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2. Kapitel

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Am Morgen lagen noch einige Alkoholleichen im Schankraum. Die Zwillinge saßen bereits am Tisch und kauten auf geröstetem Speck. Der würzige Geruch vertrieb alle anderen Düfte und machte mich hungrig. Ich lehnte meine Reisetasche an ein Tischbein, drehte einen Stuhl und setzte mich – mit den Armen auf der Rückenlehne abgelegt – und lauschte den übermütigen Erzählungen der beiden Orks, während ich an einem frischen Brot knabberte.

Verschlafen wankte Chalice die Treppe hinab. Sie gähnte, stütze sich an einen Balken, bevor sie sich seufzend und sehr behutsam auf einen Stuhl niederließ. Ihr wollenes Hemd war nicht zugeknöpft, mein Blick fiel auf ihre flachen Brüste.

Polternd kamen die drei Männer herunter. Hacasin hielt seinen Kopf fest, als fürchtete er, ihn zu verlieren. Sha’Red sah grimmig zur stillen Frau herüber, dann nahm er einen Stuhl so weit wie möglich weg von ihr. Die Nacht verlief offensichtlich nicht für alle befriedigend.

Als sich Sith’e’thak grinsend genau der Albino gegenüber setzte, knöpfte sie demonstrativ ihr Hemd zu. Mir war egal, was meine Begleiter füreinander empfanden, so lange sie mir treu ergeben waren.

»In einer halben Stunde sind alle abmarschbereit«, verkündete ich, nachdem mein Magen genug verzehrt hatte, »wir treffen uns vor dem Gasthaus. Ich werde noch eine Runde drehen. Grai, nimm meine Reisetasche mit, wenn ihr hier fertig seid.« Mein auffordernder Blick gebot Torvac, mit mir auszutreten.

Auch am Morgen schwebte feiner Staub durch die Gassen und mischte sich mit dem Geruch von Fäkalien und allem, was in der Nacht sonst noch verdaut oder ausgebrochen wurde. Die Bergluft war kühl, die Sonne wanderte über die Gipfel und warf lange Schatten. Zwischen den Baracken und einfachen Gebäuden tummelten sich zahlreiche Bewohner. Händler bauten ihre Stände ab, Frauen tätigten ihre Einkäufe und Jäger reinigten ihre Waffen. Die nachtaktiven Orks nutzten das schwindende Dämmerlicht, bevor es ihnen in den Gassen zu hell wurde.

Schaulustig widmete ich mich einigen Händlern. Ihre Waren hatten für mich keinen Wert, die eifrig vorgebrachten Angebote ignorierte ich. Sie sahen an meinem Schmuck den gesellschaftlichen Status, den ich innehatte. Bald wetteiferten mehrere Geschäftsleute um meine Gunst. Als sie abrupt verstummten bemerkte ich, wie weit wir uns bereits vom Gasthaus entfernt hatten.

Vor uns versperrten mehrere mit Knüppeln und rostigen Kurzschwertern bewaffnete Orks die schattige Gasse. Torvac knurrte bedrohlich und schwang seine Axt. Allzu weit konnte er nicht ausholen, dafür standen die Gebäude zu dicht. Am nahenden Konflikt Unbeteiligte drängten an uns vorbei. Diese Gelegenheit nutzte ein Angreifer, unbemerkt in meinen Rücken zu gelangen. Die Bewegung nahm ich nicht mehr rechtzeitig war, dafür spürte ich schmerzhaft die spitze Klinge, die sich bis zum Heft in meinen Rücken bohrte.

In einer fließenden Bewegung drehte ich mich herum und trat einen Schritt zurück, um weiteren Stichen zu entgehen.

Hohnlachend hielt mir der Schurke die blutige Klinge vor die Nase. Sein linkes Ohr war abgerissen, zwei tiefe Narben zogen sich haarlos über den Schädel und ich roch fauligen Atem.

Als ich keine Anstalten machte, von seinem Treffer zu Boden zu gehen, starb sein Lächeln und er leckte prüfend seinen Dolch ab. Verdutzt sah er dann auf den Krummsäbeln in meiner eben noch mit den Fingern schnippenden rechten Hand.

Nun war ich es, die grinste und die Waffe ableckte.

Hinter mir brüllte Torvac und stürmte mit gesenktem Kopf auf das Schurkenpack zu. Grunzend sprangen weitere Orks von den niedrigen Dächern herab. Einer klatschte feucht auf den Boden auf, ein anderer wurde noch in der Luft von der wirbelnden Axt gespalten.

Nur reine Verzweiflung konnte das Lumpenpack dazu bewegt haben, uns anzugreifen. Die Hoffnung, mich als schnelle Beute wegzuschleifen, starb ebenso schnell wie das erste Dutzend des Diebesgesindels.

Als unsere Begleiter in die Gasse bogen, hatten sich die verbliebenen Angreifer angesichts abgetrennter Köpfe und blutiger Rinnsale schon davongemacht.

Torvac blutete aus vereinzelten Schnittwunden, die jedoch nicht bedrohlich waren. Bei mir blieben nur Löcher in der Lederweste zurück. Ohne magische Waffen konnte kaum ein Sterblicher meine außerweltlichen Selbstheilungskräfte überwinden.

Den beiden von mir Getöteten hackte ich die rechte Hand ab. Bei Torvac musste ich die Gliedmaßen nur einsammeln. In seiner Berserkerwut hatte er den Pöbel zerstückelt.

Von einem verlassenen Händlerstand nahm ich einen Sack und stopfte die Ausbeute hinein.

»Holen wir die Pferde«, sagte ich zu meinen Begleitern, »bevor wir noch die ganze Gosse vom Abschaum befreien müssen.«

Bis die Tiere gesattelt waren, hatte sich eine Patrouille am Gasthaus eingefunden. Sie trugen dreckige Lederrüstungen und hatten lange Speere in den schwieligen Händen. Fassungslos sah der vorderste Ork auf den blutverschmierten Sack.

»Wenn ihr den Rest sucht«, sprach ich die Soldaten an, »dann schaut in die Gasse dort drüben. Das Pack hat es gewagt, mich anzugreifen, und ich frage mich, warum erst jetzt Bewaffnete auftauchen. Wer führt die Patrouille an?«

Unter meinem strengen Blick rührte sich keiner der Orks, dann schubsten zwei ihren Anführer nach vorne.

»Ich führe den Trupp. Feldwebel Zoti«, krächzte der krummbeinige Ork, dessen Lippen so wulstig waren, dass seine Aussprache darunter litt. Auf seinem Kopf hatte er einen stählernen Topfhelm, dessen Nasenschutz auf der Knollennase aufsaß.

»Nun denn, Feldwebel, ich bin äußerst ungehalten über den Empfang, der mir bereitet wurde.« Ein leichtes Glimmen meiner violetten Augen verstärkte meine ärgerliche Stimme. »Im Gespräch mit dem König werde ich Vorschläge unterbreiten, wie er seine Wachen besser motivieren kann.«

Zoti schluckte schwer und fing an zu stammeln. »Niemand hat gesagt, nobler Besuch sei in der Stadt. Bin einfacher Patrouillenführer …«

»… der nicht gelernt hat, wie er sich gegenüber einer Prinzessin zu verhalten hat!«, schrie ich ihn an. Ein Schnippen meiner linken Hand beförderte die Blutdornenpeitsche aus dem Handschuh in die Faust. »Auf die Knie, Wurm!«

Unter dem Knall der Peitsche fiel der Feldwebel zu Boden. Seinen Speer hatte er vor Schreck losgelassen. Auch seine Soldaten zuckten zusammen.

»Vergebung«, wimmerte der zitternde Fellhaufen vor mir. Mindestens einer seiner Männer belustigte sich über das Schauspiel.

»Schweigt! Sorgt dafür, dass ich unbehelligt vom Pöbel zum Palast gelange, dann vergesse ich diesen Vorfall…«, ein dämonisches Lächeln huschte über meine Lippen, »… vielleicht.«

Als wäre meine Drohung nicht genug, sprang Gargarhaykal aus dem Ätherraum hinaus und landete sicher neben mir. Flammen zogen ihre Spur hinter ihm her. Mit gefletschten Reißzähnen besah er sich die versammelten Orks, als suche er sein erstes Opfer aus. Wahrscheinlich tat er das auch. Die gesamte Patrouille hatte sich einige Schritte zurückgezogen, nur der Feldwebel wagte es nicht, sich zu rühren.

Meine Peitsche verschwand mit einer geflüsterten Losung im Aufbewahrungshandschuh und ich bestieg das riesige Ross. Ein Schwung meines Kopfes wirbelte meine langen Haare nach hinten. Erhobenen Hauptes sah ich auf die Wachen hinab.

Neben mir schulterte Torvac seine Axt, Hufgetrappel verriet mir, dass meine Begleiter sich hinter mir einreihten. Nun war es am Feldwebel, seine Soldaten anzutreiben und mir eine Schneise durch die Bevölkerung zu bahnen.

Unsere Prozession erzeugte einiges an Aufsehen. Gerüchte über mich eilten uns voraus, denn immer mehr Schaulustige drängten sich um einen guten Platz.

Bis wir die oberste Ebene erreichten, hatten weitere Patrouillen die erste verstärkt. Die zusätzlichen Wachen waren auch notwendig, um die gaffende Bevölkerung von uns abzuhalten.

Das Palastgebäude ähnelte einem gigantischen Echsenschädel mit zwei hoch aufragenden Hörnern. Den Eingang bildeten die beiden Nasenlöcher.

Bedienstete kümmerten sich um die Reittiere, Hacasin und Sha’Red blieben bei ihnen. Torvac ging rechts neben mir, Sith’e’thak blieb auf meiner linken Seite etwas zurück. Mir folgten Chalice und dahinter die Zwillinge. Mit weiten Schritten meiner langen Beine trat ich in das Innere des Gebäudes. Mein Umhang bauschte sich hinter mir auf.

Runde Fenster reihten sich zu beiden Seiten entlang eines weitläufigen Saales. Sie warfen dämmriges Licht auf das Spalier der Palastwache, die ihre langen Speere nach innen geneigt hatten. Die Wächter waren sehr stämmig und blickten grimmig drein. Ihr König thronte auf den Schädeln getöteter Feinde, Speere dienten ihm als Rückenlehne. Auf mich wirkte diese Demonstration männlicher Kampfeskraft eher lächerlich. Viel imposanter fand ich die beiden neben dem Thron stehenden Orks. Auf ihrem Lederpanzer glomm ein flammendes Auge, das Zeichen der Glaubensfanatiker von Buu-naa. An Stelle ihrer rechten Augen klaffte ein Loch, dessen Ränder wie ausgebrannt wirkten. Zahlreiche, wulstige Narben überzogen ihren Schädel. Auf dem Rücken hatten sie eine ungewöhnliche Axt, die an beiden Enden über eine doppelseitige Klinge verfügte. In ihren knorrigen Händen hielten sie einen blutroten Speer. Ihre verbliebenen Augen musterten mich von Kopf bis Fuß. Ein Anhänger des Buu-naa kaute beständig auf einem Finger, dessen Kuppe aus seinem Mundwinkel ragte. An einem Lederband um den Hals hingen weitere Finger.

Ich stolzierte mit bezaubernd schwingenden Hüften auf den König zu und umgab seinen Geist mit freundschaftlichen Gefühlen.

Bevor ich auf zehn Schritte an den Thron heran war, trat der nicht kauende Fanatiker vor, schlug mit dem Speer auf den Boden und richtete seine bellenden Worte an mich. Dank meiner Sukkubusfähigkeit, alle Sprachen zu verstehen und zu sprechen, bildeten die harten Laute ehrvolle, ja geradezu höfische Sätze.

»Wer macht König Zuboko vom Stamm der Kultruk seine Aufwartung?«

»Sagt König Zuboko«, den ich intensiv ansah, »dass Prinzessin Crish vom Scharlachroten Tempel in wichtigen Staatsangelegenheiten zu ihm gekommen ist.«

Ein Raunen ging durch die Reihen. Offenbar hatte ich gerade die vorausgeeilten Gerüchte bestätigt. Der König beugte sich vor und wartete nicht die Worte seiner Leibgarde ab.

»Viel Aufsehen für eine Prinzessin, deren Eintreffen unerwartet, aber willkommen ist.« Die spitzen gelben Zähne, die sein Lächeln hervorrief, wirkten nicht so charmant wie seine Worte. »Ghorn, mach unserem Gast Platz, damit er näher treten kann.«

Kurz verharrte das ockerfarbene Auge auf mich, dann drehte sich der Gardist zur Seite. Ohne ihn anzusehen schlenderte ich näher an den Thron heran.

»Bringt der Prinzessin einen Stuhl«, grunzte der König lautstark, »und Wein, der so rot leuchtet wie ihre Lippen. Schnell!«

›Wenn alle meine Zauber so gut wirkten‹, gingen mir die Gedanken durch den Kopf, ›dann war der weitere Verlauf meiner Audienz ein Kinderspiel.‹ Schweigend wartete ich auf die Sitzgelegenheit und ermöglichte so dem Herrscher, meine verlockende Weiblichkeit zu bewundern.

Mehrere Diener mühten sich ab, dem Befehl des Königs nachzukommen. Galant nahm ich dann auf dem mit Kissen gepolsterten Sessel Platz. Auf einem niedrigen Tisch wurde das Tablett mit Weinkaraffe und einem Glas abgestellt. Mir wurde eingeschüttet, ich kostete den roten Saft und leckte sündig meine Lippen ab. Überraschend guter Wein rann erfrischend über meine Zunge.

»Wie kann ich dem Scharlachroten Tempel behilflich sein, Prinzessin?«, offerierte mein Gastgeber.

»Vrath’par gilt im Tempel als die stolzeste aller Städte im Orkgebirge«, lobpreiste ich. »Nirgendwo sonst finden sich glorreichere Krieger und mutigere Streiter. Und genau diese brauche ich für einen Besuch Eurer heiligsten Stätte, dem Feurigen Auge.«

»Jedes Eurer Worte ist wahr gesprochen. Niemand wagt es, einen Kultruk herauszufordern«, brüstete sich Zuboko. »Leider befinden sich viele meiner besten Krieger im Kampf gegen die Reiche des Westens. Mich wundert es, dass so wenige Männer Euren Weg begleiten.«

»Auch der Tempel litt unter dem Krieg, und hätte ich noch so viele Soldaten mitgebracht, kaum einer von ihnen kennt das Gebirge. Zudem hättet Ihr denken können, ich plante einen Angriff. Nichts liegt mir ferner, als die guten Verbindungen unserer Reiche zu gefährden. Doch ist meine Reise zum Feurigen Auge von großer Bedeutung. Und eine Eskorte aus Eurem Stamm wird zu meinem Erfolg beitragen.«

»Eine Eskorte, sagt Ihr?« Der König rieb grübelnd sein Kinn. »Bis zum Feurigen Auge sind es drei Nachtmärsche, dabei werden wir das Gebiet der Bergwölfe durchqueren. Wir dürfen auch nicht den Berg betreten, ohne den Herrscher des Gebirges um Erlaubnis zu bitten.«

»Davon bin ich ausgegangen«, lächelte ich, »Ihr eilt meinen Gedanken voraus. Vrath’par liegt wahrlich in den Händen eines würdigen Anführers.«

Unter meinem Lob streckte sich Zuboko. Es gefiel ihm, von einer schönen Frau umschmeichelt zu werden. »Scrag wird Euch begleiten, nur er darf den Herrscher wecken.«

Nur kurz nahm der angesprochene Ork den abgetrennten Finger aus seinem Mund und deutete eine Verneigung an. Dann kaute er weiter.

»Mein Neffe Guzud wird die Eskorte anführen. Auf seine scharfen Augen ist Verlass. Er kennt jeden Stein im Gebirge. Bis zum nächsten Abend wird er genug Männer mobilisiert haben. Nutzt den Tag zur Ruhe, Prinzessin, und seid heute Nacht mein Gast.« Den Überschwang in seiner Stimme hatte ich befürchtet. Eine Nebenwirkung meiner Kraft war, dass die Betroffenen glaubten, mein bester Freund zu sein. Da lag es nahe, auch das Bett mit mir zu teilen.

Diesem Wunsch wollte ich aber nicht entsprechen. Weder war ich auf die Stadt erpicht, noch wollte ich Torvac das Vergnügen gönnen, den breiten Schädel des Königs zu spalten.

»So sehr ich Eure Einladung schätze, ist mir viel daran gelegen, noch heute Abend aufzubrechen. Wenn meine Reise von Erfolg gekrönt ist wird es sicherlich Besuche zwischen unseren Häusern geben, die allein der vertrauensvollen Zusammenarbeit dienen.« Mein Augenaufschlag hätte selbst einen Frostriesen zum Schmelzen gebracht. »Ich bitte um Euer Verständnis in dieser Angelegenheit.«

Seufzend nickte der König. »Euren Wünschen kann ich einfach nicht widersprechen. Guzud wird so viele um sich scharen, wie er bis zum Abend auftreiben kann.«

Danach folgte noch höfisches Geplauder. Uns wurden einfache Quartiere zugewiesen, die wohl dem Besten entsprachen, was in dieser Stadt geboten werden konnte. Die Reittiere bekamen im Marstall reichlich zu fressen. Über Tag ruhte die Stadt, denn Orks scheuten das helle Sonnenlicht.

Bis zum Abend hatte sich die Eskorte eingefunden. Guzud stand neben einem großen Macan und verneigte sich vor mir. Der Anführer hatte ungewöhnlich große Hände und Füße und wirkte leicht untersetzt. In seinen grün gesprenkelten Augen funkelte mehr Verstand, als ich auf den ersten Blick vermutete. Sein Reittier, das einem übergroßen Wolf mit schwarzem Fell und listigen, dunkelroten Augen glich, knurrte. Die hochgezogenen Lefzen entblößten rasiermesserscharfe Fangzähne.

Freudig präsentierte mir Guzud siebzig Orks und dreizehn Halboger. Alle führten Speere und Kurzschwerter, Buckler dienten ihnen als Schilde. Auf den mit Ringen verstärkten Lederrüstungen prangte ein Reptilienschädel, das Zeichen des Stammes Kultruk. Stämmige Ponys standen gesattelt als Reittiere bereit.

Scrag, als Vertreter der Augen des Buu-naa, verzichtete auf ein Reittier. In Geschwindigkeit und Ausdauer hielt er – genauso wie Torvac – mit den Tieren zu Fuß mit. Die Macht seines Gottes war mit ihm.

Zwei Nächte lang zogen wir durch das Gebirge. Immer näher kamen wir dem Feuer speienden Vulkan, dessen Ausbrüche über die Berge donnerten.

Am Morgen des dritten Tages, als wir unter der aufgehenden Sonne in eine Senke ritten, um dort das Lager zu errichten, eilte die Vorhut auf uns zu. Direkt hinter ihnen erschienen Dutzende von großen Macanen, auf denen Orks mit dem Zeichen des gehörnten Wolfes auf ihrer Brust ritten.

Eiligst organisierte Guzud einen Gegenangriff, doch nicht alle hörten noch auf ihn. Torvac und das Auge des Buu-naa liefen brüllend auf die sich schnell nähernden Angreifer zu, die ich nun auf zehn bis zwölf Dutzend Reiter schätzte.

Von dem Kampfschrei des Minotauren schreckte sogar der heranstürmende Macanreiter zurück. Ängstlich kläffend drehte das Tier um und hastete so schnell es konnte davon.

Scrag rotierte brüllend mit seiner imposanten Axt. Durch die Klingen an beiden Enden formte er so einen vernichtenden Wirbel. Er ignorierte ihn treffende Speere, schlug reihenweise Hände, Arme, Beine und Köpfe ab.

Das Zwillingspaar hatte abgesessen und mit ihren Langbögen hinter Findlingen Stellung bezogen. Gezielt mähten sie die Anstürmenden mit einem Pfeilhagel nieder. Ihre Köcher lieferten unentwegt neue Pfeile, was nur durch starke Verzauberung erklärbar war.

Für ihre Feinde unsichtbar verschmolz die Albino förmlich mit den Felsen. Ihre Wurfdolche schleuderte sie mit tödlicher Präzision in die Rücken vorbei eilender Orks. Nach jedem Treffer wechselte sie unerkannt die Position und wartete auf eine neue Gelegenheit.

Die restlichen Reiter, darunter auch die drei Männer des Tempels, lieferten sich ein offenes Gefecht mit den Macanreitern. Im Galopp trafen die beiden Seiten aufeinander. Speerspitzen durchbohrten Rüstungen und Brustkörbe, zerbarsten unter der Wucht des Aufpralls, flogen mehr oder weniger zielgerichtet durch die Luft. So chaotisch wie das Schlachtfeld war auch der Kampfeslärm. Waffenklirren, Wutschnauben, Todesschreie, splitternde Knochen. Blut rauschte in meinen Ohren, dämonische Mordlust ergriff Besitz von mir.

Von meiner rückwärtigen Position aus sah ich vier Macanreiter auf einer Anhöhe stehen. Sie hatten ebenso wenig ins Kampfgeschehen eingegriffen wie Guzud und ich. Gargarhaykal bleckte bereits seine Zähne. Er reagierte sofort auf meinen Schenkeldruck, preschte schräg nach vorne in die Luft und wechselte mit mir in den Ätherraum. Im schnellen Galopp zogen die Schemen des Kampfes an uns vorbei, dann hatten wir die Anhöhe erreicht. In einer scharfen Kehre wendete ich mein Ross, wechselte auf die Materielle Ebene und begrüßte die gegnerischen Anführer mit einem psionischen Gedankensturm, der Orks und Macane ins Taumeln brachte.

Um den Hals des am nächsten befindlichen Orks baumelte das Glaubenszeichen des Buu-naa. Ich überließ den Kleriker meinem Egniaygir. Geschmeidig glitt ich von dem Rücken. Mein Ziel war ein groß gewachsener Ork, in dessen Adern sicherlich Ogerblut floss. Unter seinem Wams ragte das dichte Geflecht eines Kettenhemdes hervor. Im unkontrollierten Sturz von seinem verwirrten Reittier hatte er Helm und Speer verloren. Zwei Wurfäxte und ein Breitschwert baumelten an seinen Waffengurten.

Noch bevor sich der Anführer schwankend erhob, jagte mein erster thaumaturgischer Klauenzauber in seinen Leib. Die schattenhafte Kralle ignorierte die Rüstung und zerfetzte seine darunter liegende Haut. Blut sickerte in das Wams. Panisch versuchte der Halboger, sein Schwert zu ziehen. Ein Fingerzeit, ein abgründiger Gedanke, und meine nächste Klaue flog. Unausweichbar ritzte sie seine Schädeldecke auf. Ich schnippte und umfasste meinen erschienenen Krummsäbel mit beiden Händen. Tobend hieb ich auf den sich mühevoll wehrenden Krieger ein. Er schaffte es zwar, seine Waffe zu ziehen, doch zu mehr als einigen Paraden war er nicht fähig. Immer wieder glitt meine Waffe von dem Kettengeflecht ab, dann durchstieß ich Rüstung und Knochen. Ein mentaler Impuls löste den im Säbel gespeicherten Zauber aus. Lunge und Herz platzten, als sich die thaumaturgisch geschaffene Kralle von innen heraus nach außen arbeitete. Um meine Waffe wieder zu lösen, musste ich meinen Fuß gegen den Brustkorb drücken. Eine Blutlache breitete sich schnell auf dem Boden aus.

Hinter mir kreischte der Kleriker. Gargarhaykal hatte begonnen, aus der zerrissenen Bauchdecke heraus die Eingeweide zu fressen. Pech für den Ork war, dass er noch lebte.

Vier Macane und zwei Leibwachen kamen langsam wieder bei. Ich hob das Breitschwert des Getöteten auf und rammte es in die Schulter eines Kriegers, wo es sich im Schlüsselbein verhakte. Wutschnaubend wurde der Getroffene zum Berserker. Ich stolperte nach hinten, als er mit seiner Axt ausholte, und rutschte dabei in der Blutlache aus. Mein Krummsäbel entglitt meinen Fingern. Schnell zog ich meine Beine heran, spannte meinen Rücken und sprang auf die Füße. Jetzt war ich es, die wütend schnaubte, die Handschuhe von den Händen riss und geistige Energie in die Arme verlagerte. Aus meinen zierlichen Händen wurden Klauen, so groß wie bei einem Bär. Als sich zwei Macane auf mich stürzten, knurrte ich bösartig und schlitzte einem Tier mit einer fließenden Bewegung den Unterleib auf. Kreischend rollte es sich zusammen, während ich von dem anderen Macan begraben wurde. Luft entwich meinen Lungen und spitze Zähne bohrten sich in meine Schulter. Doch nach jedem Biss heilten die Verletzungen sofort wieder. Einem Dämon war der Macan nicht gewachsen und ich drehte das Spiel um, fauchte und fuhr meine Fänge aus, schnappte zu und riss Fell und Haut aus der Flanke. Winselnd bemerkte das Wesen seinen Fehler, doch es war nun in meinen Krallen gefangen. Blut überströmte mich, als ich die Rippen vom Fleisch befreite. Zu meinem Glück konnte sich der Macan von mir lösen. Zuckend verendete er einige Schritte weiter.

Auf den Rücken liegend sah ich, wie der Berserker auf mich zu sprang und seine Axt auf mich nieder führte. Ich rollte zur Seite, die Klinge zersplitterte den Felsen und blieb darin hängen. Aus meiner Bauchlage heraus sprang ich den Ork an und wir stürzten zu Boden. Seine Augen weiteten sich, als ich mich mit den Klauen an ihm hoch zog, meinen Mund aufriss und mit meinen dämonischen Reißzähnen seine Halsschlagader durchbiss. Röchelnd rang er nach Luft.

Ein plötzlicher, brennender Schmerz fuhr durch meinen Rücken. Instinktiv rollte ich mich von dem Sterbenden ab, gerade rechtzeitig, als ein roter Speer das Leben des Orks beendete, wo ich zuvor noch gelegen hatte. Der letzte Krieger hatte mich mit der geheiligten Waffe schwer verletzt. Ich spürte, wie mein dunkles Blut aus der Wunde sickerte. Das war nicht gut.

Benommen stand ich auf und brachte meinen Kopf gerade noch zur Seite, bevor die Speerspitze meinen Schädel durchbohrt hätte. Wut unterdrückte den Schmerz. Wut und Angriffslust. Fauchend sprang ich meinen Peiniger an, meine Krallen verfingen sich in der beschlagenen Lederrüstung. Ein Hieb mit seinem Stab in meine Seite löste uns voneinander. In schneller Folge stach mein Gegner zu. Mehrmals schrammte die Spitze über meine Haut, zerriss meine Kleidung und vereitelte meine gezielte Gegenwehr. Ich brauchte dringend Hilfe. Oder einen neuen Angriffsplan.

Aus dem Augenwinkel sah ich meinen Vertrauten im Kampf mit einem Macan, ein zweiter lag blutend in seiner Nähe. Auf sein Eingreifen konnte ich nicht zählen, daher vergrößerte ich sogar den Abstand zu ihm. Die Wirkung meiner Klauenverwandlung endete, in meinen Gedanken formte ich bereits eine neue Kraft. Während mein Körper eher instinktiv den Angriffen auswich, erzeugte mein Gedankenimpuls ein glühendes Plasma. Ohne es von mir zu schleudern, brachte ich es direkt vor mir zur Explosion. Mein Körper widerstand dem Feuer, für den Krieger galt das nicht. Sein überraschter Schmerzensschrei zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. Ich formte die nächste Flammenkugel und hüllte uns damit ein.

Im Glauben, dem Feuer zu entkommen, wenn er vor mir floh, machte mein Gegner kehrt. Doch er irrte. Meine nächste Kugel schleuderte ich vor seine Füße. Sein Fell war verschmort, die Ohren bereits verbrannt. Ich langte nach dem verlorenen, unversehrten roten Speer, wog ihn in meinen Händen und fixierte den strauchelnden Krieger. Mein Schwung reichte, die Spitze bohrte sich in den Rücken und brachte den Ork zu Fall.

Grimmig sah ich über die Anhöhe hinweg. Aufgerissene Leiber, Blut und verbranntes Fleisch zeugten von dem dämonischen Schlachtfest. Ein Ziehen in meinem Rücken erinnerte mich an die Verletzung. Vorsichtig atmete ich tief ein, konzentrierte mich und nutzte meine geistige Kraft, um das zerstörte Gewebe zu heilen.

Die Verletzung ging tief, hatte aber keine wesentlichen Organe zerstört. Von dem Schnitt würde nach meiner inneren Einkehr nicht einmal eine Narbe bleiben. Für mein äußeres Erscheinungsbild war mir eine makellose Haut wichtig.

Neben einem angefressenen Macan lag mein Krummsäbel. Ich streckte meine Hand aus und zog die Waffe telekinetisch heran. Auch die Handschuhe brachte ich so wieder an mich. Gargarhaykal schlenderte kauend auf mich zu.

›Ziemlich knorpelig, diese Hündchen. Hey, Schätzchen, du siehst ziemlich abgerissen aus. Alles in Ordnung?‹, wieherten sorgenvoll seine Gedanken. Ich streichelte seinen Kopf und küsste dabei sein Fell.

›Es geht wieder. Für heute ist mein Bedarf an Kämpfe gedeckt.‹

›Beim Abgrund, Krisheena, an dir ist ja eine Amazone verlorengegangen!‹

›Danke für das Kompliment. Die Ausbildung bei den Para-K’hor hat sich heute bewährt.‹

›Du‹, betonte er ungläubig fragend, ›warst bei den Para-K’hor?!‹

›Ist jetzt eine halbe Ewigkeit her, scheint mir.‹ Ich befand mich gerade an der Kriegerschule für Psioniker in der Ausbildung an Waffen und der Anwendung geistiger Kräfte, als ich von Priesterinnen des Scharlachroten Tempels aus dem Abyss auf die Welt der Verlorenen Reiche beschworen wurde.

›Da kommt Besuch‹, warnte Gargarhaykal und ich drehte den Kopf.

Die ersten Reiter der Eskorte erreichten die Anhöhe. Als sie mich mit angesengter und zerrissener Kleidung inmitten der Verwüstung sahen, bemerkte ich den furchtsamen Respekt in ihren Augen. Torvac, direkt hinter ihnen, lachte aus tiefer Kehle. Das Blut in seinem Fell roch nicht nach ihm, dafür schmeckte der Kuss, den wir uns gaben, nach wilder Leidenschaft.

Von der Senke drangen verzweifelte Schreie hinauf. Ich sah hinab und beobachtete, wie die überlebenden Reptilienschädel jeden Bergwolf, ob schon tot oder nur verletzt, genüsslich abstachen. Auch die zu schwer verletzten Kameraden erlitt der Tod, wenngleich auch kurz und weniger schmerzhaft.

Anschließend wurden den Gegnern die Hände abgeschlagen, was das Zählen der Getöteten erleichterte. Schädel wurden warnend aufgespießt, die Habseligkeiten und Waffen geplündert. Als besondere Souvenirs galten Finger und Ohren. Scrag hatte bereits frische Finger zum Kauen im Mund und fädelte weitere auf ein Lederband.

Nun war es an mir, meine Begleiter zu sammeln. Hacasin fand ich mit zerschnittener Kehle. Sha’Red säuberte seine Waffen vom Blut. Gobar spaltete wütend Orkschädel. Sein Zwillingsbruder Grai saß leblos an einen Findling gelehnt, aus seinem Brustkorb ragten drei Speere. Über den Schwertarm von Sith’e’thak zog sich eine lange Schnittwunde. Chalice half ihm, sie zu verbinden.

Auf einem Pony näherte sich mir Guzud. Seinem Macan hatte eine Axt den Kiefer gespalten.

»Prinzessin der blutigen Königin«, er stieg ab und verneigte sich, »der Hort des Herrschers über das Gebirge befindet sich nicht weit von hier. In dem Tal davor können wir rasten, während Euch Scrag hinauf geleitet.«

»Wie groß waren die Verluste?«

»Über die Hälfte meiner Männer hat der Angriff das Leben gekostet. Sechzehn sind nicht kampffähig.« Als er meinen verkniffenen Gesichtsausdruck sah, fügte er schnell hinzu: »Aber wir haben gute Beute gemacht, Prinzessin! Kaum ein Bergwolf ist entkommen. Stamm der Kultruk hat gute Krieger.«

»Eure Kampfkraft stelle ich nicht in Frage, doch der Angriff hat meine Pläne etwas durcheinandergebracht.« Ich spitzte meine Lippen. »Kümmert Euch nicht weiter darum, sammelt Eure Männer und wir ziehen weiter in das Tal.«

Erleichtert, nicht bei mir in Ungnade gefallen zu sein, atmete der Anführer aus und machte sich daran, meinen Befehl umzusetzen. Unter der aufgehenden Sonne marschierten wir über den Bergkamm und errichteten oberhalb des beschriebenen Tals ein Lager. Die Baumgrenze hatten wir längst überschritten. Dunkle Moose und blassgrüne Flechten überzogen den Stein, vereinzelt sprossen hell leuchtende Blumen zwischen den Felsen hervor. In nicht sehr weiter Ferne grollte der Vulkan, ein rötlicher Schein hing dort über den Gipfeln.

Stolz baute sich Scrag vor mir auf. Ich hatte gerade meine noch brauchbaren Reitstiefel mit kurzen thaumaturgischen Anrufungen ausgebessert, für die Hose und die Weste gab es keine Verwendung mehr. Die Beinlinge hatte ich abgetrennt, nur wenig Leder bedeckte nun meine Hüften. Um meinen Oberkörper trug ich jetzt ein am Bauch geknotetes Hemd aus rotem Leinen.

»Wenn Ihr bereit seid, Prinzessin, werden wir zum Plateau des Herrschers aufsteigen.« Der Anhänger des Buu-naa wartete geduldig, während ich in die Reitstiefel schlüpfte.

Nachdem auch meine Haare gebändigt waren, wandte ich mich Scrag zu: »Geht voraus und weist mir den Weg.«

Als sich auch Torvac in Bewegung setzte, gebot der Glaubenskrieger ihm Einhalt.

»Nur Ihr, Prinzessin, dürft in meiner Begleitung die heilige Stätte betreten.« Erhobenen Hauptes ließ Scrag erkennen, dass er zu keiner Ausnahme bereit war.

»Es ist schon gut, Torvac«, lächelte ich meinem Beschützer zu, »wir sind ja nicht weit weg.« Grummelnd blieb er zurück.

Unser Weg führte über einen schmalen Pfad steil hinauf, bis das Gebiet flacher wurde und zu einem sanft ansteigenden Hügel wechselte.

Auf den gesamten Hang hinweg befanden sich rauchende und spritzende Löcher. Schwefel hatte den Stein gelblich gefärbt und ein stechender Geruch hing unverkennbar in der Luft. Eine verwitterte Treppe zog sich in mehreren Windungen hinauf. Sie wurde direkt in den rauen Stein geschlagen. Große Felsbrocken versperrten die Sicht auf den Kamm. Wenn sie gelöst würden, hätten sie auf ihrem Weg ins Tal alles unter sich zermalmt und eine Steinlawine nach sich gezogen.

Unbeeindruckt der Gefahr schritt ich hinter Scrag die Stufen hinauf. Wir umrundeten einen massiven Findling und erreichten ein Plateau. In Gruppen standen auf Speeren gespießte Schädel zusammen. Gelblicher Nebel wallte kniehoch über dem Boden. Unter zwei gekreuzten Speeren hing ein großes, rotes Horn mit goldenen Gravuren. Kleine Räucherbecken verteilten sich um diese Stelle, vor der sich Scrag hinkniete. Er huldigte Buu-naa, der sie ausgewählt hatte, über die Welt zu herrschen. Dabei entzündete er kleine, dunkel rauchende Feuer. Es roch nach verbrannten Haaren gewürzt mit trockenen Fäkalien. Mühsam konnte ich ein Niesen unterdrücken.

Nach einer Viertelstunde erhob sich der Glaubenskrieger, verneigte sich und führte das Horn an seine Lippen. Zunächst hörte ich nichts sondern spürte nur ein gedehntes Vibrieren im Bauch, das an Stärke zunahm. Tiefes Brummen echote daraufhin von den umliegenden Gipfeln wider. Steine prasselten den Hang hinab. Erst mehrere Minuten, nachdem sich Scrag von dem Horn getrennt hatte, verebbten die tiefen Laute.

Ohne Vorwarnung begann der Boden unter meinen Füßen zu beben. Ein neues Dröhnen erklang, nur weitaus gehaltvoller. Dann wirbelte der gelbe Nebel inmitten des Plateaus auf. Als der Schleier sich legte und der Ton verklang, erblickte ich den gigantischen Schädel eines roten Drachen. Rauch wallte durch die Gesichtszüge – nicht der Körper selbst war erschienen, sondern ein Abbild seines schlafenden Geistes, für mich nicht minder Ehrfurcht erregend. In den glühenden Reptilienaugen, so groß wie mein Kopf, brannte Alter und Macht. Die Macht der Jahrtausende. Aus dem Maul ragten spitze Zähne, die so lang wie meine Oberschenkel waren. Mehrere Hornreihen sprossen aus seinem Schädel und gingen in vier nach hinten gewundene Hörner über. Sein Kinn verlief nach unten hin spitz zu und formte so einen starren Bart, der ihm Würde und Erhabenheit verlieh. Ehrfurcht ergriff mich und lähmte meine Muskeln. Scrag hatte sich bereits zu Boden geworfen.

»Oh, ehrwürdiger Amogoron, Herrscher über das Orgkebirge, dein treuer Untertan hat das Horn von Malrikesh erklingen lassen, um Euren Rat zu erflehen. Prinzessin Crish vom Tempel der Scharlachroten Königin bittet um Euer Gehör.«

»Sprecht!« Die tiefe Stimme des uralten Wyrms brachte meinen ganzen Körper zum Zittern. Sie durchfuhr mich mit solcher Kraft, dass ich mich den Worten nicht hätte widersetzen können. Ich fühlte mich winzig, nicht nur in körperlicher Länge.

Um meiner Ehrfurcht Ausdruck zu verleihen, verneigte ich mich sehr tief und wählte meine Worte so diplomatisch, wie ich nur konnte. »Majestät, als Vertreterin der dunklen Allianz, in deren Diensten ich stehe, führt mich der Weg in das Orkgebirge, um das Feurige Auge zu betreten. Nur hier kann ich die Essenz eines großen Feuerelementarwesens bekommen, die für das Gelingen unserer Verbindung unabdingbar ist. Demütig bitte ich Euch um die Erlaubnis, meinen Weg fortzusetzen.«

In der folgenden Stille spürte ich ein durchdringendes Pulsieren im Felsen tief unter meinen Füßen. Das Blut in meinen Ohren rauschte und mein Herz schlug aufgeregt unterhalb meines Busens. Kühlender Schweiß bildete sich auf meiner Stirn gefolgt von einem ziehenden Schmerz in meinem Schädel. Unterbewusst reagierte ich auf diesen mentalen Angriff – Amogoron las in meinen Gedanken! Meine Schläfen pochten bei dem Versuch, ihm nicht alle Geheimnisse meines Geistes zu offenbaren, doch es wäre anmaßend zu behaupten, ich hätte gegen seine überragende Intelligenz den Hauch einer Chance gehabt.

Dann endete sein Zugriff so unvermittelt, wie er gekommen war, doch ein dumpfer Schmerz blieb.

»Ja, ich sehe diese Notwendigkeit«, jedes seiner Worte war ein Donnerhall, ein Ausbruch an Macht, »die Bitte sei gewährt.«

Alle Gesichtszüge verwirbelten ineinander, bis nur noch sein rechtes Auge zu erkennen war, das sich musternd in meine Gedanken brannte. Was hatte er noch gesehen? Ich taumelte einige Schritte und als ich wieder aufsah, breitete sich der gelbe Nebel wie unberührt auf dem Plateau aus.

Ergriffen von der Präsenz des Drachen brauchte ich einige Augenblicke, bis ich mich wieder beruhigt hatte und mit Scrag das Plateau verließ.

Leidenschaft

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