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Heirat als Lebensziel – von alten Jungfern und neuen Singles

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„Überall, wo ‘ne gute Partie zu machen ist, da muss ich in die Erscheinung treten.“

28-jähriges Mädchen im 19. Jahrhundert

Effi Briest kam vom Garten hereingestürmt. Sie war 17 Jahre alt, aber sie liebte es immer noch, herumzutoben oder mit ihren Freundinnen Verstecken zu spielen. Ihre Mutter hatte sie gerufen. Sie sollte sich noch etwas Hübsches anziehen, bevor der Besuch kam: Baron von Innstetten. Mit erhitztem Gesicht und zerzausten Haaren stand sie vor ihrer Mutter, die sich plötzlich ganz anders entschied: „Es ist am Ende das Beste, du bleibst wie du bist. Ja, bleibe so. Du siehst gerade sehr gut aus. Und wenn es auch nicht wäre, du siehst so unvorbereitet aus, so gar nicht zurecht gemacht, und darauf kommt es in diesem Augenblicke an.“ Dann offenbarte sie ihrer Tochter, dass Baron von Innstetten gerade eben um ihre Hand angehalten habe. Effi Briest sah ihre Mutter ungläubig an. Baron von Innstetten war ein früherer Verehrer ihrer Mutter und mit seinen 38 Jahren genauso alt wie sie! Als ob sie ihre Gedanken erraten hätte, erklärte Frau von Briest: „Er ist freilich älter als du, was alles in allem ein Glück ist, dazu ein Mann von Charakter, von Stellung und guten Sitten, und wenn Du nicht ‚nein‘ sagst, was ich mir von meiner klugen Effi kaum denken kann, stehst Du mit 20 da, wo andere mit 40 stehen.“

Bevor Effi antworten konnte, kam Baron von Innstetten auf sie zu und verneigte sich galant vor ihr. Zwei Tage zuvor hatte sie ihn zum ersten Mal gesehen und ihren Freundinnen von seinem weltgewandten Auftreten vorgeschwärmt. Ja, er machte wirklich eine gute Figur.

Am selben Tag fand die Verlobung statt. Noch am Nachmittag hatte sie sich mit ihrer Freundin Hulda im Garten übers Heiraten unterhalten und selbstsicher verkündet, dass sie bestimmt einen Mann bekommen würde. Aber dass sie eine Stunde später schon verlobt sein würde, hätte sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Dabei war Hulda älter als sie.

Nach dem Verlobungsessen entschuldigte sich Effi und ging zu ihrer Freundin. Innerlich triumphierte sie: „Ich glaube, Hulda wird sich ärgern. Nun bin ich ihr doch zuvorgekommen – sie war immer zu eitel und eingebildet.“ Hulda nahm die Neuigkeit gelassen hin. Ihre jüngere Schwester Hertha hingegen fragte neugierig, ob Effi sich sicher sei, dass Baron von Innstetten der Richtige wäre. Effi antwortete darauf: „Gewiss ist es der Richtige. Das verstehst Du nicht, Hertha. Jeder ist der Richtige. Natürlich muss er von Adel sein und eine Stellung haben und gut aussehen.“ Ob sie denn auch schon ganz glücklich sei, hakte Hertha nach und Effi erwiderte: „Wenn man zwei Stunden verlobt ist, ist man immer glücklich. Wenigstens denk‘ ich es mir so.“

„Ich könnte mich nie in einen jungen Menschen von 21, 22 Jahren ‚verlieben‘, glaube ich, richtig verlieben. Nein, der Mann, den ich lieben werde, muss wirklich männlich sein und ernst und gut.“

Paula, 19 Jahre, Tagebucheintrag von 1912, Deutsches Tagebucharchiv

Das vorgesehene Lebensglück für Mädchen aus dem Bürgertum und dem Adel war zu heiraten. Das hatten sich die jungen Mädchen so verinnerlicht, dass sie darin ihre ganze Erfüllung sahen. Nur durch eine Heirat waren sie versorgt. Und es war die einzige Karriere, die eine Tochter aus gutem Hause machen konnte. Je vermögender der Ehemann und je besser seine berufliche Position, umso höher stand sie in der Gesellschaft. Wenn er noch gute Manieren hatte und ein ansprechendes Äußeres, umso besser. Körperliche Makel waren jedoch kein Hinderungsgrund. In Thomas Manns Roman Buddenbrooks musste Antonie, genannt Tony, Herrn Grünlich heiraten, obwohl er eine hässliche Warze mitten im Gesicht hatte. Tony störte sich schrecklich daran, zumal sie ihn nicht liebte. Er sei ihr immer widerlich gewesen, sagte sie später zu ihrem Vater, als er sie wieder in ihr Elternhaus zurückholte, nachdem die Ehe gescheitert war. Herr Grünlich, so stellte sich nach vier Jahren Ehe heraus, war zahlungsunfähig und hatte Tony nur wegen ihrer Mitgift geheiratet.

Das Schlimmste, was einem bürgerlichen Mädchen passieren konnte, war, ledig zu bleiben. Denn nur als Ehefrau war es ein vollwertiges Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft. Als bemitleidenswerte „alte Jungfer“ zu enden, war ein Schreckensszenario, das es mit allen Mitteln zu vermeiden galt. „Jungfer“ war im 17. und 18. Jahrhundert eine Ehrenbezeichnung für ein unverheiratetes bürgerliches Mädchen. Als der Begriff aus der Mode kam, wurden aus jungen Mädchen „Fräuleins“ und aus älteren Mädchen „alte Jungfern“.

„Es ist Cousine Emma hier. Sie ist geschickt, wirtschaftlich, sie ist klug und weiß zu sprechen. Sie kann sich in jeder Gesellschaft bewegen, sie wird ihren Mann stets mit Geplauder unterhalten. Wenn ich jetzt mich betrachte. Abgesehen von dem Äußeren, daran weiß ich nichts zu ändern. Ich bin immer so schweigsam, weiß gar nicht liebenswürdig zu unterhalten, habe nicht viel gelesen und was ich auch gelernt und gelesen – ich vergesse es. Ach, besser, wenn ich an die Zukunft nicht denken möchte, (…) einen ordentlichen Mann zu bekommen.“

Ottilie K., 18 Jahre, Tagebucheintrag 1889, Deutsches Tagebucharchiv

Mit einer ledigen Frau wusste das Bürgertum nichts anzufangen. Sie konnte keinen Beruf erlernen, denn der weibliche Beruf war Muttersein. Der Sozialökonom und Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897) empfahl 1855 in seinem Buch über die Familie: „Wenn eine wohlhabende Frau einsam steht, dann soll sie sich vorerst umschauen, ob in ihrer Sippe keine Familie ist, bei der sie als ‚alte Tante‘ einziehen kann und mitarbeiten am Hause. […] Kann sie nicht alte Tante werden, dann gibt es vielleicht ein Asyl, wo sie arme Kinder erziehen und als in einer großen Familie mit den anderen Frauen zusammenleben und wirken kann.“

Die Idee der Frauenkommune, die Wilhelm Heinrich Riehl vorschlug, konnte sich nicht so richtig durchsetzen. Das Modell „alte Tante“ hingegen war sehr verbreitet, auch bei den Jüngeren. Viele lebten im Haushalt des Bruders oder der Schwester und machten sich dort nützlich. Sie stopften Socken oder verzierten Taschentücher mit feinen Stickereien, je nachdem wie vornehm die Familie war. Auch wenn eine ledige Frau eine wirkliche Entlastung im Haushalt war und die Kinder sie liebten, blieb das Gefühl, ein Anhängsel zu sein.

„Ich habe geirrt, ich bin wieder allein. Und mein Herz sehnt sich so sehr nach Liebe. Warum führt mich der Weg immer nur am Glück vorbei?

Marga, 28 Jahre, Tagebucheintrag von 1933, Deutsches Tagebucharchiv

Es gab für unverheiratete Frauen nur wenige Alternativen. Sie konnten als Gouvernante oder Hauslehrerin arbeiten oder als Nonne in einen Orden eintreten. Ein Leben im Kloster war dabei nicht das Schlechteste. Dort durften sie lernen, Bücher lesen, schreiben und konnten ihre Talente entfalten. Manche eigneten sich ein Expertenwissen in Bereichen wie Medizin, Musik oder Ernährung an. Hildegard von Bingen hätte als Frau nirgendwo sonst ihre vielseitige Begabung in dieser Weise entfalten können. Im Gegensatz zu anderen ledigen Frauen war den Nonnen die gesellschaftliche Anerkennung sicher. Mit einer betenden Familienangehörigen im Orden war das Seelenheil auch außerhalb der Klostermauern so gut wie gesichert.

Als Gouvernante und Hauslehrerin waren die Frauen versorgt, weil sie bei der Familie lebten, bei der sie arbeiteten. Auch wenn sie ihr eigenes Geld verdienten, erhielt diese Arbeit nie die gesellschaftliche Anerkennung wie die Berufstätigkeit der Männer. Mag die Frau noch so sehr in ihrem Beruf aufgegangen sein, es blieb nach außen eine Notlösung.

Der Druck zu heiraten war groß. Und er stieg mit zunehmendem Alter. Der Schriftsteller Herrmann Sudemann erzählt in seinen Erinnerungen von der Begegnung mit einer jungen Frau in der Mitte des 19. Jahrhunderts: „Und dann fing sie aus freien Stücken von ihrem Schicksal zu reden an: ‚Ich bin achtundzwanzig und schon ein spätes Mädchen. Heiraten soll ich durchaus, drum werde ich ‘rumgeschickt. Überall, wo ‘ne gute Partie zu machen ist, da muß ich in die Erscheinung treten. Und war es mal wieder nichts, dann geht die Geschichte von neuem los, die wechseln sich ab. Und alle haben eine Heidenangst, daß ich sitzen bleibe, denn dann lieg‘ ich ihnen für immer auf dem Hals. Gelernt habe ich nichts. Dafür war meine Kinderstube zu fein. Höchstens Hausdame könnte ich werden. Repräsentation nennt man das wohl. Bei einem älteren Witwer, es mag auch ein Junggeselle sein, der sich dann vielleicht in einen verliebt. Und wenn er auch grau und picklig ist, dafür muß man Gott danken, denn das ist die einzige Karriere, die man zu machen hat.‘“

„Wenn man jemanden gerne hat, darf man es nicht merken lassen, muss immer schön züchtig vor sich sehen. Ach, ein Weib ist ein armseliges Ding, hat einen so reichen Schatz an Liebe im Herzen und die Triebe müssen verwelken. Das Los einer Blume, blühen, duften und verwelken. Der Gedanke, alte Jungfer zu werden, hat etwas Fürchterliches für mich.“

Paula B., 1901, aus: Mein Leben, Deutsches Tagebucharchiv

Im Bürgertum des 19. Jahrhunderts herrschte die Überzeugung, dass Frauen und Männer nur zusammen ein Ganzes bildeten. Jeder brauchte den anderen zur Ergänzung. Deshalb wurden die Eigenschaften von Frauen und Männern, die „Geschlechtscharaktere“, wie man damals sagte, als Gegensatz gesehen: Männer sind aktiv, Frauen passiv. Männer sind rational, Frauen emotional. Die Lebenswelt der Männer ist der Außenbereich, also Beruf und Politik, die der Frauen hingegen ist der häusliche Bereich, also Familie und Haushalt. Mit dieser klaren Zuteilung haben sich Männer die Herrschaft gesichert. Erst als die Frauen in die Universitäten drängten und den Männern bewiesen, dass sie mehr als Kinder gebären, Gobelins sticken und leichte Konversation führen können, fiel diese Konstruktion in sich zusammen. Doch bis dahin war es noch ein langer Weg.

Dass man ohne die Ergänzung durch das andere Geschlecht nur ein unvollkommenes Wesen war, galt vor allem für ledige Frauen. Bei ledigen Männern nahm man es mit der Unvollkommenheit nicht so genau. Sie hatten es einfacher. Zwar sah man ihre gesellschaftliche Aufgabe ebenfalls darin, eine Familie zu gründen und für Nachwuchs zu sorgen, aber wenn ein Mann nicht die richtige Frau fand oder lieber seine Freiheit genoss, musste er nicht mit Ausgrenzung oder Mitleid rechnen. Er hatte ja seinen Beruf. Dadurch war ihm die gesellschaftliche Anerkennung sicher. Wenn er dann auch noch Gelehrter oder Künstler war, konnte er mit größtem Verständnis rechnen, denn die Kunst und die Wissenschaft verlangten völlige Hingabe.

„Sehr geehrtes, liebenswürdiges Fräulein!

Nicht als ob ich mich mit einer Ihnen befremdenden Angelegenheit an Sie, verehrtes Fräulein wenden würde, nein, in der Überzeugung, daß Ihnen längst mein stilles, aber beständiges Harren auf Sie bekannt ist, ergreife ich die Feder, um Sie zu belästigen. Meine größte und innigste Bitte, die ich hiermit an Sie, Frl. Josefine, zu richten wage, ist, Fräulein Josefine wollen wir gütigst offen und aufrichtig Ihre letzte und endgiltige aber auch ganz entscheidende Antwort schriftlich zu meiner künftigen Beruhigung mitteilen und zwar über die Frage: Darf ich auf Sie hoffen und bei Ihren lieben Ältern [Eltern] um Ihre Hand werben? Oder ist es Ihnen nicht möglich aus Mangel an persönlicher Zuneigung mit mir den ehelichen Schritt zu thun?“

Der Musiker Anton Bruckner (1824–1896) an Josefine Lang. Seine Liebe blieb unerwidert. Er blieb zeitlebens ledig.

Ein unverheirateter Mann konnte sich ein bequemes Leben einrichten. Er ging seiner Berufung nach und zu Hause sorgte eine Haushälterin oder eine weibliche Verwandte für ein warmes Mittagessen und frische Wäsche. Jakob (1785–1863) und Wilhelm (1786–1859) Grimm lebten zusammen mit ihrer Schwester Lotte (1793–1833), die den Haushalt versorgte. So konnten sich die beiden Sprachwissenschaftler ganz ihren Forschungen widmen. Ihre Märchen- und Sagensammlungen machten sie in der ganzen Welt berühmt, aber ihre eigentliche Leistung war die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Sprache. Das Mammutwerk „Deutsches Wörterbuch“, das sie begannen und die nachfolgenden Generationen fertigstellten, ist nur ein Teil ihrer unglaublich produktiven Arbeit. Die beiden Professoren gelten als die Begründer der Germanistik. Als Lotte auszog, um zu heiraten, nahm Wilhelm kurzerhand seine Jugendfreundin Dorothea Wild zur Frau, die dann den Haushalt machte. Ansonsten blieb fast alles beim Alten. Die beiden Brüder wohnten, statt mit der Schwester, nun mit Wilhelms Frau Dorothea zusammen. Sie verbrachten weiterhin ihre Tage in Archiven und Bibliotheken, während Dorothea für das leibliche Wohl sorgte. Sie nahm es gelassen, dass es ihren Mann nur im Doppelpack gab und sprach scherzhaft von „ihren beiden Männern“. Immerhin entsprangen aus dieser Ehe drei Kinder.

Ein beruflich erfülltes Leben war ledigen Frauen nur selten möglich. Wenn doch, dann steckte meistens ein Mann dahinter. Caroline Herrschels (1750–1848) Lebensweg war vorgezeichnet. Als ledige Frau sollte sie ihrem Bruder Wilhelm, der in England lebte, den Haushalt besorgen. Er war Musiker in dem Badeort Bath. Aber Wilhelm hatte Größeres mit seiner Schwester vor. Er bildete sie zur Sängerin für sein Orchester aus. Zusammen feierten sie große Erfolge. Als Wilhelm sich immer mehr seiner großen Leidenschaft, der Astronomie, widmete, machte er aus der Sängerin mittels einer häuslichen Intensiv-Umschulung seine persönliche Assistentin. Statt Gesangsübungen und Tonleitern, lehrte er sie nun das griechische Alphabet, Arithmetik, das Einmaleins und Grundkenntnisse in Geometrie. So hatte sie neben dem Abwasch und Bügeln auch noch ihr Lernpensum zu bewältigen. Dabei war Wilhelm äußerst streng. Sie schrieb in ihren Erinnerungen. „Er verkürzte mir zuweilen das Mittagessen, wenn ich den rechten Winkel des Stück Pudding, das ich mir genommen, nicht gleich anzugeben wusste.“ Die Nächte waren auch nicht erholsamer, denn sobald es dunkel wurde, erkundete sie mit ihrem Bruder das Himmelsgewölbe, das heißt, meistens saß er am Fernrohr und sie lief hin und her, um ihm die nötigen Dinge zu bringen und seine Beobachtungen zu notieren. Wenn ihr Bruder auf Reisen war, beobachtete sie die Sterne. Das fand sie allerdings sehr mühsam und zeitraubend, denn statt das wandelnde Lexikon Wilhelm zu fragen, musste Caroline sich alles selbst erarbeiten und nachlesen. Das war vor Wikipedia. Mit der Zeit erwarb sie sich jedoch ein profundes Wissen. Am Himmelsgewölbe kannte sie sich bald so gut aus wie in ihrer Schürzentasche. Deshalb entging ihr auch kein Neuankömmling am Himmel. Am 1. August 1786 notierte sie: „Ich habe heute einhundert Nebulae berechnet und diesen Abend erblickte ich ein Object, das sich, glaube ich, morgen Nacht als Komet ausweisen wird.“ Und tatsächlich: Es war ein Komet! Mit dieser sensationellen Entdeckung trat sie aus dem Schatten ihres Bruders, der bereits ein berühmter Astronom war. Wilhelm freute sich über ihren Erfolg und gratulierte ihr zu dieser Leistung. Als Caroline Herrschel ein Jahr später von König Georg III. von England ein jährliches Gehalt von 50 Pfund zugewiesen bekam, wurde sie endgültig als Astronomin ernst genommen. Caroline Herrschel hatte in ihrem Beruf Erfüllung und Anerkennung gefunden, wie es nur wenigen ledigen Frauen möglich war.

Am Anfang gehören alle Gedanken der Liebe. Später gehört dann alle Liebe den Gedanken.

AIbert Einstein

Für Frauen entstand der Druck, heiraten zu müssen, nicht nur, um versorgt zu sein, sondern auch, weil eine unverheiratete Frau eine Außenseiterin war. In größerer Gesellschaft war sie das fünfte Rad am Wagen und ohne männliche Begleitung konnte sie kaum ausgehen. Die französische Schriftstellerin George Sand (1804–1876) löste das Problem auf ihre eigene Weise. Sie kleidete sich als Mann und konnte so alleine ins Theater gehen oder Museen besuchen – ganz ohne männliche Begleitung. Die Verkleidung hatte noch einen anderen entscheidenden Vorteil: Als „Mann“ konnte sie die preiswerten Plätze im Parterre kaufen und musste nicht die teuren Logen nehmen, die für Damen vorgesehen waren.

„Ich muss wiederholen, was ich Ihnen schon unzählige Male gesagt habe, mehr als freundlich kann ich Ihnen nicht sein. […] Verderben Sie sich und mir das Zusammensein nicht. Müssen Sie mir denn ewig von dieser unseligen Leidenschaft sprechen? Ich darf es eigentlich gar nicht anhören.“

Die verwitwete Henriette Herz an Ludwig Börne, einem jungen Verehrer, 1803

Während unverheiratete Frauen im Bürgertum ausgegrenzt waren, sah es auf dem Land ganz anders aus. Dort gab es viele ledige Frauen und Männer. Für Mägde, Knechte und Tagelöhner galt ein Heiratsverbot. Bis 1825 durften nur diejenigen heiraten, die Grundbesitz hatten. Erst später, als es reichte, genügend Einkommen für einen Hausstand nachzuweisen, konnten Mägde und Knechte mit Fleiß und Sparsamkeit eine Heiratserlaubnis bekommen. Diese strenge Regelung galt bis 1916.

Im Gegensatz zum Bürgertum waren die Unverheirateten auf dem Land vollwertige Mitglieder der Dorfgemeinschaft. Ohne die Arbeit der Magd, der ledigen Schwester oder des alten Onkels hätten die Großbauern überhaupt nicht existieren können. Sie alle waren Teil des „ganzen Hauses“. Damals wurde noch nicht zwischen Familie und Dienstboten unterschieden. Zum „ganzen Haus“ gehörten alle, die dort wohnten und arbeiteten. Bei den Mahlzeiten aßen alle zusammen an einem Tisch, manchmal auch getrennt: der Bauer mit den Knechten an einem Tisch und die Bäuerin mit den Mägden und den Kindern am anderen. Und wenn es etwas zu feiern gab, waren alle dabei. Einsamkeit kannten ledige Frauen und Männer auf dem Land nicht. Und sie waren auch kein Anhängsel. Im Gegenteil, für manche Kinder waren die ledige Tante oder die Magd die engsten Vertrauten. In Astrid Lindgrens Geschichten über Michel aus Lönneberga ist es der Knecht Alfred, dem das Herz des schwedischen Jungen gehört. Mit ihm geht er angeln, ihm erzählt er seine Sorgen und mit ihm philosophiert er über alle Lebensfragen, die einen kleinen Jungen beschäftigen. Die Zuneigung ist gegenseitig. Gegen diese „Männerfreundschaft“ hat nicht mal die Magd Lina eine Chance, die all ihren Charme aufbietet, um Alfred für sich zu gewinnen.

Frauen auf dem Land waren nicht darauf angewiesen zu heiraten. Dora Prinz, eine 1919 geborene Magd aus dem Allgäu, schätzte ihre Freiheit sehr. Als die Bäuerin fragte, ob sie nicht heiraten wolle, antwortete sie: „Eine anständige Arbeit ist mir lieber als ein Kerl.“ Dora Prinz hatte zu viele Männer gesehen, die faul und herrschsüchtig waren und zu viel tranken. Rückblickend erzählt sie: „Ich wollte niemanden, der mich schikanierte. Alles, was ich wollte, waren mein Frieden, meine Arbeit, mein Geld, meine Tiere. Und ab und zu ein nettes Fest.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Frauen alleinstehend. Sie waren deutlich in der Überzahl, weil viele Männer im Krieg gefallen waren. Die Frauen reagierten darauf ganz unterschiedlich. Die einen versuchten, einen der wenigen Exemplare zu ergattern oder ihre Ansprüche herunterzuschrauben. Andere Frauen sahen im Ledigsein die Chance, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Heiraten ja, wenn es passt, aber nicht um jeden Preis.

„Inzwischen sind die Frauen dann aber langsam in leitende Stellungen aufgestiegen, selbständiger geworden und die Arbeit macht ihnen nun auf einmal wirklich Spass. [...] Und deshalb geben sie sie auch nicht so ohne weiteres auf, wenn nun ein Mann kommt und ihnen anbietet, sein Essen zu kochen, statt 20 Verkäuferinnen zu beaufsichtigen.“

Aus einer Sendung des Frauenfunks (Bayerischer Rundfunk), 1949

Im Frauenfunk des Bayerischen Rundfunks erklärt eine Redakteurin 1948 den Männern die neue Sachlage:

„Rein statistisch gesehen haben die Männer heute mehr Chancen bei den Frauen als früher. Aber ziehen Sie keine falschen Konsequenzen daraus, meine Herren. Verlassen Sie sich nicht allzusehr auf Ihre zahlenmässige Überlegenheit. Eine richtige Frau bleibt wählerisch, auch wenn das Angebot knapp ist. Die lässt sich nicht zu Angstkäufen hinreissen! Man will schliesslich hernach nicht mit so einem Ladenhüter dasitzen! Also, meine Herren, wenn Sie eine kluge Frau wollen, dürfen Sie sich auch heute noch ein bisschen anstrengen! Wir schauen auf Qualität: so eine einmalige Anschaffung muss ja schliesslich auch ziemlich lang herhalten, nicht wahr?“

Partnersuche wurde vom Frauenfunk gelassen gesehen. In einer anderen Sendung von 1949 hieß es: „Übrigens – in Alaska, hab ich neulich gelesen, gäbs Männer genug. Da treffen auf 2500 Männer zwischen 20 und 24 Jahren nur 1156 Frauen. Aber mei – gell – wer mag schon bis nach Alaska – bloss wegn am Mann!“

Heute können Frauen frei entscheiden, wie sie leben wollen. Heiraten ist kein Muss mehr. Frauen heiraten nicht, um versorgt zu werden, sondern aus Liebe. Und auch Männer wollen um ihrer selbst geheiratet werden und nicht mehr auf die Funktion des Ernährers reduziert werden. Da können sie sehr empfindlich reagieren, wie folgender Fall zeigt: Auf einer amerikanischen Datingbörse suchte eine 25-jährige Frau – nach eigenem Beschreiben sehr attraktiv – einen Mann mit einer halben Million Jahreseinkommen. In New York, so rechtfertigte die junge Frau ihre ehrgeizigen Pläne, sei diese Summe nicht überzogen, denn damit könne man sich sowieso nur ein bescheidenes Mittelklasse-Leben leisten. Niemand reagierte. Als die Heiratskandidatin verzweifelt nachhakte, wo denn die reichen Junggesellen abhängen würden, erklärte ihr ein Mann, der sich als Banker mit dem gewünschten Gehalt ausgab, worin das Problem läge: Der Tausch Schönheit gegen Geld, und darum ginge es ja, könne nicht funktionieren, denn die junge Dame würde mit der Zeit ihre Schönheit verlieren, er aber nicht sein Geld. Ökonomisch gesehen sei sie ein Abschreibeobjekt. Sie solle den Wunsch nach einem reichen Mann begraben und lieber versuchen, selbst eine halbe Million Jahreseinkommen zu verdienen.

Was dieser Banker umständlich erklärt, bringt der Bauer mit wenigen Worten auf den Punkt: Schönheit vergeht, Hektar besteht. Bauernsöhnen wurde schon früh eingeimpft, bei einer Heirat auf die wahren, bleibenden Werte zu achten.

Glückstipps zur Partnerwahl

„Nehmen Sie mal alle realen Partner aus Ihrem Leben zusammen – nein Jennifer Lopez und Brad Pitt gelten nicht als realer Partner -, also alle, die Sie schon einmal hatten oder mehrmals hatten, und alle, die Sie hätten haben können. Wenn Ihr gegenwärtiger Partner im Vergleich besser ist als der Durchschnitt, sind Sie schon ziemlich gut! Sollte er gar im gefühlten oberen Drittel anzusiedeln sein, dann hören Sie auf, nach etwas Besserem zu suchen! Und das, was Sie haben, schlechter zu machen, als es ist. Viel wichtiger, als jemanden zu finden, der perfekt zu einem passt, ist, jemanden zu finden, der mit unserer Form von Liebe und Zuneigung etwas anfangen kann und will. Für das eigene Glück ist lieben zu können viel wichtiger, als geliebt zu werden. Und das kann man auch auf viele Menschen verteilen. Wenn Sie gerade keinen Partner haben: Gute Freunde sind unterm Strich viel wichtiger für das Glücksempfinden. Also Singles – entspannt euch. Gute Freundschaften halten im Schnitt viel länger als Ehen!“

Aus: Eckart von Hirschhausen, Glück kommt selten allein

Das Leben der Singles heute sieht ganz anders als das der ledigen Frauen früher. Alleinstehende Frauen sind meistens nicht alleine. Sie haben zwar keinen Partner, aber eine Menge Freundinnen und Freunde. Der Beruf ist für sie mehr als nur bloßer Broterwerb und Langeweile in ihrer Freizeit kennen sie nicht. Die Vorteile des Singleseins wissen sie zu schätzen. Man hat die Herrschaft über die TV-Fernbedienung und kann in sein Sofa sinken, ohne erst mal narkotisierende Socken wegräumen zu müssen. Und zum Reden hat sie ihre Freundinnen. Oder auch eine Katze. Die hört wenigstens zu. Das Leben als Single ist weitaus konfliktärmer als eine Partnerschaft, so erleben es viele Frauen, nachdem ihre Beziehung in die Brüche gegangen ist.

Und doch bleibt die Sehnsucht nach einem Gegenüber, nach jemandem, dem man sich zugehörig fühlt, mit dem man seinen Alltag teilen möchte. Mit diesem Herzenswunsch steht man nicht alleine. Wir leben heute in einer Singlegesellschaft, weil Beziehungen schneller zerbrechen. Es gibt viele, die auf Partnersuche sind. Die Chance, jemanden zu finden, ist groß. Mit dem Internet haben sich ganz neue Möglichkeiten aufgetan.

Heute haben auch Frauen viel mehr Handlungsspielraum als jemals zuvor. Sie müssen nicht mehr abwarten, bis ein Mann auf sie aufmerksam wird, sondern können selbst den ersten Schritt machen – nicht nur online, sondern auch offline in der Kneipe oder im Urlaub.

Offenheit für Menschen ist eine wichtige Voraussetzung. Es lohnt sich, sein enges Beuteschema zu überdenken. Manchmal entdeckt man erst auf den dritten oder vierten Blick, dass der Mann, der ziemlich genau das Gegenteil von einem Traummann ist, gut zuhören und wunderbar kochen kann.

Und dennoch: Eine Liebesbeziehung kann man nicht erzwingen. Vieles ist möglich, aber nicht alles ist machbar. Auch wenn manche Lebenswünsche sich nicht verwirklichen, es gibt trotzdem ein erfülltes Leben. Den Reichtum im eigenen Leben zu entdecken und ihn zu genießen, hängt nicht davon ab, ob man in einer Partnerschaft lebt oder Single ist.

Mr. Right und Lady Perfect

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