Anhäufen, forschen, erhalten

Anhäufen, forschen, erhalten
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Das Schweizerische Nationalmuseum verfolgte seit seiner Eröffnung 1898 sehr unterschiedliche Sammlungstätigkeiten. Während sich die Geschichtsschreibung bisher vor allem für Fragen der Konstruktion von Nation und für die Prozesse der Identitätsbildung interessierte, untersucht Anna Joss erstmals die Sammlungspraxis und zeigt, dass für die Museumsangestellten in ihren alltäglichen Tätigkeiten auch ganz andere als repräsentative Aspekte leitend waren: nämlich Objekte anzuhäufen, zu erforschen und zu erhalten. Die vorliegende Sammlungsgeschichte rückt Protagonisten der Museumswelt in den Blick, die bisher wenig beachtet wurden: Kunsthändler, Donatorinnen, Schreiner, Vergolder, Restauratorinnen, Chemiker und andere mehr. Erzählt wird, welche Wege bekannte Sammlungsstücke wie die «Gotthardpost» und rätselhafte Dinge im Museumsbetrieb gingen und wie sich die Objekte selbst dabei nach und nach veränderten.

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Anna Joss. Anhäufen, forschen, erhalten

Inhalt

Einleitung

Sammlungstätigkeit als historiografischer Gegenstand

Praxis «Sammeln»

Die Protagonisten: Menschen und Dinge

Stand der Forschung: Museums- und Sammlungsgeschichte

Quellen: unabgeschlossen, hermetisch

Sammlungspraxis: anhäufen, forschen, erhalten

Platzprobleme um 1910

Debatte über die Mengenbildung

Die enge Verschränkung von Objekterwerbung und -präsentation

Das Ideal einer vollständigen Sammlung von Dingen der Vergangenheit

Bedeutend ist das Viele

Alles sichtbar machen für alle? – Bildungspolitische Argumente

Die Deutungshoheit der Museumsbehörden

Kein Einfluss auf den Geschenkfluss

Handhabung der Fülle

Orten und ordnen

Temporäre Ausleihen

Verkäufe

Wendepunkt um 1928: weggeben, einschränken

Blick auf spätere Mengenverhältnisse

Quantität als dauerhafter Wert

Aufwertung und Expansion der Depoträume

Die Einführung von Nachweisakten 1937

Auf der Suche nach der «inneren Geschichte» der Objekte

Was ist echt? Mangelnde Gewissheiten und veränderte Handelsbeziehungen

Neue Prüfmethoden der Echtheit von Objekten

Die Schweizerische Landesausstellung 1939 als Schaufenster der Forschung

Die Frage nach der Herkunft und die Dokumentation ihrer komplizierten Antworten

Eingestellte Nachforschungen und die Ausblendung des Kommerziellen

Durchsichtige Sammlungsstücke

In der Werkstatt: Reparieren und hinzufügen 1895–1936

In den Ateliers und im Labor: abtragen und freilegen ab 1937

Das Landesmuseum als schweizerisches Forschungszentrum: eine gescheiterte Idee

Forschen in den 1930er- bis 1960er-Jahren

Jüngere Geschichte statt alternde Altertümer um 1970

Konservierung der stofflichen Seite der Dinge

Abschirmen, verhüllen, klimatisieren: vom Schönen zum Substanziellen

Bestreichen, spritzen, kleben: der Faktor Zeit als Problem

Der Wunsch nach Reversibilität

Güterabwägung zum Nachteil der Materialerhaltung

Gegenwartsbezogene Vermittlung von historischem Wissen

Tour d’Horizon über die Ausstellungspraxis 1898–1960

Die Präsentation von Bildern statt Serien: die Querschnittausstellungen

Neue Themen, Objekte und Experten: die Zeiträume

Detailversessene Erinnerungsstützen: die Lebensbilder

Wechselwirkungen zwischen Ausstellen und Sammeln

Erleben

Nähe schaffen: Zweigmuseen und Wanderausstellungen

Alles eine Nummer grösser: Ausstellungspraxis in den 1990er-Jahren

Erhalten im neuen Jahrtausend

Erneute Pflege der materiellen Seite der Dinge

Präventive Konservierung und Materialgeschichte statt Reversibilität und Ursprünglichkeit

Regere Objektzirkulationen

Neuer Raum für die Traditionsbestände

«Weisse Masse in Glasbehälter». Materialität als Wissen

Schluss

Dank

Anmerkungen. Einleitung

Anhäufen

Forschen

Erhalten

Schluss

Abkürzungsverzeichnis

Bibliografie. Mündliche Quellen

Ungedruckte Quellen

Gedruckte Quellen, Forschungsliteratur, Websites

Abbildungsverzeichnis

Impressum

Отрывок из книги

«Man betrachte alle diese Dinge in dem Museum mit rechten Augen und bedenke dann die erstaunlichen Mengen gleichartiger Dinge, die notwendig in Gebrauch gewesen sind; man denke an die Millionen Teller, die während des hier vergegenwärtigten Zeitabschnittes hergestellt und in Gebrauch genommen werden mussten; danach erwäge man den Zugriff aller vorstellbaren zerstörenden Ursachen auf diese unermessliche Anzahl von Stücken; man denke an die Tonnen Scherben, an die Trümmerberge, die zu dem, was übriggeblieben ist, hinzuzurechnen sind; man denke an die Sterblichkeitsquote all dessen, was zerbrechlich ist; an die wahrscheinliche Lebensdauer einer Untertasse oder einer Gemüseschale… […]

Nichts gleicht dem bis zum heutigen Tage angehäuften Kapital unserer Kenntnisse, unserem Haben im Buche der Geschichte so, wie diese Sammlung von Dingen, die der Zufall uns erhalten hat. All unser Wissen ist wie sie ein Rückstand. Unsere Geschichtsurkunden sind Strandgut, das ein Zeitalter einem anderen überlässt, wie es der Zufall will, und in vollem Durcheinander.

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Meine Arbeit zur Geschichte des Schweizerischen Nationalmuseums und seiner Sammlung will ich zunächst in der bestehenden Literatur zur Sammlungs- und Museumsgeschichte verorten. Dabei gehe ich besonders auf den Forschungsstand zur Sammlungsgeschichte des Schweizerischen Nationalmuseums ein.

Über die Geschichte des Schweizerischen Nationalmuseums und die in diesem Rahmen praktizierten Sammlungstätigkeiten wurde bisher nur vereinzelt geschrieben, und dann mit dem Schwerpunkt auf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Zeit der Institutionsgründung. Hanspeter Draeyers Arbeit zur Bau- und Entwicklungsgeschichte des Nationalmuseums (1889–1998) ist die einzige Studie, die sich ausführlicher mit dem 20. Jahrhundert befasst, der Zeitspanne, die mich interessiert. Draeyer untersucht den Bau und Umbau des Museums sowie die Veränderungen der Ausstellungspräsentationen; andere museale Tätigkeiten kommen nur am Rand zur Sprache.63

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