Читать книгу Einmal und nie wieder - Anno Dazumal - Страница 3

Die Entführung

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„Liebling, ich habe eine ganz tolle Neuigkeit für Dich: Wir haben heute Post von der Bank bekommen“, berichtete Jörg Plock. „Ehrlich? Sag bloß, wir haben es tatsächlich geschafft?“ wollte seine Frau Ute wissen. „Ja, es ist einfach großartig. Wir haben wirklich die Drei-Millionen-Schuldengrenze überschritten.“ „Hurra! Wir sind echt die Besten. Laß Dich umarmen!“ Sie fiel ihm um den Hals, doch wenig später hatte er ihr noch etwas mitzuteilen. „Das war leider noch nicht alles. Zwar hat uns die Bank ebenfalls zu unserer tollen Leistung gratuliert, allerdings will sie das Geld wieder.“ „Nein! Das darf doch wohl nicht wahr sein! Und was jetzt?“ „Na ja, blöde Sache. Soviel Geld haben wir nicht.“ „Aber Schatz, was hat das zu bedeuten?“ „Daß wir uns wohl in Zukunft einen preislich erschwinglichen Müllhaufen suchen müssen.“ „Davon werden unsere Schulden aber auch nicht weniger.“ „Zugegeben, aber wenigstens würde die Bank erst mal Ruhe geben. Das Problem sind halt diese blöden Zinsen.“ „Alles nur wegen Dir. Wieso hast Du auch unbedingt zu dieser Auktion gemußt?“ „Ach komm, fang doch nicht wieder mit dieser alten Geschichte an. Mag sein, daß ich Fehler gemacht habe, aber wen stört das schon?“ „Uns alle. Wegen Dir müssen wir aus unserem schönen Haus ausziehen und unsere Kinder werden zu Pennern.“ „Sei doch froh! Da brauchen sie wenigstens nichts arbeiten. Außerdem war das bei der Auktion gar nicht so dramatisch.“ „Ha! Dann werde ich Dir halt die ganze Geschichte noch einmal von vorne erzählen: Es war ein schöner Samstag morgen, als Du Langeweile hattest und darum zu dieser Auktion gefahren bist. Ich sagte noch: Schatz, bitte kauf nicht mehr als einen Picasso, weil wir sonst ein Kind abgeben müssen, aber was machst Du?“ „Moment, ich wollte gar keinen Picasso.“ „Halt die Klappe und hör zu! Du setzt Dich also mitten ins Geschehen hinein und als ein alter Wein versteigert wird, greifst Du zu.“ „Na ja, ich hatte halt großen Durst und zu trinken gab es dort sonst nichts Anderes.“ „Das wäre ja noch zu verschmerzen gewesen, daß Du für 3000 Euro eine alte Flasche mit schlechtem Wein gekauft hast, aber was dann kam, das war ja wirklich ungeheuerlich! Du hast die Flasche auf Ex ausgetrunken und warst danach so besoffen, daß Du nur noch wußtest, daß Du der reichste Mann der Welt bist. Leider war das halt ein großer Irrtum.“ „Du, sag mal, woher weißt Du das alles so genau?“ „Weil es am Tag darauf in allen Zeitungen zu lesen war. Du also bleibst schön besoffen sitzen und merkst auf einmal, wie toll es ist, wenn man mitbietet, weil man damit den Preis in die Höhe treibt und noch dazu eine Menge Spaß hat. Vielleicht hättest Du ja wissen können, daß irgendwann sogar die reichsten Leute aufhören mitzubieten.“ „Ich weiß gar nicht warum Du Dich so aufregst. Es waren doch wundervolle Gemälde, die ich ersteigert habe.“ „Ja, Du hast ja Recht, wie konnte ich Dich nur kritisieren? Und billig waren sie ja auch noch. Zwei Gemälde zum Preis von 2,8 Millionen Euro. Das wäre alles nicht so schlimm gewesen, denn wir hätten die Bilder problemlos zurückgeben können, sobald die Veranstalter gemerkt hätten, daß Du gar nicht soviel Geld hast. Aber was machst Du? In Deinem Vollrausch stolperst Du mit den Bildern und stellst Dich dabei so blöd an, daß beide kaputt gehen. Ja und von da an war es mit dem Spaß vorbei.“ „Gut, daß ich so besoffen war. Sonst hätte mir die Tracht Prügel echt weh getan.“ „Na ja, dafür hab ich kräftig zugelangt, als Du heim gekommen bist. Jedenfalls bekamen wir eine Menge Ärger und konnten froh sein, daß wir eine Bank fanden, welche die Bilder bezahlte. Tja und die will jetzt das Geld von uns zurück.“ „Tolle Zusammenfassung. Ich weiß nur nicht, warum Du so sauer bist. Du tust ja so, als wäre ich an allem schuld.“ „Wer denn sonst, Du Idiot? Wer hat denn die Bilder ruiniert und uns in den Ruin getrieben?“ „Der Wein natürlich.“ „Also gut. Dann verklagen wir den Wein auf Schadensersatz in Millionenhöhe.“ „Oh ja, das machen wir. Das macht bestimmt Spaß!“ „Bist Du so blöd oder tust Du nur so? Stell Dir vor, Wein kann nicht bezahlen.“ „Ach wirklich? Dumme Sache, wenn das so ist. Na gut, jetzt sind halt Genies gefragt.“ „Was wohl bedeutet, daß mit Dir nicht zu rechnen ist. Blöde Bank. Die soll sich nicht so anstellen, die hat eh genug Geld.“ „Genau, Frau. Ich hab die Idee! Knie vor mir nieder und huldige dem großen Genius der Geldbeschaffung!“ „Oh nein! Ich kann mir schon denken, was jetzt kommt.“ „Na gut, dann kniest Du eben nicht. Du würdest damit eh nur den Teppich dreckig machen. Oh, was bin ich für ein großer Meister, ich hätte doch nicht nur auf die Realschule gehen sollen.“ „Was denn? Sogar dort bist Du mal sitzengeblieben.“ „Na und? Dafür konnte ich nichts. Die Schweine haben Uhu auf meinen Stuhl geklebt.“ „Nicht das! Eine Klasse hast Du wiederholen müssen.“ „Wen kümmert das schon? Es hat halt die Lehrer genervt, daß ich in den Exen und Schulaufgaben, anstatt die Fragen zu beantworten, selbst Fragen gestellt habe. Aber diese Lehrer waren auch Idioten. Die konnten keine meiner Fragen beantworten.“ „Genug gesülzt. Sag mir jetzt endlich Deine Idee, bevor ich aufs Klo gehe.“ „Ja, höre und staune! Wir überfallen die Bank, bei der wir die Schulden haben, erbeuten genau soviel Geld, wie wir ihnen schulden und dann zahlen wir es nach dem Überfall gleich wieder ein. Toll, nicht?“ „Zugegeben, ich hatte noch Schlimmeres befürchtet. Ich hatte schon Angst, Du würdest behaupten, die Bank solle sich nicht so anstellen und sich einen Ruck geben. Schließlich hat sie dem Schneider damals auch die Millionen in den Arsch geschoben.“ „Noch besser. Darauf bin ich gar nicht gekommen. Also, ich kauf mir jetzt noch schnell eine Perücke und dann gehn wir zu denen hin und geigen ihnen mal ordentlich die Meinung.“ „Du kannst doch gar nicht Geige spielen.“ „Na und? Dafür kannst Du nicht blasen.“ „Keine Schweinereien! Das hat der Autor den Lesern versprochen.“ „Also gut, dann halt nicht.“ „Zurück zu Deinem Vorschlag: Wenn wir das so machen, wie Du es Dir vorstellst, dann landen wir im Knast und haben noch mehr Schulden, weil sie danach sicher die Zinsen erhöhen.“ „Meinst Du wirklich? Also, ich finde das ja eine Unverschämtheit, daß Bankräuber mit Schulden höhere Zinsen zahlen müssen. Da wäre eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht angebracht.“ „Quatsch nicht blöd rum!“ „Das brauchst gerade Du sagen. Ich mache hier die besten Vorschläge und Du motzt sie nur runter. Laß mal was hören!“ „Na gut. Im Lotto gewinnen wir eh nicht und wenn doch, dann haben bestimmt irgendwelche Schweine die gleichen Zahlen und nehmen uns die Hälfte des Gewinns weg.“ „Ich wußte noch gar nicht, daß Schweine Lotto spielen.“ „Ich wußte auch noch nicht, daß Idioten reden. Also, eine große Erbschaft können wir auch nicht erwarten, ...“ „Moment! Warte! Ich habe da eine reiche Tante in Amerika. Die hat bestimmt Mitleid mit uns.“ „Ha, die wird extra wegen Dir ausgewandert sein.“ „Woher weißt Du das? Ich hab da aber auch noch einen Großonkel, ach nein, den können wir vergessen, der wohnt in einem Altenheim, da hat er bestimmt kein Geld mehr.“ „Denk nicht so viel, sonst gibt es mal einen Knall und Dein Gehirn explodiert.“ „Oh, da muß ich aber aufpassen.“ „Ja, um es mal vorsichtig zu beschreiben, auf legalem Weg werden wir wohl kaum das Geld auftreiben können, es sei denn, Du bist ein guter Spekulant.“ „Na ja, ich spekuliere schon seit Monaten darauf, daß mich die Nachbarin mal zu sich einlädt.“ „Warum sollte sie? Die braucht einen Mann und keinen Schuldner.“ „Auch wieder wahr. Ich meine, für mich sind die Schulden ja kein Problem, es tut mir nur leid für die Kinder.“ „Ach was! Schulden müssen die Erben nicht annehmen. Wir bräuchten uns also nur rechtzeitig umbringen und sie wären aus dem Schneider.“ „Also, worauf warten wir noch?“ „Spinnst Du? So sehr liebe ich die beiden Fratzen auch wieder nicht. Außerdem fängt die Geschichte erst an. Wir können doch nicht schon auf der vierten oder fünften Seite aufgeben, was würden denn da die Kritiker sagen?“ „Die wären heilfroh, weil sie nicht mehr weiterlesen müßten.“ „Das mit den Aktien wird demnach auch nichts, also haben wir nur noch die Chance, das Geld illegal zu beschaffen.“ „Was heißt das? Blödes Wort, hab ich noch nie gehört.“ „Illegal heißt, daß man kriminelle Methoden anwendet, um sein Ziel zu erreichen.“ „Oh ja! Jetzt wird es interessant. Endlich dürfen wir unsere kriminellen Energien auslassen.“ „Gezwungenermaßen. Stellt sich nur die Frage, was wohl das Sicherste sein wird.“ „Laß mal den Experten ran! Ich erzähle jetzt einfach mal frisch und frei drauf los, was mir da so alles einfällt: Banküberfall, Raubüberfall, Geiselnahme, Entführung, Erpressung, Bombenanschlag auf die Bank, dann ist sie erst mal mit sich selbst beschäftigt und wir haben für eine Weile unsere Ruhe, Gift in den Kaffee des Bankpräsidenten, Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Waffengeschäfte und noch vieles mehr.“ „Na ja, so eine Entführung würde sich anbieten. Wir haben schließlich Beide jetzt vier Wochen Urlaub, besitzen ein eigenes Haus, ja, das haut hin.“ „Also, wen entführen wir denn?“ „Am besten irgend so einen Bankheini.“ „Nein, bloß nicht, dann wären wir sofort verdächtig. Schauen wir mal in den Glotzkasten, vielleicht hat uns der jemanden anzubieten.“ So schaltete Ute den Fernseher ein, weshalb sofort die Kinder herbei gestürmt kamen, der siebenjährige Klaus und die fünfjährige Daniela. „Was wollt Ihr denn? Seid Ihr so fernsehsüchtig?“ wunderte sich ihr Vater. Die Kinder nickten und Klaus schnappte sich die Fernbedienung. Zielstrebig schaltete er eine Comic-Serie ein. „Gib die Fernbedienung her! Papi und Mami müssen jetzt ein Opfer suchen!“ rief Jörg wütend, jedoch lief sein Junge mit der Fernbedienung davon. Zwei Minuten lang narrte er seinen Alten, bis der ihn endlich erwischt hatte. Danach zappte er durch die Programme. „Wenn wir das machen, dann schimpft Papi immer“, beschwerte sich Daniela. „Sei still! Papi und Mami müssen ein Verbrechen planen“, erklärte Ute genervt. „Geil. Wir wollen auch mitmachen!“ verlangte Klaus. „Na ja, vielleicht gar keine so schlechte Idee. Die Zwei sind noch nicht strafmündig und wenn wir erwischt werden, dann schieben wir alles auf die Kinder“, fiel Jörg ein. „Hervorragend. Also brauchen wir keine Angst mehr vor dem Knast zu haben. Paßt auf, Kinder! Ich und Papi, wir bringen jemanden nach Hause und der gibt uns dann ganz viel Geld, damit er hier wieder raus darf. Wenn wir erwischt werden und die Polizei kommt, dann sagt Ihr, daß Ihr das alles geplant und in die Wege geleitet habt, klar?“ fragte Ute. „Kommt ganz drauf an, was wir dafür kriegen“, entgegnete Klaus. „Da siehst Du mal, wie wir unsere Kinder erzogen haben. Das sind ja die reinsten Erpresser. Gute Arbeit. Also, Kinder, wenn das alles klappt, dann fahren wir für ganz lange Zeit ans Meer und faulenzen wochenlang“, versprach Jörg. „Oh ja, prima!“ freuten sich die Kleinen begeistert. „Schön. Und jetzt seid bitte still, weil wir nun jemanden suchen müssen, den wir entführen können“, ließ Ute verlauten. Tatsächlich schwiegen die Kinder und wenig später wurden ihre Eltern fündig. „Also, ich schreib mir das mal auf. Unser Opfer ist der Herr Werner Klein, Manager der Bayer AG und wohnhaft in Düsseldorf. Der wird sich bestimmt freuen. Bleibt nur noch die Frage offen, wo wir ihn hinsperren“, bemerkte Jörg. „Wir haben doch da im ersten Stock dieses Zimmer, das schon seit Jahren leer steht. Da kann er rein, das taugt für den“, befand Ute. „Alles klar. Damit hätten wir dieses Problem gelöst. Also fahren wir jetzt nach Düsseldorf und holen uns den feinen Herrn.“ „Hast Du nicht noch was vergessen? Wie wäre es zum Beispiel mit einer Waffe?“ „Wieso? Ich hab doch Dich dabei? Wenn er Macken macht, dann fängst Du einfach zu singen an, so wie damals, als die Nachbarn die Polizei gerufen haben, weil sie glaubten, daß ich Dich schlage.“ „Und was machen wir, wenn den seine Nachbarn auch die Polizei rufen?“ „Das wird nicht passieren, weil der Kerl bestimmt ein riesengroßes Anwesen hat.“ „Und was machen wir, wenn er gar nicht daheim ist?“ „Mist! Das hätte ich fast vergessen. Gut mitgedacht. Dann werde ich halt mal kurz bei ihm anrufen, ob er denn auch schön brav daheim sitzt und auf uns wartet.“ „Sonst geht’s Dir schon noch gut, oder? Seit wann ruft der Entführer vorher bei seinem Opfer an?“ „Laß mich in Ruhe! Wenn ich schon was Kriminelles mache, dann auf meine Art. Außerdem gehört sich das, daß man vorher anruft. Soviel Anstand kann man schon erwarten.“ „Das kann ja heiter werden“, murmelte Ute verstimmt.

Nachdem Plock die Telefonnummer gefunden hatte, wählte er und begann zu reden, als sich am anderen Ende der Leitung jemand mit „Klein“ meldete: „Ja, guten Tag. Sind Sie Werner Klein, der Manager?“ „Ja, der bin ich“, antwortete der Mann am anderen Ende der Leitung. „Hervorragend. Sie werden später noch von mir hören“, versprach Plock und legte auf. „Toll, er ist daheim“, stellte er zufrieden fest. „Super Leistung! Hättest Du ihm nicht vielleicht auch noch mitteilen sollen, daß wir ihn bald entführen werden?“ meinte seine Frau verärgert. „Oh, das hab ich jetzt vergessen. Wie peinlich. Soll ich nochmal anrufen?“ „Sonst noch was? Auf ins Auto und ab nach Düsseldorf!“ „Einverstanden. Und was ist mit den Kindern?“ „Denen geben wir die Fernbedienung, dann sind sie für die nächsten Stunden versorgt.“ „Gute Idee.“ Daraufhin machten sich die beiden zukünftig Kriminellen auf den Weg nach Düsseldorf, wo sie vor einem weiteren Problem standen. „Scheiße, ich hab ihn nicht gefragt, in welcher Straße er wohnt“, schimpfte Jörg. „Typisch! Und was jetzt?“ erkundigte sich Ute. „Muß ich ihn halt doch nochmal anrufen.“ „Na klar. Du weißt aber schon, daß wir auf diese Art und Weise bald im Knast landen?“ „Pah, die Schuld kriegen die Kinder. Wir sagen der Polizei, die hätten uns erpreßt.“ „Na ja, dann ruf halt an.“ Sie fanden eine Telefonzelle und Jörg versuchte es ein weiteres Mal. „Entschuldigen Sie, ich bin es noch einmal. Würden Sie mir bitte sagen, in welcher Straße Sie wohnen?“ fragte Jörg Klein. „Wieso wollen Sie das wissen?“ „Ich will Ihnen ein Geschenk schicken und deshalb muß ich das wissen.“ „Sie sind aber ziemlich spät dran. Mein Geburtstag war bereits vor vier Monaten. Aber egal, Geschenke hab ich immer gern.“ Danach gab Klein den Straßennamen weiter, der jedoch aus Datenschutzgründen geheim bleiben muß. Jörg bedankte sich und legte auf. Eine halbe Stunde später hatten sie das Haus endlich gefunden. „Was meinst Du? Soll ich klopfen oder klingeln?“ fragte Plock seine Frau. „Hast Du denn noch nie einen Krimi im Fernsehen gesehen? Echte Entführer steigen immer durch ein Fenster oder eine Glastür ein“, stellte sie klar. „Na gut. Wie Du meinst.“ So gingen sie um das Haus herum und ließen eine Glastür klirren. Zuvor hatten sie sich Beide eine Strumpfmaske über den Kopf gezogen, welche sogar ein paar Schlitze hatten. Klein lag gemütlich auf seiner Couch und sah mit Entsetzen, wie da zwei maskierte Gestalten in sein Haus eindrangen. Erst hörte er den Klang der brechenden Glasscheibe, gleich danach den Schrei eines der Maskierten. „Au! Verdammte Scheibe! Scheiß Blut!“ Sekunden später hatten die beiden Plocks Klein entdeckt und begannen das Gespräch mit den Worten, mit denen sicherlich keine andere Entführung je begonnen hat. „Entschuldigen Sie die Störung, aber haben Sie nicht zufällig einen Verband für meinen Mann?“ fragte Ute den Hausbesitzer. „Selbstverständlich. Aber was soll das alles hier?“ wunderte sich jener. „Das erklären wir Ihnen später. Holen Sie jetzt bitte den Verband!“ Tatsächlich kam Klein Sekunden später mit einem Verband zurück. „So, jetzt können wir zum Geschäftlichen kommen: Das hier ist eine Führung, äh, eine Unterführung, nein, eine Entführung. Wenn Sie nicht freiwillig mitkommen, dann ..., dann ... , dann rufen wir Ihre Frau!“ drohte Ute dem Manager. „Oh nein, bloß nicht! Ich komme mit. Aber erstmal machen Sie ein wenig hier sauber. Sie hätten ja auch zur Tür hereinkommen können. Im Nebenzimmer liegen Besen und Schaufel, kehren Sie die Scherben weg, das sieht ja aus und das Blut wischen Sie auch weg. Wie scheußlich“, bemerkte Klein pikiert. Nach einem kurzen Zögern und einem schnellen Blickwechsel kam es zu einer lustigen Szene. Die beiden Entführer säuberten den Boden, während das Opfer daneben stand und fachkundige Anweisungen erteilte. „So, wenn ich mich nicht irre, dann wird das hier eine Entführung. Das paßt mir zwar gar nicht in den Kram, aber da Sie so unglaublich brutal sind und mir mit meiner Frau drohen, was für eine Grausamkeit, werde ich mich wohl Ihrem Willen fügen müssen. Aber ich verlange, daß ich im Auto vorne sitzen darf und außerdem muß ich mir erst noch ein paar Sachen zum Mitnehmen suchen“, bestimmte Klein. Verdutzt schauten sich die Plocks an, doch bis sie reagierten, war Klein bereits verschwunden. Nach fast zehn Minuten tauchte er mit einem Koffer in der Hand wieder auf. „So, ich bin fertig mit dem Packen. Meinetwegen können wir los“, stellte er fest. „Also irgendwie hab ich mir das anders vorgestellt“, flüsterte Jörg seiner Frau zu. „Werden Sie wohl zu tuscheln aufhören! Das hab ich überhaupt nicht gerne, wenn über mich geredet wird und ich es nicht verstehen kann“, ließ Klein von sich hören. Danach verließ er mit den beiden Maskierten das Haus. „Wollen Sie nicht Ihre Masken abnehmen? Erstens werden Sie damit ganz schön schwitzen und zweitens fallen wir damit unnötig auf“, meinte der Manager. „Wo er Recht hat, hat er Recht“, stimmte ihm Jörg zu und riß seine Maske herunter. Ute hatte es nicht mehr verhindern können und weil es eh schon egal war, folgte sie dem Beispiel ihres Mannes. „Also jetzt bin ich aber wirklich enttäuscht. Ich dachte, das wäre eine professionelle Entführung, vor allem nach Eurer Drohung, aber jetzt wo ich Euch sehe, glaube ich, daß es sich bei Euch um Amateure handelt“, beklagte sich Klein. „Schön langsam gehen Sie mir mit Ihrem Gebabbel auf die Nerven. Wenn ich eine Pistole hätte, dann würde ich Sie schnell ruhig stellen“, warnte ihn Jörg. „Was! Sie haben nicht mal eine Pistole? Soll ich Ihnen meine geben? Nein, damit würde ich ja Kriminelle unterstützen, das geht nun auch wieder nicht. Aber eines sage ich Ihnen: Wenn jemand in mein Haus einbricht, dann sind Sie dafür verantwortlich, weil Sie die Glastür kaputt gemacht haben.“ „Ach, eines hätte ich ja fast vergessen: Was bin ich nur für ein Schussel? Sie als Opfer müssen natürlich auch Bescheid wissen. Also, ich bin Jörg Plock und das ist meine Frau Ute. Wir haben Sie soeben entführt und werden Sie nur gegen die Summe von fünf Millionen Euro wieder freilassen“, erläuterte Jörg. „Na, da bin ich ja in was rein geraten. Ihr habt in den letzten zwei Minuten mehr Fehler gemacht als alle Entführer vor Euch zusammen. Wieso wollt Ihr eigentlich nur fünf Millionen für mich? Ich bin viel mehr wert.“ „Das mag schon sein, aber wir dürfen nicht zu schwer heben. Ach so, jetzt müssen Sie natürlich die Augen zumachen, damit Sie nicht sehen wo wir hinfahren. Nicht, daß Sie die Polizei nach Ihrer Freilassung auf unsere Spur führen. Das würde uns nämlich gar nicht gefallen. Obwohl, wenn die Sache rum ist, dann verschwinden wir sowieso. Sie wissen schon, mal nen schönen Urlaub machen, das Leben genießen und so weiter“, schwärmte Jörg. „Wo soll’s denn hingehen?“ forschte Klein. „Also ich bitte Sie. So blöd ist mein Mann auch wieder nicht, daß er Ihnen das verrät“, mischte sich Ute ein. „Nach Ibiza. Oder Argentinien. Vielleicht aber auch nach Indonesien. Allerdings müssen wir uns auch an die Kinder halten“, erwähnte Jörg, während sich Ute die Hände vors Gesicht schlug. Sie saß auf dem Rücksitz, während Jörg den Wagen fuhr und Klein neben ihm saß. „Würdest Du vielleicht bitte mal damit aufhören, unserem Opfer alles über uns zu erzählen?“ fragte sie ihren Mann genervt. „Ich weiß gar nicht was Du hast. Du mußt Dich auch mal in seine Lage versetzen. Wir sind für ihn völlig fremd und haben ihn einfach mitgenommen. Der arme Mann weiß doch gar nicht wie ihm geschieht, also hat er das gute Recht, seine Entführer ein bißchen näher kennenzulernen“, verteidigte sich Jörg. „Fehlt bloß noch, daß wir ihn nach der Aktion mit auf unsere Flucht nehmen“, motzte Ute. „Tolle Idee! Na, wie wär’s denn? Wollen Sie nicht mit uns auf in die Welt? Ach so, das geht ja schlecht, schließlich kriegen wir das Lösegeld ja nur, wenn wir Sie freilassen“, fiel Jörg ein. „Könnten Sie mal rechts ran fahren. Ich muß mal“, machte Klein wenig später auf sich aufmerksam. „Das geht jetzt nicht. Sie könnten ja schließlich abhauen. Wenn Sie es nicht mehr aushalten, dann machen Sie in die Hose. Schließlich haben Sie ja einen Koffer mit dabei. Da wird schon auch was drin sein“, vermutete Ute. „Ja, meine geschäftlichen Unterlagen. Schließlich kann ich nicht nur wegen einer Entführung meine Arbeit sein lassen“, erzählte Klein. „Sie sind schon arm dran. Da haben wir es besser. Wir haben nämlich Urlaub“, verkündete Ute, weshalb Jörg spottete: „Du brauchst reden. Erzähl ihm halt gleich noch Deine Körbchengröße!“ „Nein, die will ich gar nicht wissen. Wie lange dauert das denn noch? Ich habe noch ein paar wichtige Telefongespräche zu führen.“ „Unser Telefon kriegen Sie aber nicht. Das brauchen wir selber, für die Lösegeldverhandlungen“, stellte Ute klar. „Mir egal. Ich hab schließlich mein Handy dabei.“ „Damit wird auch nicht telefoniert. Wir sind schließlich nicht völlig verrückt, auch wenn das den Anschein haben mag. Wir wissen schon, daß Handys über Satellit geortet werden und da würde die Polizei sehr schnell wissen, wo Sie sich befinden“, ließ Jörg verlauten. „Nicht schlecht. Sie sind doch nicht ganz so blöd wie ich befürchtet habe“, gab Klein anerkennend zu. „Briefverkehr ist in Ordnung. Telefonate dürfen Sie bis auf Weiteres nicht führen“, bestimmte Ute, was zu einem hitzigen Disput mit dem Entführten führte. „Briefe brauchen viel zu lange. So kann ich nicht arbeiten, Sie ruinieren mich damit.“ „Jetzt hören Sie mal! Was glauben Sie denn wo Sie hier sind? Das ist eine Entführung und auch wenn wir keine Profis sind, so wissen wir doch, daß es nicht üblich ist, das Opfer telefonieren zu lassen.“ „Und was ist, wenn jemand ein Lebenszeichen von mir will?“ „Darum kümmern wir uns wenn es soweit ist. Und kommen Sie bloß nicht auf die Idee, unseren Kindern einzureden, sie sollen Sie freilassen. So etwas gehört sich nämlich nicht.“ „Es gehört sich aber auch nicht, reiche Leute zu entführen.“ „Doch, wenn man Schulden hat, dann darf man das.“ „Ach so, deswegen die ganze Leier. Aber ich warne Sie: Wenn ich nicht weiterhin meinen wichtigen Geschäften nachgehen kann, dann wird Sie das teuer zu stehen kommen.“ „Hey, sind wir hier die Verbrecher oder Sie? Keine Sorge, das mit Ihren wichtigen Geschäften, das klappt schon noch. Wenn wir bei uns Zuhause sind, dann dürfen Sie sofort aufs Klo.“ „Also so eine primitive Entführung habe ich ja noch nie erlebt. Bei Ihnen daheim also wollen Sie mich unterbringen. Armselig, wirklich schwach.“ „Wenn es Ihnen nicht paßt, dann können Sie sich das nächste Mal ja andere Entführer suchen. Wissen Sie, mit Ihrer ständigen Nörgelei verderben Sie einem die ganze Freude darüber, daß alles so gut geklappt hat.“ „Könntet Ihr jetzt bitte mal zu streiten aufhören? Ich muß mich auf den Verkehr konzentrieren“, funkte Jörg dazwischen. „Tut mir leid, aber Ihre Frau hat damit angefangen“, erwiderte Klein. „Ja, ich weiß, es ist mit ihr nicht leicht, aber sie ist nun mal meine Komplizin und darum muß ich sie auch unterstützen. Also, Ihre Geschäfte müssen nun ein wenig ruhen. Briefe können Sie schreiben soviel Sie wollen, allerdings müssen wir die vorher natürlich durchlesen, nicht daß Sie an die Polizei schreiben und der mitteilen, wo Sie zu finden sind.“ „Aber wenn Sie meine Post durchlesen, dann verstoßen Sie ja auch noch gegen das Briefgeheimnis! Donnerwetter, da kommt Einiges zusammen: Verstoß gegen den Artikel zwei und den Artikel zehn des Grundgesetzes.“ „Jetzt nehmen Sie doch nicht dem Richter die ganze Arbeit weg! Außerdem kommen wir eh nicht vor Gericht, weil wir mit dem Geld verschwinden und wenn wir geschnappt werden, dann geben wir unseren Kindern die Schuld.“ „Sie glauben doch wohl nicht, daß das funktioniert?“ „Aber selbstverständlich. Wenn wir einen guten Gutachter finden, dann klappt das schon.“ „Hey, ich will auch mal wieder mitreden!“ beschwerte sich Ute. „Nein, Du bist jetzt ruhig, denn Du hast unser Opfer sehr verärgert, nicht wahr?“ „Ja, das ist vollkommen richtig. So unhöflich und so streitsüchtig, also wirklich.“ „Da hörst Du es, Ute. Außerdem sind wir ja eh bald da. Aber jetzt machen Sie bitte doch Ihre Augen mal zu, geehrter Herr Klein, es muß ja nicht sein, daß Sie unser Haus gleich erkennen.“ „Welches ist es denn überhaupt?“ „Das da vorne, wo gerade das Kind mit dem Rad auf der Straße liegt.“ „Geben Sie Gas! Drüber über den Lümmel!“ „Sonst gerne, aber das ist mein eigener Sohn. Den müßte ich ja danach ins Krankenhaus fahren, das wäre ja eine Arbeit.“ „Unsinn! Wenn Sie richtig drüber fahren, dann braucht der nur noch auf den Friedhof.“ „Hey, wollen Sie meine Familie ausrotten? Vergessen Sie nicht, daß Sie in unserer Gewalt sind. Wir können auch anders.“ „Wirklich? Wollen Sie mir etwa einen Bausparvertrag andrehen?“ „Nein, meine Frau kann so schlimm singen, daß Sie nie wieder über die Tauben spotten werden.“ „Wieso? Ich hab doch gar nichts gegen die Vögel. Außerdem wäre das ja bestimmt noch mehr oder weniger erträglich. Ich hatte nämlich schon befürchtet, Sie würden mir mit Giftgasangriffen drohen.“ „Bin ich Saddam, oder was?“ „Nein, ich habe da eher an herkömmliches Giftgas gedacht.“ „Was meinen Sie damit?“ „Fürze. Stinknormale Fürze. Ich hatte schon Angst, Sie würden hier einen auf Kackarazzi machen.“ „Sehr witzig. Ich glaube, Sie verkennen Ihre Situation. So eine Entführung ist keine lustige Sache, ganz besonders nicht für den Entführten. Das sollten Sie eigentlich schon mal gehört haben.“ „Na ja, zugegeben, aber bei Euch Beiden muß ich einfach lachen. Ihr habt ja mit echten Entführern soviel gemeinsam wie Bad Minton mit einem treuen Ehemann.“ „Keine Witze über amerikanische Präsidenten bitte! Die sind nicht mehr in Mode und verärgern nur die Leser.“ „Schon gut.“ „So, alles aussteigen. Kommen Sie, wir zeigen Ihnen nun Ihr Zimmer!“ verkündete Jörg feierlich. „Na, darauf freue ich mich aber“, kommentierte Klein spöttisch. An der Haustür wurde er von zwei Kindern, welche natürlich die kleinen Plocks waren, in Empfang genommen. „Keine Bewegung, sonst schieße ich!“ rief Klaus mit vorgehaltener Wasserpistole. „Ah, ich verstehe. Ihr seid wirklich nur die Helfer, das da sind die richtigen Entführer“, erkannte Klein grinsend, fügte aber sofort hinzu: „Du kleiner Hosenscheißer, wenn Du meinen Anzug naß machst, dann kriegst Du so eine Tracht Prügel, daß Du Dich eine Woche lang nicht mehr hinsetzen kannst.“ „Papi, den will ich nicht als Opfer. Der ist böse“, klagte Klaus. „Ruhe jetzt und ab ins Haus! Wir können ja sonst gleich den Nachbarn sagen, daß wir nun kriminell geworden sind“, motzte Ute und ging hinein. Wenig später stand Klein in seinem Zimmer, allerdings schien es ihm darin nicht zu behagen. „Also, da muß schon noch Einiges verändert werden. Erst einmal will ich, daß hier frisch tapeziert wird, dann müssen noch ein paar Möbel hier rein und einen Fernseher will ich selbstverständlich auch noch. Man muß schließlich auf dem Laufenden bleiben“, behauptete er. „Also ehrlich, so hab ich mir eine Entführung nicht vorgestellt“, bemerkte Ute launisch. „Aber wirklich. Man könnte ja meinen, wir wären hier die Opfer. Hören Sie mal, Herr Klein, Sie reden da ganz schön großspurig herum. Es fällt uns überhaupt nicht ein, Ihnen hier ein mords schönes Zimmer herzurichten, schließlich bleiben Sie nur ein paar Tage oder Wochen. Wir werden doch nicht noch das Arbeiten anfangen“, stellte Jörg klar. „So, dann will ich Ihnen mal was sagen: Sie wollen fünf Millionen Euro dafür, daß ich freigelassen werde und für diese fünf Millionen Euro kann ich ja wohl Einiges erwarten“, entgegnete Klein. „Na ja, so gesehen haben Sie schon Recht, aber das Geld ist ja eh nicht von Ihnen.“ „Sie sind mir vielleicht ein blinder Vogel! Glauben Sie etwa, daß die Bank, von der wir uns das Geld leihen, es uns schenkt? Die will das sofort wieder, spätestens zwei Wochen nachdem ich wieder frei bin.“ „Alles schön und gut, aber ich finde es trotzdem eine Zumutung, was Sie von uns verlangen.“ „Sie müssen das alles viel weitsichtiger angehen. Wenn ich mich wohl fühle, dann arbeite ich viel besser mit Ihnen zusammen und außerdem bekommen Sie eine kürzere Haftstrafe, sollte ein Richter nicht daran glauben, daß Ihre Kinder für alles verantwortlich sind.“ „Wie kommen Sie denn darauf, daß Sie mit uns zusammenarbeiten?“ „Na ja, nach dem, was ich bisher alles mitbekommen habe, habt Ihr von einer professionellen Entführung keinen blassen Schimmer und da werde ich Euch wohl ein wenig unter die Arme greifen müssen, damit Ihr nicht alles falsch macht.“ „Meinetwegen, ein paar Möbel können Sie haben und tapezieren tu ich auch. Um den Fernseher müssen Sie mit den Kindern streiten.“ „Was heißt hier streiten? Den bekomme natürlich ich. Schließlich habe ich als Entführter das Recht auf eine bevorzugte Behandlung.“ „Wenn er mir jetzt noch mit den Genfer Konventionen daherkommt, dann fliegt er raus“, flüsterte Ute ihrem Mann zu. „Werdet Ihr wohl zu flüstern aufhören! Und jetzt an die Arbeit! Schließlich will ich bis in einer Stunde einziehen können!“ forderte Klein. Es war schon ein grandioses Bild, das sich keinem Zuschauer bot, als sich Ute und Jörg daran machten, das Zimmer für Klein zu tapezieren und Möbel hinein zu schaffen. Derweil diskutierte der Manager heftig erregt mit den beiden Kindern. „Nein, das geht auf gar keinen Fall. Wir haben nur den einen Fernseher und der gehört uns“, stellte Klaus klar und deutlich fest. „Hör mir mal gut zu, Du Rotzlöffel! Ich bringe Deinen Eltern eine Menge Geld ins Haus, also habe ich Anspruch auf den Fernseher“, widersprach Klein energisch. „He, noch so eine Beleidigung und ich rufe die Polizei.“ „Ja, tu das nur, dann wirst Du Deine Eltern nämlich nie wieder sehen.“ „Mir egal. Der Fernseher bleibt bei uns.“ „Herr Plock! Kommen Sie doch mal! Ihr Sohn will mir den Fernseher nicht überlassen!“ rief Klein verzweifelt. „Warte! Ich geh hin. Mann sind wir blöd! Der Typ hätte ungehindert abhauen können. Von nun an wird er bewacht“, entschied Ute, bevor sie zum Streit schlichten ging. „Klaus und Daniela, jetzt hört mir mal gut zu! Dieser Mann ist nur für ein paar Tage, höchstens für ein paar Wochen bei uns. Also bekommt er den Fernseher. Ihr habt eh schon ganz viereckige Augen“, redete sie ihren Kindern ein. Jene sprangen auf und liefen ins Bad, aus dem sie kurz darauf wieder erschienen. „Ist gar nicht wahr! Du hast uns angelogen! Wir haben gar keine viereckigen Augen!“ schrien die Kinder, irgendwie enttäuscht, aber auch erleichtert. Derweil trug Ute mit Klein den Fernseher in dessen Zimmer. „So ein blödes Arschloch. Der vermiest einem alles!“ schimpfte Klaus, bevor er wütend in sein Zimmer trampelte. „Unverschämtheit! Jetzt muß man sich schon von kleinen Kindern beleidigen lassen“, giftete Klein. „Das wird vor Gericht ebenfalls angesprochen werden“, fügte er drohend hinzu. „Ja ja, jetzt nerven Sie nicht schon wieder, sondern setzen Sie sich endlich in Ihr Zimmer!“ befahl Ute. „Wir sind hier nicht bei der Armee.“ „Verdammt noch mal, wir haben Sie entführt, wir haben Sie doch nicht zum Kaffeetrinken hierher gebracht.“ „Schreit doch nicht so rum! Helft mir lieber!“ ordnete Jörg an, der sich mit dem Tapezieren augenscheinlich übernommen hatte. „Lassen Sie das! Sie sind wohl zu allem zu blöd. Rufen Sie einen Fachmann an, der die Sache erledigt!“ verlangte Klein. „Nein, das werden wir nicht tun. Das würde Ihnen wohl so passen. So und jetzt werden wir endgültig andere Saiten aufziehen, sonst könnte man ja meinen, Sie sind hier nur auf Besuch. Wir sperren Sie jetzt in Ihr Zimmer ein und da drin bleiben Sie, bis wir wieder kommen. Glauben Sie bloß nicht, daß Sie aus dem Fenster raus, oder die Nachbarn um Hilfe rufen können, es ist nämlich gar kein Fenster da. Wir haben nämlich vergessen eins rein zu bauen. Ha, wer halt da blöd ist“, posaunte Jörg heraus, doch ganz so schnell ließ Klein sie nicht gehen. „Einen Augenblick noch, Ihr Vollidioten! Ich bekomme jeden Tag ein Frühstück, ein warmes Mittagessen und ein warmes Abendessen. Außerdem werden Sie mir Lesestoff zur Verfügung stellen, aber kommen Sie bloß nicht auf die Idee, mir Kinderbücher andrehen zu wollen. Vergessen Sie nicht, daß Sie auf mich angewiesen sind, wenn Sie Geld bekommen wollen, also sorgen Sie dafür, daß ich mich hier wohl fühle, sonst wird das nichts mit der Rückzahlung Ihrer Schulden. Ach ja, das Wichtigste hätte ich fast vergessen! Wo ist hier eine Toilette? Sie können mir auch eine hier rein stellen, aber wehe wenn das so ein Plumpsklo ist, da setz ich mich nicht drauf. Und wenn ich irgend etwas wünsche, dann klopfe ich an die Wand. Kommt ja nicht auf die Idee nicht zu kommen, wenn ich klopfe, das würde Euch und Eurem Vorhaben nur schaden. Ihr könnt nun gehen“, meinte Klein gnädig. Jörg und Ute waren stinksauer. „Wie gnädig. Hier ist Ihr Klo und jetzt lassen Sie uns gefälligst in Ruhe, wir müssen uns um unser Geld kümmern!“ machte Ute deutlich, stellte ihm einen Nachttopf ins Zimmer, knallte die Tür zu und schloß sie ab. Sogleich folgte eine wilde Trommelorgie von Klein, die ihm aber nichts brachte. „Ich glaube, ich sollte mir doch eine Knarre besorgen“, mutmaßte Jörg. „Lieber nicht. Leichen bringen kein Geld“, erwiderte Ute.

„So, Frau Klein, da sind wir auch schon. Was gibt es denn?“ wollte ein Polizist wissen, der mit seinem Kollegen wegen ihres Anrufes bei der Polizei zu ihr gefahren war. „Schauen Sie sich das an! Meine schöne Glastür ist kaputt!“ rief sie verzweifelt. „Oh, das sieht aber gar nicht gut aus. Sollen wir einen Krankenwagen rufen?“ „Dazu ist es schon zu spät. Ich bin ja so am Boden zerstört. Diese wunderbare Glastür, das hat sie einfach nicht verdient.“ „Na ja, ich bin zwar kein Experte auf diesem Gebiet, aber ich glaube, daß da noch mehr passiert ist.“ „Wen interessiert denn das? Was glauben Sie, wie teuer so eine Glastür ist?“ „Ach, nun seien Sie doch nicht so hysterisch. Sie können sich sicherlich wieder eine neue leisten und außerdem sind Sie bestimmt versichert.“ „Sparen Sie sich das! Eine Glastür wie die krieg ich nie wieder.“ „Sagen Sie mal, wohnen Sie hier alleine?“ „Nein, mein Mann wohnt auch hier, aber der ist nicht da.“ „Ja wo isser denn?“ „Wen interessiert das schon?“ „Na ja, es könnte sein, daß er die Glastür zerstört hat.“ „Stimmt, jetzt wo Sie es sagen. Warten Sie, ich werde ihn sofort suchen.“ Das sah dann so aus, daß sich Frau Klein hinstellte und zehnmal mit ihrer entsetzlichen Stimme „Werner!“ rief, doch erst als sie keine Antwort bekam, machte sie sich auf in die verschiedenen Zimmer ihres Hauses. Wenig später kam sie wutentbrannt zurück, während die beiden Polizisten es sich inzwischen vor dem Fernseher bequem gemacht hatten und einen Krimi anschauten. „Was fällt Ihnen ein? Wissen Sie denn nicht, wie teuer der Strom geworden ist? Schalten Sie sofort den Kasten aus, sonst setzt es was!“ brüllte Klein, was dazu führte, daß die Polizisten erschrocken aufstanden und schuldbewußt zu Boden blickten. „Ihr solltet Euch etwas schämen, arme Leute auf diese Art und Weise in den Ruin zu treiben“, schimpfte sie. „Haben Sie wenigstens Ihren Mann gefunden?“ erkundigte sich einer der Polizisten. „Nein, zum Glück nicht. Aber einige seiner Sachen sind verschwunden. Jetzt weiß ich Bescheid. Der hat sich abgesetzt und vorher noch ein bißchen randaliert. So ein Schwein!“ „Merkwürdig. Wer macht schon freiwillig seine eigene Wohnung kaputt? Außerdem ist ja nur die Glastür hin. Nein, da steckt bestimmt mehr dahinter.“ „Ach was! Der ist abgehauen, sonst hätte er nicht seine ganzen geschäftlichen Unterlagen mitgenommen.“ Das Telefon klingelte. „Entschuldigen Sie, ich muß mal. Fassen Sie ja nichts an!“ befahl Frau Klein. „Aber Sie können doch jetzt nicht aufs Klo. Das Telefon klingelt doch“, entgegnete der andere Polizist. „Ich geh ja auch nicht aufs Klo, Du grünes Männchen, ich geh zum Telefon.“ „Du, schau mal auf der Schimpfwörterliste nach, ob grünes Männchen drin steht. Dann können wir abkassieren“, sagte der eine Polizist zu seinem Kollegen. Derweil hatte Frau Klein den Hörer abgehoben und hörte Folgendes: „Sind Sie Frau Klein?“ fragte Jörg Plock. „Ja, ich bin es.“ „Schön für Sie und gut für uns. Wir haben Ihren Mann entführt und darum ...“ „Ha ha! Genial! Jetzt habt Ihr den alten Labersack am Hals!“ frohlockte sie. „Beruhigen Sie sich und hören Sie zu! Wir haben also Ihren Mann und fordern für seine Freilassung fünf Millionen Euro.“ „Ich will aber gar nicht, daß er freigelassen wird.“ „Hä? Was soll denn das jetzt? Sie sind doch seine Frau, oder nicht?“ „Na klar, aber ich geb doch nicht fünf Millionen Euro aus, damit ich den Spinner wieder im Haus habe. Warten Sie mal, ich geh nur schnell mit dem Telefon in ein Zimmer, wo ich allein bin, dann können wir ungestört reden.“ Frau Klein verschwand mit dem Telefon, während die beiden Polizisten in der Wohnung herum spazierten. „Also, hier bin ich wieder. Hören Sie! Ich zahle Ihnen zwei Millionen Euro, wenn Sie meinen Mann umbringen.“ Jörg erschrak. „Hey, was soll der Mist! Das hier ist eine Entführung und kein Wunschkonzert. Eine Entführung läuft so ab, daß die Entführer jemanden entführen und von dessen Familie dann Geld dafür bekommen, daß sie das Opfer wieder freilassen.“ „Daran habe ich aber kein Interesse. Was glauben Sie wie froh ich bin, daß ich endlich das ganze Haus für mich allein habe? Ach ja, vielen Dank dafür, daß Sie den Alten mitgenommen haben, aber das mit der Glastür werde ich Ihnen nie verzeihen.“ „Jetzt machen Sie mal halblang! Wegen Ihrer blöden Glastür habe ich eine Menge Blut verloren und die Scherben mußten wir auch zusammenkehren.“ „Ja, so ist sie halt, meine Glastür. Die kämpft bis zum Schluß.“ „Genug gefaselt. Sind Sie allein daheim?“ „Nein, zwei Polizisten sind da.“ „Das trifft sich hervorragend. Holen Sie doch mal einen von denen an den Apparat!“ „Mach ich.“ Klein lief in das Wohnzimmer, doch es dauerte, bis sie die Polizisten fand. „Wird das hier eine Hausdurchsuchung, oder was? Kommen Sie lieber schnell! Der Entführer meines Mannes ist am Telefon und will mit einem von Ihnen sprechen.“ „Ja genau. Sind wir hier bei der gefreckten Kamera, oder was? Na ja, wie er will“, meinte einer der Polizisten und nahm wenig später den Hörer in die Hand. „Sie sprechen mit der Polizei. Was haben Sie uns mitzuteilen?“ „Ja, hören Sie mal, Sie müssen mir unbedingt helfen. Also, ich hab doch diesen Herrn Klein entführt, aber seine Frau will keine fünf Millionen Euro für seine Freilassung zahlen. Könnten Sie nicht mal mit ihr reden?“ „Ich kann es versuchen. Wenn ich Erfolg habe, melde ich mich bei Ihnen. Unter welcher Nummer sind Sie zu erreichen?“ „Also, das wäre die 0, Moment mal, das geht jetzt wirklich nicht. Ich kann Ihnen doch nicht meine Telefonnummer verraten.“ „Doch, das geht schon. Sie brauchen sich nur ein wenig überwinden.“ „Nein, das lassen wir mal lieber. Reden Sie der Frau Klein gut zu, sonst wissen wir nicht mehr weiter. Ich melde mich irgendwann mal wieder“, bemerkte Jörg und legte auf. „Ja, damit wäre der Fall geklärt. Ihr Mann ist also entführt worden und befindet sich entweder in der Hand von Profis, Amateuren oder Verrückten, wobei ich eher auf das Letztere tippen würde. Jetzt müssen wir aber mal Klartext reden, Frau Klein! Wie können Sie es wagen, dem Entführer ins Ohr zu sagen, daß Sie nicht daran denken, das Lösegeld zu bezahlen? Der arme Mann hat bestimmt fast einen Herzinfarkt bekommen. Können Sie denn den Tod eines Menschen verantworten?“ „Ja, solange der Tote mein Mann ist. Aber ich glaube, ich muß mich das nächste Mal beim Entführer persönlich dafür entschuldigen, daß ich ihm so einen großen Schreck eingejagt habe.“ „Das sehen wir genauso. Sie können doch nicht einfach Träume platzen lassen! Bestimmt hat sich der Entführer schon auf das Geld gefreut und Sie machen das mit ein paar Sätzen zunichte! Und jetzt haben wir eine ganz prekäre Situation: Die Entführer haben eine Geisel, die nichts mehr wert ist und Sie können sich ja vorstellen, was nun passiert!“ „Keine Sorge, daran hab ich schon gedacht. Deshalb habe ich dem Entführer den Vorschlag gemacht, daß ich zwei Millionen Euro zahle, wenn er meinen Mann umbringt.“ „Frau Klein, so etwas dürfen Sie doch nicht tun. Das ist ja gerade so, als ob Sie einen Killer anheuern. Damit machen Sie sich strafbar. Schon die Anstiftung zum Mord reicht, um Sie hinter Gitter zu bringen.“ „Oh, hätte ich Ihnen lieber nichts gesagt.“ „Ach, alles halb so schlimm. Wenn Sie wüßten wie viele Kriminelle in diesem Land frei herumlaufen, da kommt es auf eine mehr oder weniger auch nicht an.“ „Und was machen wir jetzt?“ „Wir rufen einen Glaser an, damit er eine neue Glastür einsetzt. Hier drin wird es mir nämlich sonst zu kalt“, stellte der Polizist fest. „Heißt das, Sie wollen heute Nacht hier bleiben?“ „Von wollen kann gar keine Rede sein. Andererseits können wir hier bei Ihnen fernsehen, während Zuhause unsere Frauen über die Fernbedienung herrschen.“ „Das werde ich nicht zulassen. Wenn Sie unbedingt glotzen wollen, dann müssen Sie auch dafür zahlen.“ „Na ja. Wir kriegen ja Nachtzuschlag.“ „Ich schlag auch gleich zu. Wollen Sie etwa warten, bis der Entführer wieder anruft?“ „Na klar, das ist ja unser Job.“

Währenddessen war Jörg völlig durcheinander. Gemeinsam mit seiner Frau saß er in der Küche und wollte sich mit ihr beraten. Doch er fühlte sich nicht wohl und darum ging er vor die Haustür um frische Luft zu schnappen. Klein dagegen machte schon wieder mit lautem Klopfen auf sich aufmerksam und das blieb mitten in der Nacht natürlich auch den Nachbarn nicht verborgen. Einer von ihnen schrie zu Plock, als er jenen sah: „Hey, sag mal, habt Ihr die Handwerker im Haus?“ „Nein, nur eine Nervensäge“, antwortete jener. „Unsinn. Das ist doch keine Säge, das ist ein Hammer. Sorg dafür, daß da jetzt Ruhe herrscht, sonst ruf ich die Polizei!“ Ute hatte ihren Mann noch nie so schnell rennen sehen wie in jenem Augenblick. Schnell folgte sie ihm, um mitzubekommen, was geschehen war. Hastig sperrte Jörg die Tür zu Kleins Zimmer auf. „Na endlich! Ich klopfe mir hier die Handkanten wund“, beschwerte sich jener. „Was soll denn das Theater? Wissen Sie, wir können wirklich auch anders. Wenn Sie nicht augenblicklich von jetzt an für immer mit diesem Geklopfe aufhören, dann binden wir Ihnen die Hände an den Kopf“, drohte Jörg. „Wieso denn an den Kopf?“ wunderte sich Klein. „Damit Sie sich nicht am Rücken kratzen können. Schön langsam gehen Sie mir eh auf den Sack. Gar nichts funktioniert. Ihre Frau will das Lösegeld nicht zahlen. Nein, statt dessen bietet sie mir zwei Millionen Euro, wenn ich Sie erschieße.“ „Nichts dagegen, daß Sie meine Frau erschießen.“ „Nein, Sie soll ich erschießen.“ „Oh, das hört sich aber gar nicht gut an. Und, tun Sie’s?“ „Nein, was nützen mir denn zwei Millionen, wenn ich drei Millionen Schulden habe? Da müßte ich ja zwei Leute entführen und dann erschießen, damit ich Gewinn mache. Außerdem habe ich gar keine Waffe.“ „Und was jetzt?“ „Gute Frage. Sie sind an allem schuld, Herr Klein. Warum können Sie nicht ein normales Verhältnis zu Ihrer Frau haben, wie alle anderen Männer auch?“ „Hab ich doch. Ich kann sie nicht leiden und sie kann mich nicht leiden.“ „Ach so, na ja, jedenfalls hab ich bald genug von der ganzen Sache. Ich warne Sie: Klopfen Sie nicht so laut! Das hört man nämlich.“ „Deshalb mach ich es ja. Wo bleibt mein Abendessen?“ „Es ist Nacht. Sie kriegen morgen Ihr Frühstück und damit hat es sich“, bestimmte Ute. „Sie wären eine gute Domina.“ „Komisch, das sagen die Kinder auch immer zu ihr“, stellte Jörg erstaunt fest. „Von Ihnen verlange ich, daß Sie mir jetzt eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen“, wandte sich Klein an Jörg. „Sonst kann ich nicht gut schlafen.“ „Was ist das nur für eine beschissene Geschichte? Ein Entführer, der dem Entführten eine Geschichte zum Einschlafen erzählt. Das kann es doch gar nicht geben“, jammerte Jörg, doch es half nichts. „Gleich“, versprach er, bevor er sich an seine Frau wandte. „Stell Dir vor, ich hab sogar mit einem richtigen Polizisten gesprochen und der hat sich bereit erklärt, zu versuchen, die Frau Klein zu überzeugen, daß sie doch die fünf Millionen zahlt.“ „Prima. Du bist wirklich ein Genie. Eine echt tolle Idee mit der Polizei zusammenzuarbeiten, um Geld zu erpressen.“ „Das hab ich mir auch gedacht. Die Polizisten haben schließlich Erfahrung mit solchen Sachen und als Anfänger sollte man schon mit ein paar Profis kooperieren, finden Sie nicht auch, Herr Klein?“ „Was sind Sie nur für ein Stümper, Jörg? Na ja, vielleicht können Sie wenigstens eine gute Geschichte erzählen“, hoffte jener. So saß also der Entführer Plock am Bett des Entführten Klein und begann: „Es war einmal ein kleiner Junge, der wollte immer nur in die Windel scheißen. Doch eines Tages gab es keine Windeln mehr und so machte er sich auf die Suche nach einem Klo. Er durchquerte Felder und Wiesen, Wälder und Städte, doch er fand kein Klo und er spürte, daß seine Hose naß wurde, obwohl es nicht geregnet hatte und er auch in keine Pfütze oder einen Weiher gefallen war. Schlafen Sie etwa immer noch nicht?“ „Wie denn? Diese Geschichte ist so spannend, ich muß unbedingt hören wie sie endet.“ „Nehmen Sie sich ein Beispiel an meiner Frau! Die schläft bereits. Ja und da merkte der Junge, daß er gar kein Klo braucht und ihm wurde endlich klar, warum wir Menschen nicht nackt herum rennen.“

„Tolle Geschichte. Sie hätten Schriftsteller werden sollen“, schwärmte Klein begeistert. „Nein, damit würde ich meine Schulden auch nicht los. Also, ich nehme jetzt meine Frau mit, nicht daß Sie mit der noch was anstellen und dann muß ich überlegen, wie ich an das Geld komme“, erklärte Plock, packte seine Frau und zog sie aus dem Zimmer hinaus, welches er danach wieder absperrte. „Was ist los? Wo bin ich?“ stammelte Ute, als sie plötzlich aufwachte, doch als sie ihren Mann vor sich sah, merkte man ihr die Enttäuschung an. „Du schon wieder.“ „Spar Dir das! Hilf mir lieber beim Überlegen, wie wir an die fünf Millionen kommen.“ „Da wird es nicht viele Möglichkeiten geben. Anscheinend will die Frau ihren Mann nicht wieder.“ „Das kann man wohl sagen. Sie war total begeistert, als ich ihr mitteilte, daß er in unserer Gewalt ist. Und schadenfroh war sie auch noch.“ „Das kann ich verstehen.“ „Ich hab die Idee!“ rief Jörg auf einmal, lief zum Telefon, schnappte sich den Hörer und wählte. „Solltest Du nicht lieber mit dem Telefonieren aufhören? Bestimmt haben die schon eine Fangschaltung eingebaut“, vermutete Ute. „Na und? Wie viele Polizisten mit Abitur gibt es denn?“ erwiderte Jörg, bevor er in den Hörer sprach: „Ja, hallo, Frau Klein. Ich bin es wieder, der liebe Herr Entführer und ich habe eine Neuigkeit für Sie: Wenn Sie uns nicht fünf Millionen Euro zahlen, dann schicken wir Ihnen Ihren Mann sofort lebendig zurück!“ „Oh nein, bloß nicht! Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Wie können Menschen nur so brutal sein? Das dürfen Sie einfach nicht tun“, platzte es aus ihr heraus. „Die wollen meinen Mann freilassen, wenn ich nicht zahle“, berichtete sie den neben ihr stehenden Polizisten. „Ich glaube, wir haben die Täter unterschätzt. So eine Grausamkeit hätte ich Ihnen wirklich nicht zugetraut“, konstatierte einer der Polizisten. „Also gut, ich zahle. Aber Sie garantieren mir dann, daß mein Mann nicht mehr nach Hause kommt“, verlangte Frau Klein. „Ja, das ließe sich machen. Passen Sie auf, ich habe da schon ganz konkrete Vorstellungen wie die Lösegeldübergabe funktioniert: Sie überweisen den Betrag einfach auf mein Konto. Au! Was ist denn? Warum schlägst Du mich?“ schrie Jörg und legte danach auf. „Anscheinend hat der Entführer gerade Hiebe bekommen und deshalb aufgelegt“, mutmaßte Frau Klein, nachdem sie festgestellt hatte, daß das Gespräch beendet worden war. „Das müssen Verrückte sein und das erhöht natürlich die Gefahr, daß Sie Ihren Mann noch einmal lebendig zu Gesicht bekommen“, erläuterte der Polizist, der sich, damit man ihn von seinem Kollegen unterscheiden konnte, seine grüne Mütze aufgesetzt hatte. „Unglaublich mit welcher Brutalität diese Leute vorgehen. Das hatten wir noch nie in der Polizeigeschichte, daß die Entführer damit gedroht haben, die Geisel freizulassen, wenn sie kein Geld bekommen. Bei solchen Methoden sind wir mit unserem Deutsch am Ende. Es wird wohl das Beste sein, wenn wir die Sache an die Leute weitergeben, die sich damit besser als wir auskennen“, bemerkte der Polizist ohne Mütze. „Sie wollen also ein Sondereinsatzkommando ins Spiel bringen?“ hakte Frau Klein nach. „Quatsch! Ich habe gerade von kompetenten Leuten gesprochen, nicht von Polizisten. Wir verlassen uns nun auf die Leute, die immer alles besser wissen, sei es in Politik, Wirtschaft, Justiz, Gesellschaft, Sport und so weiter und so fort. Wir geben die Sache nun an die Presse weiter.“ „Ist das nicht gefährlich? Damit könnten wir die Entführer reizen und sie veranlassen, meinen Mann sofort freizulassen und das wäre ja das Schlimmste was überhaupt passieren kann.“ „Frau Klein, bleiben Sie ganz ruhig! Wir werden die Sache schon zu einem guten Ende bringen und wenn nicht, dann ist es auch nicht schlimm, weil wir ja zum Glück nicht nach Leistung bezahlt werden.“ „Sollten Sie nicht wenigstens eine Fangschaltung installieren?“ „Wozu die Mühe? Sie glauben doch wohl nicht, daß uns der Entführer von sich Zuhause aus anruft. So blöd sind nicht mal Amateure oder Verrückte, Profis schon gleich gar nicht. Wir machen uns jetzt vom Acker, weil wir nicht mehr Überstunden machen dürfen. Falls was ist, rufen Sie uns an!“

„Kann man denn da nicht mal in Ruhe schlafen? Jörg, geh Du mal, der Depp klopft schon wieder!“ stellte Ute mitten in der Nacht fest. „Warum soll ich gehen? Geh doch selber!“ forderte er. „Ich hab gerade meine Gurkenmaske auf dem Gesicht, da würde ich ihn nur erschrecken.“ „Umso besser. Dann glaubt er, bei uns gibt es Gespenster und er gibt endlich Ruhe!“ „Nein, ich geh da nicht rein. Vielleicht solltest Du ihm eine Sauerstoffflasche ins Zimmer stellen. Kann ja sein, daß er keine Luft mehr kriegt, da er ja kein Fenster im Zimmer hat.“ „Na gut. Wäre schließlich blöd wenn er sterben würde, dann würden wir unsere Schulden nie loswerden und die Leiche müßten wir auch wegbringen.“ „Irgendwie hab ich das Gefühl, daß uns der Typ den ganzen Urlaub vermiesen wird.“ „Und wenn schon? Wenn das alles vorbei ist, dann zahlen wir unsere Schulden und vom restlichen Geld machen wir uns ein schönes Leben.“ „Wieso willst Du eigentlich der Bank das Geld zurückzahlen? Wir könnten doch mit den fünf Millionen verschwinden.“ „Bist Du wahnsinnig? Die Typen von der Bank sind doch noch viel schlimmer als die Polizisten. Die von der Bank lieben das Geld, das ist denen ihr Lebenssinn, die würden uns jagen bis sie uns finden und sie würden uns finden, hast Du das mit dem Schneider vergessen? Dagegen hörn die Polizisten irgendwann zu suchen auf, weil es denen nüchtern betrachtet scheißegal ist, ob sie die gesuchten Leute fangen oder nicht, weil sie dafür eh nicht mehr Geld kriegen. Also, merk Dir eines: Betrüge keine Banken, sonst gehörst Du zu den Kranken!“ dichtete Jörg, bevor er das Bett verließ und zu Kleins Zimmer ging. Es wunderte ihn schon ein wenig, daß die Tür des Zimmers offen war, doch als er hinein sah wurde ihm alles klar. Klaus und Daniela saßen auf der Bettkante und starrten in den Glotzkasten. „Mal ne blöde Frage: Warum sind Sie nicht gegangen, haben die Kinder hier eingesperrt und das Haus verlassen?“ wunderte sich Jörg. „Das kann ich doch nicht riskieren. Es hätte ja genausogut eine Falle sein können. Außerdem gefällt es mir bei Euch und noch dazu ist es meine Pflicht, daß ich meinen Entführern helfe, an ihr Geld zu kommen“, behauptete Klein. „Das nenne ich eine vernünftige Einstellung. Da wird es Sie freuen zu hören, daß Ihre Frau sich nun doch dazu bereit erklärt hat, das Lösegeld zu bezahlen.“ „Na endlich ist sie vernünftig geworden. Ich hab doch gewußt, daß sie mich liebt.“ „Äh, na ja, so würde ich das auch wieder nicht beschreiben, denn ich habe die Bedingung verändert.“ „Inwiefern?“ „Ich habe ihr gedroht, daß ich Sie, also jetzt Sie, Herr Klein, sofort freilasse, wenn sie nicht das Geld herausrückt.“ „Ach so, aber was heißt das dann für mich?“ „Daß Sie nicht mehr nach Hause zurückkehren dürfen, weil wir sonst das ganze Geld zurückzahlen müssen und das wären dann bereits acht Millionen Euro Schulden. Ich hoffe, daß Sie das nicht von uns verlangen.“ „Aber das ist doch mein Haus. Es gehört mir schon, seit ich meine Eltern vergiftet habe. Was soll ich denn da tun?“ „Sie werden schon noch andere Häuser haben. Ein Mann mit Ihrem Einkommen.“ „Natürlich hab ich noch genügend andere Häuser. Aber die Wohnungen darin sind alle vermietet.“ „Dann erzählen Sie was von Eigenbedarf und die Sache ist gegessen.“ „Eben nicht. Da kommt mir ja das große Kotzen. Ich ziehe doch nicht in ein Haus und lebe darin mit meinen Mietern.“ „Sie können ja auch ein ganzes Haus für sich nehmen.“ „Dann hab ich ja viel weniger Einnahmen.“ „Hören Sie, ich habe nicht vor, mich jetzt mit Ihnen deswegen zu streiten. Ich sag nur soviel: Wir können es auch anders einrichten, daß Sie nicht mehr nach Hause kommen, nämlich indem wir Sie in eine Mülltonne stecken oder in ein Spinnennetz einweben lassen. Also, halten Sie sich gefälligst zurück!“ „Schon gut, aber jetzt nehmen Sie bitte die Früchte Ihrer Lenden wieder mit! Ich will nämlich schlafen!“ „Hey, wenn das Arschloch schlafen will, dann können wir ja den Fernseher mitnehmen!“ freute sich Klaus. „Nein, der bleibt hier. Ich schleppe den doch nicht jeden Tag fünfmal hin und her“, stellte Jörg klar. „Gut, dann bleiben wir auch hier.“ Daraufhin packten Jörg und Klein die Kinder und trugen sie hinaus.

Ungefähr zur selben Zeit führte der Polizist mit Mütze ein Telefongespräch mit einer Boulevardzeitung. „Hallo, ich bin’s mal wieder, der Bulle mit der Pulle“, meldete er sich. „Freut mich, mal wieder was von Ihnen zu hören. Bin schon ganz neugierig“, erwähnte der Reporter am anderen Ende der Leitung. „Also, es geht um eine Entführung.“ „Das trifft sich gut. Endlich mal wieder ein Thema, mit dem man Auflage machen kann.“ „Wieso? War die Sache mit dem Papagei, der eine Kaufhauskette erpreßt hat, etwa ein Flop?“ „Na ja, sogar für unsere Leser klang das ein wenig unglaubwürdig.“ „Aber es war tatsächlich so. Ich war doch bei der Festnahme des tatverdächtigen Papageis dabei. Der hat zwei Kollegen von mir ein Auge ausgehackt und mir in die Eier gebissen. Seitdem bin ich Stammgast beim Urologen.“ „Tolle Story. Mit der kann ich bestimmt auch mal was anfangen, wenn mir nichts Besseres einfällt.“ „Was fällt Ihnen ein? Ich habe Ihnen das vertraulich erzählt, nicht, damit Sie darüber berichten.“ „Schon gut, Sie wissen doch, daß man uns nicht vertrauen kann. Kommen wir nun lieber zu dieser Entführung!“ „Ja, wir haben es da mit einem Fall zu tun, den es vorher wahrscheinlich noch nie gegeben hat.“ „Klasse! Das wird bestimmt ein Knaller. Ach ja, ich muß noch ein Wort des Dankes an Sie loswerden, weil ich es wirklich toll von Ihnen finde, daß Sie mich sogar noch vor Ihrem Chef benachrichtigen.“ „Das hat Gründe. Der läßt sich doch nicht wegen einer Entführung mitten in der Nacht wecken. Wenn, dann muß es schon um Korruption gehen, damit er auch ein wenig mit absahnen kann.“ „Prima, gleich noch eine Story. Aber jetzt kommen Sie bitte zur Sache, mein Kaffee hält mich auch nicht ewig wach.“ „Da hab ich ein gutes Mittel für Sie. Holen Sie sich eine Frau ins Bett, aber vorher müssen Sie die noch heiraten. Von da an werden Sie keine Probleme mehr haben wach zu bleiben, weil so ein Wesen einen in jeder Nacht auf Trab hält.“ „Wird’s jetzt bald?“ „Ja, ich denke schon. Ein Manager ist entführt worden, ich weiß ja, daß Sie sowieso mit Abkürzungen operieren, also können Sie den Namen ruhig erfahren. Es ist Werner Klein.“ „Ja, der ist bei uns auch gut bekannt. Sagen Sie mal, hat seine Frau nichts dagegen, daß Sie das alles an die Presse weiterleiten?“ „Ganz im Gegenteil. Sie besteht darauf, daß der Name ihres Mannes groß und deutlich gedruckt wird, die will vom Datenschutz überhaupt nichts wissen.“ „Sehr merkwürdig. Vielleicht steckt sie mit den Entführern unter einer Decke.“ „Sie haben wirklich eine perverse Phantasie, das muß ich schon mal sagen. Aber ich kann Sie beruhigen: Ich habe unter ihrer Decke nachgesehen, da lag nur sie ganz allein.“ „Na gut, dann halt nicht. Weiter!“ „Ja, die Entführer haben sich telefonisch gemeldet und forderten erst fünf Millionen Euro dafür, daß sie den Klein wieder freilassen. Jedoch hat die Klein daran keinerlei Interesse und deshalb hat sie sofort abgelehnt. Damit hat sie diese armen Entführer völlig verwirrt, doch die sind viel teuflischer als wir dachten. Nun verlangen sie immer noch fünf Millionen Euro, allerdings dafür, daß sie den Klein nicht umgehend wieder nach Hause schicken.“ „Wie gemein! Das dürfen die doch gar nicht machen! Dagegen muß man doch etwas unternehmen! Wie können Menschen nur so unmenschlich sein!“ „Also wenn sogar ein Schmierfink wie Sie so etwas beklagt, dann ist da wirklich etwas dran. Danach sollte es um die Überbringung des Lösegeldes gehen, doch plötzlich war der Kontakt abgebrochen.“ „Das ist auch gut so. Auf diese Art und Weise bleibt viel Platz zur Spekulation und das ist ja mein Spezialgebiet. Vielen Dank für alles. Natürlich erwarte ich, daß wir sofort wieder informiert werden, wenn was Neues passiert.“ „Halt, so war das nicht gedacht. Ich gehe davon aus, daß Ihr Euch der Sache annehmt und Euch darum kümmert. Wir wollen eigentlich nichts mehr damit zu tun haben.“ „Auch recht. Dann werden wir unsere Spürhunde halt mal losschicken.“ „Nein, keine Hunde, die ham wir selber. Was benötigt wird sind Journalisten, die vom Recherchieren keinen Schimmer haben und die Hirngespinste weben können wie kein normaler Mensch.“ „Kein Problem, davon haben wir genug.“

„Also, mit diesem Klein kann man wirklich gut arbeiten. Der hat mit mir die Kinder in ihr Zimmer getragen und als der Klaus wieder frech wurde, da hat er ihm einfach eine gelangt. Solche Leute braucht das Land“, war Jörgs Meinung, die er seiner Frau mitteilte, als er wieder in ihr Schlafzimmer kam. „Ja, wahrscheinlich lassen wir ihn auch besser die Lösegeldübergabe planen, nachdem Du Dich da so blamiert hast“, erinnerte sie sich. „Ach Du! Immer bist Du so negativ eingestellt. Das war doch eine tolle Idee, das Geld gleich aufs Konto überweisen zu lassen. Unbürokratisch und pragmatisch.“ „Wirf nicht mit Fremdwörtern um Dich, die Du selber nicht verstehst. Da weiß doch die Polizei sofort, wer die Täter sind.“ „Na ja, kann schon sein, wir alle machen mal Fehler. Aber mich deswegen gleich zu schlagen.“ „Du hättest der Frau ja auch gleich noch Deine Kontonummer mitgeteilt und dann wäre alles zu spät gewesen.“ „Ach was! Übertreib doch nicht immer so stark! Es ist ja nun wirklich nicht so, daß ich ein Vollidiot wäre. Viel größere Sorgen machen mir die Kinder. Stell Dir vor, als ich den Klaus ins Bett legen und anketten wollte, da hat sich der doch tatsächlich befreit und mir ins Bein gebissen. Ich mache mir ernsthafte Sorgen, daß mit dem Jungen etwas nicht stimmt. Wahrscheinlich liegt das an diesen Krimis, die er ab und zu im Fernsehen anschaut. Vor allem dieser Kommissar Rex scheint mir einen sehr negativen Einfluß auf ihn auszuüben und der dürfte auch die Verantwortung für diesen Angriff tragen.“ „Dann sei lieber froh, daß der Junge Dir nicht ans Bein gepinkelt hat.“ „Da hätte er aber was erleben können. So, jetzt versuchen wir aber zu schlafen, sonst kommen wir gar nicht mehr zur Ruhe.“ Knapp zehn Minuten später schreckten die Beiden erneut hoch. „Was ist denn nun los? Wer klingelt denn da?“ rief Ute wütend. „Ach so, das hab ich Dir ja noch gar nicht gesagt. Ich hab dem Klein eine Glocke gegeben, weil sein Geklopfe die Nachbarn gestört hat. Wenigstens hört man das Geklingel nur im Haus.“ „Jetzt kann er aber was erleben! Wer glaubt denn der, daß er ist?“ „Ein Entführter, dessen Wohlbefinden uns sehr am Herzen liegen muß, weil wir sonst leer ausgehen.“ „Alles schön und gut, aber deshalb hat er noch lange kein Recht, uns unseren Urlaub zu vermiesen.“ „Vergiß nicht, daß wir ihn entführt haben, nicht er uns. Da muß man solche Unannehmlichkeiten halt in Kauf nehmen. Was ist denn, Herr Klein?“ „Machen Sie schnell! Leeren Sie meinen Topf aus, damit ich rein pinkeln kann! Mir platzt gleich die Blase!“ „Und mir läuft gleich die Galle über! Pinkeln Sie halt in die Blumenvase!“ schnaubte Ute. „Geht doch nicht, bei dem Strahl, den ich habe. Die ist viel zu klein.“ Das klang überzeugend und deswegen rannte Jörg mit dem fast bis oben hin gefüllten Nachttopf schnell ins Bad und kam Sekunden später mit einem frischen zurück. „Vielen Dank! Noch eine Minute länger und es hätte hier eine Überschwemmung gegeben“, meinte Klein erleichtert. Ute, die sich inzwischen umgedreht hatte, um nicht mit ansehen zu müssen, wie der Manager sein Geschäft verrichtete, entgegnete: „So protzen müssen Sie auch wieder nicht.“ Doch als sie mitbekam, wie ihr Mann eilig losrannte und eine Wanne mitbrachte, da staunte auch sie nicht schlecht. „So. Jetzt bin ich fertig“, stellte Klein nach zwei Minuten fest. „Hilf mir doch mal, Ute! Allein schaffe ich die Wanne nicht“, fiel Jörg auf, als er einen Blick hinein warf. „Chronische Blasenschwäche, was?“ wollte sie von dem Entführten wissen, doch der gab darauf keine Antwort. Kurz darauf hatten sie alle Töpfe und Wannen geleert, das Zimmer wieder abgeschlossen und sich schlafen gelegt. Gerade mal drei Stunden Schlaf blieben ihnen, denn pünktlich um sieben Uhr hörten sie bereits wieder eine Glocke klingeln und sie erkannten am Klang, daß es die von Klein war. Verschlafen betraten sie sein Zimmer, während er schon angezogen auf der Bettkante saß. „Wo bleibt das Frühstück? Jetzt aber hurtig, ich warte nicht gern“, machte er deutlich. „Wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie noch ein schlimmes Ende finden“, glaubte Jörg. „Und wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie bald im Knast landen“, konterte Klein grinsend.

Wie eine Bombe explodierte in der Medienwelt die Nachricht von der Entführung des Werner Klein. Nachdem die informierte Boulevardzeitung das Thema als Aufmacher hergenommen hatte, sprangen alle anderen Zeitungen, aber auch etliche Fernsehsender, mit auf den Zug und es wurde um die Wette gelogen und phantasiert. Weitaus ruhiger ging es in einem Düsseldorfer Polizeirevier zu, in dem die beiden Polizisten ihrem Vorgesetzten Bericht erstatten mußten. „Also, Schulz und Kunz, wie erklären Sie sich, daß die ganze Sache an die Presse gekommen ist?“ forschte der nach. „Na ja, es scheint da wohl eine undichte Stelle gegeben zu haben“, mutmaßte Kunz. „Das ist anzunehmen. Tja und da dafür nur Sie Beide in Frage kommen, können Sie es nun ausknobeln, wer die Schuld auf sich nimmt.“ Doch als die beiden Polizisten tatsächlich mit dem Knobeln anfingen, war ihr Vorgesetzter auch wieder nicht zufrieden. „Was soll denn das? Wer es war, soll es nun endlich zugeben. Wir sind doch hier nicht im Kindergarten, wo sich die Kleinen gegenseitig die Schuld zuschieben, wir sind hier bei der Polizei und da sind immer die Anderen schuld.“ „Na gut, der Schulz war’s“, behauptete Kunz. „Ja, aber dafür hat der Kunz schon mal einen Joint geraucht“, warf Schulz in den Raum. „Und der Schulz hat schon ein paar Mal besoffenen Autofahrern die vollen Schnapsflaschen anstatt den Führerschein abgenommen.“ „Der Kunz hat dafür schon mal eine alte Frau über eine grüne Ampel geschubst.“ „Aber der Schulz hat schon heimlich auf dem Klo hier geraucht.“ „Genug jetzt. Mich interessiert gar nicht was Ihr Euch alles vorzuwerfen habt, schließlich überwachen wir jeden Polizisten und im Vergleich zu Euren Kollegen seid Ihr noch richtige Saubermänner. Also, Schulz, warum machen Sie das mit der Presse?“ „Ach wissen Sie, Herr Meier, das ist eine ganz einfache Geschichte: Ich bekomme Geld dafür und das brauch ich halt dringend. Außerdem kann es nicht schaden, wenn sich auch ein paar Journalisten um die Sache kümmern und noch dazu war die Witwe, äh, natürlich die Frau des Entführten, damit einverstanden.“ „Ja, Schulz, diese ganzen Gründe sprechen alle für Sie. Allerdings kennen Sie ja die beiden Probleme, die dabei entstehen: Das erste und weitaus bedeutendste Problem ist natürlich das, daß die Journalisten viel eher die Täter finden als wir und das ist dann immer recht peinlich, wenn wir das öffentlich zugeben müssen. Es gibt noch eine andere Sache, wenngleich die nur eine Nebenrolle spielt: So etwas könnte für das Opfer von Nachteil sein.“ „Und wenn schon? Der Klein wäre nicht der Erste, der nach einer Entführung umgepustet wird“, beschwichtigte Schulz. „Auch wieder wahr. So, Kunz, nachdem der Schulz unsere lieben Freunde von der Presse informiert hat, dürfen Sie mich informieren.“ „Wenn’s denn sein muß. Also, da hat uns eine total hysterische Frau angerufen, nämlich die Frau Klein, die war total aufgelöst und so.“ „Das kann ich verstehen. Wer wäre nicht völlig verzweifelt und am Boden zerstört, wenn er erfährt, daß sein Lebenspartner geraubt worden ist?“ sinnierte Meier nachdenklich. „Nein, das mit ihrem Mann hat sie erst später entdeckt und das belastet sie überhaupt nicht. Es war die kaputte Glastür, die sie in die Nähe eines Herzinfarkts gebracht hat.“ „Komisch. Es scheint, als hätten sich in diesem Land die Sitten geändert.“ „Als ob Sie das beurteilen könnten. Jedenfalls hat dann einer der Entführer angerufen und den Rest können Sie in der Zeitung nachlesen.“ „Eben nicht. Man darf sich doch als guter Polizist nicht auf die Medien verlassen“, widersprach Meier. „Immer noch eher als auf einen Polizisten“, entgegnete Kunz, ohne zu merken, daß er sich damit selbst in den Schmutz zog. „Was machen wir jetzt?“ wollte Schulz wissen. „Na ja, ein bißchen ermitteln und so Zeug halt. Bringt zwar eh nichts, aber es soll zumindest den Anschein haben, als ob wir uns der Sache annehmen“, erläuterte Meier. „Also mal wieder das Übliche: Wir gründen mit großem Tamtam eine Sonderkommision, die angeblich nur damit beschäftigt ist, die Täter zu suchen. Dann sind die Leute zufrieden und wir haben unsere Ruhe. So wie immer halt“, fügte er hinzu.

„Der regt mich auf mit seinem Gebimmel“, bekannte Jörg, als er mal wieder von Klein gestört wurde. Also machte er sich auf den Weg zu dessen Zimmer. „Na endlich! Ich erwarte in Zukunft, daß ich nicht so lange klingeln muß“, stellte Klein klar. „Immer langsam reiten. Noch bin ich hier der Hausherr.“ „Aber ich bin hier das Opfer und ich bin viel mehr Geld wert als sie.“ „Richtig. Allerdings schweben Sie auch in viel größerer Gefahr. Was gibt es denn jetzt schon wieder?“ „Ich habe hier ein paar Briefe und die sollen Sie aufgeben.“ „Her damit! Geben Sie mir mal den Kugelschreiber da drüben, damit ich die Dinger gleich zensieren kann. Also, was haben wir denn da? Geschäftliches, das interessiert mich nicht, ein neues Testament, das interessiert mich auch nicht, da ich nicht annehme, daß Sie mich als Haupterben einsetzen werden.“ „Woher wollen Sie das wissen? Sie hätten immer noch größere Chancen als meine Frau.“ „Na immerhin. Ja was haben wir denn da? Einen Brief an Amnesty International. So haben wir aber nicht gewettet. Wieso wenden Sie sich an eine Menschenrechtsorganisation?“ „Ich habe nur meine Mitgliedschaft gekündigt. Ich habe gedacht, die würden sich um mich kümmern, wenn ich mal entführt werde. Obwohl, vielleicht wissen die noch gar nichts von meiner Entführung.“ „Das können Sie schwer vergessen. In allen Zeitungen wird bereits darüber berichtet und außerdem war es im Fernsehen auch schon zu sehen.“ „Und das stört Sie nicht? Ich meine, welcher Entführer hat schon ein Interesse, daß etwas von seiner Tat an die Presse gelangt?“ „Na ich natürlich. Ist doch toll, wenn man mal bekannt wird. Sie brauchen sich auch nicht beschweren. Schließlich stehen ja Sie im Mittelpunkt, sind sozusagen der Star.“ „Nicht schlecht. Damit kann ich mich anfreunden. Also schlage ich vor, daß ich noch ein bißchen länger bei Euch bleibe, damit ich Kultstatus erreiche.“ „Nein, Herr Klein, das würden unsere Nerven nicht mitmachen. Außerdem finde ich das ja toll, daß da alles in der Zeitung steht, weil ich dann genau weiß, was die Polizei vorhat.“ „Darauf kommt es doch gar nicht an. Nicht die Polizei ist Ihr Feind, sondern die Presse.“ „Unsinn! Die Presse ist lieb, die würde keinem Entführer was zuleide tun, weil der die Auflage steigert. Eins sag ich Ihnen: Es gibt sicher einige Schmierblätter, die sogar eine Entführung inszenieren würden, um damit Leser anzulocken.“ „Kann schon sein. Aber trotzdem verstehe ich Sie nicht.“ „Dann muß ich halt etwas lauter sprechen!“ rief Jörg. „Nein, das meinte ich nicht, mir platzt gleich das Zwerchfell. Ich verstehe nicht, warum Sie sich freuen, daß Sie in den Medien auftauchen.“ „Moment mal, soviel ich weiß, tauche ich darin noch nicht auf, das wäre schon etwas zu früh. Nein, die Presse macht vieles leichter. Angenommen wir würden verhaftet werden, was ich mir ja überhaupt nicht vorstellen kann, nachdem wir so hervorragend gearbeitet haben, dann könnten wir vor Gericht unser Leid klagen mit den vielen Schulden und eines steht fest: Danach würden uns viele Leute verstehen, denn in Deutschland gehört es anscheinend zur Pflicht, daß man Schulden hat, so daß möglicherweise auch der Richter Verständnis hätte und uns ein paar Jahre Knast ersparen würde.“ „Lächerlich, diese Vorstellung! Haben Sie eine Ahnung! Wenn Sie im Knast landen, dann kommen Sie die nächsten zehn Jahre nicht mehr raus.“ „Dazu muß es ja nicht kommen. Also, wir brauchen eigentlich nur noch das Geld und dann ist die Sache bereits erledigt. Ich habe da auch schon einen tollen Plan“, bemerkte Jörg, bevor er aufstand um zu gehen. „Bringen Sie mir bitte wenigstens ein paar Zeitungen und geben Sie die Briefe auf! Ach ja, ein Fenster hätte ich auch gern.“ „Das sind ja gleich drei Wünsche auf einmal. Frechheit, sind wir hier im Werbefernsehen, oder was? Seien Sie froh, daß Sie kein Fenster haben! So kommen Sie nicht in Versuchung zu fliehen. Ich werde mich jetzt um die Lösegeldübergabe kümmern und danach schau ich mal wieder bei Ihnen vorbei.“ „Aber daß mir Ihre Frau ja nicht das Mittagessen vergißt. Übrigens, das Frühstück war auch nicht das Wahre.“ „Na, Hauptsache es war was zu essen.“ „Da bin ich mir nicht sicher“, sagte Klein.

„Hallo, Frau Klein. Ich bin es wieder, der nette Entführer von nebenan“, meldete sich Jörg fröhlich bei der Frau seines Opfers am Telefon. „Sind Sie wahnsinnig! Gerade haben Sie mir verraten wo Sie wohnen. Aber keine Sorge, ich habe nichts gehört. Schließlich will ich das auch gar nicht wissen“, zischte sie verärgert. „Ganz ruhig, Ihrem Mann wird nichts geschehen.“ „Das ist ja furchtbar. Wie können Sie das nur sagen? Hauen Sie ihm wenigstens ein paar über die Rübe, damit er mal merkt, was ihn Zuhause erwartet hätte.“ „Hey, jetzt bin ich mal dran! Es geht um die Lösegeldübergabe.“ „Wollen Sie nicht erst wissen, ob ich das Geld schon habe?“ „Wieso? Davon gehe ich aus.“ „Na gut, dann wird das nichts mit der Verzögerungstaktik. Ist ja auch egal. Wichtig für mich ist nur, daß Sie sich an die Bedingungen halten.“ „Schön langsam wird mir das zu blöd. Wer ist denn hier der Entführer?“ „Sie, glaube ich zumindest. Das müssen Sie doch wissen.“ „Mittlerweile bin ich mir nicht mehr ganz sicher.“ „Ihr Problem. Jedenfalls erwarte ich, daß ich, wenn ich schon soviel Geld bezahle, meinen Mann nie wieder zu Gesicht bekomme.“ „Ja, das werden wir schon irgendwie hinkriegen.“ „Falsche Grammatik. Das heißt: Den werden wir schon irgendwie hinkriegen.“ „Immer mit der Ruhe. Wer hätte denn gedacht, daß die Ehefrau des Entführten blutrünstiger ist als die Entführer?“ „Stellen Sie nicht so blöde Fragen! Was kann ich dafür, daß Ihr so Luschis seid, die nur Geld in den Händen, aber kein Blut an den Händen haben wollen.“ „Jetzt reicht’s! Ich möchte nun mit Ihnen die Lösegeldübergabe besprechen.“ „Sollte ich Sie da nicht lieber mit der Polizei oder mit der Presse verbinden? Ich glaube, die kennen sich damit besser aus. Wissen Sie, ich bin nicht so vom Fach.“ „Deshalb rede ich ja mit Ihnen. Ich hab doch auch keine Ahnung. Haben Sie denn wenigstens die Polizei mit in der Leitung?“ „Nein, eben nicht. Stellen Sie sich vor, die haben nicht mal eine Fangschaltung eingebaut.“ „Also das ist ja wirklich eine Unverschämtheit! Was erlauben sich diese Leute eigentlich? Einen Entführer dermaßen mit Nichtachtung zu strafen! Ich bin wirklich entsetzt!“ „Na ja, wenn Sie Glück haben, dann hat irgend so ein Presseheini die Leitung angezapft.“ „Der soll nicht ans Saufen denken, sondern lieber gut zuhören. Obwohl, die Presse halten wir lieber raus, das wäre mir doch ein bißchen zu ungefährlich. Kommen wir nun zur Sache!“ „Ach, war das erst das Vorspiel?“ „Hören Sie auf damit! Mir wird gleich schlecht. Sie nehmen den oder die Koffer mit dem Geld, äh, wieviel war das schnell wieder?“ „Das müssen Sie doch wissen. Also ich hab mir bei der Bank fünf Millionen Euro in kleinen Scheinen geben lassen.“ „Sie muß doch ein Affe gebissen haben! Soll ich etwa das Geld mit einem Lastwagen abholen? In kleinen Scheinen, das ist ja fürchterlich. Wie klein sind die denn?“ „Keine Ahnung, ich hab sie noch nicht gemessen. Außerdem bringe ich den Koffer nicht auf.“ „Gut für Sie, Sie könnten ja sonst etwas klauen. Aber ich warne Sie: Wenn irgend etwas an oder in dem Koffer ist, was die Polizei oder die Presse auf unsere Spur bringt, dann sehen Sie Ihren Mann sofort wieder.“ „Oh nein, bitte, tun Sie mir das nicht an! Ich werde Sie nicht hintergehen.“ „Das weiß ich, es geht mir ja auch nicht um Sie. Sie sind für mich keine Gefahr, die Anderen schon eher. Obwohl, so ein Exklusivinterview in einer großen deutschen Zeitung, das wäre schon nicht schlecht.“ „Das hab ich schon hinter mir. War echt furchtbar. Diese Leute von der Zeitung wollten immer nur über meinen Mann reden.“ „Na ja, mit dem Problem hätte ich nicht zu kämpfen. Gut, kommen wir nun endlich zum Geschäft! Meine Güte, was dieser Anruf schon wieder kostet! Sie bringen das Geld nach Duisburg, dort gehen Sie vom Fußballstadion aus Richtung Stadtmitte und irgendwann auf dem Weg werden Sie einen Busch entdecken, auf dem „Hier bitte die Koffer hinlegen“ steht. Dort legen Sie die Koffer hin und dann verschwinden Sie wieder. Je schneller wir das Geld kriegen, desto größer sind Ihre Chancen, Ihren Mann nie wieder sehen zu müssen.“ „Alles klar. Ich bin schon unterwegs!“ ließ Frau Klein begeistert von sich hören und beendete das Gespräch.

Es war so ruhig wie immer in Duisburg und so fiel Frau Klein das Auto schon auf, das sie ständig verfolgte. „Das werden wohl die Entführer sein“, dachte sie sich und winkte den Insassen des Wagens deshalb freundlich zu. „Was soll denn das Gewinke von der blöden Kuh?“ fragte der eine Zivilpolizist seinen Kollegen. „Was weiß ich? Wahrscheinlich hat sie gemerkt, daß wir von der Polizei sind“, vermutete der Andere. „Daran bist nur Du Schuld, Du mit Deinem Polizistenschnurrbart.“ „Halts Maul und paß auf! Sonst liegen wir gleich im Straßengraben.“ „Wie denn? Wir sind hier in der Stadt. Du hast wohl Deinen Rausch noch nicht ausgeschlafen.“ „Macht doch nichts. Das ist halt der Vorteil, wenn man Polizist ist. Man kann besoffen Auto fahren und niemand kann was dagegen machen.“ „Na ja, ganz so wie früher ist es auch nicht mehr. Inzwischen gibt es sogar Kollegen, die dürfte man gar nicht Kollegen, sondern müßte sie Wichser nennen, die nehmen sogar ihren volltrunkenen Kollegen den Schein weg.“ „Frechheit sowas! Nur um damit angeben können, daß sie mehrere Führerscheine haben.“ „Also, vergiß unseren Auftrag nicht! Wir müssen dafür sorgen, daß die Entführer unbedingt ihr Geld bekommen. Notfalls müssen wir es ihnen hinterher fahren, auch wenn sie vor uns flüchten.“ „Manchmal ist es wirklich blöd, Polizist zu sein. Stell Dir vor, wir wären ganz normale Leute! Wir würden uns das Geld schnappen und uns aus dem Staub machen.“ „Geht halt mal nicht. Paß auf, die bremst!“ Um ein Haar hätte es einen Auffahrunfall gegeben und das wäre dann wohl doch ein wenig peinlich gewesen. „Donnerwetter, Sie haben es aber eilig. Soll ich Ihnen das Geld gleich geben, oder es erst in den Busch legen?“ wollte Frau Klein von ihnen wissen, nachdem sie ausgestiegen und zu ihrem Auto gekommen war. „Legen Sie es dorthin wo Sie es hinlegen sollen!“ verlangte einer der beiden „Zivis“. „Mach ich! Aber bitte sorgen Sie dafür, daß es meinem Mann nicht zu gut geht. Der soll ruhig mal in Angst und Schrecken leben, weil ich ihm daheim nicht immer das Fürchten lehren konnte“, erklärte sie, bevor sie das Geld auf den Zettel legte. Sie hatte gar nicht daran gedacht, den Weg vom Stadion aus zu Fuß zu gehen, dazu war sie viel zu faul. Danach verschwand sie und die Polizisten wunderten sich. „Irre ich mich, oder hat uns die für die Entführer gehalten?“ „Kein Wunder, bei Deiner Visage.“ „Also ganz richtig im Kopf ist die auch nicht. Als ob die Entführer es so auffällig machen würden.“ „Aber echt. Na ja, das wäre mal wieder eine tolle Story für die Zeitungsfritzen. Frau des Entführten hält Polizisten für Entführer. Hört sich gut an.“

Derweil war Jörg mit seinem Sohn Klaus ebenfalls ganz in der Nähe. „Also, paß auf! Du läufst jetzt immer diesen Gehsteig entlang. Da vorne, vor dem grünen Haus liegen in einem Busch ein oder zwei Koffer. Die nimmst Du mit und bringst sie hierher!“ ordnete Jörg an. „Und was springt dabei für mich heraus?“ erkundigte sich der Kleine. „Wenn Du es schaffst, dann kannst Du von nun an so viel fernsehen wie Du willst.“ Zehntelsekunden später war der Junge schon aus dem Auto gesprungen und machte sich auf den Weg. „Also, ich würde so einen kleinen Kerl nicht unbeaufsichtigt draußen rum rennen lassen“, gab der Zivilpolizist am Steuer zu bedenken, als er Klaus herankommen sah. „Aber wirklich. In unserer Zeit, wo für Kinder überall Gefahren lauern.“ „Na ja, er hat ja Glück. Wir sind da und können ein bißchen auf ihn aufpassen.“ „Aber nur, wenn er nicht weiter rennt.“ „Nein, guck mal, anscheinend wohnt der in dem Haus da.“ „Warum springt er dann über den Zaun?“ „Keine Ahnung. Hey, was soll das denn? Hat sich der Lausebengel doch das Lösegeld geschnappt.“ „Jetzt aber schnell!“ Plötzlich sprangen die beiden Männer aus ihrem Auto, holten Klaus ein und nahmen ihm den Koffer weg. „Hey, der gehört mir! Ich hab ihn gefunden!“ schrie der Kleine wütend. „Den läßt Du schön hier liegen. Und jetzt verpiß Dich!“ schnauzte ihn der ältere Polizist an, der schon fast außer Puste war. Daraufhin suchte Klaus das Weite, also das Auto seines Vaters. Als der hörte, was passiert war, fuhr er so schnell er konnte davon, da er die Gefahr erkannte.

Jedoch dachten die beiden Gesetzeshüter gar nicht daran, eine Verfolgung zu starten, da sie der Meinung waren, daß der Junge die Koffer zufällig gesehen hätte und deshalb mitnehmen hatte wollen. Sie wären auch nie auf die verrückte Idee gekommen, daß jenes Kind zu den Entführern gehören könnte, so daß sie sich, nachdem sie den Koffer wieder an seinen Platz gelegt hatten, in ihren Wagen setzten und darauf warteten, daß sich etwas tat. Und so war es auch. Nach einiger Zeit kam jemand aus dem Haus heraus und wollte zu Fuß in Richtung Innenstadt gehen, als ihm plötzlich ein Koffer auffiel, der da in seinem Garten lag. Der Mann nahm ihn und sah den Zettel darunter. Auch jenen hob er auf und wollte mit beiden Teilen zurück ins Haus gehen, als er auf einmal festgehalten wurde und Handschellen klickten. „Hilfe! Ich werde überfallen!“ brüllte er erschrocken, doch davon ließen sich die Polizisten nicht stören. „Sie sind verhaftet, weil Sie unter Verdacht stehen, den Manager Werner Klein entführt zu haben“, verkündete einer der Polizisten. Da begann der Mann schallend zu lachen und rief: „Ich hab doch schon immer gewußt, daß Ihr Polizisten die Idioten der Nation seid! Glaubt Ihr denn, der Entführer wäre so blöd und ließe sich das Geld vor die Haustür stellen?“ „Warum nicht? In diesem Fall ist alles möglich. Wir haben es mit ganz und gar unkonventionellen Entführern zu tun.“ „Sie können gern mein Haus durchsuchen und mich auch die nächsten zwei Wochen beschatten, aber ich glaube, das wird Sie langweilen, wenn Sie jeden Tag acht Stunden neben mir in der Fabrik stehen müssen. Ich habe mit dieser Entführung so wenig zu tun, wie Sie mit einem guten Rasierapparat.“ „Keine Beleidigungen! Aber warum haben dann die Entführer gerade diesen Ort als Platz für die Lösegeldübergabe ausgesucht?“ „Keine Ahnung. Ihr seid die Polizisten, ich weiß nur, daß ich keinen Manager entführt habe und daß ich mit der ganzen Sache nichts zu tun habe.“ „Warum wollten Sie dann den Koffer mit ins Haus nehmen?“ „Weil der in meinem Garten rum gelegen ist. Sie hätten doch dasselbe getan, wenn bei Ihnen im Garten ein Koffer gelegen wäre.“ „Nein, ich hätte einen Sprengstoffexperten gerufen, denn wenn in meinem Garten ein Koffer liegen würde, dann wäre bestimmt ein Attentat auf mich geplant.“ „Kann ich jetzt wieder gehen?“ „Meinetwegen. Aber der Koffer bleibt hier.“ „Schade.“ Der Mann hatte anscheinend vergessen, daß er ursprünglich in die Stadt gewollt hatte und ging statt dessen ins Haus zurück. Abgesehen davon passierte nichts mehr und irgendwann wurde es den beiden Herren von der Polizei zu blöd. „Weißt Du was ich glaube?“ „Daß Du Dich mal wieder waschen solltest.“ „Ja, das auch, aber erst nächstes Jahr. Nein, ich denke, daß uns die Entführer verarscht haben.“ „Möglich. Es kann aber auch sein, daß es an uns gelegen hat. Vielleicht hätten wir uns nicht so auffällig direkt vor das Haus, in dessen Garten der Koffer liegt, stellen sollen.“ „Ach was! Wahrscheinlich wollen die das Geld noch gar nicht, oder sie gehen total auf Nummer sicher.“ „Und was jetzt?“ „Blöde Frage. Wir fahren das Geld natürlich zu Frau Klein zurück.“ Wenig später standen sie vor ihrer Haustür. Sie öffnete. „Ach, Sie sind es. Hat etwa mit dem Geld was nicht gepaßt? Äh, finden Sie nicht, daß es für Sie als Entführer ein wenig riskant ist, hier aufzutauchen, noch dazu, wo ich Polizisten in der Wohnung habe?“ fragte sie verdattert. Jene tauchten Sekunden später hinter ihr auf. „Aber Frau Klein, wir sind nicht die Entführer, wir sind Zivilpolizisten“, erklärte einer von ihnen. „Was! Sie wagen es, mich so zu hintergehen? Und das Geld haben Sie auch wieder mitgebracht! Was fällt Ihnen eigentlich ein, sich da einzumischen? Es reicht mir schon, daß ich Ihre beiden Kollegen durchfüttern muß, da haben Sie mir gerade noch gefehlt. Ich war in dem festen Glauben, daß ich meinen Mann nie wieder sehen muß und jetzt kommen Sie daher und bringen das Geld zurück! Was soll denn der Scheiß? Ich habe doch niemandem von der Übergabe erzählt. Werde ich etwa doch abgehört?“ „Nein, Sie werden nur rund um die Uhr überwacht. Ganz ruhig. Ihrem Mann wird schon noch was geschehen.“

„Unverschämtheit!“ schimpfte Jörg, als er daheim ankam und Ute ihn bereits mit gepackten Koffern erwartete. „Was ist los?“ forschte sie. „Ach, da ist mal wieder alles schiefgelaufen. Der Junge hatte den Koffer schon und auf einmal sind zwei Männer gekommen, Klaus hat erzählt, die hätten wie Penner ausgesehen und die haben ihm den Koffer einfach weggenommen.“ „Also das ist ja wirklich gemein. Man sollte ein Entführerschutzgesetz einführen.“ „Ganz genau. Jetzt sind wahrscheinlich diese beiden Penner mit dem Geld auf und davon, die Klein wird sich weigern noch einmal zu zahlen und wir haben verloren.“ „Mist! Und was machen wir jetzt?“ „Ich ruf nochmal bei ihr an.“ Das tat Jörg Sekunden später dann auch. „Hallo Frau Klein, ich habe schlechte Nachrichten für Sie.“ „Sie haben doch wohl nicht meinen Mann frei gelassen. Dann muß ich sofort den Katastrophenschutz informieren, denn dann wäre ganz Düsseldorf in Gefahr.“ „Nein, aber ich bin drauf und dran es zu tun. Zwei Penner haben das Geld geschnappt.“ „Nein, da kann ich Sie beruhigen. Die Penner sind Polizisten, ich hatte sie versehentlich für die Entführer gehalten. Die haben mir das Geld wieder zurückgebracht.“ „Da bin ich aber erleichtert. Trotzdem: Was hat die Polizei damit zu tun? Ich dachte, Sie würden sie nicht informieren.“ „Hab ich ja auch nicht. Die haben mich einfach verfolgt.“ „Sie sollten sich mal ganz dringend an die katholische Kirche wenden. Vielleicht macht die nicht nur Teufels- sondern auch Polizistenaustreibung.“ „Na hoffentlich. Mir wird das Ganze nämlich schon zuviel. Jetzt habe ich bereits vier Mäuler zu stopfen.“ „Uns reicht das Maul Ihres Mannes. Kann ich jetzt mal kurz mit einem der Penner, ich meine der Polizisten, sprechen?“ „Aber selbstverständlich. Die hängen eh schon förmlich am Hörer.“ „Ja, ich bin einer der Polizisten aus dem Auto. Was haben Sie mir zu sagen?“ „Schönen guten Tag, ich bin einer der Entführer. Warum haben Sie unseren Geldboten überfallen?“ „Wovon reden Sie?“ „Von dem kleinen Jungen, der den Koffer geholt hat.“ „Was hat der mit Ihnen zu tun?“ „Das war der Geldbote, Sie Idiot. Und Sie haben den ganzen Deal platzen lassen. Ich glaube, wir müssen mal etwas deutlicher werden: Wenn Sie sich noch mal einmischen und alles vermasseln, dann werden wir Herrn Klein irgendwo ganz in der Nähe aussetzen und dann gnade Ihnen Gott, wenn der Kerl wieder frei ist.“ „Ich gebe Ihnen mal wieder seine Alte.“ „Wie reden Sie denn von mir?“ entrüstete sich Frau Klein. „Hallo, lieber Herr Entführer, diese Polizisten sind ja so ungehobelt. Lassen Sie meinen Mann unter gar keinen Umständen frei! Das wäre schrecklich! Was soll nun geschehen?“ „Keine Ahnung. Ich leg jetzt auf, das Gespräch wird mir sonst zu teuer.“ Danach war es mit dem Gequatsche am Telefon vorbei, dafür begann die Diskussion der verwirrten Polizisten. „Sowas hab ich noch nie erlebt. Diese Entführer sind wahrlich Genies. Wer wäre denn auf die Idee gekommen, ein Kind als Geldbote zu nehmen?“ warf einer von ihnen in die Runde. „Na ja, im Vollrausch wär mir sowas vielleicht auch eingefallen. Aber so einfach geht das doch nicht. Du kannst doch nicht einfach irgendein wildfremdes Kind anquatschen, ihm was auftragen und das klappt dann.“ „Was redest Du denn da? Natürlich geht das. Versprich einem Kind einen Lutscher und schon macht es alles was Du willst.“ „Du scheinst ja da schon Deine Erfahrungen gemacht zu haben.“ „Na klar, schließlich hab ich ja auch solche Racker daheim.“ „Das macht die Sache noch schwieriger. Schulz und Kunz, Ihr wart die ganze Zeit über hier bei Frau Klein. Was habt Ihr herausgefunden?“ „Daß sie ganz gute Knödel macht. Allerdings war das Fleisch ein wenig zäh.“ „Das war kein Fleisch, das war ein alter Hundeknochen“, behauptete sie. „Sowas aber auch. Ich wußte noch gar nicht, daß Sie einen Hund haben.“ „Haben wir auch nicht. Dafür hab ich einen Vogel, den können Sie aber nicht sehen. Den Hundeknochen hab ich für meinen Mann gekauft, weil der frißt wie ein Tier.“ „Er sollte lieber Tiere fressen.“ „Das tut er auch. Jetzt müssen wir wohl warten, bis sich die Entführer wieder melden.“ „Genau, Frau Klein. Na dann, viel Spaß beim Kochen!“

„So, da bin ich wieder“, begrüßte Jörg den Entführten, der gerade beim Essen war. „Sagen Sie mal, wie haben Sie nur so lange überleben können? Ihre Frau hat ja vom Kochen genausoviel Ahnung wie ein Fisch vom Fliegen. Da trete ich lieber freiwillig in den Hungerstreik“, stellte Klein erbost fest. „Na ja, ich gebe mein Essen immer den Kindern und hol mir dann was in der Stadt. Aber gestreikt wird hier nicht. Außer Sie sind in einer Gewerkschaft, aber das kann ich mir nicht vorstellen.“ „Na gut, dann besorgen Sie mir was zu Essen. Ich habe einen Bärenhunger.“ „Bären kann ich Ihnen nicht besorgen. Außerdem hab ich ganz andere Probleme.“ „So, dann schütten Sie mir mal Ihr Herz aus!“ „Aber gern. Das ist ja alles so fies, diese Welt ist so ungerecht, da will man gar kein Entführer mehr sein“, schluchzte Jörg. „Aber was ist denn? Hier, nehmen Sie ein Taschentuch und lassen Sie erst mal alles raus, was sich in Ihnen angestaut hat. Danach wird aber erzählt.“ Jörg tat wie ihm geheißen, bevor er begann: „Ich hab mir das alles so schön ausgedacht. Bin mit dem Jungen nach Duisburg gefahren und hab ihn dann beauftragt, den Koffer mit dem Geld zu holen. Und was passiert? Nehmen doch zwei so böse Zivilpolizisten ihm einfach den Koffer weg. Ich hab mit ihnen vor wenigen Minuten gesprochen. Die haben sich nicht mal entschuldigt.“ „Schlimm, schlimm. Wissen Sie was, lassen Sie mich das mal machen! Ich organisiere das schon so, daß Sie Ihr Geld bekommen. Haben Sie wenigstens meine Briefe aufgegeben?“ „Na klar, aber Sie haben mich auch gewaltig enttäuscht. Kein einziger Fluchtgedanke in Ihren Briefen, nicht mal ein versteckter Aufruf Sie zu befreien, nicht die kleinste Verschlüsselung. Wissen Sie, was Sie sich erlauben, das ist auch schon eine enorme Frechheit! Ich setze mich da hin und suche fast eine Stunde lang in Ihren Briefen nach Zweideutigkeiten und geheimen Mitteilungen, aber ich habe nicht das Geringste gefunden. Also, dieser Entführerjob ist echt frustrierend.“ „Keine Sorge. Ich verschaffe Ihnen Ihr Geld und dann können Sie irgendwo ganz weit weg Fremdenführer werden.“ „Sind Sie jetzt vollkommen durchgeknallt! Ich werde doch mit dem Geld, das ich dann habe, keinen Gedanken daran verschwenden zu arbeiten. Wenn, dann werde ich höchstens Verführer.“ „Schön für Sie. So, nachdem ich mir jetzt Ihre Sorgen und Nöte angehört habe, bin jetzt ich an der Reihe. Ich habe hier eine Beschwerdeliste ausgearbeitet und ich verlange, daß Sie die jetzt mit mir zusammen durchgehen!“ „Hey, das ist keine Liste, das ist ja ein Katalog.“ „Ganz richtig. Und ich werde dieses Haus nicht eher verlassen, bis nicht sämtliche Mißstände behoben worden sind.“ „Wer erpreßt hier wen? Schön langsam bekomme ich Angst. Ich glaube, ich sollte die Polizei rufen.“ „Die wird Ihre Schulden auch nicht begleichen. Vergessen Sie nicht, daß ich derjenige bin, der Ihnen eine glückliche Zukunft bescheren kann, also kümmern Sie sich gefälligst darum, daß ich mich hier bei Ihnen wohl fühle.“ „Na ja, dann fangen wir halt mal an! Also hören Sie, so schlecht ist die Luft hier drin auch nicht, wie Sie da schreiben! Sie sollten mal in unser Klo, dann wären Sie froh, wenn Sie wieder in Ihr Zimmer dürfen.“ „Ich fordere einen Ventilator.“ „Passen Sie lieber auf, daß das kein Eigentor wird. Sie könnten sich verkühlen.“ „Lieber verkühle ich mich, als daß ich hier ersticke.“ „Gut, dann können Sie ins Klo umziehen. Dort haben Sie zwar ein Fenster, aber Sie werden mit Sicherheit erstinken.“ „Ja gut, dann lassen wir das mal aus. Nächstes Problem: Ihre Kinder.“ „Das kann ich gut verstehen. Aber Sie übersehen, daß ich mit diesen Fratzen schon viel länger klarkommen muß wie Sie. Ich weiß selber, daß das eine kleine Teufelsbrut ist, aber ich hab sie halt mal und werd sie auch nicht mehr los.“ „Sie haben ja gar keine Ahnung, was sich die kleinen Biester alles erlauben. Immer wenn sie merken, daß Sie und Ihre Frau nicht in der Nähe sind, kommen sie ins Zimmer und schauen fern. Oder sie ärgern mich, beleidigen mich, sagen schmutzige Wörter und bewerfen mich mit ekligen kleinen Bakterien.“ „Wie das?“ „Sie husten mir was, ziehen meine Ohren in die Länge und spucken mir ins Gesicht.“ „Hey, die haben ja richtig was gelernt!“ „Was soll das heißen?“ „Daß sich die Kinder weiterentwickelt haben. Früher haben die mir die Haare raus gerissen, die ganze Wohnung voll geschissen und die ganze Nacht die Musikanlage aufgedreht. Im Vergleich dazu sind sie inzwischen richtige Engel.“ „Das lasse ich so nicht gelten. Hören Sie, wenn mich Ihre Kinder nicht in Ruhe lassen, dann bleibe ich für immer bei Ihnen hier.“ „Oh nein! Das hätte uns gerade noch gefehlt. Also gut, dann werde ich in Zukunft den Schlüssel abziehen. Sind wir jetzt endlich fertig?“ „Sie sind mir vielleicht ein Witzbold. Wir haben gerade meinen zweiten Beschwerdepunkt abgehakt. Davon gibt es 893.“ „Du meine Güte, haben Sie nicht zufällig einen Strick für mich dabei?“ „Das würde Ihnen so passen. Weiter geht’s! Diese Nachttöpfe sind eine Frechheit. Wie soll ich denn da hinein scheißen?“ „Sie stellen sich hin, lassen Ihre Hosen runter und dann lassen Sie Ihren Dreck schön gemütlich in den Nachttopf gleiten. Passen Sie aber auf, daß Sie genau zielen und daß Ihr Kot nicht von einer Windböe erfaßt wird, beziehungsweise von einem Windstoß des Ventilators. Wenn Sie vorbei scheißen, dann müssen Sie das selber sauber machen.“ „Fällt mir überhaupt nicht ein! Was Sie sich erlauben! Ich kann doch nicht in den Topf machen, weil ja dann der ganze Urin hoch spritzen würde, der sich bereits im Nachttopf befindet.“ „Gut, dann bekommen Sie halt zwei Nachttöpfe, einen für groß und einen für klein.“ „Sie haben doch letzte Nacht selbst gesehen, daß das nicht reicht. Ich fordere ein richtiges Klo.“ „Sie können fordern soviel Sie wollen. Wenn Sie so weiter machen, dann bekommen Sie höchstens eine Windel. Aber eine extra saugfähige.“ „Hören Sie, guter Mann, ich wiederhole mich ungern: Wenn Sie meine Beschwerden nicht ernst nehmen und an meiner Situation nichts ändern, dann werde ich Sie mein ganzes Leben lang begleiten.“ „Also entweder war das jetzt ein Aufruf von Ihnen, daß ich Sie so schnell wie möglich erschießen soll, oder Sie haben vor, uns eine ganze Menge Schwierigkeiten zu machen.“ „Letzteres, Herr Plock, letzteres. Wie heißt es doch so schön? Der Entführte ist König.“ „Sie können essen was Sie wollen, vielleicht kann ich Ihnen sogar Königsberger Klopse besorgen.“ „Ich besorge Ihnen eine Königsberger Klapse, wenn Sie nicht schleunigst meine Haftbedingungen verbessern.“ „Also gut, Sie aber geben mir dann als Gegenleistung eine schriftliche Bestätigung, daß Sie sich an unsere Anweisungen halten und uns helfen, daß wir an das Geld kommen, damit der ganze Scheiß endlich vorbei ist.“ „Ja, damit bin ich einverstanden.“ „Fein. Also, ich werde jetzt Ihren Katalog in aller Ruhe durchlesen und dann alle notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten.“ „Ihr Glück. Sonst hätte es sehr unangenehm für Sie werden können.“ „Ja, Entführer sein ist sehr schwer, sich als Entführter aufführen dagegen weniger“, reimte Jörg ein wenig niedergeschlagen, als er Kleins Zimmer verließ, die Tür absperrte und den Schlüssel mitnahm. „Was bringst Du denn da mit?“ wunderte sich Ute, die in der Küche am Werkeln war. „Ach, nur einen Beschwerdekatalog. Eines sag ich Dir: Wir hätten nicht so einen verwöhnten Wohlstandsarsch entführen sollen, der macht uns das Leben hier zur Hölle. Wenn ich das nur überfliege, was er da verlangt, kommt mir schon die Magensäure hoch. Aber es hilft nichts. Wenn wir nicht seine Forderungen erfüllen, dann hat er damit gedroht, sein ganzes Leben lang bei uns zu bleiben.“ „Wie kann ein Mensch nur so gnadenlos hinterhältig sein? Uns so zu erpressen! Im Vergleich zu dem sind wir ja die reinsten Lämmer.“ „Falsch. Wir sind die Belämmerten und das werden wir auch bleiben, solange wir diesen Geldsack im Haus haben. Der treibt uns nur noch weiter in den Ruin. Hör Dir das an! Er verlangt, daß wir ihm eine Edelnutte bringen, oder alternativ ein Abonnement bei einem Pornokanal abschließen. Er begründet das damit, daß er das Recht auf freie Entfaltung hat. Also wirklich: Der beruft sich die ganze Zeit aufs Grundgesetz und uns hat er auf der Herfahrt vorgeworfen, wir würden uns nicht daran halten.“ „Na prima. Dann können wir seine Beschwerden abschmettern.“ „Eben nicht. Wir brauchen das Geld.“ „Das Leben ist ein Schwein.“

Einmal und nie wieder

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