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Teil eins: Das Fest

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„Viel in Liedern gepriesen entwuchs er der Göttinnen Pflege,

zog dann gern von Gehöft zu Gehöft durch die Wälder,

mit Efeu schwer behangen und Lorbeer. Nymphen machten Gefolge,

er war der Führer, die endlosen Wälder hallten vom Donner.

Darum dir auch Heil, Dionysos, Traubenbeladner!

Lass uns die Jahreszeiten in Freude noch einmal erleben,

doch nach den Jahreszeiten noch viele weitere Jahre!“

(Homerische Hymnen: Hymne an Dionysos)

Ein Wald, ein Mischwald, Kiefer, Esche, Linde, Buche, auch Eiche, manchmal eine Weide. Es ist Abend. Und Sommer. Der Wald leuchtet. Es ist heiß, nicht warm. Seit vierunddreißig Tagen wartet der Wald auf Regen. Sein Warten macht ihn bunter, lauter, schöner. Kriechen des Tausendfüßlers auf brüchigem Buchenblatt, Klappern des Käferpanzers, glitzernd, beim Fall auf Grund ohne Flüssigkeit, Schaben von Eichhörnchennägeln an abblätternden Baumrinden, rot und braun. Irgendwann ein Motorengeräusch, Wegspringen von Steinen, Erdballen auf schmalem, zweispurigem Weg. Ein VW-Bus, schwarz und beige, die Fenster geschlossen, klimatisiert, getönt. Wie lange der Bus seinen Weg sich schon schlängelt durch den Wald, wer kann das wissen. Irgendwann ist er einfach hier. Die Geräusche der Tiere, Blätter, Rinden werden kurz lauter, schneller. Dann verschwinden sie. Der schwarz-beige Bus fährt langsam, von den Umständen irritiert: Schlaglöcher, Steinspitzen. Äste mit Blättern, gelb, rot, meist grün, sommergrün, streifen, schlagen die geschlossenen Fensterscheiben, das Dach, die Achse des Wagens. Im Wagen Klappern von Gegenständen, Getränkekisten, Bier, Cola, Wasser, Wein, eine Flasche Cognac, Alufolie, Pappgeschirr, sechsmal echtes Glas, sechs Cognacschwenker. Ein Karton, im Karton Würzflaschen, Ketchup, Curry, Curryketchup und Tüten, Tüten mit Gemüse, Zucchini, Tomaten, Tüten mit Kartoffeln, Tüten mit Brot, Baguette, Ciabatta, Vollkorn, Tüten mit Fleisch, Rindfleisch, Schweinefleisch, Geflügel, Grillgut. In der Ecke, gut verstaut, der Grill, darunter Kohle, ein ganzer Sack. Vorne, vor dem Klappern der Gegenstände, in drei Reihen hintereinander sechs, nein sieben Personen. Vier Männer, zwei Frauen, auf dem Schoß der jüngeren Frau ein Kind, ein Baby, ein Mädchen. Das Mädchen hat eine Flasche im Mund, aber es saugt nicht mehr, es ist eingeschlafen. Die Reisenden sehen nach draußen oder sehen sich um oder nach vorne, nach hinten, rutschen auf dem kühlen, beigen Polster. Draußen der Wald. Der Abend ist dunkler als er ist, durch die Tönung der Scheiben später als es scheint. Es ist kurz vor sechs. Die Personen sind länger unterwegs, als sie es erwartet hatten, länger, als es ihnen gefällt. Aber dann doch, immer wieder, der Blick, der Versuch von Worten, die was erzählen von der Ehrfurcht, die das Sitzen und das Rutschen in den Schatten stellt, angesichts des Waldes, der Schönheit der Welt, das Staunen und die Freude, jetzt, wo wir schon mal hier sind.

Miranda

Guck mal.

Paul

Ja.

Miranda

Guck mal Gloria.

Martin

Die Farben.

Miranda

Ein Reh.

Jennifer

Ja.

Oskar

Schön.

Jennifer

Ja. Sehr schön.

Paul

Ein Reh.

Miranda

Ja.

Paul

Wo.

Miranda

Jetzt hat es Angst.

Oskar

Sag auch mal was.

Flynn

---

Oskar

Warum sagt er nichts. Dein Freund.

Jennifer

Lass ihn in Ruhe.

Martin

Da.

Paul

Wo.

Martin

Da. Die Sonne im Baum

Paul

Ja. Supersonne Superbäume.

Martin

Die Farben Freunde. Ganz schön bunt da draußen.

Oskar

Eigentlich grün. In der Hauptsache grün.

Flynn

Da war s wieder.

Jennifer

Was.

Flynn

Das Reh.

Oskar

Geht doch. Das Sprechen.

Miranda

Halt mal an.

Martin

Muss jemand pissen.

Paul

Das mit den Rehen nervt.

Martin

Geraucht wird jetzt nicht.

Pissen würd ich gelten lassen.

Oskar

Wie weit noch.

Jennifer

Ja. Wie weit noch. Ist doch schön hier.

Oskar

Schöner wird s nicht.

Martin

Bisschen noch. Wart s ab.

Miranda

Halt an. Hab ich gesagt.

Paul

Weiter geht s. Ich hab Hunger.

Jennifer

Jetzt seht euch die Roteiche an.

Oskar

Die ist nicht rot.

Jennifer

Doch. Die Krone. Feuerrot.

Oskar

Feuer ist nicht rot.

Miranda

Halt jetzt an.

Martin

Warum

Miranda

Ich will Gloria ihr erstes Reh zeigen.

Man könnte sagen, sie sind Freunde. Sie kennen sich, mehr oder weniger, mögen sich, irgendwie, verachten sich manchmal, wissen voneinander, einiges, wollen sich gefallen. Sie wollten mal raus an diesem schönen Sommertag, der Welt den Rücken kehren, ein Grillfest, eine Nacht unter freien Himmel, Sorgen vergessen, Sterne zählen, Wind auf Haut, Mücken, Lächeln, Augenglanz. Satt sein, betrunken sein und leicht, sehr leicht, mitten auf einer Lichtung, zwischen Bäumen, die hoch sind und grün, sie umgeben mit Knacken und Rascheln, leise und schön, wie das erste Geräusch der Welt. Sie sind da.

Jennifer

Was soll das.

Paul

Was.

Jennifer

Was tust du.

Paul

Atmen.

Paul ist groß, er sieht stark aus, unbeweglich. Sein Gesicht ist breit, die Augen klein, aber hell, die Lippen voll in einer rauen Haut. Er ist um die vierzig, ja, um die vierzig und Architekt. Jennifer ist nicht seine Frau, sie war es mal. Sie hat für ihn gearbeitet. Das ist auch vorbei. Sie ist Photographin. Ihr Haar ist lang, braun und wellig. Jetzt glänzt es im Abendlicht. Jetzt sieht sie jünger aus als sie ist. Sie ist älter als Paul, ein wenig, ein, zwei Jahre, ihre Augen sind braun und groß, ihre Wimpern dicht. Sie lächelt. Jetzt, wo sie Paul atmen sieht, lächelt sie. Ihre Lippen sind geschminkt. Sie hat dieselbe Farbkombination gewählt für diesen Tag. Unten eine Stoffhose, hellgrau und oben schwarz, sie eine Bluse, er ein T-Shirt.

Miranda

Paul.

Oskar

Soll ich sie nehmen.

Miranda

Paul. Hilf mir mal.

Paul

Oskar. Nimm du sie mal.

Miranda

Hier.

Oskar

Glory gloomy Gloria.

Miranda ist Pauls Freundin. Sie trägt ein T-Shirt, Aufdruck, ein Comic. Sie ist jünger als er, zehn Jahre und schön, sehr schön, schöner denn je. Früher stand sie als Modell vor der Kamera, jetzt ist sie Mutter. Vor einem Jahr, einem guten Jahr, hat sie ein Kind bekommen, ein Kind von Paul, ein Mädchen, Gloria. Gloria liegt jetzt in den Armen von Oskar. Seine Arme sind schmal, sehnig, lang, seine Arme sind Äste. Oskar ist Jennifers Bruder, zwei, nein, vier Jahre jünger als sie. Er ist Künstler. Lichtsachen. Gloria sieht ihn an, sieht still in sein Abendrotgesicht.

Jennifer

Flynn.

Martin

Ich glaub er ist eingeschlafen.

Jennifer

Flynn.

Paul

Flynn. Du hast dir echt einen Flynn geholt.

Oskar

Er ist Musiker.

Martin

Er ist schön. Dein Freund.

Oskar

Was machst du so lang da drin.

Martin

Was für ein Plätzchen.

Jennifer

Flynn. Bringst du die Schnitzel mit.

Paul

Ja. Flynn. Und Bier.

Jennifer

Wo ist deine Freundin.

Paul

In den Büschen.

Oskar

Wollt ihr wissen wie seine Band heißt.

Jennifer

Halt die Klappe.

Paul

Eine Band. Klingt interessant.

Oskar

Die Flynns.

Paul

Die Flynns. Wie alt ist er eigentlich.

Jennifer

Zwei Jahre älter als deine Freundin. Aber halb so schwer.

Paul

Miranda war schwanger.

Oskar

Warum heißt deine Freundin eigentlich wie Limonade.

Miranda

Ich heiß Miranda. Nicht Mirinda.

Oskar

Guck mal Gloria. Da kommt die Mama vom Pissen.

Martin

Freunde. Können wir s gut haben.

Hinter Martin, Flynn, Jennifers Freund. Er steigt aus dem Wagen, verschlafen, jung. Sein Anblick trifft Herzen, sein Haar ist Erde, verwüstet jetzt auf angenehme Weise nach kurzem Schlaf, sein Körper leicht. Seine Augen. Martin würde sagen, seine Augen sind Sumpfblumen, dunkel und grün, gehalten von einem Bett starker Lider. Aber Martin ist von Anfang an, seit die Fahrt begonnen hat, befangen gewesen. Martin ist Oskars Freund, Mitte vierzig, der Schädel kahl, die Kleidung weiß, elegant, unpassend. Er ist erfolgreich, reich, hindert sich selbst, in die Breite zu gehen. Er ist Leiter einer Modellagentur. Eines seiner Mädchen ist Miranda gewesen. Als sie noch ein Mädchen war. Eine seiner Mitarbeiterinnen ist Jennifer, die Photographin, die Schwester seines Geliebten, Oskar. Martins Blick senkt sich, die Sonne trifft warm seinen glatten Schädel. Sein Blick fällt auf die Kiste Becks Bier, die Kiste, die er für Flynn hält in langen Händen, Händen mit starkem Adernlauf nach allen Richtungen, blau und wild. Er stellt die Kiste ab, die Erde antwortet mit trockenem Bruch. Das Ausräumen des Kofferraums beginnt, die üppige Ladung. Paul bleibt stehen, hier, ruhig, auf dieser grünen Fläche.

Miranda

Was denkst du.

Paul

Was.

Flynn

Kann mir jemand mit dem Grill helfen.

Miranda

Was denkst du. Paul.

Oskar

Ja was wohl. Hier wird was geschaffen gerade.

Ein Hotel vielleicht eine Anlage ein Naherholungsgebiet.

Keine Zeit zum Grillaufbau sorry.

Horizontale Senkrechte. Aus der Lichtung machen wir einen Swimmingpool.

Aus dem Weg eine Straße, aus den Bäumen eine Vertäfelung.

Jennifer

Aus dem Sommer eine Sauna.

Miranda

Gras Eichhörnchen Waldluft ein Cocktail aufs Haus.

Paul

Ich dachte gerade. So schön wie heut Abend warst du noch nie.

Decken werden bereitet, Deckel geöffnet, Brot geschnitten, Salate angemacht. Flynn versucht, den Grill aufzubauen. Jennifer geht zu ihm, ohne Hilfe zu sein, nimmt sein Haar aus der Stirn, dreht es um ihren Finger. Und Flynn, er lächelt, aber es ist ein fernes Lächeln, ein Lächeln, das die Berührung abschüttelt, denn das mit dem Grill, das würde er so gerne schaffen.

Oskar

Die Wurst ist abgelaufen.

Martin

Was soll das heißen. Die Wurst ist abgelaufen.

Oskar

Die Würstchen.

Martin

Die Lammwürstchen.

Oskar

Ja.

Martin

Das kann nicht sein.

Oskar

Oh ja.

Martin

Die hab ich gestern bei Karstadt geholt.

Oskar

Ich hab mir das auch anders vorgestellt Schatz.

Oskar zieht sein T-Shirt aus, setzt sich auf die Decke, in die letzten Sonnenstrahlen und trinkt ein Bier. Er sieht schmal aus und zart an dieser Stelle. Martin geht zu ihm, setzt sich, berührt ihn mit weißem Hemd an nackter Schulter, liest die Informationen auf der Lammwustpackung. Der Grill steht. Jennifer entfernt sich, Flynn an der Hand. Miranda wickelt das Baby im offenen Kofferraum. Paul öffnet eine Weinflasche.

Miranda

Gib mir auch einen Becher.

Paul

Jetzt schon.

Miranda

Nein. Lass uns bis Mitternacht warten.

Paul

Du bist nicht komisch.

Miranda

Und du nicht mein Vater.

Martin

Ja Papa. Gib ihr einen Becher Wein.

Miranda

Halt dich da raus.

Oskar

He. Hänsel und Gretel verschwinden im Wald.

Paul

Wohin die Reise.

Flynn

Holz suchen.

Paul

Holz suchen.

Flynn

Komm.

Paul

Sag deinem Cowboy wir haben Grillkohle.

Jennifer

Sag deinem Arsch wir haben Gefühle.

Paul

Was.

Jennifer

Wir wollen ein Feuer machen.

Paul

Ein Feuer.

Jennifer

Ja. Zum Reingucken nicht zum Grillen.

Paul

Zum Reingucken. Das ist gefährlich so was.

Oskar

Wollt ihr den Wald anzünden.

Jennifer

Wir wollen einfach mal kurz allein sein.

Sie bleiben fort, eine Weile. Die Sonne fällt, die Kohle glüht, das erste Fleisch findet seinen Weg auf den Grill. Dann Kartoffeln, Zucchini in Alufolie. Dazu Bier, Wein aus Pappbechern, auch für Miranda. Ihre Lippen werden rot, röter. Das Baby ist eingeschlafen, es liegt ruhig auf Oskars Arm. Zwei fehlen.

Miranda

Wo bleiben die denn.

Martin

Wo haben die sich bloß kennen gelernt.

Oskar

Er hat gesungen. Auf der Hochzeit unserer Mutter.

Martin

Was singt er denn.

Miranda

Wusst ich gar nicht. Dass eure Mutter geheiratet hat.

Paul

Wusst ich gar nicht. Dass eure Mutter noch lebt.

Oskar

Er singt Popsongs nach. Lovesongs. Uralte Sachen.

U2 Camouflage Depeche Mode Kate Bush Elvis Presley.

Martin

Kate Bush.

Miranda

Wuthering Heights.

Oskar

Als es passiert ist hat er Always on my Mind von Elvis gesungen.

Martin

Als was passiert ist.

Oskar

Seine Stimme ist ganz tief geworden. Sein Blick auch.

Er hat das ganze Lied nach unten gesehen.

Und Jenny. Jenny hat seine Stimme gehört sich seinen Scheitel eingeprägt.

Und sie hat sich gewünscht sie könnte ihn von hinten sehen.

Da wo sein Hals vom Nacken wegknickt.

Unsere Mutter hat vor ihr mit ihrem Schwager getanzt. Onkel Wilhelm.

Aber Jenny hat sich nur gewünscht die Sehne an Flynns Hals zu sehen zwischen Kopf und Nacken.

Am Ende hat er hochgesehen.

Sein Blick ist in einer geraden Linie in ihre Augen gefallen und sie hat sich verliebt.

Das ist passiert.

Miranda

Schön.

Paul

Ja. Extrem schön.

Martin

Ich glaub die Koteletts sind durch.

Sie beginnen zu essen. Es ist wohl das Erste, das sie zu sich nehmen an diesem Tag. Sie wollten das so, hungrig sein am Abend, zuschlagen, den Magen füllen nach langer Reise. Oskar gibt das Baby nicht aus seinen Armen, er isst mit einer Hand, vorsichtiger, weniger als die anderen. Aus dem Dunkel der Bäume tauchen Flynn und Jennifer auf, ihre Schritte knacken auf trockenem Grund.

Paul

Wo ist das Holz.

Miranda

Was habt ihr gemacht da im Wald.

Flynn

Geredet.

Paul

Geredet.

Jennifer

Ja. Geredet.

Kriegen wir jetzt auch was ab.

Sie setzen sich, nicht nebeneinander. Sie sehen sich an, über die Salatschüsseln, Brotkanten, Fleischberge sehen sie sich an. Dann fangen sie an zu essen.

Miranda

Soll ich sie mal nehmen.

Oskar

Nein. Ich glaub sie fühlt sich wohl bei mir.

Martin

Ach ja.

Oskar

Ja. Sieht man doch.

Martin

Sie hat die Augen zu und rührt sich nicht.

Das ist alles was ich seh.

Oskar

Ich spür das.

Martin

Was weißt du schon davon.

Oskar

Ich spür das an ihrem Atem.

Martin

So feinfühlig plötzlich. Mein kleiner Mamabär.

Oskar

Ich bin kein Mamabär.

Martin

Ich bin kein Mamabär.

Oskar

Ich bin ein Mann.

Martin

Du bist eine Schwuchtel.

Oskar

Ich liebe dich.

Miranda

Ich nehm sie mal wieder.

Miranda steht auf, der Boden ist weicher geworden nach dem dritten Becher Wein. Sie lässt sich das Baby geben, trägt es zum Bus auf routinierten Armen, legt es in einen Aufsatz, den Aufsatz eines Kinderwagens auf dem Rücksitz. Das Baby wird schlafen, es hat einen guten Schlaf, von Anfang an, ist durch nichts so leicht aus der Ruhe zu bringen. Eine Vorstellung leuchtet auf, die Vorstellung, ihr zu begegnen, Gloria, zwanzig Jahre später, ihr Blick wär ruhig, ihre Gesten fließend, die Vorstellung, sie wäre ein Mensch, dem man gern begegnet wäre, eine seltene Freude. Miranda zieht ihr die Jacke aus, gibt ihr ein Tier in die Hand, öffnet ein Fenster. Sie bleibt eine Weile bei ihr.

Martin

Sie sieht gut aus.

Paul

Was.

Martin

Miranda. Sie sieht sehr gut aus.

Oskar

Ja. Mir gefällt sie auch.

Martin

Bisschen zugelegt halt.

Paul

Was.

Martin

Na hör mal. Sie war mal fünfzehn Kilo leichter.

Paul

Sie war schwanger.

Jennifer

Ich find. Das steht ihr gut.

Paul

Was.

Jennifer

Das Mollige.

Martin

Und danach. Nach dem Kind. Was soll danach sein.

Ich mein. Es gibt Modells die sind mit fünfunddreißig noch im Geschäft.

Sogar Mütter.

Oskar

Ich find sie sieht gut aus.

Paul

Sie ist nicht mollig.

Jennifer

Sie ist mollig und das sieht richtig gut aus.

Paul

Sie wird schon wieder ins Geschäft kommen.

Martin

Sie ist raus.

Du kannst dich nicht so gehen lassen und denken die Branche verzeiht dir das.

Jennifer

Sie kann doch was anderes machen.

Martin

Aha. Und was.

Jennifer

Euch wird schon was einfallen.

Oskar

Vielleicht noch ein Kind.

Sie kommt zurück, die Mutter, sanft und leicht, mit einem Lächeln im Gesicht.

Miranda

Wie habt ihr euch kennen gelernt.

Jennifer

Wer. Wir.

Miranda

Ja. Flynn und du.

Jennifer

Was willst du hören.

Miranda

Was wohl. Die Always on my Mind Geschichte.

Jennifer

Was.

Miranda

Na Elvis und Halssehen und so.

Jennifer

Wisst ihr eigentlich dass das verboten ist. Was wir hier tun.

Martin sorgt für Licht, zwei Öllampen. Gesichter, die gelb werden und weich. Das Essen geht weiter, immer weiter.

Miranda

Dreizehn.

Martin

Was.

Miranda

Es sind dreizehn Kilo nicht fünfzehn.

Martin

Du siehst gut aus sehr gut wirklich.

Miranda

Ich hab mich gegen die Brust entschieden.

Martin

Was.

Miranda

Ich still sie nicht.

Martin

Guck mich an. Ich bin auch in die Breite gegangen.

Miranda

Ich hab sie nie gestillt also kann ich jetzt Wein trinken und rauchen statt essen und meine Brüste sehen wie vorher aus. Wie immer. Gut. Willst du sie sehen.

Willst du sie sehen.

Ein halbes Jahr noch und ich bin wieder die Alte.

Ich lass mich nicht gehen. Klar.

Ich mach mir auch meine Gedanken.

Oskar

Ich glaub du machst da von Anfang an was kaputt in Gloria.

Kohlen glühen gelb, rot und weiß, Feuerzeuge, Zigaretten glimmen, Fett glänzt auf Lippen, einzelne Salatblätter vermischt mit Balsamico und Astwerk auf dem Boden. Auf dem Grill leuchten die letzten Kartoffeln in silbernem Aluminium.

Jennifer

Reich mir den Cognac mein Maler des Leuchtens.

Miranda

Was.

Oskar

Du säufst zu viel Schwester.

Paul

Was.

Martin

Es gab einen Artikel.

Paul

Einen Artikel.

Oskar

Einen Zeitungsartikel. Muss das jetzt sein.

Miranda

Einen Artikel. Toll. Erzähl mal.

Jennifer

Er schämt sich.

Martin

Oskar hat einen Plan. Einen Plan für den Ruhm.

Der Plan heißt. Es ist ihm egal.

Jennifer

Weil. Es geht ihm um die Sache.

Martin

Die Kunst.

Oskar

Es geht mir darum. Eure Fressen ins Feuer zu drücken.

Jennifer

Genau.

Es geht nicht darum. Guten Eindruck zu machen.

Martin

Schon gar nicht bei der Presse.

Miranda

Kann ich verstehen.

Martin

Und der Artikel war gut.

Jennifer

Hymnisch.

Miranda

Biste oben wirste fallen.

Paul

Was lachst du.

Flynn

---

Paul

Was lacht der. Dein Freund.

Jennifer

Frag mich was Leichteres.

Oskar

Warum hast du damit angefangen.

Jennifer

Weil ich stolz bin auf dich.

Oskar

Auf den Artikel.

Jennifer

Auf dich.

Oskar

Dann hör auf.

Miranda

Wie lang geht denn die Ausstellung.

Martin

Bis zum dritten.

Jennifer

Ich hab Papa den Artikel gezeigt.

Miranda

Bis zum dritten. Das schaff ich glaub ich nicht.

Paul

Nicht. Warum nicht.

Miranda

Ich weiß nicht mal sehen.

Oskar

Papa.

Jennifer

Ja.

Oskar

Du bist so ein Arschloch.

Martin

Ich war bei der Eröffnung. Ich war. Was soll ich sagen.

Man fühlt sich wie ein Ei in einem Phosphorstrudel.

Flynn

Wie fühlt sich das an.

Martin

---

Miranda

Aber ich werd s versuchen. Auf jeden Fall.

Flynn

Traurig.

Martin

Ja.

Flynn

Zu Tode geleuchtet.

Oskar

Und.

Jennifer

Was. Und.

Oskar

Was hat er gesagt.

Jennifer

Papa.

Oskar

Ja.

Jennifer

Ist doch egal.

Oskar

Ja. Genau. Egal. Du bist so ein Arschloch.

Jennifer

Er hat gesagt. Maler des Leuchtens.

Scheiße in einer Schüssel leuchtet heller als deine Kunst.

Oskar

Nein.

Jennifer

Nein. Er hat gesagt. Ich bin sehr stolz auf ihn.

Oskar

---

Jennifer

Er hat gesagt. Geh weg damit. Das ist mir zu klein geschrieben.

Oskar spürt unter seiner Hand die Erde, die kühler geworden ist. Dann sieht er die Hand seiner Schwester, die näher kommt. Bevor sie bei ihm ist, zieht er einen Grashalm aus dem Boden. Jennifer sieht ihn an. Ihre Nase hat dieselbe Form, dieselbe Neigung, eine Erhöhung auf Augenhöhe. Sie würde ihn gern im Gesicht berühren, ihren Bruder. Sie zündet sich eine Zigarette an.

Paul

Ich hab aufgehört.

Martin

Seit wann.

Paul

Seit drei Wochen.

Oskar

Warum.

Paul

Warum.

Oskar

Ja. Warum hast du aufgehört.

Paul

Warum warum.

Weil ich zweiundvierzig bin und noch nicht sterben will.

Weil ich noch nicht genug hab davon.

Oskar

Vom wundervollen Leben.

Paul

Ja. Das reicht mir noch nicht. Ich will noch mehr davon.

Seht euch doch um. Bäume Sterne Fleisch zwischen den Zähnen.

Alkohol.

Eure Gesichter.

Das alles würd ich so vermissen.

Ich will noch ein zwei Häuser bauen noch mal nach Afrika in diesem Leben.

Ich will Sex haben.

Und Artikel in Zeitungen.

Ich will meinen Arsch spüren. Wie jetzt. Auf diesem Grasteppich.

Jennifer

Sex.

Paul

Ja.

Miranda

Und Gloria.

Paul

Ja.

Miranda

Vergiss Gloria nicht bei deinem Fest auf der Welt.

Paul

Nein. Natürlich nicht.

Jennifer

Ich weiß nicht wie die Welt das sieht.

Aber ich dachte immer Sex wär dir egal.

Oskar

Für mich spielt der Zeitpunkt keine Rolle.

Wann und wo egal.

Martin

Hör auf.

Paul

Das lag nicht am Sex. Das lag an dir.

Jennifer

Du kannst mich nicht verletzen.

Paul

Das würde mir zu denken geben.

Jennifer

Was.

Flynn

Hör auf.

Paul

Ja. Lass dir ein Lied singen.

Oskar

Irgendwann liegst du irgendwo mit schweren Lidern.

Die Schmerzen haben nachgelassen und du denkst zurück an deine Party.

Du bist vielleicht nostalgisch vielleicht glücklich oder traurig wer weiß das schon zu unterscheiden.

Ist auch egal.

Denn in dem Moment ist es schon das Leben eines anderen Idioten.

Scheiß egal wie viel Zigaretten der geraucht hat wie viel Karotten gekaut.

Jetzt ist es soweit und jeder andere Zeitpunkt wär falsch.

Ich würde kein Problem mehr haben. Zu gehen.

Das Einzige. Was ich mir wünsche.

Martin

Hör auf mit der Scheiße.

Oskar

Das Einzige. Was ich mir wünsche. Ist nicht alleine zu sein.

Miranda

Das kann ich verstehen.

Oskar

Dass jemand mit mir geht.

Miranda

Was.

Martin

Das kotzt mich so an diese Scheiße.

Oskar

Das Einzige. Was ich mir wünsche. Ist eine Verbindung die das hier überlebt.

Paul

Dann hoffen wir für Romeo dass Julia noch ein Weilchen macht.

Jennifer

Der schlimmste Moment ist immer der. Wenn du versuchst witzig zu sein.

Martin

Flynn.

Flynn

Ja.

Martin

Kann ich ein Bier haben.

Miranda

Ich find das schön.

Paul

Ich find das krank.

Miranda

Ich dachte auch. Das mit dem Sex ist dir nicht so wichtig.

Flynn kaut ein Brot, Schatten auf seinem Gesicht, die Kaubewegung im Mondlicht auf seiner Haut. Martin sieht hin und vielleicht ist er das, der Moment, in dem die Liebe ausbricht. Nur weiß man noch nicht, wohin damit. Miranda legt sich mit dem Rücken auf die kühle Erde, einen Becher Wein in der Hand, einen Ast im Lendengürtel, aber das ist ihr egal. Ein Stern rast durch die Nacht. Paul sieht sie dort liegen, die Augen geschlossen, die Beine übereinander geschlagen, und er denkt daran, seine Hand zu nehmen, sie ihr auf den linken Oberschenkel zu legen, den Schenkel, der in der Luft baumelt, er denkt daran, die Hand dort zu bewegen. Er rührt sich nicht.

Paul

Schön sieht das aus. Du. Wie du da liegst

Miranda

Komm her.

Paul

Weißt du woran ich gerade dachte.

Jennifer

Hallo. Ihr seid nicht allein.

Miranda

Woran.

Paul

An Fallingwater.

Miranda

---

Flynn

Klingt romantisch.

Oskar

Klingt wie ein Ausflugziel.

Paul

Das ist Poesie.

Fallingwater. Von Frank Lloyd Wright.

Jennifer

Frank Lloyd Was.

Paul

Frank Lloyd Wright.

Der hat ein Haus auf einem Wasserfall gebaut.

Fallingwater.

In einem Wald in Pennsylvania.

Die Senkrechten der Mauern schneiden die horizontalen Ebenen auf denen es steht.

Jennifer

Ist das nicht immer so mit dem Boden und den Häusern.

Paul

Du hast es nicht gesehen. Keiner von euch. Ich war da.

Jennifer

In Philadelphia.

Paul

In Pennsylvania.

Es sind viele Schichten viele Waagrechten. Sie dehnen sich aus.

Der Wald nimmt sie auf. Ich war da. Ich hab s gesehen.

Die Erde wird ich find keine Worte auf Höhe der Blätter gehoben.

Und du spürst es endlich. Die Wirklichkeit des Elements. Die Grundlage.

Die Ausdehnung in alle Richtungen.

Erde.

Wald und Haus.

Und drunter das Wasser.

Miranda

Daran denkst du wenn du mich liegen siehst.

Oskar

An Frank Lloyd Wright.

Jennifer

Und jetzt.

Paul

Was. Jetzt.

Jennifer

Sollen wir jetzt am Boden kriechen und deine alten Ideale einsammeln.

Paul

Ihr könnt das nicht verstehen. Ihr wart nicht da.

Miranda

Deine Hand auf meinem Schenkel. Das wär schön gewesen.

Miranda schließt die Augen. Jennifer hält eine Flasche Bier an Pauls nackten Arm. Die Flasche fühlt sich glatt an auf seiner Haut, er wünscht sich, Jennifer würde die Flasche einmal um sich selbst drehen auf seinem Arm und etwas würde sich verändern, er wünscht sich einen Flachenzauber. Sie lächelt. Er nimmt sie, die Flasche. Das Bier ist warm.

Schwarzes Tier Traurigkeit

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