Читать книгу Entwicklungspädiatrie in der Interdisziplinären Frühförderung - Andreas Seidel - Страница 6
Einleitung
ОглавлениеJedes Kind ist individuell und auf seine Weise einmalig. Die Kindesentwicklung ist ebenso individuell und dabei abhängig von biologischen (»entwickeln«) und Umweltfaktoren (»entwickeln lassen und helfen«), die in Wechselwirkung zueinanderstehen. Dabei stellt die frühe Kindheit eine hochsensible Phase in der Entwicklung dar. Insbesondere die Entwicklungs- und Lebensbedingungen in der Ursprungsfamilie, aber auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext (z. B. Kita und gesellschaftliche Faktoren im Allgemeinen) spielen eine bedeutende Rolle für die Entwicklung und die Gesundheit eines Kindes. Für die Eltern und Personensorgeberechtigten heißt dies, dass sie auf die individuellen Bedürfnisse ihres Kindes eingehen müssen; insbesondere auch auf die emotionalen und sozialen Bedürfnisse. Forschungsbefunde zeigen, dass Bindungsunsicherheiten beim Kind und Beeinträchtigungen der Eltern-Kind-Interaktion zu späteren Verhaltensproblemen und chronischen Gesundheitsstörungen führen können.
Deshalb sind Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation für (junge) Kinder so bedeutsam. Die Frühförderung ist ein bedeutendes niedrigschwelliges Förderangebot für Kinder mit (drohender) Behinderung, aber auch vorbeugende Unterstützung für Kinder mit Entwicklungsbeeinträchtigungen und ihre Familien. Sie richtet sich als gesetzlich angebotene spezielle Hilfeform an Kinder im Vorschulalter (ab dem ersten Lebensjahr) und bezieht die Familien in die individuelle Frühförderung des jeweiligen Kindes ein. »Mit den Eltern für das Kind …« beinhaltet das familienorientierte Arbeiten in der Frühförderung.
Die Kindesentwicklung ist ein wesentlicher Bestandteil der kinderärztlichen Arbeit sowie von Fachkräften der therapeutischen Disziplinen. Sofern bei einer Vorsorgeuntersuchung ein auffälliger Befund erhoben wird, ein Entwicklungsrückstand von Eltern oder externen Fachleuten angenommen wird oder Risikofaktoren bestanden haben (zum Beispiel in der Schwangerschaft) oder bestehen, dann sind für die Eltern wichtige Fragen zu klären und möglichst eindeutige Antworten zu finden:
Besteht eine Störung der Entwicklung?
Sind weitere Untersuchungen notwendig?
Sind Förder- oder Therapiemaßnahmen einzuleiten?
Droht gar eine Behinderung oder liegt eine solche bereits vor?
Die kinderärztliche Beratung erfordert eine umfassende Kenntnis der Variabilität der Entwicklung von Kindern sowie von Störungsbildern und Erkrankungen. Gleiches gilt für die Fachkräfte in den therapeutischen Berufen (Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie). Sofern die Diagnose einer Entwicklungsstörung oder chronischen Erkrankung gestellt wird oder eine Behinderung vorliegt, bedeutet dies für die Eltern zuerst vor allem enttäuschte Hoffnungen und Erwartungen sowie möglicherweise eine veränderte Lebensplanung.
Bei komplexen Störungsbildern ist meist eine interdisziplinäre Abstimmung mit anderen Fachleuten notwendig; in der Frühförderung ist interdisziplinäres Handeln obligat. Eine solche interdisziplinäre Zusammenarbeit findet in Deutschland dann oft in Frühförderstellen oder Sozialpädiatrischen Zentren statt. Alternativ, insbesondere wenn solche Strukturen wohnortnah nicht zur Verfügung stehen, können verschiedene Fachleute in den jeweiligen Sozialräumen auf eine andere Weise kooperieren.
Dieses Buch gibt eine Einführung in die kinderärztliche und therapeutische Perspektive in der Frühförderung; es richtet sich dabei im Wesentlichen an Fachkräfte, die mit (entwicklungsauffälligen oder entwicklungsgestörten) Vorschulkindern arbeiten.