Читать книгу Maxi von Phlip (1). Vorsicht, Wunschfee! - Anna Ruhe - Страница 7
ОглавлениеHausarrest in einer Flasche
Als ich die Flasche in die Altglastonne werfen wollte, erschreckte ich mich genauso wie unser Kater. Hinter dem grünen Glas bewegte sich etwas. Aber weil Baron Schnurr nicht aufhörte zu fauchen, verzog ich mich damit in mein Zimmer.
Im Schneidersitz ließ ich mich auf mein Bett plumpsen und drehte die Flasche hin und her. Komisch, was war das eben? Ob vielleicht ein Schmetterling darin eingesperrt war?
Um mehr zu erkennen, wischte ich mit meinem T-Shirt über das Glas. Dabei rollte etwas im Inneren herum. Sofort machte mein Herz einen Purzelbaum, jedenfalls fühlte es sich so an. Das war auf keinen Fall ein Schmetterling!
Wieder starrte ich durch das Glas, und im nächsten Moment sprang ich genau wie Baron Schnurr vor Schreck fast an die Decke. Aus der Flasche funkelten mich zwei Augen an!
Winzige Augen. Und sie gehörten zu einem genauso winzigen Mädchengesicht, das sich von innen gegen das Glas drückte. Wirklich! In der Flasche saß ein Mädchen, das nicht größer war als ein durchschnittlicher Radiergummi!
Ich versuchte, wieder normal zu atmen. Bestimmt hatte nur jemand ein Püppchen dorthinein gesteckt. Schließlich sah durch das zerkratzte Glas alles ganz verschwommen aus.
Doch dann strich sich die Minipuppe plötzlich die Haare aus dem Gesicht und klopfte ungeduldig gegen das Glas. Ich erstarrte zu einem Eiswürfel. Das winzige Mädchen hingegen zeigte mit seinem Finger auf mich und rief irgendetwas, das ich nicht hören konnte.
Ein paar Sekunden vergingen, in denen ich einfach nur auf die Flasche starrte. Doch während ich in meinem Eiswürfel-Zustand verharrte, verzog das Minimädchen genervt sein Gesicht und streckte immer wieder einen Arm pfeilgerade in die Höhe.
Endlich dämmerte mir, was das Mädchen wollte. Ich sollte den Korken aus der Flasche ziehen! Eine Mischung aus Aufregung und einem mulmigen Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Unschlüssig wackelte ich am Korken, woraufhin das Minimädchen in der Flasche auf und ab hopste und eine Pirouette drehte. Dann blieb es stehen, schaute zu mir herauf und nickte wild. Schließlich kniff es die Augen zu, ging in die Hocke, streckte den Po nach hinten und wartete.
Ich holte einmal ganz tief Luft. Gleichzeitig hörte ich es wieder ungeduldig aus der Flasche klopfen. Bestimmt war es nicht gerade toll, dadrin gefangen zu sein. Also atmete ich aus und zog an dem Korken.
Plopp! machte es, und eine violett-türkise Rauchfahne quoll aus dem Flaschenhals. Innerhalb von Sekunden nebelte sie alles von oben bis unten ein. Ich sah überhaupt nichts mehr, nur ein Zischen hörte ich noch. Kurz darauf dröhnte Freudengebrüll durch mein Zimmer. Irgendetwas sauste in einem Affenzahn um mich herum. Wie eine verrückt gewordene Libelle. Ich wedelte mit der Hand durch den Rauch, bis ich wieder etwas erkennen konnte.
Vor mir, mitten auf der Bettdecke, hopste und juchzte das Minimädchen aus der Flasche. Weil ich nicht glauben konnte, was hier gerade passierte, fing ich wieder an zu starren.
Langsam reckte und streckte sich das Mädchen und wuchs von Radiergummigröße auf Kugelschreibergröße an. Ich merkte, dass mein Mund immer noch offen stand, und klappte ihn schnell zu.
Das Mädchen hatte einen Berg roter Locken auf dem Kopf, die bei jedem Hopser auf und ab wippten. Ihre Beine steckten in einer grün und lila geringelten Strumpfhose, darüber trug sie einen hellgrünen Ballerinarock, der steif zu den Seiten abstand. Anstatt Schuhen hatte sie Rollschuhe an. Aber es waren keine Rollerblader, wie die meisten Kinder sie hatten. Die hier sahen aus wie aus einem alten Film. Und dann … kurz rieb ich mir die Augen, weil ich einfach nicht glauben wollte, was ich noch sah. Das Mädchen hatte Flügel! Kleine, zarte Flügel, die wie Seifenblasen schillerten!
»Hi!«, sagte ich zögernd und überlegte, ob ich mir das vielleicht alles gerade nur einbildete.
Das Mädchen hörte mit den Luftsprüngen auf und stemmte einen Arm in die Seite. Es legte den Kopf schief und musterte mich. »Das wurde aber auch langsam mal Zeit. Zwei Jahre, achtzehn Tage und 123 Minuten hab ich dadrin gesteckt!«
»Wie? … Warum das denn?«, fragte ich verdattert.
»Ach, wegen Kleinkram nur. Und … wegen … na ja … den dummen Wunschkieseln. Angeblich hab ich nicht so gut drauf aufgepasst, wie ich sollte. Aber egal, jetzt erst mal das Wichtigste.« Das Mädchen streckte mir ihre winzige Hand entgegen. »Ich bin die Flaschenfee Maximeralda Feodora Dilara Nima von Phlip! Aber du darfst ruhig Maxi von Phlip zu mir sagen – oder einfach nur Maxi. Alles andere dauert immer so lange.«
Die kleine Fee klatschte in die Hände und schaute mich begeistert an. »Und du bist also mein neuer Mensch? Wie superprimibus! Und das Allerbeste: Ab genau jetzt wirst du nie mehr allein sein! Ich bleibe bei dir. Für immer! Also jedenfalls so lange, bis ich genug gute Taten für dich vollbracht habe. Zippozappo-klärchen?«
»Äh … was denn für Taten?«, purzelten die Worte aus meinem Mund.
Doch die Flaschenfee war längst mit etwas anderem beschäftigt und sah sich in meinem Zimmer um.
»Scheint so weit alles okay zu sein«, murmelte sie und testete die Matratze.
»Wieso …?« Ich wusste gar nicht, wo ich mit meinen Fragen anfangen sollte. »Heißt das, dass ich jetzt einen Wunsch frei habe? Oder vielleicht sogar drei?« Vor lauter Aufregung machte mein Herz einen Hopser.
»Fast.« Maxi grinste mich schief an. »Also nicht genau, bloß ein bisschen. Schließlich bin ich ja nur eine Flaschenfee. Und kein Flaschengeist.«
»Hä? Wie kann man denn nur fast einen Wunsch frei haben?« Ich verstand nur Bahnhof.
Maxi zeigte mit ihrem Zeigefinger auf mich. »Meine Aufgabe ist es, für dich viele gute Taten zu vollbringen. Doof ist nur, dass ich gerade nicht alle meine Feenfähigkeiten benutzen darf. Das geht erst, wenn ich wieder eine Fee bin, also keine Flaschenfee mehr.« Maxi zwinkerte. »Aber weil es bestimmt pipileicht ist, sich gute Taten für dich auszudenken, wird dein Leben in nächster Zeit feenostatisch toll werden!«
Ein bisschen zweifelte ich jetzt doch an meinem Verstand. »Aber wenn du keine richtige Fee bist, was …?«
»Ich bin eine richtige Fee!«, unterbrach Maxi mich und stemmte erneut die Arme in die Hüften. »Nur mal kurz und vorübergehend bin ich eine Flaschenfee. Man könnte es so sagen: Flaschenfeen sind beurlaubte Wunschfeen.« Maxi strich sich die Haare zurück, dabei wippte der riesige Berg aus Locken vor und zurück. »Oder auch Wunschfeen mit Flaschenarrest«, nuschelte sie. »Deshalb darf ich gerade nicht alle Sachen machen, die ich eigentlich so kann. Und mein Feenstaub funktioniert leider hin und wieder auch nicht so gut. Allerdings darf ich immer noch fliegen, Dinge durch die Luft schweben lassen, durch Wände gehen, mit dir reden, ohne dass mich sonst jemand hört oder sieht, und noch so einiges mehr. Nur ein paar Kleinigkeiten soll ich zurzeit sein lassen.«
»Wie viele gute Taten musst du denn vollbringen, bis du wieder eine richtige Wunschfee bist?«, fragte ich.
Maxi zeigte auf ihre grüne Flasche. »Das Ding da ist ein Wunscherfüllungs-Barometer. Mit jeder guten Tat, die ich für dich vollbringe, verfärbt sich die Flasche ein bisschen. Erst wenn sie nicht mehr schimmelgrün, sondern zartrosa ist, bin ich keine Flaschenfee mehr.«