Читать книгу Schuldlos tot. Ein Hamburg-Harburg-Krimi - Angela L. Forster - Страница 5
ОглавлениеProlog
Ein Tag zuvor
»Am Wochenende soll es aufhören zu regnen.«
Tierarzt Volker Carlsen nickte. Ihm ging Anderes durch den Kopf. In drei Tagen war Freitag.
»Und sieh zu, dass du rechtzeitig Feierabend machst.«
Regines Finger streichelten burgunderroten Samt.
»Na, wie werd’ ich den guten alten Faust vergessen? Und da wir schon dabei sind, Wien übers Wochenende ist gestrichen. Ich bin zum Notdienst verdonnert.«
»Notdienst? Du warst erst letzte Woche dran. Wie kann das sein? Du glaubst doch nicht, dass …«
»Liebling, fängst du wieder damit an? Immer wenn ich länger arbeiten muss, denkst du, dass ich mich mit anderen Frauen rumtreibe. Du solltest mir endlich glauben, dass es für mich nur dich gibt.« Bügel klapperten, die Kleiderschranktür knarrte.
»Wie könnte ich denken, dass du mich betrügst? Bitte entschuldige, Volker. Das sind lediglich meine psychotischen Illusionen.«
»Hör zu«, Volker griff um Regines Taille und küsste sie auf den Mund. Sie ließ es geschehen. Dabei sollte sie ihm die Lippen blutig beißen, ihr Knie zwischen seine Beine rammen und ihm, wenn er auf dem Boden lag, ins Gesicht treten, bis ihm die Augen rausquollen. Das, und noch mehr, hatte er verdient. ›W. Kroll. Die Detektei für alle Fälle‹. Vor zwei Wochen bekam sie Gewissheit.
Seine Hände fuhren durch ihre langen dunklen Locken. Wie sie sich vor seinen Berührungen ekelte.
»Nicht jetzt, Volker. Ich bin nicht in Stimmung. Die Kinder müssen in die Schule und Mutter …« Sie wusste, was er wollte. Und sie wusste, was zu tun war. Sie musste sich ein Weilchen gedulden.
»Okay«, sagte er und hob die Hände in die Luft. »Ich merke schon, du hast Besseres vor. Aber deine Eifersüchteleien sind echt abstoßend.«
»Oh, das tut mir leid, Volker. Wie kann ich dir nur etwas unterstellen, das du niemals tun würdest, stimmt’s?«
»Hör auf mit dem Mist, Regine. Ein für alle Mal. Ich habe Notdienst. Und entweder du glaubst mir oder du lässt es.«
»Tja«, sagte sie, »da kann man nichts machen. Ich frage mich nur, wofür du die Made eingestellt hast, wenn sie dich nicht vertreten kann, wenn wir gemeinsam mit den Kindern wegfahren wollen.«
Volker schnaufte und eine steile Falte zog sich senkrecht von seiner Nasenwurzel bis mittig der Stirn zwischen rotbraune Brauen. »Verdammt, Regine. Wenn du Langeweile hast, frage Mutter, ob sie euch Gesellschaft leistet.«
»Keinen Fuß setzt sie in unser Haus, das weißt du genau«, antwortete Regine.
»Ja, weil sie denkt …«, er hielt inne und sah auf zwei Jungen, die ins Schlafzimmer stürmten.
»Sie ist, wie sie ist.« Regine drehte ihrem Mann den Rücken.
Als Erstes würde sie die Jungen in die Schule bringen, eine Zartbitterschokolade mit Orangenstückchen kaufen, ihre Mutter im Stift besuchen und mit ihr eine Tasse Darjeelingtee trinken. Hinterher würde sie, wie jeden Dienstag, zum Friseur gehen.
Alles geschah, wie es jeden Tag, jede Woche, jeden Dienstag geschah. Alles, außer der Veränderung, die Regines Leben für sie in den nächsten Stunden bereithielt.