und bis zu seinem Tod am Gymnasium in Stuttgart. Sind aber schlimme Dinge, die er getan hat. Denn diese Lebensdaten erfährt man in der deutschen Wikipedia nicht. Nur in der englischen.

Oder Franz Ludwig Carl Friedrich Passow. Kurz Franz. Also Franz Passow. Er war zunächst auch Gymnasiallehrer bei Danzig. Danach hat er es zum ordentlichen Prof gebracht. Wie man so sagte. Sein großes Werk ist das Handwörterbuch der griechischen Sprache. Das auch heute auf Basis der Fassung von 1847 fortgeführt wird. Der Passow war sogar Grundlage für ein englischgriechisches Lexikon. Während wir heute wie das Kaninchen vor der Schlange in die umgekehrte Richtung starren.

Ja. Gut. Aber was soll das Ganze. Die Lehrer heute sind nicht mehr so wie früher. Hätte ich mir fast gedacht. Irgendwie nicht bahnbrechend. Was willst Du von uns. Nichts. Eigentlich nichts. Ich dachte nur. Daß wir vielleicht gemeinsam. Ein Ding drehen können. Legal. Wie gesehen. Die 70 Jahre vom Urheberrecht sind ja in allen Fällen rum. Zusammen. Das bis zur Veröffentlichung bringen. Und was haben wir davon. Da kriegen wir kein Geld. Auch Heike. Nicht. Also. Wozu. Stellt Euch vor. Wir würden das schaffen. Bei Charles Richet. Das ist der Nobelpreisträger für Medizin mit seinem verschollenen Buch. Das Buch finden. Und ausgraben. Und veröffentlichen. Es hat schon mal so was Ähnliches gegeben. Die Welt in 100 Jahren. Wurde 1909 und 1910 geschrieben. Ein gewisser Arthur Brehmer hat damals Mitautoren gefunden. Sollte zeigen, wie die Zukunft aussieht. 100 Jahre später wurde es wieder veröffentlicht. 2010. Wurde ein Schlager. Das Buch war aber auch vorher bekannt. Der Richet wäre es nicht. Soweit ich weiß. Das wäre ein noch größeres Ding. Vor allem wenn wir herausfinden, was der Inhalt. Daß der Inhalt wirklich zukunftsweisend war. Ist. Könnte man ja jetzt beurteilen.

Fühlt Ihr nicht. Daß das ein Ding wär.

Oder wir machen den Mannert. Wär auch ein interessantes Ding. 1788 – wie heute. Mein ich. Heike. Du. Schweigst. Die ganze Zeit. Nerv ich Euch damit. Dich?

Ich muß arbeiten. Heute. Kneipe. Bedienen. Fertig. Tschüß.

Sie sahen sich länger nicht. Vor allem. Heike. Lorenz. Anders der andere Lorenz. Ihn traf er manchmal. Auf der Treppe, auf dem Gang. Wenn er ging, wenn er kam. Eile. Kein Gespräch. Nur kurz. Hallo. Ja. Bald. Mal sehen. Vielleicht. Denke auch. Ja.

Seid Ihr verärgert. Fragte er sich. Niemand da. Er war für zwei Wochen weg. Urlaub. Erholung. Nein. Kam wieder. Wußte nicht. Ob sie. Oder nicht. Hatte ein Gefühl. Komisch.

Er fühlte sich schlecht. Warum. Er wußte es nicht. Konnte es ahnen. Konnte es sehen. Wenn er. In den Spiegel schaute. Morgens. Abends. Nie. Wollte nicht. War 68. Oder so. Wußte es selbst. Nicht. Mehr. Wie alt. War Heike. So 20. oder 21. Oder so. Das geht nicht. Paßt nicht. Passiert nicht. Nie. Doch. Immer. Wieder. Nicht ihm. Bestimmt nicht. Heike. Nein. Das Leben. Er. 68. Oder so. Im Juli.

Er ging wieder in die Bibliothek. Nach der Vorlesung morgens. Um 9. Um 9.15. Uhr. Alles so fremd. Er sah die anderen. Alten. Senioren. Studenten. Sah sich. Dabei zu. Hörte. Wie er nicht hörte. Wie er. Nichts tat. War abwesend. War dabei. Abwesend zu sein. Dachte an danach. Die Cafeteria. Die Bibliothek. Die Blasse. Unter den Büchern. Seine Hand streifte. In Gedanken sie. Heike. Die Blasse. Er wußte. Es nicht.

Seine Zeiten waren fest vorgegeben. Von ihm. Nach der Vorlesung. Meistens bis 11. Und einem Kaffee. In der Cafeteria. Und einem Brötchen. Oder einer Suppe. Saß er. Bis um 6. Oder auch 9. Oder 10. Wenn es lang wurde. Zwischen den Büchern. Die Blasse führte. Ihr Regiment hier. Allein. Er las nun schon seit zwei Stunden. Einen langen Artikel. Nicht sehr interessant. Aber wichtig. Verstand nicht alles. War wohl schon zu lang her. Las wieder. Von neuem. Besser. Ein bißchen. Verstand mehr. Verstand. Aber nicht alles. War. Angestrengt. Sie legte ihre Hand. Auf seinen Oberarm. Er erschrak. Spürte. Daß es kein Mann war. War dafür. Zu weich. Hatte er wieder eine Karteikarte nicht ausgefüllt. Er erschrak. Zuckte zusammen. Wandte sich zur Seite. Der Hand. Zu. Die auf ihm lag. Gelegen hatte. Jetzt nicht mehr. War zurückgenommen. Zurückgezogen. Widerrufen. Sofort. War. Heike. Du. Ja. Was. War zufällig. Hier. Mußte ein Buch. Aber nicht hier. Und Du. Ich sitze immer. Hier. Bis zum Abend. Will ja doch. Ein bißchen mithalten. Mit den jungen Leuten. Die Entscheidung über das Weiter. Weiter herausschieben. Sonst ist man sehr schnell. Abgehängt. Ja. Das ist gut. Wieso. Damit Du. Noch länger dabei bist. Wir. Lorenz. Der andere Lorenz. Ich auch. Freuen uns. Daß Du dabei. Bist. Bleibst. Wir haben Dich. Länger nicht gesehen. Was ist. Mit Dir. Ich weiß nicht. Dachte. Daß es besser ist. Wenn ich Euch nicht weiter. Nerve. Verstehe auch, daß Du. Und Lorenz. Und auch der andere. Daß Ihr. Andere Dinge wollt. Macht. Vorhabt. Kneipe. Bedienen. Lassen. Arbeiten. Leben. Ja. Aber so viel anders. Ist es bei uns gar nicht. Auch wir müssen lange arbeiten. Um dabei zu bleiben. Dir hilft die Erfahrung. Uns vielleicht die Jugend.

Vielleicht sehen wir uns. Wieder. Morgen. Oder in den nächsten Tagen. Ja. Vielleicht. Mal sehen. Wie es kommt. Würde mich. Freut mich auch. Sehr. Also. Bis dann.

Sein Auto wollte nicht anspringen. Der Motor würgte. In sich herum. Der Anlasser wollte. Anschieben. Er fuhr. Nicht. Direkt nach Hause. Wußte er nicht. So herum. Er hielt. Vor einer Kneipe. Es war nicht Heikes Kneipe. Das wußte. Er. Stieg aus. Die Kneipe war. Leer. Ging zur Theke. Ein paar standen herum. Männer. Stamm. Kunden. Es gefiel ihm. Nicht. Dennoch. Er bestellte ein Bier. Er hatte schon länger keines mehr getrunken. Schmeckte ihm. Sein Kopf war leer. Er bestellte ein zweites. Bier kam. Was will ich. Sagte. Fragte. Er sich. Er wußte keine Antwort. Bezahlte. Beide Biere. Ging. Stieg ein. Im Auto. Fuhr er. Stieg aus. Spürte den Alkohol. War ungewohnt. Ging ins Bett. Allein. Wie immer. Er war allein. Seit Jahren. Seine Frau. War gestorben. Vor 12 Jahren. Seitdem lebte er. Allein. Die Arbeit. Hatte ihn mitgenommen. In Anspruch. Füllte ihn. Aus. Er vermißte. Nichts. Wenig. Alles. Jetzt spürte er. Alles. Er schlief ein. Schnell. Gut. Tief. Satt. Bis zum Morgen. Frühstück. Kein Brot. Aber Kaffee. Das genügt. Ging zur Vorlesung. Warum. Wußte es nicht. Gehörte dazu. Wie jeden Morgen. Montags bis freitags. Wenn kein Feiertag war. Und keine Semesterferien. Aber die hatte er noch nicht erlebt. Seinen Urlaub hatte er doch schon. Im Semester genommen.

Im Grunde. Ist das Leben als Student. So wie Arbeit. Nur an einer anderen Stelle.

Das Auto stellte er heute woanders ab. Der Parkplatz war voll. Er wußte nicht. Warum. Er ging den längeren Weg. Zur Fuß zur Uni. Er meinte. Daß ihm dies guttäte. Er sah den anderen Lorenz. Heute wieder. War schon länger her. Länger als bei Heike. Er freute sich. Den anderen zu sehen. Er kannte nicht viele Studenten. Seit Anfang an. Wollte es. Auch nicht. Die er kannte. Genügten ihm. Das war wenig. Wenig genug. Wollte er.

Habt Ihr eigentlich inzwischen das Ergebnis der Gruppenarbeit. Ja. Bestanden. Aber schlecht. Daher haben wir. Dazu nichts gesagt. Gratuliere. Ist doch nicht schlecht. Hauptsache bestanden. Oder. Nein. Ist schlecht. Lorenz wollte sich für ein Stipendium bewerben. Dafür wäre eine bessere Note erforderlich gewesen.

Ich dachte. Geld braucht Ihr nicht. Na. Ganz so ist es nicht. Lorenz hat auf das Stipendium gebaut. Das war eine Enttäuschung. Das Ergebnis. Für ihn. Für Heike. Vielleicht auch. Für mich ist es so in Ordnung. Kann ganz gut leben. Damit. Und auch ohne. Dann auf Wiedersehen. In der Cafeteria. Ja. Vielleicht. Übrigens. Ich werde Euch nicht weiter nerven. Mit meinem Thema. Mit dem Buch. Der Neuauflage. Und so. Kein Problem. Macht nichts. Ist ja auch nicht ganz. Uninteressant. Bin mir nicht so sicher. Was wir da machen sollen. Ich habe mit Heike. Und auch Lorenz. Noch nicht gesprochen. Weiß nicht. Was die denken.

Also dann.

Es kamen die Semesterferien. Er freute sich. Nicht. Wußte. Nicht. Wie es gehen wird. Keine Vorlesung. Die ihm keinen Spaß machte. Aber immerhin. Abwechslung war. Ein fester Punkt. Am Morgen. Der fehlte. Jetzt. Er ging später. Fuhr später. Zur Uni. Der Parkplatz war leer. Auch später. Die Cafeteria war leer. Auch die Bibliothek. Nur die Blasse war da. Wie immer. Er ging abends. Fuhr. Kam zurück. Am anderen Morgen. Ging. Fuhr. Kam.

Er ging. Wenn er abends nach Hause kam. Auf den Spuren von Charles Richet. Er wollte es wissen. Auch wenn die anderen drei nicht dabei waren. Nicht mitmachten. Es mußte doch möglich sein, die Buchfassung zu finden. Die angekündigt war. Schon gedruckt. In hunderten von Exemplaren. Wohl. Auf Deutsch. Vermutlich. Im Internet fand er keinen Hinweis. Auch nicht auf eine französische Originalfassung. Richet hatte in dieser Zeit wenig veröffentlicht. Das war nach dem Nobelpreis. 1913. Die Anzeige in dem Taschenbuch. Er wußte nicht genau. Vermutete das Jahr 1920. Oder 1922. Das Buch sollte im Verlag Litfass Erben, Berlin erscheinen. Erschienen sein. Wenn es denn erschien. Erschienen ist. Von dem Verlag fehlte jede Spur. Was war daraus geworden. Bücher des Verlags fand man genug. Im Internet. Alte Ausgaben. Vor allem Alt Heidelberg. Auswahl der beliebtesten Studenten-, Soldaten- und Volkslieder Deutschlands nach Wort und Tonweise aus Vergangenheit und Gegenwart – und auch Walther Rathenau. Seine Gedanken und Entwürfe zu einer Wirtschaftsorganisation auf philosophischer und nationalökonomischer Grundlage nebst einer Blütenlese der fundamentalsten Thesen aus seinen gesamten Schriften. Von Prof. Dr. Gaston Raphael – jenes Buch, in welchem er die Anzeige und den Hinweis gefunden hatte. Auch andere Bücher.

Aber nach 1930 verliert sich die Spur des Verlags irgendwie. Wie dann. Ein Exemplar. Finden. Wenn es das gar nicht gab. Gab es das. Nicht.

Er fand. Nichts dabei. Alle seine Bemühungen endeten. Versandten. Im Sand. Ein Buch, das es gab. Aber nicht gab. Sollte es das geben. Ja. Vielleicht wird ja. Ja. Vielleicht.

ich. und du.

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