Читать книгу Mein großer Marsch für die kleinen Riesen - Annika Mundschenk - Страница 7

Оглавление

Die Idee

In den letzten zwei Jahren wurde ich oft für verrückt gehalten. Hundert Kilometer in vierundzwanzig Stunden zu erwandern, da muss man ja verrückt sein. Ich beantwortete das immer mit einem Lächeln und sagte, dass hundert Kilometer doch gar nicht so viel und schon machbar seien. Doch wie kam ich eigentlich auf die Idee, hundert Kilometer in vierundzwanzig Stunden zu wandern beziehungsweise vielmehr zu walken?

Alles fing damit an, dass ich mit dem Laufen begonnen hatte. Ich suchte also im Januar 2017 nach fünf- oder zehn-Kilometer-Läufen bei mir in der Nähe oder auch in anderen Städten. Das Internet zeigte mir viele Möglichkeiten an und auf einer Seite mit verschiedenen Laufveranstaltungen sah ich dann, dass im Juli 2017 ein hundert-Kilometer-Marsch innerhalb von vierundzwanzig Stunden stattfinden würde. Ich schaute mir die Sache genauer an und mein Interesse war definitiv geweckt: der Rhein-Ahr-Marsch sollte es sein.

Er sollte 2017 zum ersten Mal stattfinden. Der Start war in Rheinbach für abends um zwanzig Uhr geplant. Man würde die komplette Nacht hindurch wandern, über Bonn, Remagen, das Ahrtal und wieder zurück nach Rheinbach. Wie sich herausstellte, ein toller Rundkurs. Ungefähr alle zehn Kilometer wäre eine Verpflegungsstation.

Das las sich alles sehr überzeugend und durchaus machbar. Zehn Kilometer war ich in dem Jahr auch schon gelaufen, warum also nicht hundert Kilometer wandern, so viel mehr wäre das doch gar nicht. So dachte ich zumindest noch vor der Vorbereitungszeit. Sehr blauäugig von mir, wie sich später ebenfalls herausstellte, aber der Mensch braucht Ziele und mein Entschluss stand fest.

Mein Mann saß mir an dem Tag gegenüber und ich erzählte ihm davon. Auch er hielt mich gleich für verrückt, stimmte aber einer gemeinsamen Anmeldung trotzdem zu, denn allein wollte ich diesen Marsch nicht bestreiten. Außerdem hatten wir an diesem Tag unseren zehnten Hochzeitstag, da konnte es nicht schaden, sich mal wieder ein gemeinsames Ziel zu setzen und den Tag zusammen zu genießen. Gesagt – getan. Wir waren angemeldet. Dass man so etwas aber nicht ohne Training schaffte, war uns einerseits bereits klar, andererseits wurde es uns noch mehr bewusst, als wir mit dem Training anfingen.

Dann kam der Tag des ersten Versuchs den Marsch zu bestreiten. Wir fuhren nach Rheinbach und die Spannung stieg, auch unsere Anspannung war echt hoch. Wir hatten trainiert: mehrere zwanzig-Kilometer-Wanderungen und eine vierzig-Kilometer-Wanderung. Eigentlich sollten die vierzig Kilometer insgesamt fünfzig werden, aber aufgrund falscher Schuhe lief ich mir schreckliche Blasen an den Füßen, die am Tag des Startes noch nicht zu hundert Prozent verheilt waren. Keine guten Voraussetzungen, aber aufgeben wollten wir auch nicht.

Wir gingen sehr optimistisch an den Start und in die Nacht hinein. Wanderten Kilometer um Kilometer, doch leider mussten wir bei Kilometer fünfzig aufgeben. Unser Training hatte nicht ausgereicht. Ich war ziemlich niedergeschlagen. Ich fühlte mich als Versager, als Niete, auch wenn wir die fünfzig Kilometer in zehn Stunden geschafft hatten, was eine sehr gute Zeit für uns war. Wir fuhren mit dem Shuttlebus zurück nach Rheinbach und von da in unser Hotel. Wir gönnten uns einfach noch etwas Entspannung.

Das Gefühl des Versagens aber blieb und mir war schnell klar, dass ich die hundert Kilometer noch mal in Angriff nehmen würde, denn es konnte doch nicht sein, dass so viele Menschen die hundert Kilometer schafften, nur ich nicht. Also meldete ich mich 2018 nochmal an. Mein Mann wollte nur noch fünfzig Kilometer wandern, denn für ihn stand fest, dass ihm hundert Kilometer einfach zu viel waren, aber die fünfzig waren auch für ihn reizvoll.

Die Planung begann. Ich schaute mich auf der Internetseite des Rhein-Ahr-Marsches noch mal genau um und an einer Stelle stand geschrieben, dass es doch eine tolle Idee wäre, den Marsch mit etwas Gutem zu verbinden. Diese Idee fand ich grandios.

Ich suchte mir eine regionale Organisation heraus, da für mich klar war, nur jemandem zu helfen, bei dem ich wusste, dass die Spenden auch ankamen. Außerdem wollte ich die Verantwortlichen eventuell auch in persönlichen Gesprächen kennenlernen.

Ich wusste da bereits vom Verein Kleine Riesen Nordhessen e. V. und wollte meinen Lauf diesem Verein widmen. Der Verein setzt sich dafür ein, dass schwer kranke und sterbende Kinder und Jugendliche durch Ärzte, Pfleger, Psychologen und Therapeuten medizinischpflegerisch und psychosozial versorgt werden. Dazu gehört unter anderem auch, (letzte) Herzenswünsche der kranken Kinder und Jugendlichen zu erfüllen. Wer sich über die Arbeit des Vereins erkundigen möchte, ist herzlich eingeladen, sich auf der Homepage www.kleineriesennordhessen.de umzuschauen. Ich danke den Veranstaltern des Rhein-Ahr-Marsches für diese tolle Inspiration. Die Organisation habe ich zwar selbst ausgewählt, aber der Anstoß kam wirklich von den Organisatoren des Marsches.

Nun aber zu der Idee den Marsch als Spendenlauf zu bestreiten. Da muss ich etwas weiter zurück in die Vergangenheit gehen und etwas ausholen. Unsere Zwillinge wurden 2012 geboren und waren das geplante dritte Kind. Alles war super, klar, der Stress war immens, aber so ist das eben mit vier Kindern. Irgendwann konnten dann beide laufen und auch da war noch alles gut. Mit etwa zwei Jahren fiel uns bei Elisabeth das erste Mal ihr dicker Bauch auf. Wir machten uns aber keine großen Gedanken, denn es ging ihr gut. Sie wuchs und war ein fröhliches, gesundes Kind. Bei der U7 (mit zwei Jahren), sprachen wir den dicken Bauch an, denn das Kind war ja ansonsten ein sehr schlankes Kind und sie lief wirklich immer nur mit einem sehr dicken Bauch durch die Gegend. Der Bauch wurde abgetastet, es wurde gefragt, ob regelmäßiger Stuhlgang stattfände und das wars. Ich möchte hier keine Diskussion darüber auslösen, dass eventuell noch andere Untersuchungen hätten stattfinden können oder müssen, ich vertraue unserer Kinderärztin auch heute noch und würde auch immer wieder so handeln wie damals.

Also ging ein Jahr vorbei, die Kinder entwickelten sich und wir mussten mit knapp drei Jahren zur nächsten U-Untersuchung, der U7a. Die Entwicklung beider Kinder war wieder altersgerecht, nur eben hatte Elisabeth immer noch den dicken Bauch. Auch diesmal sprachen wir das wieder an und wurden zum Ultraschall geschickt. Danach überschlugen sich die Ereignisse quasi. Es ist in den Tagen danach so viel passiert, dass ich versuchen werde, es so kurz wie möglich zu beschreiben. Beim Ultraschall sah man nichts. Der Bauchraum war regelrecht komplett schwarz. Okay, ich gebe zu, nicht der komplette Bauchraum, aber schon ein ziemlich großer Teil, denn so groß ist das bei einem dreijährigen Mädchen ja alles noch nicht.

Es wurde vermutet, dass Elisabeth eine Zyste im Bauch habe. Uns wurde nahegelegt, direkt in der folgenden Woche ins Klinikum zu gehen, damit dort weitere Untersuchungen stattfinden könnten. Also haben wir sofort ein Termin gemacht. Die erste Untersuchung beim Kinderarzt war an einem Donnerstag. Für freitags waren wir noch zu einer Hochzeit eingeladen gewesen und samstags sollten die Zwillinge ihren dritten Geburtstag feiern. Also war alles verplant und ein Krankenhausaufenthalt passte so gar nicht mehr dazwischen. Wir sollten also montags ins Krankenhaus kommen.

Auch dort fanden einige Untersuchungen statt, es gab fragwürdige Wartezeiten und lange Tage. Im Endeffekt waren wir neun Tage lang im Krankenhaus und unsere dreijährige Elisabeth bekam am fünften Tag einen Kaiserschnitt. Ihr wurde ein etwa sechshundert Gramm schweres Teratom entfernt. Ein Teratom ist ein Stammzellentumor. Reifere Tumoren können sogar Haare oder Zähne enthalten. Oft wird ein Teratom als ein Zwilling bezeichnet, der sich nicht weiterentwickelt hat. Bei Elisabeth war das Teratom wohl bereits sehr ausgeprägt, ich habe aber leider nie Fotos davon zu Gesicht bekommen. Seitdem sind wir spätestens alle vier Monate zur Blutentnahme im Klinikum, es wird geschaut, ob wieder neue Krebszellen in ihr entstanden sind. Das Teratom war aber zum Glück gutartig und wird mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nie wieder zurückkehren.

Wir hatten Glück, aber es war dennoch eine sehr schwere Zeit für uns im Krankenhaus, vor allem wegen der Ungewissheit. Deswegen fiel meine Entscheidung für die kleinen Riesen aus. Es gibt leider viel zu viele Kinder, die in ihren jungen Jahren schon leiden müssen und von unheilbaren Krankheiten aufgesucht werden. Ich schätze die Arbeit der kleinen Riesen sehr und bin dem Verein dankbar, dass es ihn gibt.

Nun habe ich unsere Geschichte wirklich sehr kurzgefasst, da sie eigentlich nicht in dieses Buch gehört, aber auf gewisse Art und Weise doch auch für das Entstehen dieses Buches mit verantwortlich ist. Denn wäre uns so etwas nicht passiert, hätte ich vielleicht nie diesen Spendenlauf gemacht. Aber das ist nur eine Vermutung … Von den Veranstaltern kam dann die Idee für das Motto: Mein großer Marsch für die kleinen Riesen. Ich eröffnete eine Facebook-Seite, kontaktierte die kleinen Riesen und mein Vorhaben für 2018, die hundert Kilometer zu schaffen, ging in die Vorbereitung.

Mein großer Marsch für die kleinen Riesen

Подняться наверх