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// 1. Kapitel – Der Chemiebaukasten //

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Betreff: Gut angekommen?

Datum: 11. 07. 2012, 20 : 23:00

Sehr geehrter Herr Nowitzki,

es war sehr schön mit Ihnen!

Ich hoffe, Sie sind gut und schnell in Bonn angekommen.

Freundliche Grüße aus Leipzig

Anna Fröhlich


Betreff: Re: Gut angekommen?

Datum: 11. 07. 2012, 23 : 56:12

Hallo Frau Fröhlich,

schön, von Ihnen zu hören bzw. zu lesen. Und ja, ganz meinerseits! Der Fernsehdreh in Moritzburg mit Ihnen und Ihrem netten Kamerateam war mir ein Vergnügen. Nun hat mich Bonn heil wieder.

Schöne Grüße

Roger Nowitzki

***


Betreff: „Kleine Morde hinter der Mauer“

Datum: 12. 07. 2012, 08 : 12:00

Guten Morgen, Herr N. aus B. am R.,

dann hoffe ich, dass der Fernsehbeitrag, den wir über Ihr neues Buch gedreht haben, etwas bewirkt. Vielleicht können Sie dadurch ein paar Bücher mehr verkaufen, wenn unsere Fernsehzuschauer ihn sehen. „Kleine Morde hinter der Mauer“ ist doch ein verheißungsvoller Titel.

Ihre Frau F. aus L.


Betreff: Re: „Kleine Morde hinter der Mauer“

Datum: 12. 07. 2012, 10 : 23:19

Guten Morgen, liebe Frau F.,

ja, das hoffe ich auch. Grüßen Sie Ihren Kameramann von mir. Seinen Namen werde ich nie vergessen. „Klaus Kleemann“ klingt gut, irgendwie so unbeschwert, wie „Hans im Glück“. Ich werde ihn in einer meiner nächsten Krimikomödien unterbringen.

Liebe Grüße aus Bonn, ergebenst Ihr Herr N.


Betreff: Idee

Datum: 12. 07. 2012, 10 : 57:11

Lieber Herr N.,

ich habe eine Idee. Was halten Sie davon, wenn wir aus Ihren Mordgeschichten eine kleine Serie für den Sender produzieren? Ein Sendeplatz ist frei geworden. Bis nächste Woche Freitag dürfen alle Redakteure Exposés einreichen. Das beste gewinnt.

Wenn es klappt, müssten Sie wochenweise nach Sachsen kommen und mit mir zusammen produzieren.

Was sagen Sie dazu?

Frau F.


Betreff: Re: Idee

Datum: 12. 07. 2012, 12 : 03:10

Bin dabei! Super Idee. Allerdings kann ich erst nach meinem Urlaub einsteigen. Ich bin ab morgen für drei Wochen nicht im Lande. Mein Sohn hat Sommerferien. Ich muss jetzt auch Schluss machen, Sachen packen. Morgen früh geht unser Flieger.

Ich vertraue Ihren Künsten, schreiben Sie ein schönes Exposé. Wenn Sie damit zufrieden sind, bin ich es auch.

Bis bald also, ich hoffe, Ihre Fernsehredaktion weiß, was gut ist!

Und ich hoffe, dass Sie mich nicht vergessen!


Betreff: Das große Krabbeln

Datum: 12. 07. 2012, 12 : 13:08

Lieber Herr Nowitzki,

wie könnte ich Sie vergessen?

Sie sind der erste Mann, der mir wie selbstverständlich einen Käfer von meinem Schlüsselbein geschnippt hat. Wenigstens haben Sie vorher noch „Darf ich?“ gefragt.

Ich bin vermutlich die erste Frau, die sich geradeso zurückhalten konnte, Ihnen eine winzige Spinne von Ihrer Glatze zu pusten. Ich habe es nicht getan, weil ich es in der Situation unangemessen fand. Tragen Sie die Spinne noch bei sich? Haben Sie das arme Tier gegen seinen Willen in den Westen entführt?

Und dann gab es noch diesen klitzekleinen Moment. Sie haben mir Ihr Buch gereicht und dabei mit Ihren Armhaaren ganz leicht meinen Unterarm gestreift. Eine Berührung so kurz wie ein Wimpernschlag. Vergessen habe ich sie nicht.

Ihre Frau Fröhlich


Betreff: Re: Das große Krabbeln

Datum: 12. 07. 2012, 12 : 24:09

Sie haben recht, ich habe seit zwei Tagen das Gefühl, eine Spinne auf dem Schlüsselbein mit mir herumzutragen und einen Käfer geschluckt zu haben. Das kann ich freilich auch nicht vergessen. Aber jetzt muss ich wirklich los, den Laptop zuklappen und ab in den Urlaub.

Ihr Tierfreund

***


Betreff: Herzliche Grüße

Datum: 13. 07. 2012, 06 : 59:10

Sind Sie schon abgehoben? Oder stehen Sie noch mit beiden Beinen auf sicherem Boden? Wohin fliegen Sie in den Urlaub? Wohin muss ich Ihnen mein Herz nachschicken?


Betreff: Re: Herzliche Grüße

Datum: 13. 07. 2012, 07 : 24:11

Ich nehme Ihr Herz mit nach Portugal. Und meines gehört Ihnen doch schon längst.


Betreff: Böses Omen?

Datum: 13. 07. 2012, 08 : 02:01

Ob es ein böses Omen ist, dass Sie mir Ihr Herz ausgerechnet an einem Freitag, den 13. in den virtuellen Briefkasten stopfen, es mir ausgerechnet heute servieren? Ich musste es herausholen, konnte nicht bis morgen damit warten. Ich bin nicht abergläubisch.

Ich mag Ihr Herz außen knusprig angebraten und innen medium.

Bis in drei Wochen! Denken Sie an mich! Ich denke an Sie. Bestimmt.

Guten Flug!

***


Betreff: Schlechte Nachrichten

Datum: 06. 08. 2012, 09 : 00:02

Lieber Herr Nowitzki,

nun sind drei Wochen nach unserem gemeinsamen Fernsehdrehtag vergangen. Sie sind hoffentlich erholt aus Ihrem Familienurlaub zurück.

Es gibt schlechte Nachrichten. Die Redaktion hat unser Exposé für „Kleine Morde hinter der Mauer“ sehr gelobt, sich aber dennoch für das eines Kollegen entschieden.

Ihre Frau F.


Betreff: Re: Schlechte Nachrichten

Datum: 06. 08. 2012, 10 : 09:13

Liebe Frau Fröhlich,

ich bin untröstlich. Ich will, Sie wollen, aber der Sender ist gegen uns. Und nun? Müssen wir unseren privaten Kennenlerntermin verschieben. Ich weiß allerdings nicht, wann ich wieder in Leipzig oder in der Nähe von Leipzig sein werde. Darf ich Sie dann zum Essen einladen?

Untröstlich, Ihr Herr N.

***


Betreff: Warten bis zum jüngsten Tag?

Datum: 07. 08. 2012, 11 : 08:11

Lieber Herr N.,

ich werde mich jetzt weit vorwagen, auch auf die Gefahr hin, dass ich einen Korb von Ihnen bekomme. Ich möchte Sie unbedingt wiedersehen, Sie treffen. Und ich will nicht warten, bis Sie einmal wieder zufällig in der Gegend sind! Bis dahin könnten Lichtjahre vergehen. Ich habe einen Vorschlag: Wir treffen uns zwischen Leipzig und Bonn. Kassel liegt genau in der Mitte zwischen unseren beiden Städten. Das sind für jeden von uns etwa zweihundertundfünfzig Kilometer. Dort könnten wir:

A: Essen bei McDonald’s,

B: über Meliorationsanlagen reden,

C: ein Picknick machen und uns berühren und küssen, bis wir wieder nach Hause müssen, oder

D: Wir haben uns geirrt, sehen uns an und gehen wieder unserer Wege. Das halte ich allerdings für unwahrscheinlich.

Ich bin natürlich für „B“, ostdeutsche Ackerbewässerungsanlagen.

Und Sie?

Grüße aus Leipzig, Anna Fröhlich


Betreff: Re: Warten bis zum jüngsten Tag?

Datum: 07. 08. 2012, 11 : 28:17

Liebe Frau Fröhlich,

für Sie fahre ich sogar nach Kassel. Kassel ist gut, sehr gut sogar. Und ich bin für „C“. Sie lieben es, mich auf den Arm zu nehmen, ich liebe es auch. Frau Fröhlich, ich bin verheiratet. Das wird ein Abenteuer. Über die Konsequenzen will ich gar nicht nachdenken. Ich bin keiner, der zweigleisig fährt. Aber dennoch will ich Sie treffen.

Grüße aus Bonn, Roger Nowitzki

***


Betreff: Chemieunfall

Datum: 08. 08. 2012, 08 : 14:11

Guten Morgen nach Bonn,

wird es ein schräges Abenteuer? Herr Nowitzki, Sie machen mich glücklich! Sie ahnen nicht, wie sehr. Ich wusste, dass Sie kommen würden. Herr Nowitzki, ich muss gestehen: Ich bin wohl Opfer eines Chemieunfalls geworden. Was soll in den Picknickkorb hinein?

Ihre Frau Fröhlich


Betreff: Re: Chemieunfall

Datum: 08. 08. 2012, 10 : 17:11

Was soll in den Korb? Obst und, ach, eigentlich ist es mir egal, ich vertraue Ihrem Geschmack. Immerhin haben Sie mir auf dem Fernsehdreh erzählt, dass Sie ein altes Saab Cabrio fahren. Das spricht für Ihren guten Geschmack.


Betreff: Aw: Chemieunfall

Datum: 08. 08. 2012, 15 : 15:17

Sind Sie freischaffend? Wenn ja, dann gehe ich davon aus, dass Sie terminmäßig ebenso flexibel sind wie ich? Anna Fröhlich

***


Betreff: Termin

Datum: 09. 08. 2012, 10 : 12:10

Ja, ich bin freier Autor, schreibe, wie ich will, mache das im Moment aber mit meinem Kollegen Oliver Richter zusammen. Wir teilen uns ein Büro. Wir haben den Auftrag, aus „Kleine Morde hinter der Mauer“ ein Drehbuch zu machen. Es soll in vier Wochen fertig sein. Deshalb bin ich im Moment nicht so frei in meiner Zeitplanung wie gewohnt. Vielleicht klappt es am übernächsten Donnerstag mit uns beiden?

Und was die Chemie betrifft, klar, das muss wohl so sein. An meinem Buch wird es kaum liegen, oder? Ich wäre wohl der Erste, der mit einem Krimi eine Frau … ja was eigentlich?


Betreff: Re: Termin

Datum: 09. 08. 2012, 10 : 14:15

Sitzen Sie?


Betreff: Aw: Termin

Datum: 09. 08. 2012, 10 : 15:18

Ja, immer noch am Schreibtisch.


Betreff: Klartext

Datum: 09. 08. 2012, 10 : 19:19

Lieber Herr Nowitzki,

ich bin für klare Worte. Ich glaube so wenig an spontane Liebe wie an die Wirkung von Globuli, aber ich befürchte, ich habe mich auf unserem Fernsehdreh direkt in Sie verknallt, gleich als ich Sie wartend mit Ihrem Buch in der Hand auf der Bank sitzen sah und obwohl wir noch kein Wort miteinander gewechselt hatten. Das Wort „verknallt“ klingt, als ob ich gerade im richtigen Alter für die Jugendweihe wäre, aber nicht so schwerwiegend wie „verliebt“. Für wen das von uns beiden schlimmer ist, vermag ich noch nicht zu sagen. Auf jeden Fall sollten Sie das wissen, bevor Sie mich treffen. Fühlen Sie sich umarmt.

***


Betreff: Du!

Datum: 10. 08. 2012, 09 : 29:12

Meine liebe Frau Fröhlich, nach Deiner letzten E-Mail wäre es ziemlich albern, wenn ich Dich weiter siezen würde, oder? Ich hab nur wenig geschlafen, weil ich mir vorgestellt habe, wie ich mich fühle, wenn Du mich umarmst. Ich wünsche DIR einen wunderbaren Tag. Roger


Betreff: Du?

Datum: 10. 08. 2012, 10 : 29:07

War mein „Du“ zu intim? Frau Fröhlich, ich wünschte, wir wären nicht durch so viele sinnlose Kilometer getrennt. Ich möchte Sie sehen und Ihnen zumindest die Hand schütteln!


Betreff: Re: Du?

Datum: 10. 08. 2012, 10 : 32:19

Du wolltest ja damals vor der Wende unbedingt nach Bonn! Erzählst Du mir die Geschichte Deiner Flucht aus dem Osten? Ich habe davon in der Biografie in Deinem Buch gelesen.


Betreff: Aw: Du!

Datum: 10. 08. 2012, 10 : 34:32

Ja, aber erst sagst Du mir, ob unser Fernsehbeitrag heute endlich gesendet wird.


Betreff: Flucht

Datum: 10. 08. 2012, 10 : 37:11

Der Beitrag setzt bereits Schimmel an. Ich wünschte, er würde endlich gesendet, dann wüsste ich wieder, wie Du aussiehst und wie Deine Stimme klingt. Erzähl mir trotzdem Deine Fluchtgeschichte, ja? Besonders interessiert mich, wie Du drüben Fuß gefasst hast. Ich nehme an, Du bist mit leeren Taschen geflüchtet, ohne Rollkoffer und Reiserücktrittsversicherung.


Betreff: Kellner mit Migrationshintergrund

Datum: 10. 08. 2012, 11 : 15:03

Ich war zwanzig, als der Osten rebellierte. Ich hatte gerade meine Ausbildung als Wirtschaftskaufmann beendet. Du siehst, in der DDR war Wirtschaft auch ein Thema, auch wenn man das kaum glauben mag. Und Du siehst, ich habe einmal einen richtigen Beruf erlernt. Bevor ich Buchautor wurde, übte ich mich im Verwalten der Planwirtschaft.

Nun, die Aussichten auf eine lebenslange Beschäftigung als Wirtschaftskaufmann in einem sozialistisch geplanten Betrieb in Dresden und auf eine Plattenbauwohnung waren für mich nicht verlockend.

Immer mehr Kollegen und Bekannte flohen im Sommer 1989 in den Westen. Ich wollte nicht als Einziger zurückbleiben und das Licht ausmachen.

Über die Grüne Grenze sind wir geflüchtet, zu dritt.

Wir liefen über Feldwege und durch den Wald, wussten nicht genau, wo wir waren, bis wir in ein kleines Dorf gelangten. Wir stromerten durch die Gassen. In einem einzigen Haus brannte noch Licht. Wir klingelten dort, bei einem Elektromeister. Als er uns die Tür öffnete, blickte er uns an, als wären wir eine Erscheinung, als wären wir die Heiligen Drei Könige in Trainingsanzügen, die sich im Tag geirrt hatten. Ich hätte gern selbst in meinem Gesicht gesehen, was der Elektromeister sah. Wie schaut man drein nach einer gelungenen Republikflucht? Er bat uns herein, machte uns allen ein Bier auf und lauschte unseren Schilderungen. Er war so ergriffen, dass er uns für zwei Nächte in einem Raum in seiner Werkstatt übernachten ließ. Danach hat er uns eine Übernachtung im nächsten Hotel gesponsert. Von da an mussten wir allein weiterkommen.

Ich fand natürlich keine Arbeit als ostdeutscher Wirtschaftskaufmann. Planwirtschaft war im Westen nicht angesagt. Ich hielt mich mit Kellnern über Wasser, während ich mein Abitur nachholte und in einer WG lebte. Die Jungs in der WG fanden es wohl exotisch, einen Ossi bei sich aufzunehmen, einen Wirtschaftskaufmann mit Migrationshintergrund. Auch in der Kneipe, in der ich mein Geld verdiente, war ich eine Attraktion. Immerzu wurde ich aufgefordert, ein paar Worte Sächsisch zu sprechen. Ich kann aber kein Sächsisch, bis heute nicht. Im Hause meiner Eltern wurde sauberes Hochdeutsch gesprochen, auch wenn das Haus in der Nähe von Dresden stand.

Zum Bücherschreiben kam ich wie die Jungfrau zum Kind. Ich hab schon immer nebenbei geschrieben und es einfach mal bei einem Verlag probiert. Geschrieben, eingereicht und fertig. Anfängerglück. Ich hatte sofort einen Fuß in der Tür und konnte mich voll aufs Schreiben konzentrieren.

Und nun bin ich seit dreiundzwanzig Jahren im Westen und begegne Dir, dem Schönsten und Besten, was meine alte Heimat für mich zu bieten hat.


Betreff: Respekt!

Datum: 10. 08. 2012, 12 : 13:16

Du siehst mich beeindruckt, wirklich sehr sogar. Ich kam nie auf die Idee, die DDR zu verlassen. Ich war sechzehn, als die Mauer fiel. Ich habe die Wende „aktiv“ am Schwarz-Weiß-Fernseher meiner Eltern mitgestaltet. Dazu habe ich Erdnussflips gegessen.

Ich muss jetzt los. Wir können uns heute nur noch per SMS den Tag versüßen. Roger, ich verzehre mich nach Dir. Meine Fantasie ist so stark, dass ich manchmal das Gefühl habe, Du wärest wirklich hier. Ich kann Dich spüren, fühlen, riechen, dabei sind wir uns nur einmal begegnet.


Betreff: geschafft!

Datum: 10. 08. 2012, 20 : 57:00

Anna, heute hast Du es geschafft! Ich weiß jetzt schon nicht mehr, was ich geschrieben habe. Nur Deine Kurznachrichten geistern durch meinen Kopf und hinterlassen sehr plastische Bilder. Fast ist es so, als hätte ich Dich tatsächlich schon berührt, Deinen Mund an meinem Hals gespürt, meine Hände auf Deiner Haut, Dein Duft, der mich um den Verstand bringt. Wir kennen uns doch gar nicht! Aber wenn Post von Dir kommt, bekomme ich Herzrhythmusstörungen, und wenn nichts von Dir im Postfach ist, will mein Herz stehen bleiben. Warum ich, Anna? Ich bin ein langweiliger Familienvater. Eine gequälte, aber irgendwie total beglückte Seele.

***


Betreff: Herzstillstand

Datum: 13. 08. 2012, 08 : 01:32

Mein Herz bleibt übrigens auch stehen, wenn nichts von Dir im E-Mail-Fach landet.


Betreff: Re: Herzstillstand

Datum: 13. 08. 2012, 09 : 37:23

Entschuldige, ich komme gerade erst rein. Es war Wochenende, das heißt für mich Familienprogramm ohne E-Mail-Zugang.

Und ich war auf dem Weg ins Büro noch im Verlag, um mir noch ein paar Exemplare meines Buches abzuholen, die ich verschenken will. Das scheint mir überhaupt die einzige Möglichkeit zu sein, sie unters Volk zu bringen. Laut Verlag haben sich bis heute erst 1.988 Stück verkauft und da sind die fünf, die ich gerade geholt habe wahrscheinlich schon dabei. Du und Deine Fernsehkollegen, Ihr hattet recht, die Kurzkrimis interessieren offensichtlich niemanden. Ich bin deprimiert.


Betreff: Aw: Herzstillstand

Datum: 13. 08. 2012, 09 : 45:20

1.988! Das ist doch gut! Hast Du mehr erwartet? Ein Longseller, wie die Bibel einer ist, wird es freilich nicht werden, aber bestimmt auch kein Ladenhüter. Ich würde mich darüber freuen. Außerdem hat Dir das Buch dennoch etwas gebracht: Mich!


Betreff: Re: Herzstillstand

Datum: 13. 08. 2012, 09 : 46:56

Du bist in der Tat unbezahlbar! So viel Schönes, Du, die Schönste, bist mir begegnet. Mir geht es schon wieder besser.

***


Betreff:

Datum: 14. 08. 2012, 08 : 31:20

Heute ist nicht mein Tag.

Anna


Betreff: Re:

Datum: 14. 08. 2012, 09 : 05:21

Was kann ich tun, um Deine Laune zu verbessern? Dir sagen, dass ich mehr an Dich als an meine Figuren aus dem Drehbuch denke? Dass ich mir vorstelle, wie Du durch Leipzig radelst, ich Dich sehe und denke, was für eine schöne Frau! Was trägst Du?


Betreff: Was trägst Du?

Datum: 14. 08. 2012, 09 : 09:13

Oh nein, Roger, niemals diese Frage! Ich fühle mich nicht gut, wenn unsere Kommunikation abgleitet. Und außerdem habe ich eine negative „Was trägst Du?“-Geschichte hinter mir.

Hier ist sie: Ich hatte einmal einen Handwerker bei mir, die Dusche war kaputt. Er kam nach der Reparatur mehrfach zu mir und wollte mir einreden, dass er eine Zange in meiner Dusche vergessen habe. Ich verneinte, also rief er immer wieder bei mir an und fragte, was ich denn heute trage. Es war schlimm. Ein Freund half mir und ging ans Telefon: „Wenn du noch einmal anrufst, dann schneide ich ihn dir ab!“ Danach war Ruhe. Ich vergesse das nicht.


Betreff: Re: Was trägst Du?

Datum: 14. 08. 2012, 09 : 14:11

Davon hatte ich ja keine Ahnung, das tut mir sehr leid! Anna, ich liebe Deine Energie, Deine Ausstrahlung. Ist das besser?


Betreff: Fragen

Datum: 14. 08. 2012, 09 : 18:43

Ja, viel besser, Roger. Darf ich Dich etwas fragen? Ich meine, bevor wir uns treffen. Ich will noch einiges wissen.


Betreff: Re: Fragen

Datum: 14. 08. 2012, 09 : 20:00

Ja, Anna. Du darfst mich alles fragen. Nur zu!


Betreff: Aw: Fragen

Datum: 14. 08. 2012, 09 : 20:59

Wo und wie hast Du eigentlich Deine Haare gelassen? Ich habe noch nie einen Mann ohne Haare getroffen.

***


Betreff: Elbe-Nazi

Datum: 15. 08. 2012, 09 : 29:56

Mit fünfzehn hatte ich noch Haare. Wo heute meine Glatze in der Sonne glänzt, wippten damals dunkelblonde Locken. Ich hatte sie mir abschneiden und die übrigen Stoppeln schwarz färben lassen. Übrig ließ ich einen kleinen, schmalen Zopf am Hinterkopf, der aussah wie ein Korkenzieher. Das war damals revolutionär, sah sicher albern aus und es provozierte meinen Klassenlehrer. Meine „Westler-Frisur“ erschüttere die sozialistische Schule in ihren Grundfesten! Er hatte wohl zu viel Westfernsehen geschaut und die Haarmode des Klassenfeindes studiert. Er sorgte dafür, dass ich keine Zulassung zum Abitur bekam.

Starre und sinnlose Regeln fordern meinen Widerspruchsgeist heraus, dagegen kann ich nichts machen. Mit der Mauer fielen dann auch meine Haare, wobei da kein unmittelbarer Zusammenhang bestand.

Einmal wurde mir meine Glatze zum Verhängnis. Ich war auf „Heimaturlaub“ in Dresden, kurz nachdem die Mauer gefallen war und ich dem Frieden langsam traute, fuhr ich zurück, um ein paar Sachen zu holen. Damals lieferten sich Linksautonome und Rechtsradikale, wir nannten sie „Antifas“ und „Faschos“, gelegentlich Kämpfe auf der Straße. Die Linken fürchteten wohl, dass die Nazis durch die Wiedervereinigung wieder Land gewinnen könnten. Deshalb wurden auch nicht in Rudeln auflaufende, einsam am Elbufer spazierende Männer mit Glatzen bereits als Bedrohung empfunden. Ich hörte die Antifas schon von weither grölen. Sie hatten Bier und Spaß und die Idee, einen freilaufenden, wenn auch nur vermeintlichen Fascho wie mich zu verprügeln, ihm auf die Glatze zu hauen. Panik machte sich in mir breit, als der Lärm immer näher an mein Ohr drang. Sie haben nicht versucht, sich leise anzuschleichen, nein, sie polterten von hinten an mich heran. Ich wusste, dass ich den Linken nicht zu erklären brauchte, dass meine Glatze nicht gewollt, sondern mir gegen meinen Willen einfach zugefallen war. Ich verspürte nackte Angst. In meiner Verzweiflung begann ich zu laufen, zu rennen. Die lallende Meute war erstaunlich fit, trotz Alkoholkonsums oder gerade deshalb. Sie waren mir auf den Fersen, immer dichter. Ich hatte Angst um mein junges Leben.

Ich hatte Glück im Unglück, denn ich war auf der Uferseite unterwegs, von der aus man auf Dresdens prächtige Altstadt blicken kann. Die Uferseite, von der aus die Touristen bis heute die schönsten Postkartenfotos machen. Der Einstieg ins Wasser ist dort seicht, nicht steil und mit Mauern befestigt wie gegenüber.

In meiner Panik stürzte ich mich ins kalte Elbewasser. Es war furchtbar, denn es war Winter, trotzdem sprang ich. Das Ufer war steinig, Geröll. Ich stolperte in die Elbe und versuchte mich in Ufernähe treiben zu lassen, ich hatte Angst, von dem breiten Fluss erfasst und davongetragen zu werden. Aber alles war besser, als von besoffenen Linken aus Dummheit gekillt zu werden.

Damit hatten sie wohl nicht gerechnet. Ich trieb schnell einige hundert Meter voran. Die Antifas blieben grölend am Ufer stehen und freuten sich über meinen feuchten Abgang. Einen gefühlten Kilometer weiter konnte ich mich ans Ufer retten. Unversehrt. Mir war nur furchtbar kalt. Aber das war besser als alles, was mir bevorgestanden hätte, wenn ich nicht in die Elbe gegangen wäre.

„Oben ohne“ zu leben war für mich also manchmal ein Problem. Jetzt nicht mehr. Was ist mit Deinem Haar? Ist das Rot echt?

Ich habe noch nie eine Frau mit roten Haaren getroffen.

***


Betreff: Re: Elbe-Nazi

Datum: 16. 08. 2012, 08 : 31:54

Ja, meine Haarfarbe ist echt. Das Rot war durchaus konform mit der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Als Kind wurde ich oft gehänselt. Man nannte mich „Pumuckl“, wie den kleinen Kobold aus einer Kinderfilmserie, oder „Duracell“, wie die Batterie mit dem Kupferkopf. Die gab es in unseren dünn bestückten Geschäften im Osten freilich nicht zu kaufen, wie Du sicher noch weißt. Die Kinder hatten sich aber im Westfernsehen gründlich über die Produktvielfalt in unserem kapitalistischen Nachbarland informiert und sofort mit meiner Haarfarbe in Verbindung gebracht.

Meine Zulassung zum Abitur sollte aber nicht an Haarspalterei scheitern, sondern daran, dass ich mich weigerte, meinen monatlichen FDJ-Beitrag zu entrichten. Dreißig Ostpfennig waren mir schlichtweg eine zu große Investition in die Freie Deutsche Jugend.

Ich wurde bekehrt. Es wäre doch schade, wenn ein Arbeiterkind wie ich nicht studieren könne wegen dreißig Pfennigen.

Nach dem Abitur färbte ich meine Haare grün. In der Grünphase meines Lebens fühlte ich mich alternativ. Ich trug schwarze Lumpen und war militant gegen alles. Jetzt bin ich nur noch ich.

Nächste Frage: Rauchst Du? Ich nicht. Hier kommt meine Geschichte zum Rauchen: Ich hab es nur ein einziges Mal versucht. Eine Verzweiflungstat. Eine Geschichte, für die ich mich schäme, ich erzähl sie Dir trotzdem: Ich war schwer verliebt. Der Angebetete besuchte mich, um nie wiederzukommen, und er rauchte dabei. Das durfte er in meiner Nichtraucherwelt. Ich war so süchtig nach seinen Lippen, dass ich seine alten Kippen aufgeraucht habe, nachdem er weg war. Das ist peinlich. Es ist etwa fünfzehn Jahre her. Wie konnte ich mich nur so sehr erniedrigen. Ich habe nie wieder eine Zigarette angerührt und ihn auch nicht.

***


Betreff: Rauchen

Datum: 17. 08. 2012, 10 : 00:12

Erniedrigt? Du hattest wenigstens ein romantisches Motiv. Du bist sehr leidenschaftlich. Ich habe früher geraucht, und wenn ich keine Zigaretten mehr hatte, habe ich die Kippen aus dem Aschenbecher aufgeraucht. Einmal musste ich dafür sogar den Mülleimer entleeren. Wie kann man sich so erniedrigen? Später habe ich mich für diese Sucht gehasst. Meine letzte Zigarette habe ich zur Jahrtausendwende ausgedrückt. Und ich fange auch nicht wieder an zu rauchen. Du musst Dir also keine Sorgen machen, dass ich mich gehen lasse, wenn wir zwei an einem öffentlichen Aschenbecher vorbeikommen. Schreib mir bitte weiter Geschichten aus Deinem Leben. Ich will alles wissen!


Betreff: Bravo! Schlagen!

Datum: 17. 08. 2012, 11 : 13:10

Ich war geschäftstüchtig und kleinkriminell. An unserer sozialistischen Schule blühte der Schwarzhandel mit abfotografierten Bildern aus dem kapitalistischen Ausland, genauer gesagt waren die Fotos aus der „Bravo“. Ich muss Dich jetzt nicht fragen, ob Du diese Jugendzeitschrift noch kennst, oder? Die weisen Ratschläge des Dr.-Sommer-Teams waren uns doch allen sehr wichtig. Mein Opa hatte ein kleines mobiles Fotolabor. Immer wenn Filme zu entwickeln waren, hat er es in Omas Küche aufgebaut. Wir haben zusammen die Stars meiner Jugend abfotografiert und auf Fotopapier entwickelt. Die „Bravo“ war ein rares Gut. Also verkaufte ich die Fotos von den Star-Postern für ein paar Ostmark. Ich durfte mich freilich nicht erwischen lassen. Ich wäre mit Sicherheit beim Schulappell getadelt worden und hätte niemals die Lessing-Medaille für gute schulische Leistungen verliehen bekommen.

Was machst Du mit meinen Geschichten? Ich erlaube Dir, aus allem, was wir schreiben, ein Buch zu machen. Ich hätte nur gerne einen anderen Namen. Schon deshalb, weil ich einmal einen Mann geschlagen habe. Das solltest Du vielleicht wissen, bevor wir uns treffen. Er hat mich so gereizt und geärgert, dass ich meiner Wut freien Lauf ließ. Es war in einer Disco in Leipzig. Ich habe ihm ins Gesicht geschlagen. Ein guter Schlag, er kam direkt aus der rechten Schulter, voller Körpereinsatz. Mein Opfer flog nach hinten in die Massen und sein Freund bewahrte ihn vor meiner nächsten Attacke. Mir ging es danach sehr gut. Manchmal muss man machen, wonach einem der Sinn steht. Das befreit. Wir waren danach noch zwei Jahre zusammen. Ein kleiner Schlag wirkt manchmal Wunder.

Dich aber küsse ich, Dich schlage ich nicht.

Deine Ex-Schlägerin


Betreff: Re: Bravo! Schlagen!

Datum: 17. 08. 2012, 12 : 00:00

Vor Deinen Schlägen habe ich keine Angst, Anna, eher vor Deiner möglichen Zärtlichkeit und was sie in mir auslösen könnte.

Ich muss für heute Schluss machen, das Wochenende steht vor der Tür, ich muss nach Hause. Am Montag bin ich wieder voll für Dich da. Bis dahin hoffe ich, dass ich Dir wenigstens zwischendurch eine SMS schicken kann.

Darf ich Dich auch küssen, Anna?

Roger


Betreff: Aw: Bravo! Schlagen!

Datum: 17. 08. 2012, 12 : 02:08

Ja, Roger, Du darfst mich Küssen. Seit Wochen träume ich davon. Fühl Dich zart angeatmet, an Deinem Hals rechts. Bis Montag!

***


Betreff: Schlagende Argumente

Datum: 20. 08. 2012, 10 : 13:09

Guten Morgen, da bin ich wieder und ich habe schlagende Argumente für Dich.

Mir ist einmal die Hand ausgerutscht. Ich war 17 oder 18 und fest davon überzeugt, dass meine erste, echte Freundin mich betrügt. Ich hatte meine Informationen. Es geschah auch nach einem Discoabend in einem Jugendclub in Dresden. Sie war schon im Club und wir hatten die Absprache, dass der Erste, der im Club ist, dafür sorgt, dass der andere am Türsteher vorbeikommt. Ich sah ihr Gesicht einige Male hinter der Scheibe, aber nichts geschah. Als ich es endlich allein geschafft hatte hineinzukommen, war ich schon so sauer, dass ich zur Beruhigung einige doppelte Wodka-Cola trank. Der Alkohol, das Gerücht, sie würde mich betrügen, und ihr Verhalten an der Tür. Ich war in einem Tunnel, wollte mich prügeln, aber keiner nahm das Angebot an, wahrscheinlich, weil ich schon so jämmerlich wirkte. Ich stellte sie auf dem Weg nach Hause zur Rede. Sie log, sagte, sie hätte mich vor der Tür nicht gesehen, da gab ich ihr eine Ohrfeige. Klatsch!

Ich fühlte mich so schlecht. Frauen schlagen macht nicht frei. Sie hat mir verziehen und wir waren noch einige Monate ein Paar. Und heute gratulieren wir uns immer noch gegenseitig zum Geburtstag.


Betreff: Re: Schlagende Argumente

Datum: 20. 08. 2012, 10 : 33:39

Ich kenne die brennende Eifersucht, die Du beschreibst, die auch mich zum Rasen bringt. Dennoch, Frauen schlagen ist wirklich schwach. Es sei Dir verziehen, Du warst ja noch so jung.

***


Betreff: Herkules

Datum: 21. 08. 2012, 07 : 59:00

Guten Morgen, Roger! Was für eine Nacht heute. Ich war bei Dir im Jugendclub in Dresden. Du hattest damals schon eine Glatze, aber ich trug meine typische Achtzigerjahre-Dauerwelle mit viel Würde.

Was sagt Dein Terminplan, Roger? Bleibt es bei übermorgen?

Wird das der Tag sein, an dem Du die falsche Frau triffst, einen Tag lang die Rolle in einem Liebesfilm spielen darfst, bei vollem Bewusstsein in einen Jungbrunnen stürzen darfst, einen Tag ein anderes Leben führen darfst und einmal in meinem Cabrio mitfahren darfst?

Die Adresse für Dein Navigationsgerät heißt: Schlosspark in Kassel-Wilhelmshöhe. Dort steht die berühmte Herkules-Statue, das Wahrzeichen der Stadt Kassel. Sollte ich eine Sprechblockade bekommen, wenn wir uns begegnen, dann verliere keine Sekunde, küss mich einfach.


Betreff: Re: Herkules

Datum: 21. 08. 2012, 09 : 34:09

Meine liebe Anna,

ich muss Dich enttäuschen, es sieht nicht gut aus für unser Treffen. Wir kommen mit dem Drehbuch nur langsam voran. Anna, können wir uns nur in dieser Woche sehen? Wir müssen uns treffen, uns in die Augen schauen, riechen, sanft fühlen, küssen und gespannt die chemischen Reaktionen beobachten. Aber ich will mich Dir ganz widmen und jeden Augenblick genießen, ohne Gedanken an die Arbeit.

Ich muss schon vergessen, dass ich verheiratet bin.

Ist unser Zeitfenster so klein? Darf ich nur bis Donnerstag in Deinem Cabrio mitfahren? Das kann nicht sein. Das darf nicht sein. Hält die Spannung zwischen uns noch ein paar Tage länger, meine Anna?


Betreff: Aw: Herkules

Datum: 21. 08. 2012, 09 : 36:02

Dein Zeitfenster ist so weit auf, wie Du es zulässt.


Betreff: An Dich denken

Datum: 21. 08. 2012, 09 : 40:07

Roger? Wusstest Du schon, dass ich, seit wir den Fernsehdrehtag zusammen verbracht haben, so viel Sex habe wie seit Jahren nicht mehr? Mit mir selbst natürlich. Ich denke einfach an Dich dabei.

Roger?


Betreff: Re: An Dich denken

Datum: 21. 08. 2012, 09 : 41:30

Anna! Was schreibst Du mir? Himmel! Ich schnappe immer noch nach Luft. Oliver denkt, ich hätte einen Asthmaanfall. Ich möchte Dich jetzt küssen, Dich berühren und jetzt klingelt unser Chef. Meine roten Wangen habe ich nur von der Hitze. Du bringst mich um den Verstand, Anna, ich weiß es, aber ich will mich nicht mehr dagegen wehren. Ich denke an Dich, nein, ich arbeite erst, dann denke ich an Dich. Oder, ach!


Betreff: Aw: An Dich denken

Datum: 21. 08. 2012, 09 : 44:07

Irgendwann, lieber Roger, wenn wir uns gesehen haben und uns noch viel mehr nacheinander verzehren, dann schreibe ich Dir genau, WIE ich es mache, wenn Du nicht bei mir bist. Was ist nun mit dem Donnerstag? Sag mir einfach ganz konkret ab oder zu. Ich bin ein Freund klarer Ansagen, auch wenn Träume platzen. Anna


Betreff: Absage

Datum: 21. 08. 2012, 18 : 03:09

Okay, Anna, ganz konkret und mit blutendem Herzen, ich kann Dich diese Woche nicht treffen. Wir müssen das Drehbuch fertig schreiben. Aber sobald wir fertig sind, bin ich zeitlich wieder flexibler und vielleicht ganz schnell in Kassel. Wenn Du dann noch willst.

Bis dahin schaue ich mir Deine Fernsehauftritte in der Dauerschleife in der Mediathek Deines Senders an und verzehre mich dabei nach Dir.

Ich bin verrückt, weil ich Dich sehen will, und ich wäre verrückt, wenn ich es nicht wöllte. Klingt das zu geschwollen?


Betreff: Re: Absage

Datum: 21. 08. 2012, 18 : 04:34

Nun ist mein Herz stehen geblieben.


Betreff: Aw: Absage

Datum: 21. 08. 2012, 18 : 05:12

Wie kann ich es von Bonn aus wieder beleben?


Betreff: Re: Absage

Datum: 21. 08. 2012, 18 : 06:00

Tot ist tot. Hinter der Mauer ermordet.


Betreff: Aw: Absage

Datum: 21. 08. 2012, 18 : 08:23

Aber Dein Humor lebt. Es besteht also Hoffnung. An die möchte ich mich klammern.

***


Betreff: Rückzieher und Rückzug

Datum: 22. 08. 2012, 08 : 58:22 Ich bin enttäuscht in mein Schneckenhaus zurückgekrochen, gehe nicht vor die Tür. Draußen könnte ein Mann stehen, der mir die Realität vor den Kopf knallt. Es regnet ganz leise und der Boden ist nass, auch von dem Löschwasser, was Du über mir ausgeschüttet hast. Ich gucke aus dem kleinen Fenster und sehe: Tief im Westen wird gemordet.


Betreff: Re: Rückzieher und Rückzug

Datum: 22. 08. 2012, 10 : 12:12

In Bonn reißt der Himmel auf. Nur ein Stück, aber das wenige Licht lässt die Hoffnung auf einen Sommer am Leben. Ich dachte schon, ich hätte Dich für alle Zeit verloren.

Ich vermisse Dich.

***


Betreff: Signal

Datum: 23. 08. 2012, 11 : 11:12

Mein verehrter, weit entfernter, virtueller Mann!

Du fehlst mir auch. Es macht mir Spaß, Dir zu schreiben. Wir haben beide eine blühende Vorstellungskraft. Es ist nicht schlimm, dass Du kneifst. Plötzliche Skrupel? So etwas darf jeder Mann genau einmal mit mir machen. Was mich beschäftigt, ist ein anderes eindeutiges Signal, das ich zwischen den Zeilen vernommen habe. Es zeigt, welche doch recht geringe Wertigkeit Du unserem „Chemiebaukasten“ beimisst. Ich weiß, er ist nur ein Spielzeug, aber man kann damit viel anrichten. Du hast keinen neuen Terminvorschlag geschickt, hast mich nur auf Deine „Vielleicht-und-Irgendwann“-Liste gesetzt. Das ist kein Kompliment für mich, eher eine Beleidigung. Und eigentlich verbietet mir nun mein Stolz, Dir noch zu begegnen, auch wenn ich mir nichts mehr wünsche als das. Sag mir, dass meine Interpretation falsch ist! Aber lüg nicht!


Betreff: Re: Signal

Datum: 23. 08. 2012, 14 : 16:10

Meine liebe Anna, zwischen den Zeilen stand nichts dergleichen. Ich schätze Dich über die Maßen, es liegt mir vollkommen fern, Dich beleidigen zu wollen. Verzeih mir, wenn das so angekommen ist. Du hast natürlich recht, ich habe keinen neuen Termin vorgeschlagen. Ich weiß es einfach noch nicht, weil ich mit Arbeit bis unters Dach voll bin. Ohne diese Entfernung hätte ich doch schon längst unter Deinem Fenster gesungen. Klar, vielleicht glaubst Du, ich wäre nur an der Tastatur ein Held, der vom Schreibtisch aus alles Mögliche behauptet und verspricht. In dieser Woche kann ich Dir leider nicht das Gegenteil beweisen und einen neuen Termin kann ich noch nicht versprechen. Denn wenn der platzt, platzt auch der Traum vom Picknick. Es war keine Ausrede, kein Kneifen. Ich muss Abgabetermine einhalten und kann meinen Kollegen nicht hängen lassen. Ach, keine Ahnung, ich bin traurig, glaub mir oder schieß mich auf den Mond.

***


Betreff: Chemiebaukasten

Datum: 24. 08. 2012, 09 : 06:10

Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Ich bin aber immer noch für Dich da, obwohl ich finde, dass Du meine Geduld schon arg strapaziert hast. Aber dank meines Mitbewohners habe ich Nerven wie Drahtseile entwickelt. Nun was soll ich sagen? Mond klingt nicht schlecht, er ist aber noch weiter weg als Bonn! Ist seine Atmosphäre so beschaffen, dass ich Dich dort singen hören könnte?

Ich stelle mir lieber vor, dass ich Dich umarme und ganz fest zudrücke, meine Lippen an Deinen Hals presse und kurz hineinbeiße. Ich darf Deine Armhaare streicheln und Dir ins Gesicht sehen, bevor ich Dich küsse. Es misslingt erst, weil ich so lachen muss. Aber beim zweiten Anlauf klappt es. Ich darf mit meinen Händen unter Dein T-Shirt fahren und erkunden, was ich finde, und es fühlt sich alles bestens an und ich habe Käfer im Bauch. Ich will einfach nur nach hinten umfallen und unseren Chemiebaukasten aufmachen und alles ausbreiten, was darin für uns bereitliegt.

Anna


Betreff: Re: Chemiebaukasten

Datum: 24. 08. 2012, 11 : 26:16

Nur kurz, weil unterwegs. Du machst mich glücklich!

Anna, ich bin in Gedanken bei Dir.

Mitbewohner?


Betreff: Betreutes Wohnen

Datum: 24. 08. 2012, 13 : 21:19

Ja, es gibt einen Mann in meinem Leben, der mir die Nerven raubt. Du kennst ihn. Er heißt Klaus Kleemann. Er hat Dich gefilmt, der Mann hinter der Kamera. Wir waren über fünf Jahre lang ein Paar. Kurz bevor Du aus Deinem Urlaub zurückkamst, habe ich mich von ihm getrennt. Du warst der Anlass dafür, nicht der Grund. Wir waren schon seit Jahren „nur“ Freunde. Ich habe Lust, ihm seine Umzugskisten zu packen. Er hat es nicht eilig damit. Aber er weiß auch nicht, dass ich Männer schlage.


Betreff: Re: Betreutes Wohnen

Datum: 24. 08. 2012, 13 : 29:15

Ja, ich erinnere mich gut an Deinen Kameramann. Er war mir sympathisch. Eher der zurückhaltende Typ, oder? Bei Deinem Temperament ist das keine schlechte Kombination.

Die Wohnsituation ist natürlich anstrengend. Hast Du ihn denn schon in aller Deutlichkeit darum gebeten auszuziehen? Männer verstehen in solchen Dingen nur Klartext. Ich schließe mich da ein. Ist eure Trennung denn endgültig? Wenn Dir das zu intim ist, dann streich diese Fragen einfach aus Deinem Gedächtnis. Es ist eine Sache, erotische SMS zu verschicken – Du solltest einen sinnlichen Roman schreiben, bitte! Und die andere Sache ist es, über echte Gefühle zu schreiben, sich wirklich zu öffnen. Du warst schon sehr offen zu mir, ich danke Dir für Dein Vertrauen.


Betreff: Aw: Betreutes Wohnen

Datum: 24. 08. 2012, 13 : 32:19

Was für eine Frage! Natürlich ist die Trennung endgültig. Was denkst Du von mir? Ich kann meine Gunst nur einem schenken. Der bist Du. Alles andere wäre für mich Betrug. Und für mich sind meine erotischen SMS an meine Gefühle für Dich geknüpft. Ich trenne nicht zwischen ihnen und dem Vertrauen, was ich Dir entgegenbringe. So wie es dort geschrieben steht, wird’s am Ende gemacht, das sind nicht bloß unmögliche Fantasien für mich.

In diesem Sinne! Dein Familienwochenende steht bevor. Ich ziehe meine Fühler ein und mich selbst in mein Häuschen zurück. Bis Montag!

***


Betreff: Ausritt

Datum: 27. 08. 2012, 09 : 33:16

Guten Morgen, Du Schöne, heute Morgen im Dämmerzustand zwischen Traum und Erwachen habe ich Dich zum Reiten begleitet. Du hattest mir auf unserem Drehtag erzählt, dass Du ein Pferd hast.

Die Sonne schien in Leipzig genauso wie heute in Bonn. Wir redeten nicht viel, ich war zufrieden, an Deiner Seite zu sein, Dich im Profil zu beobachten, wie Du Deinen Wagen zum Ziel lenkst.

Du gehst sehr liebevoll und souverän mit Deinem Pferd um. Vorsichtig führst Du es aus seiner Box, streichelst über seinen Hals und steigst in flüssigen Bewegungen auf seinen Rücken. Bewundernd blicke ich zu Dir hinauf, Du schenkst mir ein kurzes Lächeln, dann reitest Du aufrecht davon. Es ist schön, Dir einfach nur zuzusehen.


Betreff: Hallo?

Datum: 27. 08. 2012, 09 : 56:34

Anna? Wo bist Du denn? Ich habe seit Freitagabend aller zwei Minuten mein Handy kontrolliert, ob Du nicht doch eine SMS schickst. Ich bin süchtig und mein Stoff heißt Anna.

Drei Nächte kalter Entzug liegen hinter mir. Ich will mehr von Dir lesen, ich liebe Deine Geschichten. Ich bin ja heute Morgen richtig schwärmerisch. Im Horoskop stand, ich soll meine Gefühle ausleben. Also mache ich das zumindest schriftlich. Ich will Dich sehen, wir kriegen das hin. Ich will wissen, ob das Feuer nur im virtuellen Raum brennt oder auch an der Luft. Was machen wir, wenn wir nur eine Knallgasprobe hinbekommen? Nichts, jeder zieht seines Weges und wärmt sich ab und an an einer alten E-Mail, wie an einem guten Buch.


Betreff: Knallgasprobe

Datum: 27. 08. 2012, 10 : 59:58

„Knallgasprobe“ trifft den Kern der Sache. Ich bin „verknallt“, wie eine Sechzehnjährige. Und ich wärme mich schon jetzt an unseren alten E-Mails. Ich befürchte, mit einem Atemzug heißer Luft kommst Du nicht davon. Es wird großartig werden, wenn wir uns sehen.

Hast Du drüber nachgedacht, was wir hier eigentlich tun? Steigern wir uns in etwas hinein? Erschaffen uns künstliche Welten im Kopf? Wir haben uns doch nur ein einziges Mal dienstlich gesehen. Sind wir nichts als erotische Angriffsfläche? Habe ich mich in ein E-Mail-Phantom verliebt? Wir sind optisch kein schönes Paar. Ich bin eine Nummer zu groß für Dich, wenn ich Schuhe anhabe. Ich trage eigentlich immer Absatzschuhe. Wir sehen also nur im Liegen zusammen gut aus.

Ich warte dennoch auf Dich.

Wann ist endlich unser Tag?

***


Betreff: Größe

Datum: 28. 08. 2012, 10 : 59:45

Ich frage mich ständig, was wir hier eigentlich treiben und warum? Wir hatten einen gemeinsamen, beruflichen Tag. Ich habe mich darüber gefreut, dass mir der Sender eine schöne und dazu noch witzige, kluge Reporterin schickt. Die Zusammenarbeit war locker. Und dann? Was ist passiert? Deine erste E-Mail, der unterschwellige Ton unserer Konversation, die Spannung, der Spaß dabei, das Spiel. Und jetzt? Ist es immer noch ein Spiel, ein intensiveres Spiel, der Einsatz ist höher. Wir können uns gegenseitig enttäuschen. Über mögliche Folgen will ich noch gar nicht nachdenken. Mache es natürlich trotzdem. Wir müssen uns sehen, um das hier zu beenden oder etwas anderes daraus zu machen. Nur was? Ich kann meine Familie nicht verlassen. Klinge ich wie ein jämmerlicher Fremdgänger? Der bin ich nicht, ich fahre nicht auf mehreren Gleisen. Warum will ich Dich dann sehen? Es ist kompliziert, es ist schön, es ist anstrengend, es ist aufregend und ich kann jetzt nicht aufhören, an Dich zu denken.

Wie groß bist Du denn? Bin ich so viel kleiner als Du? Das ist mir gar nicht aufgefallen – das liegt an meiner permanenten Selbstüberschätzung. Ich bin einen Meter und siebenundsiebzig, ein winziger Absatz darf also sein, beim Sturz in den Abgrund der Leidenschaft!


Betreff: Verderben

Datum: 28. 08. 2012, 11 : 07:56

Wir rennen ins Verderben Roger, es wird großartig!

***


Betreff: Es ist so weit!

Datum: 29. 08. 2012, 11 : 58:55

Eine Antwort! Es ist schon fast Mittag, ich war schon auf Anna-Entzug. Ich bin durcheinander und das liegt nicht am anstrengenden Wochenende, sondern an Dir. Am Auf und Ab der Gefühle, die nicht unterscheiden zwischen virtuell und real. Ich freue mich, wenn Du mir schreibst, und ich habe die ganze Zeit Sehnsucht danach.

Verderben? Nein, nicht bevor wir uns nächste Woche am Herkules gesehen haben. Ich schlage den Dienstag vor. Du willst den echten Nowitzki? Du sollst ihn haben. Ich bin grad in Cowboystimmung, um mir Mut zu machen. Ich werde Dich küssen und dann sofort in Ohnmacht fallen, weil es wirklich passiert und mein pulsierendes Blut nicht mehr für meinen Kopf reicht. Ich lege mich dann kurz auf den Boden, und wenn ich wieder zu mir komme, möchte ich in Deine Augen sehen.

Ich kann mich nur nicht erinnern, welche Farbe sie haben.


Betreff: Re: Es ist so weit!

Datum: 29. 08. 2012, 12 : 03:52

Und ich dachte, Dein Entzug ist nicht so schlimm wie meiner. Ich hasse diese emotionale Abhängigkeit und diese Verlustangst. Manchmal befürchte ich, dass wir uns nie wiedersehen könnten.

Du bist mutig heute, mein Herz galoppiert. Ja, Dienstag, der 4.9. ist gut. Und bitte: Fang nicht wieder zwei Tage vor unserem Termin damit an, mich schonend darauf vorzubereiten, dass es nicht klappt.

Ich habe grüne Augen, passend zu meinen roten Haaren. Du hast blaue Augen. Klingt das kitschig!


Betreff: Aw: Es ist so weit!

Datum: 29. 08. 2012, 13 : 03:18

Ich habe ein großes Chaos im Kopf, aber ich bin wild entschlossen, in Deine grünen Augen zu sehen. Damit ist unser Treffen beschlossene Sache. Jetzt widme ich mich konzentriert meiner Arbeit und ich bitte Dich, mich mit erotischen Anspielungen aller Art zu verschonen. Du wirst Dich doch daran nicht halten, oder? Noch eine knappe Woche, Anna, dann sind wir schlauer.

***


Betreff: Für Dich

Datum: 30. 08. 2012, 10 : 00:52

Endlich, noch sechs Tage! Dann haben wir uns.

Für Dich: Meine Lippen werden Dich ganz fest umschließen, meine Zunge, begleitet von meinem heißen Atem, macht sich auf den Weg. Sie schaut sich um, macht kleine Striche, Kreise und sie stupst ganz zärtlich nach. Meine Lippen passen auf, dass Du nicht frierst. Du zuckst. Du musst stillhalten, sonst wird das nichts. Ich muss Dich ein wenig festhalten, damit Du mir nicht entwischst. Und bevor Du explodierst und nicht mehr Herr Deiner Sinne bist, erlöse ich Dich von den Höllenqualen und küsse mich nach oben zu Deinen Lippen, vorher schaut meine Zunge noch nach, ob Du Dir Deine Ohren gewaschen hast. Ich küsse Dich. Wonach schmecken wir? Wie war ich?


Betreff: Re: Für Dich

Datum: 30. 08. 2012, 10 : 05:59

Du warst grausam! Wir schmecken nach Parfüm, nach Salz und nach mehr.

Hätte ich gewusst, welches Parfüm Du benutzt, wäre ich heute in die Parfümerie gegangen und hätte geschnüffelt. Ich bin mir sicher, meine Lippen, Hände und meine Zungen können Dich auch überraschen. Wirf bei der Fahrt nach Kassel bitte einen Blick auf Deinen Beifahrersitz. Nächste Woche möchte ich dort Platz nehmen. Wenn Du kuppelst, rutscht Dein Kleid ein kleines Stück über das Knie. Ich muss immer hinsehen. Es tut mir leid, ich muss dieses Stück Haut einfach anfassen, überlege sogar, ob ich es küsse, aber während der Fahrt geht das nicht. Ich lege dafür nur kurz meine Hand auf Deine, wenn Du schaltest, und streichle einmal den Arm hinauf.


Betreff: Zungen

Datum: 30. 08. 2012, 10 : 09:23

Du hast nicht mit meiner Automatikschaltung gerechnet. Ich muss weder kuppeln noch schalten, deshalb habe immer eine Hand frei für meinen Beifahrer.

Wie viele Zungen hast Du denn?


Betreff: Re: Zungen

Datum: 30. 08. 2012, 10 : 13:33

Okay, erwischt, Frau Journalistin, ich habe nur eine Zunge. Und die freut sich schon darauf, mit Deiner zu spielen, über Deinen Körper zu wandern, in Deiner Achsel zu kitzeln und über die Zartheit Deiner Haut an den Innenseiten Deiner Oberschenkel zu jubilieren.

Anna, wo habe ich nur meinen Kopf? Ich hoffe, bald ganz nah bei Deinem und jetzt leider bei der Arbeit.

***


Betreff: Bin ich krank?

Datum: 31. 08. 2012, 14 : 02:22

Anna, ich schreie Deinen Namen in den Himmel. Aaaaannaaaaa! So bald wir uns schreiben schnellen die Emotionen hoch, die Erregungsstufe steigt jedenfalls bei mir Richtung Schnappatmung. Was ist das, Anna? Ich fahre am Dienstag wirklich nach Kassel. Ich kann es selber kaum glauben, zu einer Frau, die mir nur einmal begegnet ist, der ich aber jeden Tag schreibe, an die ich dauernd denke, obwohl ich sie nicht kenne. Liegt es daran? Macht das den Reiz unserer „Brieffreundschaft“ aus? Steigert die Unmöglichkeit des schnellen Treffens die Hitze? Ich muss jedenfalls während wir E-Mails schreiben immer öfter ganz tief durchatmen oder mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzen. Das ist doch nicht normal. Jetzt denke ich wieder an Deine Lippen, kann Dich fast körperlich spüren, obwohl ich doch noch gar nicht weiß, wie Du Dich anfühlst. Und wenn ich daran denke, zerreißt mich das Verlangen Dich anzufassen, zu spüren, zu riechen und zu schmecken schier. Chef ruft an. Buchbesprechung.


Betreff: Diagnose

Datum: 31. 08. 2012, 14 : 52:28

Meine Diagnose ist folgende: Du bist verliebt, genau wie ich. So einfach ist das! Gesteh es Dir ein. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich in einen verheirateten Mann verliebt bin.


Betreff: Diagnose/​Zweite Meinung einholen?

Datum: 31. 08. 2012, 15 : 30:24

Du schreibst, ich sei verliebt. „Find Dich damit ab.“ Das schreibst Du ganz locker. Ich bin verheiratet! Du haust mir nicht nur Witze, sondern auch die Wahrheiten um die Ohren. Aber kann das denn stimmen? Kann man sich beim Schreiben und vor allem beim Lesen von E-Mails verlieben? Oder war mein Gedanke beim Fernsehdreh, Deine nackten, sonnengebräunten Oberarme zu berühren, ganz kurz nur zu streicheln das Saatkorn, das dann aufging? Oder Dein Lachen, Du hast mich auch damals schon auf den Arm genommen. Anna, was wird das für ein Tag, der Dienstag. Du kannst mir glauben, so schwärmerische E-Mails habe ich schon sehr lange nicht mehr geschrieben. Eigentlich noch nie. Denn als ich das letzte Mal verliebt war, war die E-Mail noch nicht erfunden oder besser gesagt noch kein Kommunikationsmittel für Otto Normalverbraucher. Halt mich jetzt fest, nur einen Moment. In wen habe ich mich da bloß verliebt?


Betreff: Re: Diagnose/​Zweite Meinung einholen?

Datum: 31. 08. 2012, 15 : 37:26

Ja, ich halte Dich fest, ganz fest.

Dass Du verliebt bist, wusste ich schon weit vor Dir. Sonst hätte ich mich nicht so weit vorgewagt und Dir ein Treffen in Kassel vorgeschlagen, aus Angst vor einem Korb. Ich für mich kann nur sagen: Zwei Tage nach dem Fernsehdrehtag und nach einem Traum, der Beweis dafür war, dass Du Dich bereits in mein Unterbewusstsein eingeschlichen hattest, habe ich aufgegeben, mich dagegen zu wehren. Ich mag Deinen Humor und Dein Gesicht, Deine Stimme, Deine Armhaare. Ich brenne darauf, Dich endlich anzufassen. Und ja, das gibt es: Blitzliebe. Und Du bist nicht der erste verheiratete Mann, der vom Blitz getroffen wird. In wen Du Dich verliebt hast, musst Du selbst herausfinden. In was Du Dich verliebt hast, kann ich Dir sagen: Ich bin einen Meter und fünfundsiebzig groß, trage Kleidergröße 38, Schuhgröße 38,5 und mein Gewicht willst Du nicht wissen. Bis bald, Verehrter! Das meine ich wörtlich.

***


Betreff: Glückstreffer

Datum: 01. 09. 2012, 19 : 56:29

Die Acht ist meine Glückzahl, hoffe ich. Heute ist Samstag, ich bin trotzdem im Büro. Ich arbeite vor, muss schnell nur dem Drang nachgeben, Dir zu schreiben, Dir dadurch nahe zu sein, und vielleicht heute noch eine Antwort zu bekommen. Ich glaube, ich weiß, wie Du bist. Du bist klug, sehr klug, neugierig, impulsiv, brauchst immer wieder neue Reize und Herausforderungen, bist offen, aber auch ein wenig misstrauisch, noch lange nicht am Ende Deiner beruflichen Möglichkeiten. Du hast Power und Geschmack, bist zielstrebig, charmant, wenn Du willst, lässt Dir die Butter nicht vom Brot nehmen, arbeitest hart, würdest auch auf einer großen Bühne eine gute Figur machen, kannst Männer um den Finger wickeln, hast echten Witz, der grundsätzlich nicht so häufig vorkommt, singst, liebst Musik und ein Pferd. Du kannst also nur ein guter Mensch sein. Jetzt sag nicht, dass ich mir das alles nur einbilde.

Fass mich an, Anna. Streichle mein Gesicht, über meinen Kopf. Gute Nacht!


Betreff: Chemie

Datum: 01. 09. 2012, 20 : 45:13

Vergiss eins nicht: Wir sind nur Opfer von Chemikalien, Hormonen, Pheromonen, ein Chemieunfall. Zur falschen Zeit am falschen Ort, zu viel Sonne, wir gefallen uns. Ich habe aber immer vor Augen, dass Du verheiratet und unerreichbar bist. Es ist mir egal.


Betreff: Das (letzte) Wort zum Sonntag

Datum: 01. 09. 2012, 20 : 58:14

Ich komme mit dem Zug. Ich stelle mir vor, dass wir von diesem Bahnhof in Kassel wegmüssen, denn der Typ auf dem Bahnsteig beobachtet uns schamlos, weil wir uns küssen ohne scheinbar Luft holen zu müssen. Das brauchen wir nicht, wir beatmen uns gegenseitig, meine Haut brennt, wo Deine Finger sie streifen, meine Hand fährt unter Dein Kleid, Du bist wie Seide, so zart, ich beiße in Deinen Hals, muss mich zügeln, finde wieder Deine Lippen, will in Deinem Ausschnitt verschwinden und nie wieder auftauchen. Bitte, lass uns endlich hier verschwinden. Noch nie war mir eine Picknickdecke das Paradies!

***


Betreff: Kalte Füße?

Datum: 02. 09. 2012, 10 : 30:09

Verehrter, bist Du noch da? Es ist so ruhig heute im Mailkörbchen. Weil Familienwochenende ist? Das Sonntagsschweigen? Willst Du mich darauf vorbereiten, dass unser Treffen am Dienstag ausfällt? Schon wieder? Ist die Luft in Bonn fußkalt geworden? Du bist so weit weg, gefühlt. Eiszapfen wachsen aus dem Rechner.


Betreff: Re: Kalte Füße?

Datum: 02. 09. 2012, 14 : 39:08

Verehrte, ich bin noch da. Bin gerade ins Büro gekommen, um zu arbeiten. Die Luft in Bonn ist nicht kalt geworden, das Zug-Ticket ist schon gebucht, 8.40 Uhr ab, 11.20 Uhr Ankunft in Kassel-Wilhelmshöhe. Rückfahrt um 19.45 Uhr. Ich kann trotzdem nicht kommen. Heute beim Frühstück sprach ich mit meiner Frau über ein anderes Paar. Er hat sie lange mit einer Kollegin betrogen. Meine Frau fragt sich, wie sie, die Partnerin, das nicht bemerken konnte oder wollte? Ich konnte ihr dabei nicht in die Augen schauen, denn ich plane auch, sie zu betrügen. Das ist meine miese Seite, der so schönen Verbindung zu Dir. Deine E-Mails, Deine Aufmerksamkeit wärmen mich. Dich wirklich zu treffen, würde mich in Flammen setzen. Aber um Dich zu sehen, zu berühren, Dich kennenzulernen, muss ich lügen. Victor, meinem Sohn, muss ich eine Geschichte aufbinden, meiner Frau habe ich erzählt, es gäbe noch ein Gespräch mit einem anderen Redakteur im Osten. Mein Kollege Oliver glaubt das auch. Ich sitze heute am Sonntagnachmittag hier, weil ich unseren Dienstag herausarbeiten will, denn bis dahin müssen wir das Drehbuch abgeben. Das alles ist arrangiert und ich kann es kaum erwarten, Dich zu sehen. Und mir wird schlecht, wenn ich mich bei meinen Lügen beobachte. Die Vorstellung, Dich nie zu küssen, ist wie ein brutaler Schlag in die Leber. Aber am Dienstagabend nach Hause zukommen, mich neben meine Frau zu legen, Dich noch zu sehen, zu riechen, Deine Hand zu fühlen, die vorsichtig meinen Arm streift, zwischen meinen Fingern noch genau zu spüren, wie weich Dein Haar, wie zart Deine Haut ist, das ist schrecklich schön, aber einfach nicht auszuhalten.

Ich kann Dich nicht treffen, es tut so weh, das zu schreiben.

Roger


Betreff: Dein Ernst?

Datum: 02. 09. 2012, 14 : 44:10

Ich habe Deinen Text fünf Mal gelesen. Da steht wirklich, dass Du nicht kommen wirst. Ist das Dein Ernst? Du brichst mir mein Herz. Tu das nicht, bitte! Ich bin um 11.20 Uhr am Bahnsteig in Kassel. Seit Wochen denke ich an nichts anderes. Ich muss Dich fühlen. Ich zittere am ganzen Körper, vor Schmerz. Du hast Deine Frau schon längst mit mir betrogen, tausendmal, im Kopf. Hast Du es gedacht, ist es genau so, als hättest Du es gemacht. Wo beginnt Betrug?


Betreff: Mein Ernst

Datum: 02. 09. 2012, 14 : 53:19

Du hast in allem recht. Ich habe ein Herz, das blutet, weil ich an Dich denke. Es tut mir so leid, Dir wehzutun, Dich zu enttäuschen. Ich wollte Dich und mich glücklich machen, zumindest an diesem einen Tag. Aber ich kann nicht alles andere ausblenden. Ich habe es versucht, wirklich. Ich weiß nicht, wie ich auf Dich verzichten soll. Heute, morgen, Dienstag, immer. Ich leide unter Deinen schönen Worten. Du sitzt wie ein süßer Stachel in mir. Jede Silbe schmerzt, weil sie mich ins Herz trifft.

Lösch mich.


Betreff: Ich werde da sein

Datum: 02. 09. 2012, 14 : 54:58

Leidenschaft heißt, ihr zu folgen! Feigling! Ich werde da sein, am Dienstag in Kassel.

***


Betreff: Abschiedsgeschenk für Dich

Datum: 04. 09. 2012, 07 : 52:13

Ein Mann, ein Wort – eine Frau, eine Tat!

Ich werde jetzt nach Kassel fahren. Um 11.20 Uhr werde ich am Bahnsteig vergeblich auf Dich warten. Danach werde ich ebenso vergeblich an der Herkules-Statue stehen. Ich gehe die Wege, die ich mit Dir zusammen nehmen wollte. Ich werde mir ein sonniges Fleckchen suchen und die Picknickdecke ausbreiten, unseren Sekt trinken und Dein Obst essen. Ich mache den großen Reißverschluss von meinem kleinen blauen Kleid auf. Das Gewand lässt sich einfach wegklappen. Die warme Sonne ersetzt Deine Hände und Deine Küsse. Sie sind überall. Endlich kannst Du mich berühren! Ich werde auf errötende Ameisen und staunende Eichhörnchen keine Rücksicht nehmen. Und ich werde es endlich tun. Ich werde mit Dir schlafen, vielleicht zweimal, weil Du beim ersten Mal viel zu aufgeregt bist. Doch vorher noch das unromantische Gespräch zwischen uns. Wir sind erwachsen. Nein, wir müssen nicht verhüten. Ich kann nicht schwanger werden. Und das Schönste ist der erste Moment, wenn Du wirklich zu mir kommst, in mich eintauchst. Du glaubst erst, es geht nicht, weil Du nicht vorankommst. Ich muss Dich ermutigen, es tut nicht weh. Mach Dir keine Sorgen um mich. Du musst nur einen kleinen Widerstand überwinden. Und ich werde mich wie im Rausch fühlen, wenn Du beginnst, Dich ganz langsam zu bewegen. Wir müssen leise sein. Ich bin so schwerelos wie traurig. Eine Träne rollt, weil es einfach so unbeschreiblich schön ist mit Dir zusammen auf der Picknickdecke. Die liebe Seele hat jetzt Ruh. Wir haben es getan, Roger! Das war mein virtueller Abschiedsbeischlaf für Dich.

Ich fahre jetzt nach Kassel.

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