Читать книгу Aktiviere Deine Selbst-Liebe in der Seelenakademie - Anett Graaff - Страница 6

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Die Seelenakademie und ihre Seelenkräfte

Bei dem Begriff Tugenden fragen sich viele Menschen, ob dieser nicht altmodisch ist. Im Laufe der Geschichte wurden sie in eine Morallehre gepresst und somit als Machtmittel missbraucht. Als Schutzschild der Institution Kirche galten die Tugenden als das Allheilmittel. Ihre Kategorisierung nahm ihnen einen großen Teil ihrer Heilwirkungen. Ihr liebevoller Ursprung geriet in den Hintergrund. Man benutzte sie für ein System, um ihm damit Futter zu geben. Die Institution Kirche nahm Besitz von den Tugenden. Sie höhlte sie aus.

Aus rein energetischer Sicht erscheinen die Tugenden als weibliche Lebewesen (Seelenkräfte), die der Ur-Kirche dienten. Ihre positiven Energien brachten den Menschen Glauben, Vertrauen und Hoffnung. Ihr Lichtkleid berührte die Seelen und stärkte diese. Man darf sie als Seelenkräfte bezeichnen und die Ur-Kirche als die Seelenakademie. So entfaltet sich eine völlig andere Energie zu diesen Wörtern – eine lichtdurchflutete göttliche Energie. Jedem von uns stehen sie zur Verfügung. Eine Trennung fand nie statt, auch wenn es sich oft so anfühlte. Dennoch liegen sie in vielen Menschen tief vergraben und warten auf ein erneutes Erwachen. In jeder Inkarnation wünscht sich die Seele nichts sehnlicher, als sich weiterentwickeln zu können. Die Triebfeder dazu sind unter anderem die Seelenkräfte, die im „Ausbildungszentrum“ – der Seelenakademie – zu finden sind. Die Seelenkräfte spannen sich wie ein Netz um jede einzelne Seele und nähren diese mit göttlichen Energien. Die Seele wiederum sucht sich ihren Tempel, den Körper des Menschen, aus und begibt sich auf eine lehrreiche und individuelle Reise. Darauf wurde sie in der Seelenakademie vorbereitet. Auf ihrer Reise als Mensch erfährt sie Freude, Leid, Geburt, Wiedergeburt, „Himmel und Hölle“. Sie geht mit vollem Elan und in tiefer Demut auf diese Reise. Das Pensum ist enorm, ganz gleich welchen Zeitraum das Erleben auf der Erde einnimmt. Jede Sekunde zählt. Ihre Seelenkräfte hat sie mit im Gepäck. Nicht nur sie allein benötigt diese Kräfte für sich, nein, sie gibt sie an den Menschen weiter, in dem sie gerade wohnt. Damit spornt sie ihn an. Das gelingt ihr mal mit mehr, mal mit weniger Resonanz des Menschen. Sie schubst von innen an und bedarf der Sinne des Menschen, um sie wahrzunehmen. Im Innern wartet sie auf die unterschiedlichsten Handlungen ihres Menschen und darf Menschliches erfahren und erleben. Kann sich der Mensch ganz auf sie und ihre Kräfte einlassen, dürfen beide Schritt für Schritt Erfahrungen sammeln. Je nachdem welche Aufgabe die Seele übernommen hat, unterstützt sie den Menschen aus ihrem Innenraum heraus, diese Aufgaben auch für sich wahrzunehmen. Und natürlich warten so manche Herausforderungen auf beide.

Als Heilerin treffe ich fast täglich mit kranken Menschen zusammen. Viele von ihnen suchen ganz bewusst nach Möglichkeiten neben der Schulmedizin. Oftmals liegen lange Krankheitswege hinter ihnen, dennoch spüren sie in ihrem Innern etwas, das sie nicht aufgeben lässt. Krankheiten zu durchlaufen, ist sehr herausfordernd. Viele Ursachen stecken hinter den einzelnen Krankheiten. Aber irgendetwas in diesen Menschen lässt sie wissen, dass es weiter geht. Es sind die Seelenkräfte, die sich bemerkbar machen. Sie wissen um die Heilungschancen.

Die Aufklärung ist heutzutage groß, genauso wie die Informationsflut. Heilung kann nur von innen her erfolgen. Es sind die Seelenkräfte, die enorm zur Heilung beitragen, wenn wir sie nutzen und es ihnen gestatten. Die Seele fordert uns geradezu heraus, unsere eigenen Heilungsprozesse in Gang zu setzen. Immer wieder schickt sie mit ihren Kräften Impulse. Finden wir Antworten im Äußeren z. B. durch ein Buch, das wir gerade lesen, erfahren wir Resonanz zu unseren Heilthemen. Alles, das zu Resonanz führt, sollte angeschaut werden. Ist es eine permanente Unzufriedenheit, Überforderung oder auch Schlaflosigkeit, sind wir gefordert, die Ursachen zu finden. Was macht mich unzufrieden, was überfordert mich, was lässt mich nicht schlafen? Beobachte ich, wann genau diese Gefühle auftauchen, bin ich den Antworten schon sehr nahe.

In diesem Buch möchte ich eigene Erfahrungen aus meiner Tätigkeit als Heilerin einbringen und altes Klosterheilwissen in einer für heute verständlichen Sprache einfügen. Gott gab den Menschen in allen Zeiten und Inkarnationen Heilwissen mit auf die Reise. Dieses bündelt sich in der Seelenakademie. Viele Jahrhunderte wandte man es im ganzheitlichen Sinne (auf körperlicher, psychischer, emotionaler, mentaler Ebene) an und ließ die Seele nicht außen vor. Spiritualität nahm einen großen Stellenwert ein, genauso wie geistige Heilmethoden, Astrologie, Kräuterkunde, Traditionelle Chinesische Medizin, Traditionelle Europäische Medizin, Quantentheorie, Energiegesetzmäßigkeiten usw. Dennoch gab es einen Punkt, an dem das gesunde Maß verloren ging und wertvolles Heilwissen verunglimpft wurde. Es fand eine regelrechte Trennung statt, bis hin zum Seelentrauma, auch auf Kollektivebene. Als wahr wurde nur noch das angesehen, was auch mit bloßem Auge erkennbar oder mit Werten nachgewiesen werden konnte. Damit beraubte sich der Mensch vieler Möglichkeiten ganzheitlicher Heilung. Die Betrachtung allein des menschlichen Körpers kann keine vollständige Heilung hervorbringen. Der feinstoffliche Bereich ist einzubinden.

Ich möchte mit den Werken der Hildegard von Bingen beginnen. Sie spielt in meinem Leben eine große Rolle, und das Lesen ihrer Texte schickt mich jedes Mal auf eine Reise und lässt mich tiefer in ihre eigene Sprache eintauchen. Meine Übersetzungsversuche stellen kein Dogma und keinen Anspruch auf Richtigkeit dar. Es ist meine Weise, ihre Werke zu interpretieren und zu erfahren.

Hildegard von Bingen beschreibt in ihrem ersten Werk „Scivias“ in wunderschöner Bildsprache die Tugenden. Sie darf jede einzelne von ihnen in Gestalt weiblicher Wesen, die sie uns exakt beschreibt, sehen. Diese Wesen bezeichne ich gerne als Heilschwestern, die um des Menschen Stärken und Schwächen wissen. Es sind unsere Seelenkräfte. Wie oft verstrickt sich der Mensch in seinen eigenen inneren Kampf. Um diesem Kampf zu entfliehen, bieten die Tugenden, die Seelenkräfte, ihre heilenden Energien an. Mit bedingungsloser Liebe brechen sie Wunden auf und führen uns in die Freiheit der Liebe. Sie führen uns ins Licht. Ihre Zartheit und Fürsorglichkeit kommt der einer liebenden Mutter nahe. Alles in ihnen ist auf Heilung (auf Selbstheilung für den Menschen) angelegt und bietet sich uns als Weg in die Selbst-Liebe an.

Aber was sind Tugenden? Ist dieser Begriff für uns noch aktuell? Müssen wir uns heute noch damit beschäftigen? Ja, heute genauso wie zu Hildegards Zeiten. Im Laufe der Geschichte vereinnahmte die Morallehre der Institution Kirche die Tugenden, die eine wertende und bedrohliche Richtung annahm. Damit gerieten die Tugenden in einen Strudel, der ihre Liebe, ihre eigentliche Aufgabe, missachtete. Ihnen wurden Energien der Unterwerfung auferlegt. Den Heilschwestern (Tugenden) legte man Bedingungen auf. Die Moralpredigt stellte sich somit auf ein Podest und zwang die Tugenden in eine Kommunikation, die nicht mehr auf Augenhöhe verlief. Somit ging ein Stück Seelenkommunikation verloren. Aber Gott ließ es nicht zu, dass sie ihrer bedingungslosen Liebe beraubt wurden. Ihre heilenden Kräfte verloren nicht an Intensität. Es wurde nur versucht, sie in eine Art Gebilde zu formen, durch das die „Prediger“ und auch jene, die sich mit diesen Formen schmückten, ihr Ego und somit ihre Macht nähren konnten. Die leere Hülle dieser Form konnte die Herzen nicht erreichen. Dies schaffen nur die Tugenden, die Seelenkräfte, so wie Gott sie erschuf und den Menschen als Geschenk darreichte.

Als Seelenkräfte sind sie reine göttliche Liebe. Das Wort Tugend darf gerne durch das Wort Seelenkraft ausgetauscht werden. Somit entwickelt sich eine ganz eigene energetisch positive Dynamik. Diese Liebe steht uns jederzeit zur Verfügung. Begeben wir uns in die Hände unserer Seelenkräfte, können sich krankmachende Muster zeigen. So erkennen wir unseren Heilungsbedarf. Wie genau das geschehen kann, erfahren Sie auf den weiteren Seiten. Schon allein das Wort SEELENKRAFT entwickelt positive Impulse und Gedanken in uns. Es ist nicht mit Wertungen und Bedingungen belegt wie das Wort Tugend. Es ist ein Wort voller liebevoller Energie und Stärke.

Hildegard würde uns als Heilerin, Lehrerin, Ratgeberin heute die gleichen Antworten und Hinweise geben wie zu ihrer Zeit. Ihre Ausdrucksweise war nur eine andere. Sie durfte in Visionen göttliche Zusammenhänge erkennen und aufschreiben. 33 Jahre ihres Lebens widmete sie dieser Aufgabe. Dabei war sie fest eingebunden in das System des Klosters, mit allen Vor- und Nachteilen. Für die Zeit, in der sie lebte, entpuppte sich das Klosterleben als genau die richtige Form. Es bot einen gewissen Schutz und ihr durch das Schreiben den persönlichen Schutz durch den Papst. Dennoch durchwanderte sie alle Höhen und Tiefen eines menschlichen Lebens. Verhaltensaspekte wie Hass, Neid, Missgunst, Egoismus zeigten sich auch an ihr und ihren Mitschwestern. Ihr tiefer Glaube beseelte sie und gab ihr enorme Stärke des Durchhaltens. Hier finden wir schon eine Seelenkraft, den Glauben. Wie oft nagten Selbstzweifel an ihr, die sie immer wieder in eine Krankheit fallen ließen. Das in ihrem Herzen tiefliegende Urvertrauen klopfte so oft an, sodass Hildegard nur übrigblieb aufzustehen und ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Sie lernte, ihre eigenen Stärken und Schwächen anzunehmen und gab ihnen den entsprechenden Raum. Je mehr ihr das gelang, desto mehr gewann sie an Größe und Präsenz. Ihr Selbstvertrauen stärkte sich aus ihrem Inneren heraus. Die Tugenden, ihre Seelenkräfte, machten auch vor ihr keinen Halt und gesellten sich zu ihr als Schwestern der bedingungslosen und heilenden Liebe. Sie gab sich ihnen hin und ließ ihr Inneres heilen. So wuchs ihre Widerstandskraft gegen äußere Einflüsse.

Dieser Prozess forderte immer wieder seinen Tribut und Prüfungen blieben ihr bis ans Lebensende nicht erspart. Es war die innere Kraft, die innere göttliche Liebeskraft – ihre Seelenkraft -, die sie dazu bewegte, nicht aufzuhören. So arbeitete sie als Mutter, Lehrerin, Vorgesetzte, Ratgeberin, Heilerin, Lichtbringerin und konnte ihr Kloster zu einer einzigartigen Pilgerstätte werden lassen. Der Energie des Klosters und jener von Hildegard konnte man sich kaum entziehen. Es war eine Energie größter Liebe, eine Energie des Mitgefühls, der Barmherzigkeit, die nicht aufhörte zu fließen. Die Anbindung an die Seelenakademie stattete sie mit allen Kräften und allem Wissen aus. Je älter sie wurde, desto stärker zeigte sich der heilende Energiefluss. Ihre Kanäle waren offen fürs Geben und Nehmen göttlicher Liebe. Gott führte sie persönlich und stellte ihr all die Lichtwesen zur Seite, die sie für ihre Aufgabe benötigte. Er wusste um ihr Potential und erwies sich als fürsorglicher Vater. Er forderte sie immer wieder heraus, auch wenn sich bei ihr Überforderung zeigte und diese sie ans Bett fesselte. All die festsitzenden krankmachenden blockierenden Energien – eigene wie auch Fremdenergien – lösten sich im Laufe der Jahre auf. Die Liebe hielt ständig Einzug und ließ Hildegard an Größe zunehmen. Innere Kämpfe tobten in ihr solange, bis die Seelenkräfte als Heilschwestern ihr diese nehmen konnten und Hildegard sich mit ihnen verband.

Viele Nächte des Haderns, des Verdammtseins gepaart mit Versagensängsten brachten sie an ihre Grenzen. Psyche und Körper wollten so schnell keine Ruhe geben. Der Energiehaushalt glich einem Trümmerfeld und war ständigen Schwankungen unterlegen. Schmerzen türmten sich auf und verlangten ein Erbarmen. Ihr Schmerzkörper verlangte nach Heilung, für die Hildegard Jahrzehnte brauchte. Dieser beherbergte eine Menge Fremdenergien aus anderen Inkarnationen und der eigenen Ahnenreihe. Jeder einzelne Schmerz nistete sich ein und ließ ihren Schmerzkörper oft zum Bersten bringen. Diese Energien spürte Hildegard wie starke Energiebrocken, die in ihrer Aura steckten und sich oftmals wie Tentakel ausbreiteten. Sie feierten ihr Fest als Energiefresser und Störenfriede. Somit blieb Hildegard nichts anderes übrig, als sich ihrer anzunehmen und sie über jahrelange Heilarbeit zum Auflösen zu bewegen. Das Licht unter ihnen gewann wieder an Kraft, die Transformationsarbeit zehrte an ihr und brachte im gleichen Atemzug Befreiung. Hildegard konnte all die Bilder der Energiefresser sehen. Diese ließen Angst aufkommen und nagten an ihrer Psyche. Im Laufe der Jahre lernte Hildegard heilende Energiearbeit, die sie auch für andere Menschen einsetzte. Die Heilerin in ihr war geboren, wiedergeboren, die Verbindung zu Jesus war tief. Ihre Hände durchfluteten sie und ihre Kranken mit Heilenergie, so wie Jesus es auch getan hatte. So lernte Hildegard auch die heilenden Schwingungen der Edelsteine und Kräuter einzusetzen. Ihr Blick öffnete sich für eine ganzheitliche Sicht (körperlich, psychisch, seelisch, geistig). Gott offenbarte ihr all dieses Wissen. Ihre Aufgabe bestand darin, dieses alte Wissen für nachfolgende Generationen festzuhalten. Der Wert dieses Wissens ist nicht in Währung festzusetzen. Das Wissen beinhaltet all die Heilmöglichkeiten, all die Gesetze des Lebens, irdisch und universell – es ist Gottes Liebe an die Menschheit.

Das Gefühl Hildegards, nicht gut genug zu sein, wollte einfach nicht vergehen. Der Kriegsschauplatz Hildegard verbarg hinter all der Dunkelheit ein großes Licht, welches sie sich mühsam wiedererwarb. Jeder noch so kleine Schritt brachte sie diesem Licht näher. Der Strahl des Urvertrauens, der göttlichen Anbindung, holte sie durch unmessbarem Geröll ins Licht. Er zog sie durch diese schweren Massen hindurch direkt ins Licht. Ihre Aufgabe zeigte sich nicht nur in der Führung ihres Klosters, sondern auch in der Führung ihrer Ahnen. Ein Ahnenfeld von sieben Generationen baute sich vor ihr auf. Und wieder war sie in der göttlichen „Pflicht“, hier Licht einfließen zu lassen. Energien von Tobsucht, kriegerischen Auseinandersetzungen, Hass, Missgunst, Folter und Unversöhnlichkeit ließen sie erahnen, welche Leistung sie zu erbringen hatte. Alles wartet auf Liebe, eine Liebe tiefer Vergebung und Versöhnung. Schubweise ließ sie diese in ihre Ahnen fließen, sodass alte Wunden heilen und Familien zusammengeführt werden konnten, die durch jahrhundertealte Fehden zerrüttet worden waren. Es war ein Akt größter Liebe und Anstrengung. Hier zeigte sich ihre große Seele mit unerschütterlichem Herzen für die göttliche Liebe. Hildegard wies genau diese Eigenschaft auf. All der unerlöste Schmerz ihrer Ahnen nagte auch an ihr und ließ sie für ihre Schwestern auch mal hart oder unnahbar erscheinen. Aber dieser Schein zeigte nur einen Aspekt. Die Liebe in ihrem Herzen versiegte nicht. Die Erfüllung ihrer Aufgabe verzehrte sie phasenweise, dennoch fand sie immer wieder zur Kraft zurück. Die Härte in ihr bereitete ihr Kummer und Selbstzweifel, die sie im Tanz mit den Seelenkräften aber wieder ablegen konnte. Der Mensch in ihr brachte alle Facetten zum Vorschein, die göttliche Liebe in ihr ließ sie wachsen und eine innere Zufriedenheit ans Tageslicht bringen.

Sie gewann an Selbstvertrauen durch ihr Urvertrauen, sie gewann an Selbstglaube durch ihren tiefen Glauben. Sie gewann an Gleichgewicht durch ihre Erfahrungen und ihrem inneren Verständnis über ein gesundes Maß. Sie blühte auf, das konnte auch ihr schwarzes Gewand nicht verstecken. Ihre Liebe durchbrach dieses Gewand, ihr Licht berührte die Menschen und füllte somit ihr Kloster. Ein Diamant erleuchtete sich und seine Umgebung in ein Lichtkleid der Heilung. Es gab kein Zurück mehr, all das Klagen hörte auf. Die Wände der heilenden Ur-Kirche, der Seelenakademie, bauten sich lichtvoll auf. Ein Engel auf Erden erstrahlte in vollem Glanz. Es gab nur noch ein Miteinander. Himmel und Erde vereinten sich in ihr. Sie erkannte, wenn auch zaghaft, ihr göttliches Ich-bin in ihr, ihre Ur-Kraft, die Ur-Frau in ihr bäumte sich auf. Das heilende Weibliche umgab sie und so gelang es ihr, all die Hürden zu überwinden und eine Persönlichkeit zu entwickeln, die ihres gleichen sucht. Sie lebte sich selbst, ihre Aufgabe, ihre Liebe, ihren Glauben, ihre Kraft als Heilerin.

In allen Werken der Hildegard von Bingen spiegelt sich ihre göttliche Liebe wider, der Glaube an Heilung, Gottes Wertschätzung dem Menschen gegenüber und das einzigartige Heilpotential. Eine ganzheitliche Heilkunde übergibt sie uns, die an Aktualität nicht verliert. Die Sprache mag ungewöhnlich erscheinen, aber das steht ihr nach fast 900 Jahren auch zu. Sie komplett zu entschlüsseln, stellt sich auch als Herausforderung dar, das Lesen und Erkennen zwischen den Zeilen ist notwendig. Dieses Geschenk Gottes, das Hildegard weitergeben darf, ist für alle Zeiten auf Papier gebracht. Alle Ebenen wurden einbezogen. Hildegard wusste um die heilenden Energien, die sich durch jedes einzelne Werk ziehen, aber nicht explizit als Wort zu lesen sind. Man kann sie spüren. All die Werke sind mit den Energiegesetzen durchflochten, den Gesetzen des Lebens. Hildegard wusste um diesen Schatz, der Offenbarung des Lebens durch Gott.

Hildegard schaute die Tugenden, die Seelenkräfte als eine Art Leiter in der Seelenakademie „Ur-Kirche“. Jede einzelne stellte sich ihr vor und gab ihr die Antworten zur Heilung mit. Aus Sicht der Dualität von hell und dunkel (jeder Kraft ist eine Gegenkraft zugeordnet) erweisen sich die Tugenden als die lichtvolle Seite. Die sogenannten Laster, die krankmachenden Lebensmuster (die Gegenkräfte), offenbarten sich Hildegard ebenfalls. So schrieb sie auf, wie diese Muster unser Leben, unsere Gesundheit negativ beeinflussen. Gott schenkt uns diese. Hierdurch dürfen wir erfahren, wie es sich anfühlt, entfernt von Licht und Liebe (Kälte und Dunkelheit) zu leben. Und dennoch ist Sein Licht immer in uns. Durch unseren Verstand und unser Ego gibt Gott uns „Instrumente“, um Laster anzunehmen, sie zu spüren und mit ihnen zu leben. Geraten wir in ein Ungleichgewicht, sodass die Laster (Hass, Neid, Wut) an Stärke gewinnen, geben der Verstand, unsere Sinne, unser Körper Signale zur „Umkehr“. Hier entscheiden wir, in welche Richtung es geht. Das Geschenk von Leben in all seinen Facetten gibt sich uns hin. Die Seelenakademie ist als eine Lichtform zu verstehen, die altes Heilwissen in sich trägt und durch deren Berührung unser innerer Arzt aktiviert wird. Die Ur-Kirche als Seelenakademie präsentiert sich als große Heilerin und Lehrerin, ein Ort, an dem Erlösung geschenkt wird, Wissen vermittelt wird, die Seelen auf ihre Reisen vorbereitet werden. Sie ist Trägerin der Seelenkräfte und Arbeitsstätte geistiger Lehrer. Jeglicher Schmerz ist hier zur Transformation willkommen. Schicht für Schicht wird reingewaschen. Unser gesamtes Körpersystem und unsere Energiefelder dürfen sich reinigen. Die Auswirkungen dieser Reinigung lassen uns tiefste Liebe, Vertrauen, Glauben, Barmherzigkeit in unseren Herzen wiedererfahren. Ein Ort der bedingungslosen Liebe für jeden einzelnen offenbart sich.

Über die Leiter der Seelenkräfte (Stufe für Stufe) gelangen wir schrittweise in die Freiheit zurück. Krankmachende Lebensmuster lösen sich auf. Dafür ist Mut gefragt, Einsicht und Vertrauen. Es ist eine Freiheit, die uns die Leichtigkeit des Daseins schenkt. Unser Lichtkleid (unsere Aura) erhält eine Stabilität (Schutz), die uns niedere äußere Umstände abprallen lässt. Der Weg in diese Stabilität ist mit vielen Prüfungen gespickt, aber begehbar. Die Seelenkräfte warten nur darauf, ihn mit uns gemeinsam zu gehen. Keine der Seelenkräfte stellt eine Wertung dar, sie sind reine göttliche Liebe und tief im Seelennetz verknüpft. Hildegard bezeichnet die Tugenden als starke „Arbeitskräfte“ Gottes. Sie begegnen uns mit tiefer Wertschätzung und Kommunikation auf Augenhöhe. Wie Engel geben sie uns Impulse, ohne sich dabei auf ein Podest zu stellen. Sie sehen all das Göttliche in uns, aber auch unser Hadern als Mensch. Nichts macht sie glücklicher, als uns mit ihrer heilenden Liebe zu dienen und somit Gottes Liebe in eine noch größere Ausstrahlung zu bringen.

Hildegard beschreibt in ihrem Werk „Scivias“ unter anderem sieben Tugenden als sieben Gaben des Heiligen Geistes. Hildegard sieht diese Tugenden als einen Turm von 4 Ellen Breite und 7 Ellen Höhe. Die Breite bilden die vier Elemente, die Höhe die sieben Gaben. Sie sieht die Vervollkommnung des Menschen durch die Tugenden, die Seelenkräfte. Eine starke Säule sollen sie sein in unserem Leben. Genau diese sieben Tugenden (von insgesamt 35) sind auf den nächsten Seiten beschrieben. Sie in unser Leben zu integrieren, erleichtert den Weg der Heilung und des inneren Wachsens und Wandels. Jede negative Konditionierung, jedes krankmachende Denk- und Verhaltensmuster wartet auf Auflösung, auf Umwandlung. Es ist eine Arbeit mit dem eigenen Innersten (unseren Schattenseiten), und hier warten schon die Seelenkräfte und Geistführer, um uns an die Hand zu nehmen. Charaktereigenschaften bauen sich oftmals wie eine Mauer auf und versperren den Weg. Muster vergangener Generationen gelangen immer intensiver ins Bewusstsein und das Gefühl von Fremdbestimmung zeigt sich uns. Der Weg ins eigene Ich, in unseren Ursprung, wartet darauf, betreten zu werden. Und hier bringt uns die eine oder andere Hürde ins Schleudern. Die Seelenkräfte dürfen aus ihrer Verbannung in uns befreit werden. Ihre Energien warten darauf, endlich wieder heilend auf uns einzuwirken. Geben wir ihnen die Möglichkeit dazu!

In den nächsten Kapiteln beschreibe ich genau diese sieben Seelenkräfte, die Hildegard als Tugenden aufzeigt. Ich möchte versuchen, die Sprache zu vereinfachen und so das negative Wertungsbild der Tugenden aufzubrechen. Die negativen Energien, die ihnen durch Moral aufgestülpt wurden, dürfen jetzt gelöst werden. Die Seelenkräfte sind an keinerlei Bedingungen gebunden, sie sind reine Liebe, genauso wie die Tugenden. Dennoch wurden die Tugenden in der Sprache über Jahrhunderte missbraucht (durch vorgegebene Werte und Bedingungen).

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