Umwege sind auch Wege
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Annabelle Mandeng. Umwege sind auch Wege
Inhaltsverzeichnis
Vorspann
Zwischen den Meeren
Überall und nirgends zu Hause
Fremde und eigene Grenzen
Aufgeben gilt nicht!
Beflügelt
Zwischenspiel: Schwarz? Weiß? Familie!
Finale Berlinale
Abspann
Ich danke Euch!
Impressum
Отрывок из книги
Zwischen den Meeren
Überall und nirgends zu Hause
.....
In den ersten Jahren teilten Ousi und ich uns ein großes Zimmer mit einem Etagenbett, denn solange wir klein waren, fanden wir das großartig, obwohl wir ständig stritten wie die Rohrspatzen. Vor allem um das Fernsehprogramm. Nicht auszudenken, wenn es mehr als drei Programme gegeben hätte. Nur bei Sesamstraße waren wir uns einig. Da Fernsehapparate damals noch keine Fernbedienung hatten, fungierte ich als Ousis Fernbedienung: Er sagte mir, in welches Programm ich umschalten sollte, weigerte ich mich, boxte er mir auf den Arm, woraufhin ich schimpfend aufstand und umschaltete. So nervig! Aber wir hingen aneinander, und brauchte ich einen Beschützer, war mein Bruder immer zur Stelle. Zum Beispiel wenn seine Kumpels es wagten, sich über seine kleine Schwester lustig zu machen. Dann ging Ousi sofort dazwischen und rief: »Hey … Lasst Anna in Ruhe!« In solchen Momenten liebte ich meinen großen Bruder noch mehr als sonst.
Als ich fünf Jahre alt wurde, durften Ousi und ich uns einen Hund aussuchen. Die Wahl fiel auf Dolly, eine hübsche braune Cockerspanieldame. Sie eroberte unsere Herzen im Sturm, aber auch die aller anderen Menschen, die ihr begegneten. Dass ein quirliger Jagdhund erzogen werden muss, entging uns allerdings, und so beherrschte Dolly nur das Allernötigste wie »Sitz!«, »Platz!« und – zur allgemeinen Belustigung – »Gib Pfötchen!«. »Bei Fuß!« hingegen klappte überhaupt nicht; Dolly zog immer an der Leine, als hinge ihr Leben davon ab, schneller als alle anderen zu sein. Dass sie ihr Leben dabei nicht aushauchte, grenzte fast an ein Wunder, so wie sie jedes Mal röchelte. Und Dolly liebte Picknicke, besonders die Leckereien fremder Leute. Hatte sie bei einem Spaziergang mal wieder Hühnchen von irgendeiner Picknickdecke geklaut oder – was sie auch gern tat – ihre Nase unter den Rock einer älteren Dame gesteckt, mussten wir stets so tun, als gehörten wir nicht dazu. Dolly von der Eichenwalde, so ihr vollständiger Züchtername, war eine Hündin von Rang mit null Manieren, aber einer tüchtigen Portion Schalk in ihrem wuscheligen Nacken und von außergewöhnlich friedlichem Gemüt. Wir durften ihr sogar die Ohren über dem Kopf zusammenbinden und ihr eine Pfeife ins Maul stecken, damit sie zu Dolly Sherlock Holmes wurde, oder ihr Kuscheltiere auf den Rücken binden, um sie zu einem Voltigierpferd zu machen. Und riefen wir ihr zu: »Dolly! Sitz, Platz, bei Fuß, gib Pfötchen!«, schmiss sie sich auf den Rücken, wedelte wie wild mit dem Schwanz und erwartete, dass man ihr den Bauch kraulte. Was wir dann auch ausgiebig taten. Dolly war der perfekte Familienhund. Vor allem aber vergötterte sie meine Mutter. Jeden Mittag legte sie sich vor unserem Haus mitten auf die Straße und wartete darauf, dass ihr Frauchen von der Schule zurückkehrte – in dem hässlichsten Ford Taunus, den man sich vorstellen konnte! Heute ein Kultauto, fanden wir die dunkelviolette Karre einfach nur schlimm. Aber sie hat sich bewährt: Als Dolly eines Sommers sechs Welpen zur Welt brachte, behielten wir zwei von ihnen, packten alle drei Hunde in den Fußraum des Beifahrersitzes und kutschierten nach Südfrankreich zum Camping. Die Kupplung des Fords war zwar eine Katastrophe, seine Ausmaße jedoch beeindruckend; nebst drei Hunden und meiner Mutter passten Zelte, Gepäck, Kissen, Kuscheltiere, Ousmène und ich locker hinein.
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