Klima|x
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Andreas Malm. Klima|x
Klima|x
Inhalt
I. Corona und Klima
Wenn ein Notfall besteht
Wir haben einen Feind da draußen
Unterschiede zwischen Corona und Klima: erster Schnitt
Wechselnde Schattierungen des Extremismus
II. Chronischer Notstand
Von Fledermäusen und Kapitalist*innen
Ökologisch ungleicher und pathologischer Tausch
Vom Busch zum Luxusgut
Made in China
Hätten Parasiten Flügel
Hin zu einer Theorie des parasitären Kapitals
Unterschiede zwischen Corona und Klima: zweiter Schnitt
Verwundet auf dem Schlachtfeld
Pressure-and-Release-Modell
Die Dialektik der Katastrophe
Dialektisches Modell der Klimakatastrophe
Dialektisches Modell der pandemischen Katastrophe
III. Kriegskommunismus
Alle Wege führen zur Saatbank
Ein kurzer Nachruf auf die Sozialdemokratie
Ein kurzer Nachruf auf den Anarchismus
Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll
Ja, dieser Feind kann tödlich sein, aber er ist auch besiegbar
Krieg den Petroleumkönig*innen
Ein verheerender Pesthauch für die Menschheit
Rote Armee der erneuerbaren Energie
Dem grenzenlosen Imperialismus ein Ende setzen
Dank
Anmerkungen
Отрывок из книги
Andreas Malm
Aus dem Englischen
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Und dennoch scheint den jeweiligen zeitlichen Profilen von Covid-19 und Klimawandel etwas innezuwohnen, was die antithetischen Reaktionen einigermaßen erklärt. Doch was genau? Wenn man über diese Frage nachdenkt, sollte man keinesfalls vergessen, dass es sich beim Explanandum nicht um die unterschiedlichen von der Bevölkerung ausgehenden Reaktionen handelt: Es waren weder die Französ*innen, Brit*innen oder Australier*innen, die sich zusammenfanden und den Lockdown beschlossen – dieser ereignete sich viel zu schnell, als dass demokratisch darüber beratschlagt hätte werden können –, noch waren sie es, die die Entscheidungen getroffen hatten, wesentliche Emissionssenkungen in eine nichtssagende Zukunft hinauszuzögern, eine politische Entscheidung, die nebenbei bemerkt für Massenproteste in etwa so empfänglich ist wie diejenige der Austerität. Wie also konnte es dazu kommen, dass die Staaten in den entwickelten kapitalistischen Ländern durch das Virus derart übermäßig in Aufruhr versetzt wurden? Indem – wie ein Beobachter nahelegte – zumindest zu Beginn der Pandemie die Opfer von Covid-19 tendenziell der Kernwählerschaft der im Aufstieg begriffenen Rechten anzugehören schienen: alte »weiße« Menschen. »Anders als die Klimakrise bedroht das Virus vorwiegend ältere Menschen – den Kern der Unterstützer*innen rechter Parteien – und weniger Millennials«, und keine Regierung würde die nächste Wahl überleben, wenn sie gerade diese ins offene Messer laufen ließe. Dies zumindest scheint ein Teil der Geschichte zu sein.
Doch natürlich ist es komplizierter, schließlich sind auch alte »weiße« Menschen bisher keineswegs von der globalen Erwärmung verschont geblieben. So kochte Europa im Jahr 2003 regelrecht im bis dahin heißesten Sommer; auf dem Höhepunkt der Hitzewelle kamen schätzungsweise 30 000 Menschen ums Leben, die Hälfte davon in Frankreich. Im Laufe von zwanzig Augusttagen fiel ihr ein bestimmter Teil der französischen Bevölkerung geradezu scharenweise zum Opfer – nämlich die über 65-Jährigen mit Vorerkrankungen, die zu den Opfern eines Mortalitätsvorgangs wurden, der eindeutig auf den zugrunde liegenden Trend zurückzuführen ist. Im Sommer 2019 wiederum beendeten zwei Hitzewellen das Leben von rund 1500 Französ*innen, ebenfalls hauptsächlich ältere Menschen. In ganz Ostaustralien drang der Rauch von den Buschbränden in die Lungen; innerhalb von 19 Wochen tötete er in den vier am schlimmsten betroffenen Bundesstaaten mehr als 400 Menschen, viele davon im Seniorenalter mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die nicht mehr in der Lage waren zu atmen. Und dann ist da noch die Sache mit dem gesundheitsschädlichen Feinstaub, der anderen Ursprungs ist. Als sich im Februar 2020 die Schadstoffdecke über Städten wie Wuhan und Shanghai lichtete, wurde es in einem solchen Maße leichter, die Luft zu atmen, dass nach den Berechnungen eines Wissenschaftlers der Universität Stanford das Leben von 4000 Kindern unter fünf Jahren sowie von 73 000 erwachsenen Personen über 70 Jahren verschont blieb. Im Vergleich hieße das, dass in etwa zwanzig Mal mehr Leben durch die Luftverbesserung gerettet wurden, als bis zum aktuellen Stand Menschen in diesen Städten an Covid-19 starben. Bei dem unbeabsichtigten Nebeneffekt handelte es sich also um die weitaus größere Rettungsaktion. Streng darauf bedacht, der Interpretation zuvorzukommen, Pandemien seien Allheilmittel, wollte der Forscher lediglich »die oftmals verborgenen gesundheitlichen Folgen des Status quo« aufzeigen – »unsere normale Art, Dinge zu tun, bedarf womöglich einer Störung«. Und auf ein gewisses Maß an Absurdität wiesen manche hin, als sie die gleiche Ausgewogenheit – mehr gerettete Leben aufgrund der Vermeidung von Luftverschmutzung als durch die Vermeidung von Infektionen – innerhalb der europäischen Länder voraussagten, darunter Frankreich, wo ein Wissenschaftler nüchtern feststellte, dass »dies ziemlich faszinierende Zeiten« seien.
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