Читать книгу Ein MORDs-Team - Band 1: Der lautlose Schrei - Andreas Suchanek - Страница 9

Crest Point

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»Alter, das ist eine total blöde Idee«, sagte Randy, während er sich ein Ginsterblatt aus den Wuschelhaaren zog. »Wir sollten den Sheriff verständigen.«

»Sicher nicht! Die glauben uns doch kein Wort. Du sprichst hier von Brukers Dad.«

Sie lagen zwischen zwei Ginsterbüschen und starrten in die Tiefe. Da sie nur ein Fernglas hatten, wechselten sie sich dabei ab, die Jungs und Mädchen dort unten zu beobachten.

Es war kein Geheimnis, dass sich die coolen Kids im Crest Point trafen. Mason selbst war einst jeden Samstagmittag hier gewesen. Es gab versteckte Ecken, in denen man rummachen konnte, ohne dass Erwachsene dabei störten. Natürlich liefen hier auch Dinge ab, über die nie jemand sprach, obwohl jeder Bescheid wusste.

»Dort drüben ist Bruker. Und er hat deine ehemaligen besten Freunde vom Basketball-Team dabei«, sagte Randy. Aufmerksam spähte er durch das Fernglas.

Neben Randy lag sein Eastpack, der von einer Schachtel ausgebeult wurde. Randy nannte es sein »Überlebenspaket«. In ihm trug er allerlei technischen Krimskrams mit sich herum.

»Schon gut, ich will keine Details«, sagte Mason. »Sag mir einfach, wenn du Pratt gefunden hast.«

Ebenso wie jeder wusste, dass im Crest Point gedealt wurde, kannte auch jeder den Namen des Dealers. Pratt Thompkins war Mitte zwanzig und damit neun Jahre älter als Mason und Randy. Der Typ hatte den Abschluss nicht geschafft, war aber irgendwie im Umkreis der Schule hängen geblieben. Ob es um Drogendeals, Diebstähle oder leichte Körperverletzungen ging: Der Sheriff verhaftete Thompkins mindestens einmal im Monat. Seltsamerweise konnte man ihm nie etwas nachweisen und er war 48 Stunden später wieder auf freiem Fuß.

»Ist gar nicht so einfach«, murmelte er.

Mason legte den Kopf auf die verschränkten Arme und schaute umher. Blütenduft lag in der Luft, der Geruch von verbranntem Holz stieg in seine Nase; dort unten brannte ein Lagerfeuer. Er konnte das Lachen hören, das sich in den Mauern fing und hier oben widerhallte.

Der kleine Disput mit Olivia am Strand hatte ihm die Augen geöffnet. Monatelang hatte er seinem alten Leben nachgetrauert und darüber sein neues vergessen. Leider machte die Logik hinter den Worten den Verlust nicht ungeschehen. Er könnte jetzt dort unten sitzen, mit den anderen Cocktails trinken und später in der Dämmerung Marshmallows über dem Lagerfeuer grillen. Stattdessen hing er die meiste Zeit alleine rum – oder mit seinem neuen besten Freund Randy.

Aber immerhin bin ich frei, machte er sich selbst klar.

All die Zwänge, denen jeder dort unten unterworfen war, galten für ihn nicht länger. Wie leicht es sich doch als Paria lebte, wenn man es erst mal akzeptiert hatte. Schlimmer war, dass er sich jetzt selbst mit anderen Augen sah. Er war tatsächlich ein Widerling gewesen. – Olivia hatte Recht.

»Hab ihn!«, rief Randy.

Mason zuckte zusammen. »Cool, das hat jetzt auch der letzte Goldzeisig gehört.« Er knuffte ihn in die Seite. Glücklicherweise gehörte Randy nicht zur nachtragenden Sorte Mensch. Als Mason bei ihm aufgetaucht war, um sich nach dem gestrigen Streit zu entschuldigen, hatte der Freund nur abgewunken.

»Lass mal sehen.« Mason griff nach dem Fernglas. »Ah ja, da ist er. Und er vertickt wieder das Zeug.«

»Blacks?«, fragte Randy.

»Jap. Was denn sonst?«

»Und jetzt?«

»Hm. Wir beobachten.«

»Alter, du hast gar keinen Plan, oder?«

»Ich dachte, wir improvisieren«, gab Mason zu. »Immerhin wissen wir, dass Thompkins so ziemlich der Einzige ist, der regelmäßig das Zeug vertickt, also muss er auch Zugang zu den Chemikalien haben, die für die Herstellung benutzt werden. Entweder hat er das Zeug selbst in meinen Schrank gesteckt oder jemanden damit beauftragt.«

»Aber warum sollte er es dir unterjubeln? Das kostet ihn ’ne Menge Geld.«

»Ich glaube auch nicht, dass es seine Idee war.« Mason ließ das Fernglas sinken. »Irgendwer hat ihn dazu angestiftet und das Zeug bezahlt, um mich fertigzumachen. Ich wette auf Brian.«

»Der Kotzbrocken findet es doch toll, dich an der Schule immer wieder auflaufen zu lassen. Kann mir nicht vorstellen, dass er dich loswerden will. Da hätte er ja niemanden mehr zum Mobben. Außerdem, stell dir mal vor, sein Dad kriegt das raus.«

Ein netter Gedanke. Was würde der Sheriff von Barrington Cove tun, wenn sein Sohn dabei überführt wurde, wie er einem anderen Jungen Drogen unterschob? Der Gedanke gefiel Mason. Andererseits waren Randys Argumente nicht von der Hand zu weisen: Würde Brian ein solches Risiko eingehen, obwohl gerade alles so gut für ihn lief? Aber wer hatte sonst genug Geld, Einfluss und Mut, um so etwas durchzuziehen?

Randy nahm das Fernglas. »Oh, wow, da unten geht es gerade richtig zur Sache.«

»Was?«

»Danielle Holt – du weißt schon, die hochnäsige reiche Blonde – knöpft sich gerade Thompkins vor. Wie geil ist das denn?«

»Zeig her.«

Mason riss ihm das Fernglas aus der Hand.

*

Danielle hatte genug gesehen. Sie stapfte aus ihrem Versteck, donnerte den schmalen Weg nach unten in den Steinbruch und baute sich vor Thompkins auf.

Dieser elende Wicht stand vor ihr, begrüßte sie mit einem schmierigen Lächeln und zwinkerte ihr zu. »Na, Kleines. Wie geht‘s denn so?«

Vermutlich fand er das auch noch charmant. Wahrscheinlich hatten die Drogen ihm bereits alle Gehirnzellen zur Selbstreflexion zerfressen. Wenn es nicht um ihre Gran gegangen wäre, Danielle hätte sich diesem Subjekt nicht auf zehn Meter genähert. Bei dem Gedanken ballte sie die Fäuste. Ob sie es wagen konnte, ihn am Kragen zu packen?

»Hast du das Zeug auch an Mischa Blackwood verkauft?!«

»Was, wer?«

»Mischa Blackwood.« Sie betonte jede Silbe. »Der Pfleger im Zur rüstigen Eiche.«

Er zuckte die Schultern. »Kann schon sein.« Sein Blick fuhr über ihren Körper. »Wer bist du denn?«

Thompkins überragte sie deutlich. Genau genommen, überragte er mit seinen 1,95 Metern jeden Schüler um Längen.

Wie immer trug er einen schwarzen, abgewetzten Ledermantel und dazu passende Boots. In seiner Nase steckte ein Ring, was ihm in Kombination mit den kleinen Äuglein und der Knollennase das Aussehen eines überdimensionalen Schweins auf zwei Beinen verlieh.

»Das ist die kleine Holt«, sagte einer seiner Lakaien, ein rothaariger mit Wampe. »Voll die reiche Bitch.«

Weitere Helfer tauchten auf. Einige zogen ihre Schlagringe über die Hände.

Erst jetzt wurde Danielle bewusst, dass sie alleine war, während Thompkins eins, zwei, drei, ganze vier Helfer hatte. Was sie in deren Augen sah, verhieß nichts Gutes.

Dass die anderen Schüler im Steinbruch ihr halfen, war unwahrscheinlich. Die meisten hier konnten sie nicht leiden, standen sie sozial doch so weit unter ihr, dass der Neid jede Hilfsbereitschaft im Keim erstickte.

»Also … Ich wollte …« Sie atmete tief durch. »Glaubst du etwa, deine Schläger machen mir Angst?«

»Hm. Du scheinst nicht viel in der Birne zu haben, wenn du keine Angst hast.«

Hat er mich tatsächlich gerade als dumm bezeichnet? »Also, wenn ich den Abschluss nicht geschafft hätte, wäre ich nicht so vorlaut. Wie oft hat der Sheriff dich im letzten Monat verhaftet? Zählst du überhaupt noch mit?«

Thompkins wurde rot.

Treffer, versenkt. Danielle freute sich.

»Das letzte Mal war gerade vergangene Woche«, sagte er auf einmal gefährlich leise. »Körperverletzung. Vielleicht hätte Bruker mich nicht gehen lassen sollen.«

Plötzlich stand er vor ihr. Ein Atem, der nach Alkohol und Fäulnis stank, wehte ihr ins Gesicht.

Bevor Danielle wirklich nachdenken konnte, hatte sie schon ausgeholt und ihm eine gescheuert.

»Das«, sagte er drohend, »hättest du nicht tun sollen«.

Ein MORDs-Team - Band 1: Der lautlose Schrei

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