Читать книгу Weihnachten ist noch so lange hin - Anita Jurow-Janßen - Страница 9

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Geschenke sind so eine Sache

Werner mochte Weihnachten nie besonders. Die letzten Jahre hat er allein verbracht. Seine Eltern sind vor einigen Jahren gestorben, Geschwister hat er nicht. Und Freunde? Nun, Freunde sind Weihnachten meistens in ihre Familien eingebunden. Dieses Jahr sieht es anders aus. Er hat die Liebe seines Lebens gefunden. Er hofft, dass Karina seine Gefühle erwidert. Er hat sie gerade erst kennengelernt. Und jetzt steht Weihnachten vor der Tür und die Zeit läuft ihm weg. Er hat noch kein Geschenk und er fragt sich unentwegt: Womit kann ich ihr eine Freude machen? Ich kenne sie einfach noch zu wenig. Aber eine wohlige Wärme breitet sich in ihm aus, während er an sie denkt. Er ist richtig verliebt.

Gestern hat er versucht, durch geschicktes Fragen herauszubekommen, wonach ihr der Sinn steht. Sie hat ihn mit diesem Blick angesehen, der Verständnis, aber auch Zweifel ausdrückt. Er konnte ihn nicht richtig einordnen, diesen Blick.

Sie ging zur Fensterbank, um die Blumen zu gießen. Etliche Pflanzen standen dort. Da sie noch nicht geantwortet hatte, fragte er wie nebenbei: Du hast gern viele Pflanzen, oder? „Oh ja!“, hat sie geantwortet. „Sehr sogar. Ich mag aber nur solche, die schöne Blüten haben. So ganz ohne finde ich langweilig.“

Na ja, denkt er. Das ist ja schon mal eine Aussage, mit der ich etwas anfangen kann. Eine Pflanze mit Blüten dürfte schnell zu finden sein. Sie erzählt ihm noch einiges über ihre Lieblingsblumen, aber er hört nicht mehr so richtig zu. Er ist zufrieden mit ihrer ersten Aussage. Eine Pflanze mit Blüten. Hätte er besser zugehört, hätte er verstanden, dass sie Kakteen hasst und Weihnachtssterne abscheulich findet.

In den nächsten Tagen hat Karina keine Zeit für ihn. Sie muss noch auf eine Fortbildung und kommt erst kurz vor den Feiertagen zurück. Streunend läuft er durch die weihnachtlichen Straßen. Er wird geblendet von dem Glitter der Weihnachtsdekoration. Viele Menschen sind unterwegs. Alle haben Fragezeichen im Gesicht. Sie sehen nicht wirklich die Leute, die ihnen begegnen. Die großen ‚Ws’ beschäftigen sie. Was schenke ich wem? Wie viel kann ich ausgeben? Wo kann ich was finden? Was, wenn derjenige das nicht mag, was mir gefällt? Werner hat kein Fragezeichen im Kopf, denn er weiß: Karina liebt Blumen mit Blüten. So marschiert er fest entschlossen in einen Blumenladen, um die gewünschte Pflanze zu besorgen.

Schon im Eingang steht ein riesiger Rollwagen mit Pflanzen. Die roten Blüten springen ihm förmlich ins Auge. Es ist brechend voll in dem Geschäft und er freut sich, dass er so schnell fündig geworden ist. Er nimmt eine Pflanze aus der Borte des Wagens und macht sich auf den Weg zur Kasse. Stolz hält er den Christusdorn in der Hand. Eine unendliche Schlange hat sich gebildet, aber er wartet geduldig. Als er endlich an der Reihe ist, fragt die Verkäuferin, ohne ihn anzusehen, „Papier oder Folie?“ Der Ton ist schon etwas schrill. Es ist bald Feierabend und die Erschöpfung des Tages spiegelt sich in ihrem Gesicht wieder.

Oh weih! Keine Ahnung, was Karina lieber mag, denkt er. Aber das Blumenmädchen schaut ihn ungeduldig an. „Äh,... ich glaube Papier“, stammelt er.

„Das schlichte oder das mit den Hirschen?“, fragt sie fordernd.

„Oh, äh“, stammelt er wieder. Der Blick des Mädchens bohrt sich förmlich in seine Augen. „Mit Hirschen“, sagt er hastig.

Als die Verkäuferin die Blume eingepackt hat und den Preis nennt, stutzt er. So wenig? Das reicht doch nicht als Geschenk. Das Mädchen spürt sein Zögern.

„Noch etwas?“, fragt sie mit einem Augenaufschlag, der sagt: Wehe!

Er stammelt wieder. „Was... was können Sie denn noch empfehlen. .....Ich glaube, ich müsste noch etwas mehr schenken!“

„Dann nehmen Sie doch noch einen Weihnachtsstern“, sagt das Mädchen genervt. „Den mögen alle.“ Sie zeigt auf eine Pflanze, die direkt neben der Kasse steht. „Dieser ist doch schön“, sagt sie, indem sie den Topf schon in der Hand hält.

Werner blickt die Pflanze an und denkt: „Gott sei Dank, eine große Blüte.“ Er hat keine Ahnung, dass die Blüte in Wirklichkeit ein Blatt ist, und lässt sich von der roten Farbe täuschen. „Oh ja“, sagt er begeistert.

„Auch in das Papier mit Hirschen?“, fragt die Verkäuferin wieder schrill.

„Ja bitte“, antwortet er schnell.

Sie packt auch diese Pflanze mit geschickten Händen ein. Nachdem er gezahlt hat und sich abwendet, hört er, wie die Dame, die hinter ihm steht, mit spitzer Zunge sagt: „Dass diese Männer aber auch nie vorher wissen, was sie wollen. Halten den ganzen Laden auf. Als ob man so viel Zeit hätte.“

Werner bemerkt den müden Blick des Mädchens. Sie nickt nur. Er geht, ohne etwas zu erwidern. Er ist viel zu glücklich, dass er seine Geschenke jetzt beisammen hat. Er freut sich wahnsinnig auf Weihnachten.

Heiligabend steht er mit Herzklopfen vor Karinas Haustür und klingelt. In jedem Arm hält er eine Pflanze in Hirschpapier. Als Karina öffnet, fällt ihr Blick sofort auf das Papier.

Oh Gott wie hässlich, geht es ihr durch den Kopf. Aber das Papier ist ja schließlich nicht so wichtig. Als sie die Pflanzen aus der Verpackung schält, wird ihr Blick immer düsterer. Am liebsten hätte sie beide Pflanzen in den Mülleimer geworfen. Aber das traut sie sich dann doch nicht. Als sie mit Werner nach dem Essen unter dem Weihnachtsbaum sitzt, überreicht sie ihm sein Geschenk. Er packt es freudig aus. Eine CD mit seiner Lieblingsmusik und Eintrittskarten für ein Konzert. Werner ist gerührt. Er sieht sie zärtlich an, als er sich bedankt.

Aber was ist mit ihr los?, denkt er. Sie sieht irgendwie traurig aus.

„Oh“, sagt er. „Beinahe hätte ich es vergessen.“ Er zieht ein kleines Päckchen aus seiner Jackentasche und überreicht es ihr feierlich. Karina stutzt. Sie packt es vorsichtig aus, wohl in der Erwartung, noch etwas Schreckliches vorzufinden. Aber ihre Augen fangen an zu leuchten. Sie strahlen genauso schön wie der kleine Diamant, der ihr aus der Schachtel entgegenlacht.

Weihnachten ist noch so lange hin

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