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Kapitel 1 - Im Strudel des Verlangens

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Meine Lider scheinen Tonnen zu wiegen, als ich die Augen aufschlage. Der Nebel des Morgens hat sich wie ein grauer Schleier über New York gelegt.

Ich liebe diese Stunden.

Wenn die Nacht ihre ewige Schlacht mit dem Tag verliert und die ersten Sonnenstrahlen gehorsam vom Sieg künden, wirkt alles wie reingewaschen. Die Sünden der Dunkelheit sind vergessen und man bekommt eine neue Chance alles richtig zu machen. Zumindest, wenn man nicht weiß, wie dieser Tag endet.

Als die wassergeschwängerte Luft sich auf meine Lippen legt und mir die Müdigkeit aus den Knochen treibt, atme ich tief durch und betrete das kleine Café im Financial District. Bevor ich bestelle, überprüfe ich mein Make-up und ziehe meine lockigen, roten Haare zu einem strengen Zopf nach hinten. Zu sagen, dass dies ein Tag wie jeder andere ist, wäre gelogen. Heute sehe ich ihn wieder.

Die Aufgeregtheit wird vom Gefühl der Trauer verdrängt, mein Herz scheint einen Moment auszusetzen, als ich mir einzureden versuche, dass es wahrscheinlich besser so ist. Ich habe meine eigenen Regeln gebrochen, konnte nicht mehr zwischen Realität und allzu süßer Fiktion unterscheiden und jetzt stehe ich vor dem Scherbenhaufen meiner eigenen Unachtsamkeit. Ich könnte mich Ohrfeigen für meine Blödheit.

»Was darf es den sein, Kleines?«, will der bärtige Kellner mit verschmitztem Gesichtsausdruck wissen.

Während ich einen Bagel bestelle nickt er höflich, doch als ich einen Lemonshot hinzufüge, gleiten seine Gesichtszüge herab.

»Wer bestellt sich den morgens um 6 einen Schnaps?«

Ich halte seinem Blick stand.

»Nur die, die Nachts arbeiten müssen.«

Innerlich über mich selbst amüsiert, kippe ich die Flüssigkeit herunter und blicke in den Spiegel. Meine Pupillen, sonst strahlend Grün, sehen müde aus und auch die dunklen Ringe unter den Augen zeugen von einer anstrengenden Nacht. Wie konnte es nur soweit kommen?

»Du hast da Ketschup«, weißt mich der Kellner hin, während er mein Frühstück an den Tisch bringt.

Es ist kein Ketschup und die Ausbuchtung an meiner Jacke ist auch kein zu groß geratenes Telefon, sondern eine Beretta. Eine eben noch abgefeuerte Beretta.

Ich bedanke mich freundlich und ziehe meine schwarze Lederjacke über die Bluse. Auch mein Rock weist einige rote Flecken auf, die sich dunkel abheben. In der Gewissheit, dass ich unbeobachtet bin, schlage ich die Beine übereinander und esse meinen Bagel.

Unwissenheit ist ein Segen. Könnte ich doch einfach nur den Tag genießen, ohne zu wissen, was nur wenigen Menschen auf dieser Erde bekannt ist. Doch dieses Schicksal scheint mir nicht vergönnt.

Die Gedanken werden von dem Mobiltelefon in meiner Tasche unterbrochen. Mein Atem stockt.

Nein, bitte nicht. Bitte.

Wie auf Kommando wird mein Mund trocken und der Raum scheint in Bruchteilen von Sekunden einige Grad wärmer geworden zu sein. Verstohlen blicke ich mich um und ertaste blind mein Handy. Ihn alleine meine Telefonnummer zu geben grenzt an Wahnsinn, verstößt gegen jede Regel und ist darüber hinaus noch überaus gefährlich.

Als ich die Tastensperre löse, vergesse ich fast zu atmen. Ein Blick auf das Display schenkt mir Gewissheit. Die Kurznachricht kam von ihm. Ryan.

»Sarah, jeden Morgen an dem ich aufwache und dich nicht küssen kann, wird es mir schlecht gehen.«

Wie hypnotisiert starre ich auf den Text. Meine Augen huschen durch das Café und verraten mir, dass ich noch alleine bin. Ich muss Schlucken um das trockene Gefühl aus meinem Mund zu bekommen. Wie in Trance schreibe ich zurück.

»Ich würde dich jetzt so gerne küssen und in deinen Armen liegen. Ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen.«

Verdammt, was machst du da? Augenblicklich habe ich ein schweres Gefühl in der Magengegend. Warum tut er mir das nur an? Als ob ich nicht schon genug leide. Als ob es einfach für mich wäre. Schnell sende ich eine zweite SMS.

»Warum schreibst du so etwas? Willst du mich quälen?«

Unruhig stelle ich mein Handy auf Lautlos und lege es neben den Teller. Alleine der Gedanke an ihn löst bei mir beinahe eine Panikattacke aus. Nur mit viel Mühe kann ich mich ablenken und trotzdem klebt der Gedanke an mir wie eine bleierne Fessel, die ich hinter mir herziehe. Während ich einen Kaffee bestelle, versuche ich mir einzureden, dass die Entscheidung bereits getroffen ist. Ich ertappe mich dabei wie ich mir vorstelle jetzt in seinem Bett zu liegen. Mit ihm. Seine Lippen zu küssen und seine Haare festzuhalten, während ich seinen Hals liebkose. Glücklicherweise werden die Gedanken von anderen Gästen unterbrochen, die nun immer zahlreicher das Cafe betreten. Eine neue Nachricht. Schläft der Typ eigentlich nie?

»Ich schreibe es, weil es die Wahrheit ist. Du bist wie eine Droge. Wenn ich Nachts alleine liege, spüre ich immer noch deine Lippen. Du machst süchtig.«

Ich merke gar nicht wie meine Hand langsam die Seiten meines Halses herunterfährt. In Gedanken stelle ich mir vor, dass ich sein Schlüsselbein küsse, während meine Hände seinen Nacken umschlingen. Mein Herz pocht auf einmal wie wild, als ich mit zitternden Fingern zurückschreibe.

»Ryan, das ist falsch und das weißt du auch. Wir arbeiten bei verschiedenen Firmen, wir sind Feinde. Das hätte niemals passieren dürfen. Du kennst das Geschäft.«

Nur Sekunden später leuchtet das Display erneut auf.

»Ich weiß, dass es falsch ist, dass ich uns beide in Gefahr bringe. Es tut mir leid. Trotzdem muss ich dich sehen.«

Ich fühle, wie sich eine Strähne aus dem Zopf löst und meine Nase verspielt kitzelt, während ich auf das Telefon starre. Dabei merke ich, wie ich langsam eine Gänsehaut bekomme, nur weil ich an das gemeinsame Aufwachen mit ihm denke. Wie er mir die Decke von meinem nackten Körper zog, ganz langsam, sodass ich jeden Zentimeter meines Rückens spürte. Wie er meinen Nacken mit Küssen übersäte und ich ohne es zu wollen langsam aufstöhnte. Wie er mit seinen Fingern zärtlich über meine Schulterblätter fuhr, und jede seiner Bewegungen eine brennende Spur hinterließ. Wie er die Innenseite meiner Beine streichelte und immer größere Kreise zog, bis ich ihn anflehte mich umdrehen zu können. Wie er mit ruhiger Dominanz mich wieder auf das Bett drückte, um die gezeichneten Kreise auf meiner Haut immer größer werden zu lassen. Es war Himmel und Hölle zugleich. Nach einer gefühlten Ewigkeit zog er mich endlich zu sich hin und schenkte mir einen tiefen, erlösenden Kuss.

Es kommt mir jetzt noch vor wie ein Traum, ein allzu realer Traum. Allein durch die Erinnerung spüre ich die Wärme in mir hochkommen und ich muss ein paar Mal tief Luft holen, um diese zu unterdrücken. Schnell schreibe ich ihn zurück.

»Wir sehen uns heute Abend. Dann reden wir. Sarah«

Es gibt keinen Grund zu lügen. Nicht mehr. Wir sind Feinde. Ich hatte einen verdammten Auftrag und er hatte seinen. Doch aus einem gefährlichen Spiel wurde anfängliche Sympathie und aus dieser wurde …

Ich verbiete mir diesen Gedanken auszuformulieren.

Das unterschwellige Summen der Lampen kommt mir auf einmal unglaublich laut vor, das Gerede der Menschen scheint ohrenbetäubend. Ich kann selbst nicht glauben, dass ich das gerade geschrieben habe. In mir steigt eine nicht gekannte Wut hoch. Innerlich lache ich mich selber aus. Du hast die Regel Nummer eins verletzt, meine liebe. Die wichtigste, die einzige: Das Spiel heißt verführen, wer sich verliebt, verliert!

»Ich freue mich dich heute Abend zu sehen. Fühl dich geküsst und zwar wohin du willst …«

Die Buchstaben brennen sich wie flammende Insignien in meine Augen. Sein schelmischer Humor hat mich schon immer fasziniert. Ein weiter Grund ihn eigentlich nur zu hassen, schließlich weiß ich genau, was er damit sagen will. Obwohl ich mich mit allen Mitteln versuchen sollte abzulenken, schweifen meine Gedanken automatisch ab. Seine Küsse waren wie Folter. Vor meinem geistigen Auge erwachen unsere Nächte wieder zum Leben. Absichtlich schreibe ich nichts zurück. Jede Antwort wäre an dieser Stelle überflüssig.

Schmerzhafte Verführung - Dem Feind ausgeliefert!

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