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Anna Croissant-Rust

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Vom Blickpunkt der erd- und landschaftsverbundenen Dichtung unserer Tage aus betrachtet, erscheint uns die deutsche Heimatkunst um die Jahrhundertwende gewöhnlich als „Tochter des Naturalismus“ und damit mehr oder weniger als Erfüllung aufgestellter Leitsätze. Man spricht sie gern als gewollte, bewusste Heimatkunst an. Doch ist nicht zu übersehen, dass sich unter den damaligen Heimatdichtern auch wurzelechte, bodenständige Gestalten finden, die, frei von gedanklichen Zielsetzungen, offenen Sinnes aus übervollem Herzen schufen. Sie sind ragende Vorposten unserer aus Schollenkräften gewachsenen Dichtung.

Zu diesen Vorposten zählt Anna Croissant-Rust. Mit grosser Unmittelbarkeit schaut diese Dichterin in Leben und Welt. Als ursprüngliche Seele hält sie sich frei von programmatischen Absichten, und selbst dort, wo sie mit den Stilmitteln des Naturalismus gestaltet, wächst sie weit über diesen hinaus. Sie ist auch geschützt gegen Gefahren der Einförmigkeit, denn jedes Werk beginnt sie aus neuem Grund zu heben. Darum auch die leuchtende Farbigkeit und blühende Fülle. Vielen ihrer Werke ist ein dauernder Platz in der deutschen Prosadichtung sicher.

Anna Croissant-Rust wurde am 10. Dezember 1860 in Bad Dürkheim in der Rheinpfalz geboren. Dem Geburtsland und dem pfälzischen Einschlag vieler Werke verdankt sie es, dass die Leser in ihr meist eine Pfälzer Dichterin sehen und ihren Humor dem Weinland zuschreiben. Aber vielleicht ist ihre bäuerliche Herkunft mütterlicherseits aus dem Altbayerischen wichtiger. Gerade diesem Bluteinschlag verdankt sie wohl den oft gerühmten unbestechlichen, ja herben Wirklichkeitssinn mit dem tiefdringenden Blick, dem bodenständigen Naturgefühl und dem tapferen Gemüt. Selbst ihr Humor ist sachlich.

Die Bücher der Croissant gehören zu denen echter Dichtung, wo plastisch etwas gestaltet ist und wo Handlung abrollt. Der Stoffkreis ihrer Werke umspannt immer wieder pfälzisches Dorf- und Kleinstadtleben und Tiroler Bauerndasein. Auf ihrem Hintergrund lässt sie Zustände und Schicksale erwachsen. Es scheint fast, als wollten sich in der stofflichen Zweiheit die beiden Elemente ihres Bluterbes ausdrücken. Wo sie durch die Verhältnisse, etwa einer Kleinstadt, Plottes und Alltägliches gefördert sieht, haftet den Menschen in ihren Augen Schrulliges, Lächerliches, ja vernichtend Komisches an; wo aber ein bäuerlicher Mensch wie Antonius gegen feindliche Gewalten ankämpft, trägt er für sie ein tragisch-heldenhaftes Gesicht. Zwischen beiden Gegensätzen wechseln ihre Werke in lebendigem Rhythmus ab.

Die frühen Arbeiten der Dichterin, Erzählungen und Dramen, beschwören eine düstere Welt. Das herbe Bauerndrama „Der Bua“ (1897) stellte einige Zeit vor Ludwig Thoma die bajuwarische Bauernseele auf die Bühne. Mit den Pfälzer Geschichten „Pimpernellche“ (1901) setzt Humor ein. Er schlägt in der Sammlung „Ausunseres Herrgotts Tiergarten“ (1906) öfters ins Tragische um, wenn sich der Wesenskern von originellen Taugenichtsen in der Maske der Komik enthüllt. Fast ganz den ernsten Ton beherrscht der Volksroman „Die Nann“ (1906). Er erzählt das harte Leben eines Tiroler Mädchens, das durch sieghafte Reinheit alle Fährnisse überwindet. Die meisterhafte Romanerzählung „Winkelquartett“ (1908) ist als Kleinstadtgeschichte wieder ganz auf Humor gestellt. Unvergessliche Sonderlingsgestalten gehen durch das Buch. Als Gegenstück zur „Nann“ gilt die grosse pfälzische Gutsgeschichte „Der Felsenbrunner Hof“ (1910). Ein Mensch kämpft sich durch, mit leidenschaftlichster Anspannung seines Willens. Einen neuen „Tiergarten“ bringt die „Arche Noah“ (1911). Der nächste Roman „Unkebunk“ (1921) ergreift die Lebenswelt einer kleinen Garnisonsstadt. Die beiden Wesensseiten ihrer Dichtung, die komische und heldenhaft-tragische, finden sich in der letzten Sammlung „Kaleidoskop“ (1921) in schönen Geschichten vereinigt.

Das beste Werk darunter ist der hier abgedruckte „Antonius, der Held“. Diese Geschichte, entstanden während des Krieges, ist in ihrem tapferen Gehalt der schönste Beitrag der Dichterin zum vaterländischen Schrifttum. Eine Kindererzählung könnte man sie nennen, da die rührende Freundschaft zwischen dem verkannten Toni und der mütterlichen Lene die seelische Mitte bildet. Das Werk ist mit seiner urtümlichen Kraft und holzschnittartigen Einfalt das süddeutsche Gegenstück zu Storms „Pole Poppenspäler“. Wie ist der Toni dargestellt! Er, der von Eltern, Schwester und Altersgenossen verachtet wird, ohne Liebe aufwächst und in einen Zwiespalt der Seele hineintreibt! Und dabei ist er doch ein stiller Wisser und Herrscher in seinem Reich, der durch die Firmung zu heldenhafter Festigkeit gestärkt wird und sich schliesslich vor allen andern bewährt. Ein Stück deutschen Landes steigt plastisch umrissen auf, scharfkantige Gestalten mit ihren Schwächen und Vorzügen sehen wir ein zeitloses Dasein in Tal und Gebirge dahinleben. Durch die Geschlossenheit und das meisterhafte Steigerungsgefüge ist die Antoniusgeschichte bezeichnend für Anna Croissants Kunst überhaupt. Wie überall beherrscht auch hier den Sprachstil das zieltreffende, anschauliche Wort. Ein feines Empfinden für Tonfall und Eigenwesen der Mundart lebt in der Erzählung. Bei aller Naturtreue der Darstellung schwingt sie in dichterischer Sprache.

Dr. Ferdinand Denk

Antonius der Held

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