Читать книгу Dein Hund - Deine Chance - Anna Meißner - Страница 6
Warum es dieses Buch braucht
ОглавлениеIf you want to change, get angry!
Wenn du etwas (ver-)ändern möchtest, spüre deinen Zorn!
Ein Leben mit Hund kann manchmal echt zur Herausforderung werden. Mit Hund hat man nicht nur einen treuen Partner fürs Leben, sondern auch permanent ein Konfliktpotential an der Leine. Im Bemühen, dieses Konfliktpotential in tolerierbare Bahnen zu leiten und einen gesellschaftsfähigen Hund zu formen, habe ich als engagierte Hundehalterin die Hundeschule vom Welpenalter an besucht, nach der passenden artgerechten Auslastungsmethode gesucht, kynologische Fachbücher stapelweise gelesen und über die Zeit diverse Hilfsmittel (Leinen in unterschiedlichen Längen, Halsbänder mit und ohne Zugstopp, Geschirre, Klicker, Leckerli, Spielzeug, usw.) gesammelt. Damit hätte ich mittlerweile theoretisch und praktisch die Qualifikation zur Hundetrainerin erreichen können und trotzdem gelang es mir nicht, manch unerwünschtes Verhalten meines Hundes aus der Welt zu räumen. Das wäre auch nicht weiter schlimm gewesen, wenn es sich nicht immer wieder so angefühlt hätte, als würde sich in mir ein großes schwarzes Loch auftun. Irgendwie schaffte es mein Hund, mich immer wieder in Situationen zu bringen, in denen ich sang- und klanglos unterging. Ich ließ nichts unversucht und habe mir Unterstützung und Hilfe bei den unterschiedlichsten Hundetrainer/innen gesucht. Doch was ich da manchmal zu hören bekam, half mir nicht im Mindesten weiter:
Es ist doch überhaupt kein Problem, deinen Hund richtig zu führen.
Du musst einfach (dies oder das) tun, dann ist alles kein Problem.
Da reicht ein gesunder Menschenverstand.
Du bist selbst schuld an deinen Problemen mit Hund.
Du bist zu ruhig, zu sensibel, zu weich und kannst nicht durchgreifen.
Dein Hund spürt deine Unsicherheit, deine Sorge und deine Anspannung.
Du musst deinem Hund Sicherheit geben.
Du hast nicht das passende Energielevel für deinen Hund.
Du verfügst nicht über ausreichend mentale Stärke, bist einfach kein Chef-Typ.
Die Lage ist aussichtslos, dein Hund und du: Da kann man nichts mehr machen.
Weil du so bist, ist dein Hund so.
Auf den Punkt gebracht: Du bist einfach nicht der richtige Mensch für deinen Hund! Das war ganz schön hart und ehrlich: Es ging mir sehr nahe. Zuerst dachte ich, ich wäre ganz alleine mit diesem Thema und ein besonders schwerer, aussichtsloser Fall. Doch ich konnte beobachten, dass es auch anderen so erging. Plötzlich kam da etwas Neues in mir hoch: ein bis dato mir eher unbekanntes, mächtiges und eindeutiges Gefühl. Ein Bauchgefühl, das sagte: „Jetzt reicht’s, das geht gar nicht!“ Da war er: Mein Zorn. Endlich! Denn damit fing die Veränderung an. Jetzt konnte ich wieder meinen Mut und meine Kraft spüren. Nein, ich bin kein aussichtsloser Fall! In vielen Bereichen meines Lebens bin ich sogar ziemlich gut. Vor allem wenn es darum geht, Menschen auf die eigene Spur zu helfen und sie zu befähigen, neue, kreative Wege zu gehen. Ich liebe es, mich mit all dem zu befassen, was Menschen persönlich weiterbringt. Das ist mein Beruf, mein täglich Brot, dachte ich, also warum mache ich mich nicht auf die Suche, wie Menschen auch mit ihren Hunden persönlich wachsen können.
Zorn lässt dich deine Grenzen spüren und kann dir Mut und Kraft geben, endlich zu handeln. Dauert es bei dir auch immer ein bisschen länger, bis du deinen Zorn spüren kannst? Dann erzähle ich dir mal, was mich zornig macht, vielleicht kommt dieses machtvolle Gefühl dann auch bei dir an.
Mich macht es zornig, wenn Hundehalter/innen auf der Suche nach der „wahren“ Erziehungs- oder Ausbildungsmethode am Rande eines Burnouts sind, weil sie es richtig und gut machen wollen. Sie richten ihr Leben nach den Hunden und haben teilweise schon ihr Zelt auf dem Hundeplatz aufgeschlagen. Doch sie denken immer noch, dass das, was sie für ihren Hund tun, nicht reichen würde.
Hundehalter/innen bekriegen sich im Park und auf der Hundewiese, weil sie unterschiedlich mit ihrem Hund arbeiten und andere methodische Ansätze vertreten. Ungefragt werden frisch gebackene Hundeeltern haufenweise mit Tipps und Tricks versorgt. Diese können je nach Hundelehre absolut widersprüchlich sein. Der eine sagt dir, die Leine ist ein Lob, der nächste sagt dir, dein Hund muss frei laufen. Wem soll man denn da noch Glauben schenken? Sind Hundeeltern auf diese Weise geprägt, ist es kein Wunder, dass sie nicht mehr ihrem Gespür für das, was ihnen und ihrem eigenen Hund gut tut, trauen. Es ist kaum mehr vorhanden, weil es im Methodenkrieg fast untergegangen ist.
Wir brauchen Wissenschaftler, um uns bestätigen zu lassen, dass Hunde für ihre Menschen wichtig sind und dass wir eine besondere Beziehung zu ihnen haben. Dass diese nicht nur einseitig ist, Hunde empathisch sind und mit uns kommunizieren, dass weiß jedes Kind. Erwachsene müssen es schwarz auf weiß haben, bevor sie an dieses Wunder glauben.
Da könnte ich fuchsteufelswild werden, wenn Menschen sich als Krone der Schöpfung sehen und ihre Hunde so manipulieren, dass sie ihnen willenlos folgen. Wenn dann noch behauptet wird, es gäbe Führungspersönlichkeiten, die Hunde „natürlich“ führen können und dass diejenigen, die darüber nicht verfügen, dies nicht lernen könnten.
Mich nervt es tierisch, dass sich Hundehalter/innen und Hundetrainer/innen das Leben so schwer machen, indem sie sich gegenseitig die Schuld an den Problemen mit den Hunden zuschieben und vor lauter Problemanalyse keine Freude mehr mit ihrem Hund empfinden können. „Diesen Hund habe ich gar nicht verdient!“ meinte kürzlich eine Halterin zu mir. Sie hatte das Training abgebrochen, weil sie dachte, sie sei mit ihrem Hund gescheitert.
In der Hundewelt wird die ganze Mensch-Hund-Beziehung auf den Kopf gestellt. Dabei werden im Training und in der Hundeausbildung immer neue Probleme identifiziert. Zur Problembearbeitung entstehen immer neue, kompliziertere Hundeausbildungs-, Trainings- und Auslastungsmethoden. Es wird nach mehr Gesetzen für Hundehalter/innen und nicht zuletzt nach dem Hundeführerschein geschrien. Wir suchen nach Fehlern beim Hund und beim Menschen und machen uns abhängig von Trainer/innen, Methoden und Hilfsmitteln. Da könnte ich aus der Haut fahren! Wenn’s dir noch nicht reicht, mir reicht’s schon lange!
Das, was ich in der Hundewelt sehe und erlebe, macht mich so wütend, weil mir mein Hund so am Herzen liegt und weil ich es satt habe, dass mir immer wieder die Leine aus der Hand genommen wird oder dass ich mir die Leine aus der Hand nehmen lasse. Mein Hund hat mich daran erinnert, dass es hier um etwas viel Größeres geht. Ich weiß, es würde mich nicht so in Rage bringen, wenn dahinter nicht ein hoher Wert stehen würde und ich fragte mich, wenn es nicht um den Hund geht, worum geht es mir dann? Meist, wenn Menschen sich aufregen oder ihnen etwas nahe geht, geht es um ihre Werte. Also das, was ihnen im Leben wichtig ist. Mein Hund steht für meine innere Freiheit. Dieser Wert ist grundlegend für Persönlichkeitsentwicklung und sie braucht ganz viel davon.
Wir können als Menschen nicht aus unserer Haut und das müssen wir auch gar nicht. Persönlichkeitsentwicklung mit Hund bedeutet nicht, dass wir ein anderer Mensch werden müssen, um unseren Hund zu führen. Es heißt, dass wir lernen dürfen, so zu sein, wie wir sind und anzuerkennen, dass wir gut sind, so wie wir sind.
Menschen die Freiheit zuzugestehen, dass sie gut und ihre eigenen Expert/innen für ihre Beziehung mit Hund sind, schafft erst die Voraussetzung, damit sie mit Hund über sich selbst hinaus wachsen können. Wir sind durchaus in der Lage, Lösungen für Konflikte mit Hund zu finden. Konflikte gehören zum Leben und auch zu einem Leben mit Hund dazu. Die Mensch-Hund-Beziehung besteht aus zwei einzigartigen Wesen, die ihre eigene Sprache finden und ein individuelles Leben führen dürfen. Es ist normal, dass es dabei zu Konflikten kommt und kein Grund die Mensch-Hund-Beziehung zu problematisieren, an ihr zu zweifeln und sich mit Hund in tier-psychologische Behandlung zu begeben.
Freiheit für Persönlichkeitsentwicklung mit Hund ist da, wo wir wertschätzend miteinander kommunizieren und unsere eigenen Meinungen, Haltungen und Überzeugungen über Hunde und auch über Menschen reflektieren, hinterfragen und ändern können. Jeder Mensch hat das Recht, sein Leben mit oder ohne Hund so zu führen, wie er möchte, solange er niemandem damit schadet. Dazu gehört auch seine Entscheidungsfreiheit, z. B. bei der Wahl der Ernährung. Ich denke, du verstehst, dass ich mir von niemanden vorschreiben lasse, was ich im Restaurant bestelle und ebenfalls nicht, was ich meinem Hund serviere. Das geht definitiv zu weit. Wie wäre es, wenn wir endlich anerkennen, dass jeder Mensch und jeder Hund verschieden ist und dass es daher keine Rezepte weder für die Ernährung noch für Erziehung geben kann, die für jede/n passen. Nur wenn wir offen sind für die Vielfalt von Lebensführung mit Hund, können wir Räume schaffen, in denen jede/r in seinem Tempo und auf seine Weise Hunde authentisch führen lernen kann.
Mein Hund steht für meine innere Freiheit. Er hat mich daran erinnert, dass (Lebens-)Führung genau diese braucht. Die innere Freiheit ist eine Haltung, die mir erlaubt, auf mich und meinen Hund zu achten. Mein Hund nimmt mir nämlich nicht ab, dass ich führen möchte, wenn ich mich nur an Trainer/innen, Methoden und Hilfsmittel halte und das tue, was andere meinen, was für mich gut und richtig wäre, obwohl es im Widerspruch zu meinen und womöglich auch zu seinen Bedürfnissen steht. Unser Hund folgt uns, wenn wir uns selbst führen und unabhängig von dem, was andere von uns denken oder halten könnten, das tun, was uns selbst und unserem Hund gerade gut tut.
Mir tut es gerade gut, mich frei zu schreiben und es ist meine Freiheit, auch mal unkonventionelle Wege zu gehen und ein Buch über Persönlichkeitsentwicklung zu schreiben. Es braucht dieses Buch, um endlich mit all den althergebrachten dogmatischen Annahmen über Menschen und ihre Hunde aufzuräumen.
Es gibt keine Führungseigenschaften, die Menschen in die Wiege gelegt werden und auch nicht die eine wahre Methode, wie man Hunde richtig führen kann. Es stimmt einfach nicht, dass du deinen Hund nur richtig erziehen und ausbilden musst, damit er dir folgt; dass du alleine verantwortlich bist für die Schwierigkeiten in deinem Leben mit Hund; dass dir die körperliche oder mentale Stärke fehlt und du dich daher bitteschön noch mehr anstrengen musst; dass du nur, weil du „so oder so“ bist, deinen Hund nicht durch schwierige Situationen führen kannst und dass es den „richtigen“ Hund für dich gibt.
Führung fängt bei dir an. Es ist eine Haltung, die Kraft der inneren Einstellung, die du zusammen mit deinem Hund entwickeln kannst. Dein Hund kann dir dabei helfen, denn er merkt es ganz genau, wenn du deine innere Freiheit spürst, und du bei dir selbst bist. Methoden, Hilfsmittel und Training sind wichtig, aber es braucht nicht noch mehr davon, um mit deinem Hund persönlich zu wachsen und ihn führen zu lernen. Für Persönlichkeitsentwicklung mit Hund braucht es mehr Freiheit und mehr Freiraum in der Hundewelt und daher braucht es dieses Buch.