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Depression und Pflege

Wie wir depressive Pflegekunden besser betreuen (und weniger Stress dabei haben)

Andreas Poppe

Guten Tag, liebe Leser,

mein Name ist Andreas Poppe, ich arbeite sowohl als Heilpraktiker für Psychotherapie in eigener Praxis als auch als Betreuungsassistent in einem Seniorenpflegeheim. Vorher habe ich über 30 Jahre an verschiedenen Theatern und Schauspielschulen im In- und Ausland gearbeitet.

Der berufliche Übergang erfolgte allmählich und schrittweise. Ich begann, meine künstlerische und pädagogische Arbeit durch Hypnose-Coaching zu erweitern und interessierte mich dadurch immer mehr für therapeutische Ansätze. Konsequenterweise (zumindest für mich) machte ich dann eine Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie, welche nicht nur therapeutische Verfahren enthielt, sondern auch einen sehr großen Anteil an psychiatrischer Diagnostik, um einer amtsärztlichen Überprüfung gerecht werden zu können. Auf diesem Wege entdeckte ich, dass mich die therapeutische Arbeit mehr interessierte als die künstlerische. So war es denn nur eine Frage der Zeit, bis ich die Kunst als Beruf an den sprichwörtlichen Nagel hängte. Weil ich zusätzlich zu meiner psychotherapeutischen Praxis im Gesundheitswesen arbeiten wollte, machte ich einen Pflegebasiskurs und eine Weiterbildung zum Betreuungsassistenten.

Während meiner Arbeit im Pflegeheim höre ich ab und an (wenn auch halb im Scherz) von Kollegen den Spruch: „Wir könnten manchmal auch Hilfe gebrauchen.“. Und - wenn auch selten - ergeben sich während der Arbeit kurze Gespräche, in denen Kollegen äußern, dass sie gern besser mit dem Stress, mit der emotionalen Belastung im Beruf umgehen würden.

Das war interessanterweise auch schon Thema im Pflegebasiskurs, und es gibt bereits einige Bücher dazu. Stress und Burnout in der Pflege sind wichtige Themen für uns.

Stress und Burnout führen dazu, dass Menschen sich einen anderen Beruf suchen oder im günstigsten Falle nur häufiger krank sind - was auf der anderen Seite die Probleme durch Personalmangel noch verstärkt. Jeder, der im Pflegebereich arbeitet, weiß das. Es gibt keinen Grund, diese Feststellung weiter breitzuwalzen.

Weil ich trotz des Berufswechsels weder die Lust an kreativer Arbeit noch am Schreiben von Texten verloren habe, habe ich mich entschlossen, ein Buch darüber zu schreiben, wie man mit Stress und emotionaler Belastung im Pflegebereich besser klarkommen kann.

Ich möchte meine Lebens- und Berufserfahrung auch in diesem Bereich nicht ungenutzt lassen:

Während der langen Zeit, die ich an Theatern und Schauspielschulen gearbeitet habe, bekam ich es oft mit sehr viel Stress bei mir und anderen zu tun. In der Schauspielausbildung haben sich im Laufe der Zeit eine Menge Übungen entwickelt, um solchem Stress zu begegnen. Der emotionale Stress im Theater- und Filmbereich ist zwar anders, aber nicht geringer als im Pflegebereich. Viele dieser „Schauspielübungen“ können - angepasst - auch Pflegekräften eine große Hilfe sein.

In meiner psychotherapeutischen Praxis versteht es sich von selbst, dass mir Patienten von Situationen berichten, die sie belasten. Viele der psychotherapeutischen Hilfestellungen, welche in solchen Situationen gegeben werden, können gut als Unterstützung im pflegerischen Alltag genutzt werden.

Ich habe das große Privileg, wirklich an der Basis zu arbeiten. Ich erlebe den Alltag im Pflegeheim ohne den Abstand, den ein Mensch hat, der früher einmal in der Pflege gearbeitet hat und nun coacht oder unterrichtet. Beinahe jeden Tag kann ich Erfahrungen machen, die mir zeigen, wo und wie Stress entsteht. Ich erlebe dies sowohl bei mir als auch bei anderen. Das Reflektieren und Verarbeiten solcher Erfahrungen ist für mich so wertvoll, dass ich diese Erkenntnisse gern mit Ihnen teilen möchte.

Diese Broschüre ist ein Teil eines Buches zu diesen Themen, welches gerade im Entstehen begriffen ist. Sie beschäftigt sich mit dem Umgang mit Depressionen bei unseren Pflegekunden.

Für mich war es überraschend zu sehen, dass der Umgang mit psychisch veränderten Pflegekunden eine sehr große Quelle von Stress für die Mitarbeiter ist.

Damit keine Missverständnisse entstehen: ich konnte diesen Stress auch bei mir beobachten. Und das hat mich gewundert. Da meine beiden Eltern in einem psychiatrischen Krankenhaus gearbeitet haben, bin ich auf dem Gelände einer Nervenklinik großgeworden, in der die Patienten sich frei bewegen konnten - habe also praktisch keine Berührungsängste mit psychisch veränderten Menschen. Außerdem habe ich ein sehr starkes Interesse an psychiatrischen Themen und hatte auch schon überlegt, mir eine Arbeit in einer psychiatrischen Einrichtung zu suchen. Es ist nicht so, dass in meiner Welt psychisch veränderte Menschen marginalisiert (also an den Rand geschoben) werden. Über andere Menschen kann und möchte ich in diesem Zusammenhang nicht schreiben. Aber ich glaube nicht, dass eine Marginalisierung psychischer Krankheiten der wichtigste Grund für den Stress ist, den Pflegende mit Menschen haben, die unter solchen Krankheiten leiden.

Ich glaube, es liegt daran, dass wir uns bei psychisch veränderten Menschen nicht auf unsere Empathie verlassen können, unser Einfühlungsvermögen, welches uns häufig das intuitiv richtige Eingehen auf unsere Gesprächspartner erlaubt.

Wir können uns gut einfühlen, wenn ein Mensch Schmerzen leidet, wenn er traurig ist, weil ein geliebter Angehöriger verstorben ist. Wir können einen Menschen verstehen, der Angst vor dem Tod hat. All diese Empfindungen und Gefühle kennen wir selbst.

Nun: auch ein Mensch mit einer psychischen Störung kennt Ängste, Trauer oder Schmerzen. Das können wir sogar noch sehr gut nachvollziehen.

Was wir schlecht nachvollziehen können, ist die Art, auf der solche Gefühle entstehen, die Art, wie Kranke mit ihnen umgehen und die Tatsache, dass wir bei solchen Gefühlen nicht auf dieselbe Weise helfen können, wie wir das bei unseren „normalen“ Mitmenschen tun.

Empathie - da scheint man sich einig zu sein - ist das Resultat der Arbeit unserer Spiegelneuronen . Diese sorgen dafür, dass wir menschliche Regungen, die wir sehen, hören oder uns vorstellen, in abgeschwächter Form so empfinden, als wären es unsere eigenen. Das versetzt uns in die Lage, das Leid unserer Mitmenschen zu teilen, mitzufühlen, Anteil zu nehmen.

Wie aber sollen wir verstehen, dass ein depressiver Patient ohne größeren Anlass buchstäblich untröstlich sein kann? Wie sollen wir Anteil daran nehmen, wenn uns ein schizophrener Patient erklärt, dass das Muster in der Tapete spezielle Botschaften für ihn enthält? Wie sollen wir den verworrenen Gedankengängen eines dementen Pflegekunden folgen, um zu verstehen, warum er so ängstlich ist?

Und vor allem: wie sollen wir helfen? Was können wir tun, um das seelische Leid der uns Anvertrauten zu lindern?

Mit dem vielgerühmten „gesunden Menschenverstand“ kommen wir da selten weiter.

Für mich entsteht Stress dadurch, dass ich mein Bedürfnis zu helfen nicht immer ohne Probleme umsetzen kann. Wenn es mir beispielsweise nicht gelingt, einen dementen Bewohner zu beruhigen, der vor Angst zittert. Wenn ich spüre, dass mir die Felle davonschwimmen und ich keinen Plan habe, wie ich der Situation Herr werden soll. Wenn ich dann noch wenig Zeit dafür habe, weil die nächste Arbeit auf mich wartet, dann wird es richtig anstrengend für mich - und wenn ich keinen Erfolg habe und den Bewohner sich selbst überlassen muss… ja dann bin ich frustriert.

Das sind drei wichtige Ursachen für Stress:

 Ich habe an mich selbst eine Erwartung und weiß nicht, ob und wie ich dieser gerecht werden kann.

 Der Zeitdruck erschwert das Finden einer guten Lösung und vermindert die Aussicht auf Erfolg.

 Misserfolg schafft Frustration.

Erfolgreiche Kommunikationen mit Bewohnern geben mir Auftrieb, erfolglose stressen mich - so einfach stellt sich das für mich dar.

Das bedeutet: Je mehr erfolgreiche Kommunikation, desto weniger Stress.

Ein gutes Mittel für mich, um Stress in der Arbeit mit psychisch veränderten Pflegekunden zu vermindern, ist es, psychische Störungen besser zu verstehen und kommunikative Fallstricke ebenso zu kennen wie die Empfehlungen für eine angemessene Kommunikation. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil unsere einfache Empathie für eine solche Arbeit nicht immer ausreichend ist.

Der zweite Pfeiler, der den Stress vermindert, besteht in einem ausgewogenen Verhältnis von Distanz und Zuwendung.

Um Ihnen die psychischen Störungen etwas näher zu bringen, möchte ich nicht in den Stil eines Lehrbuches für Psychiatrie in der Pflege verfallen. Ich möchte Ihnen verschiedene Krankheiten durch Menschen vorstellen, die ich wirklich kennengelernt habe, möchte Ihnen schwierige Situationen anhand eigener Erlebnisse plastisch schildern.

Ich wünsche mir sehr, dass ich auf diese Weise Ihre Vorstellungskraft und Phantasie nutzbringend anregen kann.

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