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Es war ein warmer, sonniger Montagnachmittag. Lorand de Cordoba rekelte sich in einem bequemen Sessel in dem kostbar ausgestatteten Wohnzimmer seiner Residenz in der Kultkolonie der Eklektischen Esoteriker.

Er nippte an einem großen Gin mit Tonic und beobachtete schweigend, wie Selene Faisan in dem Zimmer auf und ab ging wie eine gereizte Tigerin.

Selene war eine der beiden Mägde des Hymen bei Moira Tuttles Weihe in der vergangenen Freitagnacht gewesen. Sie war die Blondine, die nach Moiras recht gehässiger und geringschätziger Meinung ihr Haar gebleicht haben mußte. Selenes aschblondes Haar war jedoch echt. Und unparteiischen Richtern wäre es schwer gefallen, eine gerechte Entscheidung zu treffen, wer von den beiden schöner war, Moira Tuttle oder Selene Faisan.

Sicher, Selene war 27, beinahe 28, wodurch Moira ihr fast sechs Jahre an Jugend voraushatte. Andererseits aber besaß Selenes Schönheit durch Reife und Intelligenz eine Tiefe, die man bei Moira vergeblich suchte. Und jetzt gewann Selenes schönes Gesicht zusätzlich durch den heißen Zorn, den es widerspiegelte.

„Auf was bist du eigentlich aus, verdammt noch mal, Larry?“ fragte sie de Cordoba. „Du Hundesohn! Du ziehst für diese Tuttle eine verdammt große Schau ab!“

De Cordoba, bekleidet mit einem teuren, maßgeschneiderten Sporthemd und langen Hosen, zog seine Mundwinkel zu einem Grinsen hoch.

„Du willst mir doch nicht sagen, daß du eifersüchtig bist, Syl?“ fragte er.

Selene, deren langen, schlanke Beine durch den Minirock voll zur Geltung kamen, machte noch einen Schritt, blieb abrupt stehen, drehte sich langsam um und starrte de Cordoba an.

„Du mußt übergeschnappt sein, wenn du das denkst, du eingebildeter Pinsel!“ rief sie, aber ihr Ton war ernst und ätzend. „Ich interessiere mich nicht dafür, wem du deine Rübe verpaßt!!“

„Was paßt dir denn dann nicht?“ Lorand de Cordoba zuckte die Schultern.

„Larry, um Himmelswillen, wache auf!“ Selene ging zu dem Sessel, der ihm gegenüber stand, setzte sich, beugte sich vor und sprach sehr ernst. „Mit dieser Sache hier haben wir eine Goldmine. Wir! Die Hälfte davon gehört mir, klar?“

„Sicher weiß ich das. Du läßt es mich ja nie vergessen.“

„Es ist auch besser so!“ fauchte die blonde Frau, nahm sich dann aber zusammen und fuhr ruhiger fort: „Wir holen jährlich an die hunderttausend Dollar netto aus diesem Geschäft — jeder von uns —, zumindest war es so in den letzten zwei Jahren. Stimmt’s?“

„Ja, stimmt“, bestätigte de Cordoba und fragte sich, worauf sie hinaus wollte.

„Ich möchte dieses Einkommen nicht verlieren, Larry …“ „Wer möchte das schon?“ unterbrach er sie, „und wer sagt, daß wir es verlieren werden? Wenn sich etwas ändert, dann nur, daß es noch mehr wird. Ich denke, daß wir bis zum Ende des Jahres noch ein paar Hütten mehr aufstellen müssen.“

„Wir werden einen Dreck tun! Wir werden unseren Kram packen und klammheimlich aus diesem Staat verschwinden, wenn dieser Vogel — ich meine die Tuttle — erst einmal loslegt …“

„Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?“

Selene Faisan zog eine Grimasse, seufzte und schüttelte ungeduldig den Kopf. „Du kennst ihre Geschichte so gut wie ich, Larry. Sie kann nicht anders, als ständig in üble Klemmen zu geraten. Zuerst schmeißt sie sich einem Kerl an den Hals, der sie gut vögelt, um ihm dann das Leben zur Hölle zu machen!“

Lorand de Cordoba, der Große Flamen des Inneren Kreises, nahm einen großen Schluck von seinem Drink.

„Syl, diese meschugge Puppe hat über zwanzig Millionen Piepen!“ sagte er nachdrücklich. „Das macht sie zum reichsten Mitglied unserer Kolonie … Und je mehr sie sich mir an den Hals wirft, um so mehr Geld fließt in … unsere Taschen — in deine und meine!“

„Quatsch! Diese zwanzig und noch ein paar Millionen sind Kapital. Sie hat sie zwar geerbt, aber sie kann keinen Cent davon anrühren, bevor sie 35 oder mit jemandem verheiratet ist, der ‚einstimmig als aufrechter und verantwortungsvoller Mensch‘ von allen fünf Bankheinis in San Francisco eingeschätzt wird, die als ihre Treuhänder fungieren.“

„Du vergißt einiges, Syl.“ De Cordoba leerte sein Glas und stellte es auf einen Tisch neben seinem Sessel. „Das jährliche Einkommen aus diesem Kapital beläuft sich auf über eine Million, und von diesem Kuchen können wir uns eine schöne Scheibe abschneiden! Und das ist wahrlich kein Kleingeld!“

Selene fühlte, wie ihre Ungeduld zunahm. Sie war schon früher mit ihm die Moira Tuttle-Geschichte durchgegangen. Im Detail. Drei oder vier Mal. Aus irgendeinem Grund schien bei ihm der Groschen nicht zu fallen. Er war geblendet vom Glitzern der Beute, schloß sie. Er sah nur den Glanz der vielen Millionen und weigerte sich, mögliche Komplikationen in Betracht zu ziehen.

„Larry! Auch dieses Einkommen wird von ihren Treuhändern kontrolliert. Moira Tuttle kann keine großen Sprünge machen. Sie kann nie auch nur einen Dollar mehr als fünftausend auf einmal ausgeben, ohne die Zustimmung von mindestens zwei der Treuhänder eingeholt zu haben. Deshalb mußten wir ihre fromme Spende von 20 ooo Dollar auch in fünf Raten von je 4 000 Dollar annehmen.“

Er zuckte die Schultern. „Was macht’s schon, wie lange es dauert, sie zu melken? Solange das Geld hereinkommt, nehme ich es gerne in Happen, Stücken, Raten — wie es eben kommt.“

Guter Gott, manchmal ist er wirklich nicht ganz normal, dachte Selene Faisan. „Dann will ich mal dein Gedächtnis auffrischen, mein Freund. Die Dame wurde von Spencer Devlin hierher gebracht — noch so ein sextoller Heini, der zuviel Geld geerbt hat. Ich habe mit Moira Tuttle die Einführungsgespräche zur Auswertung ihrer Persönlichkeit geführt. Sie ist nicht nur das reichste unserer Mitglieder, sondern sie ist auch am meisten hirnverbrannt und neurotisch, und das will eine Menge heißen.“

Sie machte eine Pause, als de Cordoba aufstand, sein leeres Glas zu einer versteckten Hausbar trug — sie war hinter einer buddhistischen Skulptur verborgen, die an der ausklappbaren Wandtäfelung befestigt war — und mixte sich noch einen Drink. Er kam zu seinem Sessel zurück.

„So“, grunzte er. „Weiter. Rede es dir von der Seele.“

Selene atmete tief durch. „Seit ihr Vater vor fünf Jahren gestorben ist, war sie in ein halbes Dutzend Skandale verwickelt, die die Schlagzeilen für jede Zeitung im Land geliefert haben. Ich brauchte nicht danach zu fragen, um das zu erfahren. Wir beide haben schon lange von ihr gehört, bevor sie den Weg zu uns gefunden hat.“

„Okay. Dann war sie also in Skandale verwickelt. Aber das waren die meisten unserer sexfröhlichen Geweihten.“ „Sicher. Es liegt auf der Hand, daß ihnen so etwas passierte. Sie sind eben solche Menschen, die gar nicht anders können, als irgendwann in ihrem Leben einmal ins Fettnäpfchen zu treten. Der große Unterschied ist nur, daß Moira Tuttle nicht nur eine Nymphomanin, nicht nur skandalträchtig, nicht nur eine Spinnerin ist, sondern daß sie ihre helle Freude daran hat, Ärger zu machen. Sie lechzt geradezu danach, jemanden zu ruinieren, der nein sagt, oder nur zu lange zögert, um ja zu sagen.“

Lorand de Cordoba prostete ihr mit seinem neuen Drink zu.

„Wir haben das doch schon alles durchgesprochen“, sagte er gelangweilt. „Die Antwort ist einfach. Wir sagen nie nein, und wir zögern nie, bevor wir ja sagen. Wir werden uns ganz besonders bemühen, unsere Tuttle immer glücklich und zufrieden zu machen, damit diese Viertausend-Dollar-Raten immer schön regelmäßig hereinfließen.“ Er grinste und neigte seinen Kopf in Richtung der Buddhaskulptur. „Möchtest du wirklich keinen Drink, um dich ein wenig abzukühlen?“

„Nein, danke.“ Selene schaute einen Augenblick auf ihre Fingernägel und sprach dann wieder. „Das klingt hübsch und klug ausgedacht. Gib dem Baby seinen Schnuller, und schon gibt es keine Sorgen mehr.“

„Richtig, richtig“, grinste er und klopfte sich auf sein Geschlecht. „Und ich habe hier den Schnuller, den sie am meisten will.“

„Äh-hmm“, räusperte sich Selene und nickte skeptisch. „Sicher, das ist es, was sie will — oder meint, es haben zu wollen. Aber bei ihrem Charakter kann man nicht einmal raten, was sie vielleicht nächste Woche haben will … oder in den nächsten fünfzehn Sekunden. In ihrem geilen Körper und in ihrem hübschen Köpfchen steckt eine Maschine, die rund um die Uhr auf Kummermachen programmiert ist, Larry. Sie hat es auf alles und auf alle abgesehen. Das geht auf ihre Kindheit zurück.“

De Cordoba gähnte.

„Im Augenblick haben wir insgesamt dreiundzwanzig weibliche Geweihte im Alter von 21 bis 42. Unsere Interviews mit den Anwärterinnen haben die Tatsache offenbart, daß nicht weniger als acht von ihnen, also jede dritte, die tollste ödipale Kindheitsgeschichte aufzuweisen haben, die Sigmund Freud sich nur erträumen konnte. Nimm zum Beispiel Ellen Percivall! Sie ist beinahe seit Anfang an bei uns und ist Mitglied mit Sonderrechten. Hat sie uns jemals Ärger gemacht? Oder die anderen? Nein, verdammt noch mal! Wir lassen ihnen die Zügel locker, nehmen ihnen die Hemmungen, die sie noch haben, und überzuckern den rohen Sex mit all dem pseudomystischen und okkulten Krampf. Das hält sie glücklich und zufrieden … und ruhig!“

Selene überlegte, daß sie jetzt doch einen Drink brauchte. Mit Larry Crane — ähm, Lorand de Cordoba, zu streiten, war oft so, als wenn man mit dem Kopf gegen eine Steinmauer anrannte. Sie stand auf, öffnete die Bar hinter der Wandtäfelung, goß sich einen großen Schluck Gin ein, ließ ein paar Eiswürfel hineinfallen, tat ein paar Tropfen Angosturabitter hinzu, schloß die Täfelung und ging wieder zu ihrem Sessel.

Sie wirbelte den rosa Gin ein paar Augenblicke um die Eiswürfel, um ihn richtig zu kühlen und trank etwa die Hälfte mit zwei schnellen Schlucken.

„Hör mal, Großer Flamen! Ellen Percivall und diese anderen haben nicht die gleichen Haß- und Rachegelüste wie Moira Tuttle. Für sie ist jeder ein Stellvertreter für den Vater — oder eine bequeme Zielscheibe, auf die sie schießen kann, weil sie nicht auf ihn schießen kann. Sie bedauert, daß er auf natürliche Weise gestorben ist. Sie wünscht sich, sie hätte ihn selbst umbringen können — langsam und grausam — mit ihren eigenen Händen. Da ihr das nicht gelungen ist, hat sie ein tiefsitzendes Bedürfnis, alles, was sie will, aus anderen herauszupressen, und sie dann als stellvertretende Opfer zu benutzen, um ihren unerfüllbaren Wunsch zu befriedigen, den verstorbenen J. Holcomb Tuttle zu ermorden. Geht das in deinen dicken Schädel?“

„Natürlich. Und mir geht auch in meinen dicken Schädel, daß man sie richtig behandeln, an der Kandare halten kann, bis der Melkprozeß seine Grenzen erreicht hat. Dann werden wir schon eine Möglichkeit finden, sie jemandem anders aufzuhängen. Nach der letzten Schätzung gibt es über 8000 ausgeflippte Sekten in unserem goldenen Staat Kalifornien. Ich garantiere dir, daß wir schon ganz schön ausgekocht sind — aber es gibt andere, die sind es noch viel mehr, nicht wahr?“

Selene trank ihren rosa Gin aus und lächelte schief. „Hmmm“, gab sie zu, „ja, es gibt einige. Nicht viele, aber einige.“ Sie lachte. „Wie der ‚Geheime und Älteste Orden der Flagellanten‘ in der Nähe von Lassen. Oder …“ „Lassen wir die Aufzählung, sonst sitzen wir noch nach Tagen daran. Gib mir nur eine ehrliche Antwort. Gibst du zu oder nicht, daß es einige verrücktere Kulttheater gibt in ganz Kalifornien — verrückter als unseres, meine ich?“

„Ja. Das gebe ich zu.“

De Cordoba stellte sein Glas auf den Tisch und spreizte seine Hände in einer ausdrucksvollen Geste.

„So, da haben wir’s! Wenn wir anfangen, bei Moira Tuttle Symptome festzustellen, daß sie unruhig wird, werden wir sie so beeinflussen, daß sie ganz verrückt auf eine wildere Umgebung wird — und ihre Triebe und Energien auf andere Ziele ablenken.“

„Eines muß man dir lassen, Larry, du schaffst es immer, alles einfach und leicht klingen zu lassen. Aber einmal angenommen, Moira gibt uns keine Warnung. Angenommen, wir fühlen nicht, daß sie unruhig wird, und sie läßt einfach die Bombe platzen. Kannst du dir nicht die Schlagzeilen vorstellen? ‚Erbin des Tuttlevermögens entlarvt Sexkult! Beschuldigt Gründer des Betrugs!‘ Ich sage dir, daß sie vollkommen verantwortungslos ist. Es ist ihr gleichgültig, wie sehr sie ihren eigenen Namen in den Schmutz zieht — vorausgesetzt, sie kann sich dadurch Publicity verschaffen und sich an den Leuten rächen, von denen sie sich übers Ohr gehauen fühlt.“

De Cordoba leerte sein Glas. „Du beschwörst Geister herauf, die es nicht gibt, Syl. Wir werden in der Lage sein, jede Änderung in Moira Tuttles Verhalten zu spüren, bevor die Änderung sich überhaupt auswirkt. Schließlich haben wir eine Menge Erfahrung mit religiösen und sexbesessenen Irren. Wie lange sind wir beide denn schon in diesem Geschäft?“

„Sechs Jahre“, antwortete Selene und gestand sich ein, daß kein weiteres Argument — so logisch es sein mochte, jetzt noch etwas nützen würde. „Sechs Jahre“, wiederholte sie und starrte resignierend vor sich hin.

Wieder erhob er sich mit seinem leeren Glas aus dem Sessel. Er langte nach ihrem und schaute sie fragend an. Sie nickte. Ja, sie wollte noch einen haben.

„Ich habe noch nie daneben gegriffen“, sagte er und ging zu der verborgenen Hausbar und mixte die beiden Drinks. Nein, noch nicht, seit du der Große Flamen bist, überlegte Selene. Aber du hast arg daneben gegriffen — sehr arg sogar, und das war kurz davor. Deshalb haben wir diese Sache überhaupt erst angefangen.

Ihre Erinnerung setzte ein. Ihr Gedächtnis schaltete zurück zu einem Ereignis vor etwas mehr als sechs Jahren …

Sylvia Phillips, staatlich geprüfte Krankenpflegerin.

Sylvia Phillips, die sich auf Psychiatrie spezialisiert hatte und bei Dr. Lawrence „Larry“ Crane angestellt war, einer der jüngeren, aber bereits wohlhabenden Psychiater in San Francisco mit einer rasch anwachsenden Privatpraxis. Sie war kaum eine Woche bei ihm beschäftigt, als sie mit ihrem gut aussehenden Brötchengeber ins Bett ging. Bald war sie beinahe in ihn verliebt. Beinahe, weil die psychologische Bezeichnung „sinnliche Fixierung“ seit kurzer Zeit benutzt wurde, um zu erklären, weshalb eine Person vorzugsweise — oder ausschließlich — mit einer bestimmten Person des anderen Geschlechtes sexuelle Beziehungen hatte.

Deshalb konnte Sylvia es nicht wirklich verliebt nennen, denn sonst hätte sie die Gültigkeit wissenschaftlicher Prinzipien und Theorien bezweifelt, von denen sie ganz und gar überzeugt war.

In diesem Fall schien jedoch das Konzept der sinnlichen Fixierung zuzutreffen. Sylvia, die eine mehr als durchschnittliche Erfahrung mit Männern hatte, betrachtete Larry Crane als den besten und befriedigendsten Liebhaber, den sie je gehabt hatte.

Sie waren beide sehr leidenschaftlich und frei von jeglichen Hemmungen. Er schien wie geschaffen für sie, ob auf ihr, neben ihr oder unter ihr oder sonstwo bei ihr, wenn sie vögelten oder sexuelle Spiele trieben, besser als irgendein anderer Mann. Die Höhepunkte, die sie mit ihm und durch ihn erreichte, waren weitaus intensiver als jene bei anderen Männern.

Und sie hatte die Probe aufs Exempel gemacht, um ganz sicher zu gehen. Sie hatte ein wenig herumgeschlafen, nachdem ihre Affäre angefangen, und bevor sie ihren kurzen Höhepunkt erreicht hatte. Sie konnte nicht ableugnen, daß die Theorie der sinnlichen Fixierung plausibel war. Sie war fixiert. Die Hände und Zungen und Schwänze anderer Männer konnten nicht annähernd so wahnsinnige Lust in ihr erwecken wie Larry Crane.

Aber der erotische Hunger von Dr. Lawrence Crane konnte von keiner einzigen Frau gestillt werden, nicht einmal von einer kleinen, ausgewählten Gruppe von Frauen. Ihn gelüstete es nach Abwechslung — in der Qualität wie in der Quantität.

Und hier machte er seinen riesigen und beruflich vernichtenden Fehler.

Dr. Larry Crane war seinem Wesen nach unfähig, den „guten Gelegenheiten“ zu widerstehen, die sich jedem Psychiater fast tagtäglich bieten. Viele seiner Patienten waren attraktive junge Frauen, deren Probleme meist auf Mangel an sexueller Erfüllung zurückgingen. Ihre Ehemänner waren unerfahren oder unaufmerksam oder unfähig, ihre Erektion lange genug für einen Orgasmus ihrer Frau zu behalten.

Dr. Crane riet nicht nur vielen dieser Frauen, sexuelle Beziehungen außerhalb ihrer Ehe aufzunehmen, sondern er führte die Kur auch persönlich durch, wenn die Patientin einigermaßen attraktiv war.

Ein Gatte kam dahinter, daß seine Frau nicht nur mit ihrem Psychiater redete, wenn sie dreimal wöchentlich ihre fünfzigminütige Behandlung auf seiner Couch verbrachte. Der Mann war reich und hatte Einfluß. Er heuerte ein paar ausgekochte Privatdetektive an, die sich hinter Dr. Crane klemmten. In seiner Praxis und seiner Wohnung wurden elektronische Abhörgeräte und Infrarotkameras raffiniert versteckt.

Innerhalb einer Woche hatte der Mann mehr als genug Beweise, nicht nur, um sich von seiner Frau scheiden zu lassen, sondern auch um ein halbes Dutzend andere Männer mit Beweisen gegen ihre Frauen zu versorgen. Was noch schlimmer war, er brachte das ganze Beweismaterial vor die entsprechende Behörde. Es war ein überwältigender Beweis, daß Dr. Lawrence Crane seine Stellung als Arzt mißbrauchte, um seine weiblichen Patienten zu ermutigen — und oft zu veranlassen —, sich mit ihm in jeden erdenklichen Sexualakt einzulassen.

Die Abhörgeräte hatten ein paar unzweideutige Gespräche aufgezeichnet.

„Sagen Sie, Mrs. Davidson — oder haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie Dorothy nenne? Mir kommt es so vor, als ob wir uns schon viel länger als zwei Sitzungen kennen … Haben Sie — seit Sie verheiratet sind — oralen Geschlechtsverkehr mit einem anderen als Ihrem Mann praktiziert?“

„Nein, Dr. Crane.“

„Ich meine, Sie sollten es tun. Es würde Ihnen eine große Hilfe sein, einige Ihrer tiefsitzenden psychischen und emotionalen Probleme zu bewältigen. Bleiben Sie jetzt ruhig, wo Sie sind. Ich werde nur die Tür abschließen und sofort wieder bei Ihnen sein.“

„O Gott, Doktor … ich meine, Larry! Sie sind, äh, du bist so groß! So stark! Kann ich es … wirst du ihn auch hier in mich stecken, wenn ich …?“

„Sicher, Dorothy. Aber zuerst möchte ich, daß du ihn in den Mund nimmst …“

Dr. Lawrence Crane wurde vor einen Ausschuß der Ärztekammer beordert, der zusammen mit Medizinern und Psychiatern der Gesundheitsbehörde über seinen Fall befinden sollte. Obwohl er wußte, in welch aussichtsloser Lage er sich befand, versuchte er, sich zu verteidigen.

„Es ist keine einzige Beschwerde von meinen Patienten gekommen.“

Dieses Argument bewirkte nur eisiges Schweigen und harte Blicke.

„Verdammt nochmal, meine Herren! Ich bin bestimmt nicht der erste Arzt oder Psychiater, der Affären mit seinen Patientinnen hat!“

„Nein, wohl kaum, Dr. Crane“, gab ein Mitglied des Ausschusses offen zu, „aber Sie haben dabei das große Pech gehabt, erwischt zu werden.“

Dr. Cranes Zulassung und sämtliche Lizenzen für seine Praxis wurden ihm entzogen, ohne daß Hoffnung bestand, sie jemals wieder zugesprochen zu bekommen. Er wurde aus den beruflichen Vereinigungen und Gesellschaften ausgeschlossen. Der Staatsanwalt war damit einverstanden, keine Anklage zu erheben — hauptsächlich, um einen Skandal für die betroffenen Frauen und ihre Familien zu vermeiden —, vorausgesetzt, daß Dr. Lawrence Crane seinen Amtsbezirk innerhalb von zehn Tagen verlassen würde.

„Und vorausgesetzt, Sie betreten ihn nicht mehr während der gesamten sieben Jahre, bis die Frist für eine Straf-Verfolgung verjährt ist“, fügte er hinzu und meinte, was er sagte. „Setzen Sie auch nur zehn Sekunden vor Ablauf der Verjährung einen Fuß in diesen Bezirk, werde ich Anklage mit Haftbefehl gegen Sie erhoben haben, bevor die zehn Sekunden herum sind!“

Lawrence Crane mußte seine lukrative Praxis für einen Bruchteil ihres eigentlichen Wertes verkaufen. Er bekam dafür weniger als 25 000 Dollar.

Sylvia Phillips, seine Sprechstundenhilfe, bekam ihre Lizenz nicht entzogen, und man drohte ihr auch mit keinerlei Maßnahmen. Es wurde jedoch als sicher angenommen, daß sie gewußt hatte, was Dr. Crane trieb, da sie ja bei ihm gearbeitet hatte und seine Geliebte war. Ihr Name wurde auf eine vertrauliche, schwarze Liste gesetzt, die an sämtliche Krankenhäuser, medizinische und psychiatrische, praktische Ärzte und die entsprechenden beruflichen Genossenschaften und Vereinigungen verteilt wurde.

So wurde Sylvia Phillips über Nacht nicht weniger eine Ausgestoßene als ihr Arbeitgeber und sporadischer Liebhaber Lawrence Crane. Es war ihr unmöglich, irgendwo in den Vereinigten Staaten als Krankenschwester zu arbeiten, noch nicht einmal in einem Veteranenkrankenhaus, jenen berüchtigten Sammelbecken für unliebsame Ärzte und Pfleger. Noch nicht einmal dort hätte man sich ihre Bewerbungsunterlagen auch nur durchgelesen …

… Lorand de Cordoba hatte die Getränke gemixt.

Er schlenderte lässig durch das riesige Wohnzimmer, gab Selene Faisan ihren neuen rosa Gin und nahm seinen eigenen Gin mit Tonic mit zu seinem Sessel und setzte sich.

„Du siehst aus, als ob du in Tagträumen schweben würdest, Syl“, sagte er freundlich, sogar heiter. „Uber was hat dein pessimistisches Bewußtsein denn in den letzten Minuten gebrütet?“

„Ich habe gerade daran gedacht, wie du und ich überhaupt in dieses Kultgeschäft geraten sind.“ Für einen Augenblick war das Problem Moira Tuttle für sie erledigt, so sehr es auch in ihr bohrte. Sie konnten später noch einmal auf das Thema Moira Tuttle kommen, wenn der Große Flamen Lorand de Cordoba die Möglichkeit gehabt hätte, selbst ein wenig nachzudenken.

„Mensch, Syl“, sagte er, „dieses Unternehmen war das Beste, was uns überhaupt passieren konnte — für uns beide!“

„Das bestreite ich nicht.“ Sie nickte und spielte mit ihrem Glas. „Ich hoffe nur, daß wir nicht plötzlich auf den Bauch fallen. Diese Sache ist zu gut, um sie zu verspielen — und sie ist uns sicherlich nicht in den Schoß gefallen. Wir haben verdammt viel Arbeit, Nerven und Schweiß in das Geschäft gesteckt …“

„Ganz zu schweigen von Sperma, das ich in diese verrückten Fotzen gegossen habe, die sich hier als unsere weiblichen Geweihten aufspielen“, bemerkte er und verdrehte die Augen.

„Ach, Mist! Hör auf, den Märtyrer zu spielen, Larry! Du würdest dein hyperaktives Ding doch in so gut wie alles rammen — und es genießen!“ Sie runzelte ihre glatte Stirn nachdenklich. „Ich meine es durchaus ernst. Wir haben verdammt hart gearbeitet, um diese Sache zu starten, sie ins Rollen zu bringen, und sie zu dem zu machen, was sie jetzt ist — eine Goldmine. Wir haben wie die Sklaven geschuftet, Larry. Weißt du das noch?“

Jetzt wurden sie beide von der Erinnerung übermannt. Beide saßen ruhig da, nippten ab und zu an ihren Getränken und ließen die Vergangenheit noch einmal vor ihrem geistigen Auge abrollen …

Seelen-Orgie

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