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Kapitel 1

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Ich befinde mich im Audienzsaal des Forums vor dem Konsul und frage jetzt zum dritten Mal. „Wie ich soll nach Rom?“

Der Konsul muß von mir denken ich hätte angefangen mit dem Stottern, weil seine goldene Prunkrüstung mich mehr blendet als ein archimedischer Spiegel unseren verbrannte Flotte vor Syrakus.

„Ja, in die Hauptstadt der Welt, Caput Mundi und so. Du freust dich sicher schon“, meint er mit dem Rücken zu mir stehend. Sein Nomenclator, der Sklave der ihm ins Ohr raunt, wer was ist und wie er heißt und warum er ihn kennen sollte, flüstert ihm meinen Namen zu.

„Quintus“, sagt der Konsul, ohne sich weiter von meiner Anwesenheit und meinem flehenden Gesichtsausdruck stören zu lassen. Er steht locker und dennoch würdig in seinem goldenen Prunkharnisch, der dem Kriegsgott Mars gut zu Gesicht stehen würde, über eine militärische Karte gebeugt am Tisch und schaut auf die verteilten Legionsmarkierungen. Er stellt eine Schlachtszene aus dem letzen Bürgerkrieg nach, das theoretische des Kriegs ist sein Hobby. Er war nie in der Armee, besaß nie ein militärisches Kommando über eine Zenturie geschweige eine ganze Legion, und hält sich doch für den wiedergeborenen Alexander.

In unserem Capua, dem luxuriösesten Badeort nicht nur auf italischem Boden ist man Vollblut Cesarianer. Das ist keine politische Sichtweise, das ist ein Lebensgefühl bei uns. Der Konsul spielt also den Cesar, sein Spielstein hat am Ufer des Flußes Rubikon das Lager auf der falschen Seite aufgeschlagen, aber ich unterlasse es ihn auf dieses Patzer hinzuweisen. Sein Lieblingseunuche hantiert mit der untersetzten Spielfigur, die in einer Sänfte Richtung Ägypten getragen wird. Ich trete näher und bewundere die Lebensechtheit der aus Rubinen geschnittenen Spielfigur. Es soll Pompejus Magnus sein, wie er in Panik Rom verlässt um seine Legionen aus Hispania citerior zu Treffen.

Ob Konsul Craccus, am Ende vom Spiel der gegnerischen Figur den Kopf abschneidet? Wenn er authentisch sein will, müsste er das schon. Das ist genauso passiert, drüben im schönen Alexandria. Ptolemaios XIII, der Bruder von der Kleopatra hat‘s aus Angst vor Cesar machen laßen. Den Kopf vom Rumpf seines guten Freundes schneiden und diesen expliziten Körperteil Cesar geschenkt. Was ihm Ptolemaios bei der Übergabe gesagt hat, weiß niemand. Vielleicht: hier Gaius, als Gastgeschenk ein Stück vom Pompejus.

Ich nehme an, der Ex-Pharao hat den Kopf von seinen Einbalsamierern herrichten laßen oder in Salz eingelegt, damit Cesar auch erkennt, wer das war, kein x-beliebiger sondern der große römische Held.

Ich reiße mich vom Anblick auf der Militärkarte los. Erstaunlich Zehntausende Bürger fanden den Tod und auf dem Brett sieht es aus als veranstalte man eine Vogeljagd.

Ich frage wieder: „Warum soll ich nach Rom? Und was soll ich da überhaupt machen? Wieso muß ich überhaupt weg?“

Der Erste Bürger, zumindest in Kampanien richtet sich auf und sieht mich mit gerunzelten Brauen an. „Quintus Atilius! Jetzt sind wir einmal ehrlich und laßen alles andere mal beiseite, was erwartet du? Du hast den berühmten Anwalt, Politiker und Redner Cicero ermordet!“ Die Stimme des Konsul klingt leicht tadelnd aber es schwingt auch Verständnis durch.

„Er war Anwalt, ein römischer Anwalt!“, verteidige ich mich. „Und er wollte mich vergiften, was hätte ich denn da machen sollen? Ruhig in den Tod gehen und sein Gift trinken?“

Der Konsul denkt ernsthaft über diese Antwort nach, dann schüttelt er seinen Kopf: „Verstehen tue ich das nicht, Quintus. Irgendwas scheinst du ihm ja getan zu haben! Ich meine umsonst, wenn da gar nichts vorgefallen wäre, würde man ja nicht versuchen, einfach so mit Gift einen zu ermorden. Cicero war in Verbannung hier aber er hatte gute Aussichten das die Optimaten ihn wieder nach Rom rufen, also warum sollte er dich vergiften wollen? Was immer du ihm auch getan hast, das er so versessen war dich zu erledigen, Schwamm drüber. Die Anordnung deinen Dienst als Primus Pilus in Rom anzutreten kommt von ganz oben.“ Der Konsul blickt an die Decke wo ein Wandgemälde ihn neben Cesar bei der Schlacht gegen die Eubronen zeigt. „Der Befehl kommt von mir. Es ist auch besser für deine Gesundheit hier erstmal eine Weile aus dem Straßenbild zu verschwinden, nicht wahr?“

Der wankelmütige Cicero hatte viele einflußreiche Freunde und das nicht nur in unserer Stadt. Bestimmt könnt es Craccus Libinius es nicht aushalten, wenn mein Vater ihn mit seinen Rehaugen anstarrt, als hätte der Konsul mich erdrosseln lassen, wie seine politischen Gegner und ihn fragt was hast du getan den Mord an meinem Sohn zu verhindern?

„Außerdem für einen so hochqualifizierten Zenturio der Stadtcohorte, wenn wir ehrlich sind, so viel gibt‘s in Capua nicht zu tun“, sagt der Konsul und reißt mich aus meinen Gedanken.

„So würde ich das aber nicht gerade nennen“, protestiere ich. „Wir haben riesige Probleme mit den entlaufenen Sklaven und was ist mit den Kilikischen Piraten? Die mucken wieder auf und nicht zu vergessen die Giftmischerinnen ... Und der Spartacus vor 30 Jahren ... so was kann sich jederzeit wiederholen?“

Schockierenderweise hatte der nämlich die Nase gestrichen voll davon, als Circusattraktion dienen zu sollen und brach mit 78 seiner Kumpels aus. Es war ein herber wirtschaftlicher Rückschlag für den Scipicus, den Besitzer der Gladiatorenschule Capua und das gesamte römische Wirtschaftswesen. Der Scipicus denkt, dass aus dem Spartacus was hätte werden können. Er meint der hatte das gewisse Etwas, das ihn für den Circus maximus prädestinierte. Scipicus meint auch, das Spartacus ihm nicht wenigstens ein paar Gladiatoren dagelassen habe, zeugt von seinem miesen Charakter.

Im Handumdrehen marschierten Spartacus und seine Massen an entlaufenen Sklaven und Armen durch ganz Italia, als wüssten sie nicht so recht wohin. Die Via Appia von Kampanien bis runter nach Sicilia war, gesäumt von gekreuzigten oder aufgehängten Sklavenhaltern und Hunderte Landbesitzungen brannten zu Asche. Die Sklavenhalter hingen an den Bäumen am Straßenrand, wie reife Äpfel.

Konsul Craccus Libinius winkt nur ab, als wäre eine Sklavenerhebung ein Klacks, wo Rom haarscharf an der Katastrophe vorbeigeschlittert sind. Acht Legionen hat‘s gebraucht, um den Spartacus zu stoppen. Aber es war wohl zu lange her, die Zeit löscht die größten Katastrophen zu bloßer Erinnerung der Alten.

„Rom sehe es doch auch ein Mal von der positiven Seite mein Junge, du wirst mehr Bestechungen in einer Woche kassieren, als in Kampanien in einem ganzen Jahr!“, versucht er mich zu trösten.

Mein Vater hat ihm das Leben gerettet weshalb der Konsul etwas ähnliches wie Verantwortung für mich empfindet und mir zu einer Laufbahn verholfen hat, aber das kann mich jetzt auch nicht trösten. Wenn er weiter so macht werde ich noch Tribun über eine Legion oder schlimmer Beamter.

„Bei uns wandert’s in die Gemeinschaftstruhe und Geld war mir nie so wichtig wie ein angenehmes Leben.“

„Wie auch immer Veni vidi und so weiter. Und darum hast du nun dein Zeug zu packen und dich dort einzufinden, in Rom am Schweinemarkt in Subura. Machen wir uns nichts vor, für einen Mann von deinen Fähigkeiten, muß es doch furchtbar langweilig sein, nur alle Jubeljahre mal einen Mord!“

„Das gefällt mir ja gerade!“, jammere ich, wie ein offiziell zugelassenes Klageweib, das nach sichtbarem Kummer und Lautstärke bei Trauerzügen bezahlt wird. Ich könnte Sand auf mein Haupt streuen und mir die bloße Brust zerkratzen aber das unterlasse ich, obwohl ich's tatsächlich fühlen kann den Schmerz. Ich bin nämlich förmlich vernarrt in mein Capua, nicht nur weil es meine Heimatstadt ist, sondern, weil mein komplettes soziales Umfeld hier ist.

„Und die ganzen Veteranen? Wer bitte schön passt denn auf die Zausel auf, wenn ich nicht da bin?“

Man hat das Staatsland um Capua herum den Veteranen aus Cesars Legionen gegeben. Die haben zwei Dörfer gegründet und die Häuser erstaunlich schnell hochgezogen, so als wollt man sie nicht anderswo. Die alten Halunken können zwar nicht mehr richtig laufen und faseln immer von ihren Streifzügen mit dem Cesar, den sie vergöttern. Aber wenn die alten Knacker an den Feiertagen nach Capua marschieren ist, was los. Die Ehemaligen Soldaten der XII Legion und die der XII fühlen einen Hass aufeinander. Bei denen ist es was Persönliches, nicht wie in einer militärischen Auseinandersetzung wo man ja nur seine Arbeit tut. Die Jungs von der XX halten den anderen ihr zu Spätkommen bei der Landung in Britannia vor. Die Kavallerie und die XII kamen nicht, weil angeblich ihre Trieren vom Sturm davon getrieben wurden.

Ich war da, wir hatten am Strand nach Miesmuscheln gesucht und im Meer gebadet. Wo immer das schwere Seewetter war, jedenfalls nicht auf dem Oceanus Britannicus. Vermutlich sind die Halunken der XII in den übelsten Hafentavernen der Stadt Gesoriacum versumpft und verkatert und zu spät nur in den Krieg gegen die Briten aufgebrochen, weil sie Pleite waren und sich etwas zum plündern erhofften.

„Was sind Zausel?“, fragt der Konsul und sieht zum Nomenclator.

Der Sklave sagt mit gerümpfter Nase: „Er, also Quintus Metellus benutzt die Gossensprache mein Konsul. Er meint unsere großartigen Veteranen, die aus der alten Republik eine Diktatur und aus dem Cesar einen Dictator gemacht haben.“

Mir ist’s völlig egal, ich höre nämlich leichten Sarkasmus heraus. Zumindest hat der Cesar in der kurzen Zeit seines Diktatoramtes fünfzehn Verfügungen für die ärmsten der Plebejer durchgepaukt, Gesetze, um die man fast 300 Jahre gekämpft hat. Er hat aber leider auch am Kalender rumgepfuscht, weil er sich seit seinem Abstecher nach Ägypten für einen Astronomen hält. Entweder es fehlen Tage, oder es sind ein paar hinzugekommen, so vollends begriffen habe ich seine Kalenderreform nicht.

Der Prokonsul legt seinen goldberingten Finger an den Mund und klopft sich gegen die vollen Lippen, sehr philosophisch und sehr wohlhabend sieht er aus. Er denkt man siehst nicht, aber er hat sich dezent Lippenstift auftragen laßen und etwas Asche für die Augenlider. Nach der aktuellen Schminkmode ist der ägyptische Stil ganz groß in Mode, meint meine Verlobte.

„Wer sich um die Veteranen kümmert? Eine sehr gute Frage“, er schüttelt den Kopf in einer echt ätzenden Art und Weise. „Hm, wer könnte das erledigen, ach ich hab da eine Idee. Die anderen von der Cohorte Urbanae, ich glaub das ist ihre Arbeit aber korrigiere mich, wenn ich mich irren sollte.“ Er beruhigt sich: „Quintus so viel passiert hier nun wirklich nicht. Also es ist beschlossen. Gratuliere zu deiner Beförderung zum Primus Pilus für das prätorische Giftmischer- und Meuchelmordgericht in Subura. Zumindest solange, bis die bedauerliche Cicero Sache vergessen ist.“

Mir fällt was ein und ich habe wieder ein wenig Hoffnung. „Und was ist mit dem blutigen Doppelmord im Lupara von Lucilla Gneasus, soll ich den nicht erst aufklären, ich meine, bevor mein Nachfolger sich durch die Beweise arbeitet, ist der Mörder an Altersschwäche gestorben. Du mußt auch an die kommenden Spiele denken, die Löwen füttern sich nicht allein, wenn wir ihnen nicht unsere Mörder geben!“

Graccus sieht mich aufmerksam an, er mag den Klatsch, seine Gattin die Konsulin fragt ihn immer, wie war es auf der Arbeit. Als ist das Konsulsein ein normales Amt, dabei ist es eine Verpflichtung und die streift man nicht einfach zu Hause ab, wie eine Tunika oder in seinem Fall eine geschmiedete Rüstung aus Gold mit Diamanten bestückt.

„Der Doppelmord im Bordell, naja soll sich ...“

Der Nomenclator flüstert verschiedene Namen in sein Ohr. Beim letzten Namen macht der Konsul große Augen und haut mit der flachen Hand auf den Tisch: „Was? Brutus, auf gar keinen Fall. So und nun Schluss jetzt, Quintus. Ich hab die Regeln nicht gemacht. Ich habe meinen Freund Clodius geschrieben er soll mal sehen, was er für dich machen kann. Immerhin hat mein Junge dir den Cicero vom Hals geschafft und nun laufen die Anticaesarianer umher und suchen einen Mörder für meinen Hauptmann.“

Er legt mir seine rechte Hand freundlich auf die Schulter: „Dein Vater ist eben mein Klient, was wäre ich wohl für ein Patron, um zu erlauben deren Söhne umbringen zu laßen, hä?“ Er schüttelt den Kopf: „Nein, das ist was Moralisches, wenn ich meine schützende Hand über dich wegziehen täte, niemals könnt ich mich wieder im Spiegel anschauen. Andererseits, weil ich es mir auch nicht leisten will, deinen Feind Senator Sallerius der hier angeblich zum Urlaub machen weilt, einer der engen Freunde von Ciceros zu verärgern geht’s nach Rom.“

Da habe ich mich selbst in die pontinischen Sümpfe gesetzt. Der Clodius Pulcher, der hatte einen dicken Hals auf den bedeutenden Redner Cicero. Nicht wegen seiner Schriften das er eimerweise Dreck über Antonius und Cesar ausschüttelt, als sie im Senat durchsetzen wollten die Mieten in Rom sollten auf 300 Denare im Jahr begrenzt werden. Nicht weil Cicero sein Geld als Immobilienhai macht, weil Cicero ihre Freundschaft für seine Karriere verriet. Der wollte ohne mit der Wimper zu zucken zusehen, wie die Liktoren den Clodius erdrosseln. Denn mit seiner Aussage, vor Gericht – wo er sagen sollte, ich besitze nicht den Schimmer einer Ahnung worum es geht, Prätor, ich weiß nämlich rein gar nix, rückt der mit der totbringenden Wahrheit heraus. Nur die immensen Bestechungsgelder, die Cesar lockermachte, retteten Clodius das Leben, sonst wär‘s um ihn geschehen. Der Bengel mußte halt nachsehen, warum am Feiertag der Bona Dea nicht eineinziger Mann zugelassen ist. Clodius hat sich als Frau verkleidet in das Haus Cesars geschlichen um bei den Zeremonien Augenzeuge zu sein. Seine Verteidigungsstrategie beim Götterfrevel Prozess war einfach wie brillant, er war nicht in Rom sondern Tagesreisen entfernt, behauptete er. Das ging, solange gut bis sein Exkumpel Cicero gutgelaunt plauderte, dass er den Clodius am fraglichen Tag mitten im Rom getroffen und mit ihm geschwatzt hat. Jahre zuvor hatte Clodius dem Cicero, als Leibwächter gedient, als der verrückte Konsul Sulla die Leute en gros ermorden ließ. Pulcher sorgte Tag und Nacht dafür, dass dem Verräter einer Freundschaft, die uns Italern heilig ist, die 100 Tage der Messer die Proskriptionen überlebt. Und was war Ciceros Dank, Verrat und Treuebruch.

Der Clodius Pulcher übertreibt‘s mit dem, der Feind meines Feindes ist mein Freund! Jetzt zwingen der Konsul und er mich zu einer Laufbahn, dabei war ich mehr als zufrieden, weil Capua ist, eine sehr schöne Stadt. Mir ist zum heulen zumute. Aber das tue ich natürlich nicht, wenn man in Capua mit verheulten Augen herumrennt, wird man von den Gassenkindern mit Steinen beworfen. Tränen vergießen darf man nur, als Schriftsteller, Verliebter und jemand der gerade erfahren hat er ist bankrott. Auf keinen Fall ein erster Zenturio der Cohorte Urbanae.

Der Prokonsul nimmt zärtlich die Cesarspielfigur in die Hand und betrachtet sie lächelnd. Er küsst die Figur und stellt sie auf der Karte mitten auf dem Zielfeld Rom ab, ohne seinen Blick von dem Ort zu laßen.

„Dort kannst du den Römern zeigen, was einer aus Capua auf die Beine stellt. Es ist nicht nur eine Ehre, auch was das Geld angeht, ist es ein sehr bedeutender Schritt nach vorne!“

Er schaut begeistert aus, soll er doch an meiner Stelle in den Hexenkessel nach Rom, wenn er’s da so toll findet. Aber er ist noch nicht fertig damit, mir den Umzug in den Hades schmackhaft zu machen.

„Caput Mundi, Circus, Forum Romanum, das Marsfeld und die Weiber erst ...“

Er schweigt und sieht kurz zum Nomenclator, der ihm zunickt und eine anstößige Geste macht.

„Also die Frauen in Rom, da fällt mir spontan nur ein Wort dafür ein: traumhaft. Da gibt es Hibererinnen, vielleicht magst du eher Gallierinnen. Nein nun dann Nubierinnen und Äthiopierinnen, die sind ein Gedicht. So und nun freue dich endlich, oder ich lass dich den Löwen vorwerfen und schreibe dann an deinen neuen vorgesetzten den Präfekten der Stadt Rom, dass die Vorfreude dich umgebracht hat!“

Ich reiß meinen Arm in die Höhe und brülle dem Konsul ins Gesicht: „Ave, Konsulos, morituri te salutant.“ Die Totgeweihten grüßen dich, dass sagen unsere Gladiatoren, bevor es bei den Spielen richtig zur Sache geht, denn genau so kommt‘s mir halt vor. Die Blutathleten besitzen einen republikanischen Bildungsauftrag. Die sollen uns verweichlichten Bürgern beibringen, wie wir in den Tod zu gehen haben, so als tut es Freude von einem Schwert den Bauch aufgeschlitzt zu bekommen. Für mich ist eine Reise nach Caput Mundi fast dasselbe, nur ich werd nicht so tun, als würd‘s mir noch Spaß machen. Capua hat mir so gut gefallen, weil Heimat ist, eben Heimat und nach 16 Jahren in der Legion wird man der ganzen Eroberungen per Fuß auch überdrüssig und sehnt sich nach einem festen Bezugspunkt fürs Leben. Capua ist eine große und schöne Stadt im felix Campania und doch verbrechenstechnisch gesehen eher ein Dorf und dann ist es, vor allem erst einmal ein wirklich netter Ort. In der Saison stören uns die Reichen aus allen Provinzen, die hier einfallen, um Badeurlaub zu verleben, aber selbst die sind erträglich. Ich habe nur, was gegen Römer die in Rom sind. Es ist nicht einmal, weil‘s Scheusale sind, nein ich hab was gegen den Ort an sich.

Vor vier Jahren hatte ich da mal zu tun und wäre beinahe wegen Mordes an meinem damaligen Zenturio hingerichtet worden. Ich selber mußte erst aus dem Kerker ausbrechen und den Verbrecher auf eigene Faust finden. Und was hat er bekommen? Er wurde mit Verbannung aus Rom bestraft. Der lebt jetzt in Baiae den Luxusurlaubsort.

„Na übertreiben wir ein wenig?“, fragt der Konsul, aber er versteht mich. Er geht auch nicht mehr aus Capua weg. Mit immensen Bestechungen an die Senatoren läßt er sein Amt Jahr um Jahr verlängern.

„Also bereite dich vor, das Abenteuer ruft deinen Namen zu den Adlern.“

„Abenteuer? Ich war eineinhalb Jahrzehnte in der zehnten Legion, ich war mit dem Cesar in Gallia cisalpina, in Germania superior und in Brittania, ich habe von Aufregung die Nase gestrichen voll. Denn ehrlich, so ein Abenteuer besteht nur aus unangenehmen Sachen, da gibt’s nicht das kleinste bisschen Verlockendes. Du steckst bis zum Hals in Problemen, hast nichts zu essen, außer den Würmern die auf den verseuchte Tierkadaver krauchen. Und das schlimmste ist, irgendwer möchte dich immer liebend gern umbringen oder dich für seine Götter lebendig verbrennt. Wenn einer die Angewohnheit hat, mit leerem Magen in brennende Häuser zu rennen, nennt man ihn einen Verrückten und keinen Abenteuerer! Und wann ruft mich nun das Abenteuer genau, Konsul?“

„Ja, Quintus ich wußte die Idee mit den Volksschulen bringt stümperhafte Vergleiche wie deinen und miese Literatur hervor. Ich denk je schneller du reist desto sicherer. Ich meine Cicero hatte Freunde bei uns und da habe ich mir so gedacht, wir sollten mit dem Abschied nicht so lange warten, bis sie einen fähigen Mörder finden.“

Ich frage völlig idiotisch als wäre es nicht so, „Aha. Und da reicht ein Befehl und ich marschiere los, völlig, egal was der Sohn von dem Mann, der dir das Leben gerettet hat, davon hält.“

Mein Vater war der Sklave vom Konsul und der hat ihm bei einem Festmahl, ein Stück steckengebliebenes Antilopenfleisch aus dem Schlund gezogen und so vorm Ersticken gerettet. Der Konsul schlingt, als habe er Angst man würde ihm sein Essen aus der Hand reißen. Als wäre der Mann nicht in einer protzigen Villa, sondern mit Löwen groß geworden. Der Konsul hat Vater vor meiner Geburt freigelassen, ging ja schließlich um was, so ein Konsulleben ist auch was wert, was seine Erben mal bestätigen werden.

„Was sagst du denn da, Quintus“, behauptet er entsetzt und kneift mir in die Wange. „Was sagst du denn da, natürlich habe ich an alles gedacht! Du erledigst in aller Ruhe deine Angelegenheiten in Capua und dann meldest dich noch einmal bei mir und dann geht‘s ganz entspannt und in aller Ruhe nach Rom. Und zwar in den Iden des Monats.“

„Was? In der mitte des Monats, das ist in drei Tagen.“

„Genau, Quintus“, strahlt er mich an, als könne er kein Wässerchen trüben, dabei hat er es faustdick hinter den Ohren. Solange wie er bleibt man nicht Konsul, wenn‘s anders wäre. Die hinter ihm sitzen doch schon in den Startlöchern, der Konsul von Capua ist spätestens nach einem Jahr so reich wie Lucullus. Das ist ein Sprichwort über unseren Konsul. Er ist ganz dick in den Geschäften mit den Tributen. Obwohl er natürlich als Beamter und Patrizier keine Geschäfte macht, Geld stinkt, wenn man’s nicht vom Landbesitz und der Arbeit seiner Sklaven bekommt. Der Crassus jedenfalls bekommt von allen unterschlagenden Steuern, Geschenken und Tributen der Provinz Kampanien seine 10 Prozent und damit können er und die Geschäftsleute gut Leben.

„Ja sonst, noch was, mein Junge?“, fragt, er mich und widmet sich wieder dem Bürgerkrieg. Der Konsul setzt mit konzentriertem Antlitz die Legion Cesars dicht vor Rom und mit drei anderen nimmt er Pompejus Verfolgung auf.

Ich mache mich wie ein geprügelter Hund davon. Der Wunsch nach ein wenig Frieden treibt mich zu in die beste Taverne am Forum Capua. Nofretete gehört eine Insulae am Forum, im unteren Stockwerk ist das Ambrosias, ein sehr beschaulicher und bis spät in der Nacht geöffneter Ausschank. Das Lokal ist sehr beliebt bei den Angestellten der Tempel und des Forums und bei den Urlaubern. Im Stockwerk über dem Geschäft wohnt sie und ihre vier Sklaven. Die Tür zu ihrer Caupona steht immer weit offen. Ein Schild hängt über der Tür, schon seit ihre Mutter das Gebäude geerbt hat. Auf dem Werbeschild fressen Titanen einen Menschen. Draußen unter der Kolonnade stehen zwei Tische, die zum Sitzen verlocken und an die Säulen gekettete Weinamphoren die zum mitnehmen einladen. Ich hocke mich in düsterer Stimmung an einen der Tisch und bestelle mir Wein.

„Was willst du zu der Stunde hier, hast niemanden zu verhaften, Verbrechen zu verhindern?“, ruft die Nofre und gibt einem der reichen Badeurlauber, so einem Fettsack in Senatorentoga, mit dem Purpursaum an der Toga und dickem Goldring am Finger, das Wechselgeld.

Ich betrachte den Mann der ungeheuer fett ist. Heutzutage trägt auch Jeder den Siegelring, am kleinen Finger und den Patrizierring am andern. Kein Wunder, das wir Plebejer einen Dreck auf die alten Namen geben, außer die Iulier, die werden wegen irgendetwas vergöttert, das über meinem Horizont liegt. Nicht nur der Cesar, seine ganze Familie hat das gewisse Etwas. Der könnte einen Hund adoptieren und wir würden auch den anbeten.

Der Fette ist ein typischen Urlauber bei uns. Die Nofre gibt’s Wechselgeld nicht direkt ihm, sondern seinen Sklaven, der nur die Aufgabe hat, die Geldbörse seines Besitzers zu tragen und zu bezahlen, weil der feine Mann sich zu nobel dazu ist.

„Hast du denn Zeit?“, möchte ich von meiner geschäftstüchtigen Verlobten wissen. Der Craccus hatte sie meinem Vater empfohlen, weil der Konsul hier gerne verkleidet sitzt und den Geschichten der Veteranen lauscht und Nofre dabei gern gewonnen hat. Ihre Taverne ist ja nur einen Katzensprung weg vom Forum. Mein Vater kann natürlich nicht nein sagen, wenn sein Patron ihm sagt, Attilus mein Freund, die Nofre die ist was für deinen Jungen, eine Augenweide und versteht es zu wirtschaften. Mir ist es recht, die Nofre und ich passen gut zusammen. Nur eben nicht, wenn sie einen Haufen Veteranen in der Stube zu sitzen hat, die alle naselang einen extra Wunsch haben. Mal ist der Wein zu kalt, dann das Wasser zu warm oder der Puls nicht flüssig genug.

„Ist es wichtig?“, fragt sie und überwacht, ihre Stammgäste die Zausel mit Argusaugen. Die Meisten sind Veteranen, die am Tag auf der Hafenpromenade sitzen und ihren unverdünnten Wein schlürfen. Dann kommen sie her, für eine Schale Getreidebrei und Essigwasser um sich den Durst zu stillen. Später geht‘s gemeinsam im Marschschritt und rülpsend zum Marstempel, der wie in jeder zivilisierten Stadt vor den Stadtmauern zu finden ist und erflehen vom Kriegsgott einen militärischen Konflikt, weil ihnen langweilig ist.

„Nein, nur so“, sag ich und muß gerade einmal Mal scharf nachdenken warum ich die Nofre nach einmal Liebe. Ich spül den Kummer mit Falerner herunter und erhebe mich. „Ja, gut, bevor ich gehen tue“, rufe ich und stell meinen Weinbecher ab.

„Und was noch?“, fragt die Nofretete.

„Ich mein nur, wenn ich zurück bin, aus Rom sollten wir mal vielleicht übers Heiraten reden und Nägel mit Köpfen machen!“, rufe ich in die Taverne rein. Totenstille ein paar der Veteranen kichern aber ansonsten könnt man eine Nadel auf den Boden fallen hören.

„Moment, zurück bist? Wieso willst du überhaupt nach Rom? Du hast hier nicht, was angestellt das man sich als deine Frau schämen müsste oder?“

„Ach bei Hercules, eine vorläufige Beförderung, doch ich beeil mich.“ Ich winke ihr zu und geh nach Hause. Sie hätte auch ein wenig freudiger auf den Antrag reagieren können, finde ich. Sie hätte mir um den Hals fallen sollen, und nicht so aussehen als hätte sie sich irgendetwas auf dem Markt gekauft. Das kommt eben davon, wenn man in einer eher ungewöhnlichen Familie groß wird. Mein Vater als Pater Familiares, hat eigentlich die Aufgabe mir eine passende Braut zu suchen. Das erspart einem echt Nerven mit Rendezvous und immer auf nett machen, obwohl man gerade eine stinkende Laune hat. Ich sehe meinen Schatten über den Bürgersteig huschen und es kommt mir so vor als sei ich um einen Meter geschrumpft, vielleicht sind die Anderen nur gewachsen, während ich im Forum die schlechten Nachrichten serviert bekam. Sonst bin ich einer, dem der rote Militärumhang passt, als sei er für mich erfunden, nun schlurf ich mit gesenktem Kopf die via Capua entlang. Ich trete Steinchen über die Straße und stelle mir vor das sind Ballistengeschosse von 30 Pfund Gewicht die Löcher in die Stadtmauer von Rom schießen und dem Erdboden gleichmachen.

Da sieht man es wieder, mit was unsere Soldaten zu kämpfen haben. Barbaren sind prinzipiell unzuverlässig. Vor 300 Jahren marschierten die Gallierstämme nach Rom und räumten auf dem Weg alle Legionen weg und brachten dann die Arbeit nicht zu Ende. Das ist gerad mal so, als wäre Cesar nie über die Wasser des Grenzfluß Rubikon gerudert, über den niemals ein Heerführer mit seinen Männern schreiten darf.

Ich sehe mich mit tränenden Augen um. Nette Häuser und Geschäfte säumen die Gasse, unter den steinernen Kolonnaden ist es schattig und alles Volk geht seinem Gewerbe nach. Da wird geklopft und gehämmert und gebrutzelt und allerlei Zeugs verkauft. Ich wohne einen Steinwurf vom Circus Capua, es ist eine ruhige Gegend außerhalb der Spielesaison. Ein paar vieretagige Mietshäuser und kleine Domus, nichts besonderes und genau deswegen gefällt es mir so gut.

Meine Nachbarn sitzen entspannt in den Säulengängen vor ihren Wohnungen und trinken ihren Wein. Die Gallier und Ägypter ihr Bier und alle schwatzen miteinander und sie grüßen mich, weil sie mich mögen und ich sie von Kindsbeinen auf kenne. Da ist Ptolemais der Astrologe und Wahrsager der seine Dienste anbietet, daneben der Rufus ein Käsehändler. Daneben ist Brutus der Schweineschlachter, eine extravagante Person, er isst kein Fleisch und er hält Tierhatzen und Gladiatorenkämpfe für unzivilisiert.

Ruhig ist es hier in meiner Heimatstadt, bis auf die Sache mit dem verbannten Cicero, der angeblich nur Frieden und Ruhe suchte. Er mag ja eine von den Musen geküsste Geistesgröße gewesen sein, aber eben auch ein Giftmischer allererster Güte. Kaum sagte einer was gegen ihn schon stirbt der einfach weg nachdem der feine Marcus Tullius Cicero zu einem Versöhnungsumtrunk geladen hat.

Natürlich wird eine Ordnungsmacht, also ich der Zenturio von der Cohorte Urbanae hellhörig denn eins und eins ist zwar nicht immer aber oft zwei. Ich befragte ihn in aller Höflichkeit nur dass ich bei der Befragung in der unerhört teuren Taverne, wo er immer trank, sicherheitshalber die Weinbecher ausgetauscht habe. Damit hat er nicht gerechnet. Sein dummes Gesicht, wie die Wirkung vom Eisenhut eingesetzt hat und ich ihm sage – Ist das nicht komisch, ich hab aus Versehen deinen Becher ausgetrunken und du ...

Ich geh ins Haus und marschier vom Vorraum in die Küche. Und bevor ich das tue, sehe ich mich noch einmal um. Man gewöhnt sich so schnell an das Gute, das man es für gar nichts mehr hält. Vom Durchgang gehen links die Küche und rechts die Vorratsräume ab. Geradezu ist das Atrium mit dem Regenauffangbecken. In unserem Impluvium schwimmen Fische die mein Vater vom Konsul geschenkt bekommen hat. Vom Atrium mit den fetten unerhört kostspieligen Goldfischen erreicht man den Rest der Räume und den Hintergarten. Direkt an der Außenmauer des Grundstücks sind meine bescheidenen Räumlichkeiten. Ich habe die ehemaligen Sklavenunterkünfte umgebaut, natürlich alles viel freundlicher als damals. Genug geschnuppert denk ich und geh in die Küche.

Hermes steht an der Feuerstelle und kocht falsche Hasensuppe. Er rührt mit linkem und rechtem Arm in zwei Töpfen. Ich schnuppere, da ist Hühnerfleisch in der Suppe. Vor dem Herd liegt ein Haufen Federn und es riecht, als würde mich Gott Bacchus mit was Leckerem belohnen wollen, nach dem ganzen Mist vom Vormittag. Ein Feiertag muß sein, Hühner sind teuer, ein Luxus, den sich nur die Reichen leisten. Ich setz mich an den Tisch und komme mir vor, wie ein Augur der nur gute Vorzeichen sieht. Überall hängen Wurstringe in der Küche zum trockenen herum. Der Hermes macht die Lucullchen Würste aus Weizengrütze und hackt das Schweinefleisch nur grob, tut Fleisch, Pfeffer, Garum und Pinienkerne in den Mörser und stampft es. Er stopft‘s in die Wursthaut und brüht sie in Salzwasser. Dann wird‘s über einem Holzfeuer getrocknet, wo die Leckereien vom Rauch noch mal extra Geschmack aufnehmen. Aber die Würste sind nicht alle für mich, Hermes und mein Vater besitzen einen Imbisskarren. Mit den die Beiden immer am Circus herumlungern.

„Hast wohl wieder einen Hunger, was!“, schreit Hermes mich an, er ist schwerhörig und nicht böse auf mich. Ich sehe ihn an als würde ich für immer Abschied nehmen. Er ist hoch aufgeschossen und um die sechzig Jahre alt. Sein Haar ist weiß und er hat mehr Falten im Gesicht als eine Schildkröte. Er ist der einzige Grieche, der kochen kann und ich muß es wissen, ich war mit der X-Legion in Dyrrachium. Allein in Capua gibt es 200 Gastwirtschaften, wegen der Geschäfte, die mit den Badeurlaubern zu machen sind. Jeder, der was auf sich hält, baut, mietet oder kauft hier seine Ferienvilla. Deshalb haben wie an der Strandpromenade, neben dem malerischen Fischerhafen und dem Tempel des Neptun lauter Restaurants, Weinstuben, Buchläden und Parfümerien. Phönizische, ägyptische, hibernische und nubische Spezialitätenrestaurants. Man kann sich an einem Tag rund um die Welt futtern, aber man kommt nicht bis nach Griechenland, weil’s, da einfach nichts gibt, was sich zu essen lohnt. Die mögen ja die Philosophie, Demokratie und die Architektur erfunden haben, aber vom Kochen besitzen die eine Ahnung wie die Eubronen vom Städtebau, nämlich Null.

„Essen, bei Merkur, noch nicht einmal dunkel und schon wieder ans Essen denken! Der Junge frisst mir noch die Haare vom Kopf“, schreit mein Vater. Er sitzt mit hochgezogener Tunika in der Küche auf der Latrine und macht sein Geschäft. „Du mußt xylospongio kaufen die sind wieder alle. Wer verbraucht nur immer die ganzen Schwämme? Soll ich mir den Hintern mit der Hand abwischen?“, fragt er.

Unser Domus ist an das öffentliche Wassernetz angeschlossen und die Latrine in der Küchenecke dient zugleich, als allesfressender Müllentsorger. Nachdem er sich den Allerwertesten mit dem letzten Xylospongio saubergemacht hat, steht er auf und schrubbt seine Finger im Wasser, dessen Leitungsabschluss, neckisch aus der Wand guckt.

Attilus mein Vater ist altmodisch, er isst nur zweimal am Tag, gegen Mittag und dann abends. Aber er sitzt so oft auf dem Abort, als würde er die Luft, die er so im Laufe des Tages einatmet, aus’m Hintern wieder ausscheiden.

„Hab eben einen Hunger“, sage ich und hefte den Blick aus dem Fenster auf die Nachbarn. Die stehen vor ihren Läden und tratschen. Mir fällt auf das unsre Fensterläden, beim geringsten Wind klappern, ich muß die reparieren, wer weiß, wann ich sonst dazu kommen werde. Zum Heulen ist mir zumute, komisch wegen einer blöden Fensterklappe.

„Geht’s dir nicht gut, Junge?“, fragt Vater. Er und Hermes haben mich allein großgezogen, als mir meine Mutter gestorben ist. Statt das zu tun, was die Meisten an Vaters Stelle praktizieren, den Knirps vor einem Tempel abstellen und die Beine in die Hand zu nehmen, haben die Beiden mich erzogen.

Heutzutage kann man seine ungewollten Kinder einfach vor den Tempeln ablegen, weil Menschenopfer sind offiziell vom Gesetzgeber als barbarische Unsitte verboten. Vor zwei Jahrzehnten war es noch nicht so und die Priester wussten immer nicht ob das ausgesetzte Baby auf dem Opfertisch sollte, oder wohin damit.

Vater versetzt mir einen Klatscher auf meinen Hinterkopf. „Was ist Quintus?“

Ich antworte sehr diplomatisch und verschlucke die Flüche die auf meiner Zunge liegen. „In Hinblick auf die Cicero Sache gehe ich nach Rom, Vater“, sage ich. Ja ich muß, ist eben ein Befehl von oben, da gibt‘s nichts daran zu rütteln. Es ist auch klug, wenn ein Haufen Optimaten versucht einen in die Nekropole zu befördern, etwas Urlaub zu machen.

Vaters Augen glänzen gerührt. „Der liebe Graccus hat dich, also nach Rom geschickt, das ist doch wunderbar. Und was sollst du da tun, vielleicht wirst du ja Kommandant von der römischen Stadtwache?“, vermutet er in völliger Verkennung aller Gesetze. Er sieht mich schon im Purpur der Senatoren. Regel hin oder her, dass nur Söhne von Freigeborenen mit einer Million Sesterzen in der Truhe und Landbesitz die Senatsbänke mit ihrem Hintern wärmen dürfen. Sorg und achtlos als wäre der Senat eine öffentliche Latrine und der Dreck, den die verzapfen wird vom Strom der Cloaca maxima weggespült.

Hermes stellt mir eine Schüssel mit Hühnersuppe, sogar mit Hühnerschenkel vor die Nase und daneben den frischgebackenen Dinkelfladen. Ich tunke den Fladen in die Suppe, köstlich, ich werde seine Kochkunst vermißen. Er ist der Einzige Mensch in Italia, der aus dem Mehl zuerst die Mehlkäfer sammelt.

Vater erwartet noch meine Antwort, er kann es nicht leiden, wenn ich lautlos für mich selbst denke und dann aussehe, als träume ich mit offenen Augen. Dabei ist mein Hirn immer hellwach, nur denke ich gerade im Moment an etwas anderes.

„Was ich dort tun soll? Nun Primus Pilus vom Praetor sein eben, nehme ich an. Ihr wisst schon für Recht und Ordnung sorgen, damit die Römer wieder ruhig schlafen können.“

Vater setzt sich neben mich. „Es ist deine Chance, Quintus. Versaue sie uns bloß nicht“, ermahnt er mich ohne einen Hauch von Abschiedsschmerz in seinem Gesicht. Der Mann war Sklave und hat es zwangsläufig gelernt seine Gefühle und Frustrationen mit einem Gesicht, aussagefähig wie ein Stein zu überspielen.

„Was hat denn der Konsul wollen?“, brüllt nun auch Hermes der offiziell Vaters Sklave ist. Er fasst es als große Beleidigung auf, nicht bis ins allerkleinste Detail informiert zu sein. Sobald er beleidigt ist, schmeckt sein Essen nicht. Er nimmt zu wenig Garum, Liebstöckel und Minze, er nimmt sogar zu wenig Nahrungsmittel zum Essen machen. Und weil ich ja nicht will, dass mein Vater vom Fleisch fällt, während ich in Rom bin, solange bis mir was einfällt wie ich nach Capua versetzt werde erkläre ich die Neuigkeiten.

„Das ist wunderbar, Quintus“, schreit nun Hermes. Die Nachbarn auf der Straße drehen die Köpfe zu uns hin und die Gespräche auf der Via Capua verstummen in Erwartung auf meine Neuigkeiten. Selbst die Urlauber die unter der Kolonnade an unserem Küchenfenster spazieren, bleiben auf einmal stehen.

„Rom! Da muß man sich ja nicht mehr schämen in dem Domus hier, so ganz ohne einen Cursus Honorum!“, brüllt er.

Mein Vater runzelt seine buschigen, grauen Augenbrauen, doch er schimpft den Hermes nicht, erstens würde er es sowieso nicht hören und zweitens sonnt sich mein Vater geradezu in den neidischen Blicken der Nachbarn. Zudem hat er vor dem griechischen Koch einen Mordsrespekt. Ich weiß woher das kommt. Wenn die Beiden sich streiten, sagt Vaters Sklave wie schnell Mal ein giftiger Pilz ins Essen plumpst. Sofort ruft Vater, falls ein Giftpilz in die Suppe fällt, dass ich das blitzschnell herausfinden werde und als nächstes geht‘s für alle Sklaven im Haus ab zur Kreuzigung. Der Hermes fragt dann immer, als wär‘s weniger ein moralisches, als ein mathematisches Problem – und sofern sich halt lohnt, Attilus? Mein Vater versteht das, als ehemaliges Besitztum vom Craccus sehr gut. Wie oft wohl stellen sich Sklaven die gleiche Frage, beim rasieren vom Besitzer zum Beispiel.

Der Turillios, ein Sklave des Merkurtempels hat‘s genauso gemacht. Ihm ist plötzlich die Göttin Venus erschienen und da ist er aus Schreck mit dem Rasiermesser abgerutscht, gerade wie er den Oberpriester die Kehle vom Bartwuchs befreien tut. Aber was will man da machen, gegen den Willen der Götter, wem sie sich offenbaren dem Erscheinen sie und da kann auch das Strafgesetz nichts dran ändern. Der Tempelsklave ist noch einmal vom Kreuz gehüpft, keiner kreuzigt in Capua einen Mann, dem eine wichtige Göttin erschienen ist, mit der Mahnung mehr Spiele zu ihrem Ehrentag zu geben. Unser Prätor, der oberste Richter des Gerichtshofes für Meuchelmord und Giftmischerei, war zu der Zeit gerade Lucullus Maximus und er hat auf eigene Kosten neue Sitzbänke für unseren schönen Circus gestiftet. Sein Bruder Flavianus war zu der Zeit Augur und erklärte vor dem Prozess, er möchte nicht in der Haut des Geschworenen stecken, der dem Boten der Venus den Sklaven Turillios des Mordes an seinem Herren für schuldig spricht. Er meinte, wer so wahnsinnig ist soll es wegen seiner tun, aber er möchte nicht dabei zusehen, wie er den ewigen Fluch auf sich und seine gesamte Verwandtschaft zieht.

Wir verfügen über drakonische Strafen, die verhindern sollen, das Besitztümer auf zwei Beinen ihre Herren umbringen. Hat einer seinen Besitzer ermordet, werden nach dem Zwölftafelgesetz, ohne Unterschied der Schuld ausnahmslos alle Sklaven jeden Alters und Geschlechts, aus dem Haus gekreuzigt. Die drastische Rache ist grausam und verständlich. Es gibt eben eine ungeheure Masse an Sklaven und seit dem Spartacus sitzt uns die Angst vor einem neuen Aufstand tief in den Knochen.

So oft wie zu mir verängstigte Menschen kommen, um zu erzählen sie vermuten ihre Sklaven planen sie zu ermorden, kann ich nicht mehr zählen.

Mein Vater Attilus hat den Hermes vom Craccus zum Geburtstag geschenkt bekommen, doch er hat ihn nicht gleich freigelassen, obwohl es Freunde sind. Die beiden verbindet eine gegenseitige Hassliebe wie sie wohl nur Brüder empfinden oder eben Sklave und Herr. Vater ist der Überzeugung, es wirkt dekadent und neureich, wenn ein Freigelassener selber Freigelassene hat. Hermes der sonst selten seiner Meinung ist stimmt ihm darin zu.

In den Augen der alten Männer ist kaum etwas schlimmer, als ein hochnäsiger Freigelassener der mit einer Horde Klienten unterwegs ist. Dem nicht mal die Toga zu tragen erlaubt ist. Weil sich in die nur Vollbürger kleiden dürfen. Von Gesetz her verfügen sie über den Status eines Mündels des Mannes oder der Frau, die sie in Freiheit gesetzt haben. Was mich rechtlich auch zum Klienten des Prokonsuls macht obwohl ich Bürger bin. Patron und Klient sein ist ein Geben und Nehmen und wie überall gibt es zwei Klassen von Klienten die Freien und die Freigelassenen. Wenn Craccus einen wichtigen Tag hat, begleiten ihn seine Klienten überall hin und umgekehrt kümmert er sich darum, dass sie ihr tägliches Auskommen haben.

Für mich bedeutet es, sobald bei einer Gaunerei in der ich nach Auftrag vom Praetor ermittle, den Namen Graccus höre, lasse ich jeden Beweis jedes Indiz unter den Tisch fallen. Ich verrate dem Konsul, wo er seine Fehler begangen hat wer von seinen Geschäftsleuten zuviel redet, damit er was lernt und seine Spuren gefälligst blitzblank wegwischt. Ich bin sozusagen sein Berater für kriminelle Sachen, sofern ich nicht für Ordnung und Sicherheit der einfachen Bürger sorge. Im Gegenzug hat der Craccus ein Auge auf meine Karriere und lässt nicht zu, dass es mir an den Kragen geht. Und für den Fall, dass es sein muß, schickt er mich eben nach Rom, bis der Rauch sich verzogen hat.

„Rom, Caput Mundi Hauptstadt der Welt“, ruft der Hermes vergleichsweise begeistert und brüllt fort. „Der Circus maximalus 150000 Leute sollen reinpassen! Und die Veranstaltungen, da gibt‘s immer Löwen. Nicht wie bei uns zottige Hunde, die gelb gefärbt wurden! Freust dich schon, was?“

„Das ist der Flaminius und da passen nur halt keine Leute, sondern 250 000 Römer rein. Und ich mag Wagenrennen nicht, mir wird schlecht, wenn die Gespanne um die Kurven rasen. Und die Spiele kannst du eh alle vergessen, wie oft haben die denn welche, wenn’s mal hochkommt, dann vielleicht 60 Tage im Jahr. Ich finde wir, als hochstehende Zivilisation sind reichlich knapp mit Feiertagen bemessen, ich meine nur jeder fünfte Tag ungefähr und was ist mit den Tagen dazwischen?“

Nachdem ich mir meine Frustrationen von der Seele geredet habe und pappsatt bin, erhebe ich mich und gehe schnell zum Merkurtempel und opfere etwas Kleingeld und verbrenne Weihrauch aus Libyen und Mastix aus Gallia im Opferfeuer. Ich Bete zu Merkur, dem Gott der Reisenden er möge die Via Appia unpassierbar machen. Ich überlege zum Vulkantempel zu gehen und dem Gott des Schmiede um eine Feuersbrunst zu bitten. Ich lasse es sein, denn so oft wie Rom brennt können nicht hundert gesunde Männer an ihren Fingern abzählen.

Wie ich aus dem Tempel bin, sehe ich einen Schiffbrüchigen, in zerfetzter Tunika und mit geschorenem Kopf, auf den Stufen herumlungern. Er hat das Gemälde seines Schiffbruchs gemalt und trägt es vor der Brust vor sich her. In Capua sind diese Bildermaler wahre Meister das Entsetzten und die Todesangst eines Schiffbruchs darzustellen. Welcher Sturm ihn zugrunde gerichtet hat und wie sein Schiff hieß, will ich von ihm wissen. Er sieht auf sein Bildnis und entziffert den Namen der Triere mit Neptunus.

„Wo hast du denn gehandelt und was?“

„Was? Äh, Wein in Asia.“

„Und wie heißt dein Schiff?“, frag ich in meiner Funktion als Gesetzeshüter das verlogenes Betteln unter Strafe stellt.

„Wie das Schiff hieß, es war die Neptunus.“

„Und das auf dem Bild ist dein Schiff?“

„Die Neptunus, dass beste Schiff das sich finden ließ, naja bis zum Sturm der mir alles genommen hat.“

„Und du bist an Ufer geschwommen?“, frage ich.

Er wird nicht einmal rot beim lügen. „Mir knapper Not.“

„Du mußt der beste Schwimmer sein, den es gibt immerhin ist es vom Rhenus ein Stück bis Ostia. Das ist eine Patrouillen Triere die nur die Legionen in Gallien benutzen, und zwar nur die und dort.“

„Man muß ja von was Leben, oder?“, schreit er und flitzt davon.

Ich bin mir sicher als Bote würde er das doppelte verdienen bei seiner Geschwindigkeit. Unter mir zieht ein blinder nackter Knabe um Almosen bettelnd vorbei. Bei uns gibt es eine zwielichtige Gestalt namens Salustrius, der aus dem Erwerbszweig Bettelei stattliche Profite zieht. Der kauft die billigsten Kinder auf den Sklavenmärkten und verstümmelt und verkrüppelt sie auf unmenschliche Weise. Dann wandern regelrechte Gruppen von Blinden oder mit Armstümpfen über die Strandpromenade, wo unsere Badegäste entspannen wollen. Der Unternehmer berechnet, wie der geschäftstüchtigste Wucherer seine Zinsen, welches Gebrechen am meisten Mitleid weckt also ihm Sesterzen bringt. Leider kann man von Gesetzwegen nichts dagegen unternehmen, denn es sind seine Sklaven und Betteln ist nicht verboten. Aber es ist eine Schweinerei, wenn ich wiederkomme aus Rom schiebe ich dem ein Riegel vor. Ich werde dem Konsul sagen sein Geschäftsfreund redet zuviel von seinen guten Beziehungen. Ich werde ihm vermutlich die Hände abschneiden, bevor ich ihn von meinen Soldaten erdrosseln lasse, wenn ich zurück bin.

Ich marschiere, eine Liste mit all der unerledigten Arbeit in meinem Kopf in die Kaserne, am Perlenmarkt, denn bis jetzt bin ich Zenturio von dem Sauhaufen. Ich meinte doch ganz deutlich Brutus zu sehen, aber es musste eine Erscheinung sein. Ein Phantom, das mich im Auftrag von Bacchus, dem Gott des Frohsinns zum Lachen bringen sollte. Brutus der Signalbläser des zweiten Manipels der Stadtwache Capua und nebenbei mein bester Freund sah wütend zu mir. Er lehnte behutsam seine Angelrute an die Wand und streifte sich seine nasse Tunika über den Kopf und warf sie in die Ecke. Dann schlenderte er splitterfasernackt bis auf die Militärstiefel auf der Suche nach trockener Kleidung in unserem Officium umher. Da wo er stehenblieb, bildete sich sofort eine Pfütze auf dem Boden. Der Aufseher der Staatssklaven Tiro würde ein riesen Theater beginnen - gegen das die nachgestellten Seeschlachten des Julius Caesar reinste Possen wären. Er würde einen Aufstand anzetteln, wenn er mit seinen Leuten zum Putzen kam. Wasser und phrygischer Marmor vertragen sich nicht besonders gut. Dabei war die Kaserne der Cohorte Urbanae erst mit Bodenmosaiken gepflastert worden. Ein sehr bedeutender Mann kommt kurz vorbei. Aber unser Konsul Craccus Tiberius will keinen guten Eindruck auf seinen Gast machen, sondern nur furchtbar mit seinem Reichtum angeben. Ich beobachtete meinen Freund eine Weile, bis die Neugier, Minervas vorwitzige Tochter die Oberhand behielt.

„Bei Herkules, sag schon!“, fordere ich ihn auf.

Er sah mich an und deutete verlangend auf meinen roten Wollumhang. Ich löste die Fibel, ein Andenken aus dem desaströsen Britannien-Feldzug Caesars und warf ihm den Mantel zu und wartete auf seine Erklärung. Brutus umwickelte sich die speckigen weißen Hüften und setzte sich mir gegenüber.

„Du bist vor nicht einmal einer Stunde mit der Angelrute in der Hand aufgebrochen und meintest du siehst mal nach der Ordnung am Hafenpier und ob ich auch Appetit auf Scholle habe.“ Seit einer Weile ist das Angeln Brutus große Leidenschaft. „Bist du vom Pier in den Ozean gefallen, war ein Walfisch an deiner Angel und hat dich ins Meer gezogen?“

„Ha von wegen!“, ruft Faustus mit einem Gesicht zum Erbarmen und nimmt sich meinen Wein, den er unverdünnt trinkt. Aber wie er aussieht, hat er soviel Wasser geschluckt das er eine Amphore starken geharzten Griechenwein trinken könnte, ohne das der Alkohol auf seine Sinne wirkt.

„Ich durfte einen bescheuerten Römer aus dem Meer ziehen!“, erklärt er und gähnt. Dann sagte er erstaunt, „ist ziemlich bequem nur ein Tuch um die Lenden gewickelt ich sollte mir überlegen das zu meiner Mode zu machen.“

„Lenke nicht ab, Selbstmord?“, fragte ich.

Er sieht mich mit großen Augen an, als wäre ich dumm. „Wenn es den Anschein von Selbstmord gemacht hätte, währe ich dann ins Meer gesprungen?“

„Das währe nicht höflich!“, verneine ich und schenkte dem armen Kerl einen Becher Wein nach. Wir haben in den Lagerhäusern am Pier Besuch gemacht und unser Schweigegeld von den Händlern kassiert. Erstklassiger Farlernerwein aus den Tributen Drychachiums, der in den Lagerhäusern am Hafen auf unerklärlicherweise mit Wasser verdünnt wurde. Im Bericht wird stehen die Amphoren waren beschädigt und es regnete durch das Dach der Lagerhallen, ein Unfall und kein Grund für Misstrauen gegen unsere ehrenwerten Zollpächter, einem Freigelassenen des Konsuls der in allen krummen Dingern seine Hände drin hat.

„Er rief um Hilfe und ich war ja nun einmal im Dienst, ich meine was ist schon die armlange Muräne die am Haken festhing gegen den Hilfeschrei eines in der Purpurtoga.“

„Ein Senator, du hättest ihn ersaufen lassen sollen!“

Brutus nickt und sagt: „Er schrie und vertrieb mir die Fische. Also bin ich ins Wasser und habe den Kerl rausgezogen. Jedenfalls war er dankbar wie ein Welpe und wir plauderten etwas und er erkundigte sich nach meinem Namen.“

„Das ist sehr nett von ihm, die meisten Patrizier interessiert der Name ihres Lebensretters einen Dreck.“

Brutus nickte: „Ja finde ich auch nett von ihm. Gibt einem doch gleich ein besseres Gefühl keinen kompletten Arsch aus dem Meer gezogen zu haben.“ Ja so kann es gehen, wenn man Brutus heißt und kurz am Hafen von Capua angeln geht.

Mein Kumpel Brutus setzt sich an seinem Platz im Tablinium und sieht kummervoll aus. Auf seinem niedrigen Bronzetisch steht eine Schüssel mit dem Fassungsvermögen von einem Brunnen. Ich guck unter seinem Tisch nach, aber da ist kein See aus Suppe, der hat das alles gegessen. Mein Pfirsich, er hat tatsächlich das rosigste rundeste Gesicht der Welt, hat bestimmt schon die Nachricht von meiner Versetzung bekommen das er mich ersetzen wird.

Er ist geschockter, als wäre ihm ein Opfertier vom Altar geflüchtet, oder noch unerfreulicher als sei ein Blitz neben ihm eingeschlagen. Er muß bald selber entscheiden, dass ist ihm ein Gräuel. Er kommt aus einer angesehenen plebejischen Familie. Seine Mutter hat gemeint, das mit dem Friseurhandwerk wird nichts, bei seinen linken Händen und er soll was im militärischen Milieu werden. Da seine Mutter der Konsulin die Haare macht, ist er in der Cohorte schnell avanciert. Er hat einen Riecher für Verbrechen, das heißt, er ist immer von all meinen Männern am weitesten entfernt, wenn was passiert. Zum Beispiel, du triffst den Brutus, der wie ein Schlafwandler wirkt, am Bona Dea Tempel auf der via Prisco, wo es raus ins Legionsdorf Casapulla geht. Wenn er sagt, er hatte den inneren Drang verspürt der Göttin was zu opfern, schon ist mir klar, dass gerade am Ende der Stadt, was Grauenvolles vonstattengeht.

„Warum bist du nicht einige Verbrecher schnappen? Der Luca beschwert sich schon, dass im Kerker wie ausgefegt ist. Man könnt meinen es gibt keine Kriminellen mehr außerhalb von Roms Senat. Er kann, bei den Spielen nicht mal mit ein paar einheimischen Dieben punkten. Du weißt die Leute lieben es, ihre Nachbarn da unten in der Arena kämpfen zu sehen, dass macht tolle Stimmung und das ist gut für die Atmosphäre von Gladiatorspielen“, schimpf ich ihn.

Der „Luca“ Lucullus will gerne unsere Straftäter seinen Löwen und Panthern vorwerfen. Im Augenblick siehst bei uns knapp mit Verbrechern aus, aber das ist immer so kurz vor den Spielen die Kriminalitätsrate sinkt zum Verzweifeln.

„Der Craccus, befördert mich doch nicht wirklich zum Primus!“, fragt Brutus.

„Ihm wird kaum was anderes übrigbleiben. Du wirst selber schon mal mitbekommen haben, wie’s läuft. Wer verschönert der Frau Konsulin ihre Haare? Deine Mama nämlich und der Craccus wird sich das dann immer am Abend von seiner Gattin anhören dürfen, warum du nicht der Pilus bist. Da mußt du halt den Essig trinken!“

„Es ist ja nicht wegen dem Amt.“

„Doch ist es. Aber das Leben in der Legion ist eben nicht nur ein Honig essen und Musulum trinken, unsere Existenz in dieser Welt ist voller Verantwortung, außer als Sklave da werden dir die eigenen Entscheidungen abgenommen.“

Der Brutus bekommt seine glitzernden pfiffigen Augen, dass mir Angst und bange vor seinen Ideen wird. Ich kann seine Gedanken so deutlich lesen, als hätte ich sie ihm hingeschrieben.

„Man darf sich seit 50 Jahren nicht mehr selbst zum Sklaven machen, schlage dir das aus dem Kopf!“, befehle ich. „Weil damals war es eine Flut, Freund und Feind machte Schulden und um die zu begleichen, blieb oft nur der eigene Gang zum Sklavenmarkt. Den Menschenhändlern wurde die Konkurrenz zuviel und sie übten auf den Senat Druck aus. Man mußte das verbieten, dass jeder Quintus und Kaeso sich selbst verkauft, wenn der Schuh mal wo finanziell drückt. So ganz ohne Klasse, ohne Auktionator und eine Präsentation auf der Bühne, nur mit einer Wachstafel um den Hals, Sklave aus erster Hand in gutem Zustand abzugeben.“

Nachdem ich Brutus eine Lektion in Geschichte gab, und ihm befahl er solle gefälligst so tun, als sei er der entschlussfreudigste Mensch und werde nur von der ausufernden Bürokratie gehindert, teile ich die Männer zum Nachtdienst ein. Die meisten der Legionäre sind an der Strandpromenade unterwegs, wo die reichen Exkonsuln und Patrizier ihre Villen und Marmorpaläste haben. Ordnung und Gesetz müssen um jeden Preis aufrecht erhalten werden und deshalb schicke ich vier alte Legionäre die nicht mehr so gut zu Fuß sind in das schlechte Stadtviertel, rund um den Perlenmarkt. Da wo sich die Kaserne der Cohorte urbanae und das Forum mit den Luparas, Tavernen und drei Tempeln den Platz teilen. Es gibt einen Haufen dunkler Ecken, wo man jemanden seinen Cestus, oder Knüppel auf den Hinterkopf knallen kann, um an ein bisschen Unterhaltungsgeld zu gelangen. Aber Jupiter sei Dank, herrschen bei uns in Capua noch keine römischen Verhältnisse. Raubmorde sind eine Rarität und werden nur begangen wenn es sich lohnt. Nicht so wie im Norden, in Rom wo man einen Mann, für ein paar lumpiger Sesterzen über den Styx schickt. Aber das Mordopfer muß natürlich warten. So anständig und seinem Opfer eine Münze unter die Zunge zu legen, als Fährgeld für Charon, ist in Rom keiner. Der Fährmann arbeitet nicht für lau und eines steht fest, so einfach Mal aus dem Hades zurückkommen, um sich schnell Geld einzustecken, ist nicht, wenn man erst tot in einer römischen Gosse liegt. Nackt, denn die Lumpenhunde klauen dem armen Kerl die Tunika, so dass die feinen Grazien alle naselang über entblößte Leichen stolpern. Na ja, schockiert werden die Damen nicht sein, was man so an Klatsch mitbekommt soll es in Rom moralisch locker zugehen.

Quo Vadis Caput Mundi

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