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Des Barbiers Erzählung von seinem zweiten Bruder
ОглавлениеWisse, o Beherrscher der Gläubigen, mein zweiter Bruder hieß Al-Haddar, das ist der Plapperer, und er war der Gelähmte. Nun geschah es eines Tages, als er ausging an seine Geschäfte, daß ein altes Weib ihn ansprach und sagte: ›Warte ein wenig, mein Guter, daß ich dir von etwas rede, was du für mich tun sollst, wenn es dir zusagt, und ich will Allah bitten, es dir zu vergelten.‹ Und mein Bruder blieb stehen, und sie fuhr fort: ›Ich will dir zu einem gewissen Etwas auf den Weg verhelfen, so du mit Worten nicht verschwenderisch umgehst.‹ ›Heraus damit,‹ sprach er; und sie: ›Was sagest du zu einer schönen Wohnung und einem schönen Garten mit fließenden Wassern und blühenden Blumen und wachsenden Früchten und altem Wein und einem hübschen jungen Gesicht, dessen Eigentümerin du umarmen magst vom Abend bis zum Morgen? Und wenn du tust, was ich dir sage, so sollst du etwas sehen, was sehr zu deinem Vorteil ist.‹ ›Und ist all das vorhanden in der Welt?‹ fragte mein Bruder; und sie versetzte: ›Ja, und es soll dein sein, so du vernünftig bist und müßige Neugier und viele Worte lässest und tust, was ich dir befehle.‹ ›Ich bin es wahrlich zufrieden, o meine Herrin,‹ erwiderte er; ›wie kommt es, daß du von allen Menschen gerade mich erwählst, und was gefällt dir an mir so gut?‹ Sprach sie: ›Hieß ich dich nicht mit Worten kargen? Halte den Mund und folge mir. Wisse, die junge Dame, zu der ich dich bringen werde, geht gern ihren eigenen Weg, und sie haßt es, daß er durchkreuzt wird, und alle haßt sie, die ihr widersprechen; wenn du ihr also gehorchst, so wirst du von ihr erhalten, was du begehrst.‹ Und mein Bruder sagte: ›Ich will sie in nichts durchkreuzen.‹ Und sie ging weiter, und mein Bruder folgte ihr, hungrig auf das, was sie ihm geschildert hatte, bis sie ein schönes, weites, stattliches und vortrefflich eingerichtetes Haus betraten, das von Eunuchen und Sklaven wimmelte und von oben bis unten die Zeichen des Reichtums trug. Und als sie ihn in das obere Stockwerk führte, sagten die Leute des Hauses zu ihm: ›Was willst du hier?‹ Aber die Alte erwiderte ihnen: ›Haltet den Mund und stört ihn nicht; er ist ein Handwerker, und wir haben Arbeit für ihn.‹ Und sie führte ihn in einen schönen großen Pavillon, in dessen Mitte ein Garten lag, nie sah ein Auge einen schöneren; dort hieß sie ihn sich setzen auf ein hübsches Polster. Und er saß noch nicht lange, so vernahm er ein lautes Geräusch, und herein trat eine Schar von Sklavinnen, die eine Dame umringten, dem Monde gleich in der Nacht seiner Fülle. Und als er sie sah, da stand er auf und verneigte sich vor ihr, und sie hieß ihn willkommen und winkte ihm, sich zu setzen; und als er sich setzte, sprach sie zu ihm: ›Allah bringe dich zu Ehren! Geht es dir gut?‹ ›O meine Herrin,‹ versetzte er, ›es geht mir sehr gut.‹ Da ließ sie Speisen bringen, und man setzte ihr ihre leckeren Gerichte vor; und sie setzte sich nieder, um zu essen, und tat, als liebe sie meinen Bruder sehr, und scherzte mit ihm, ob sie sich auch derweilen des Lachens nicht enthalten konnte; aber so oft er sie ansah, hob sie die Hand auf die Sklavinnen, als lache sie über diese. Und mein Bruder (der Esel!) verstand von all dem nichts; und im Übermaß seiner lächerlichen Leidenschaft bildete er sich ein, die Dame sei in ihn verliebt und werde ihm bald gewähren, was er wünschte. Als sie gegessen hatten, trug man den Wein auf, und herein kamen zehn Mädchen, Monden gleich, und sie trugen gestimmte Lauten in den Händen und begannen mit vollen Stimmen süß und traurig zu singen, und ihn faßte das Entzücken an; so nahm er der Dame den Becher aus der Hand und trank ihn stehend aus. Und auch sie trank einen Becher Weins, und mein Bruder sagte (immer noch stehend): ›Dein Wohl‹, und verneigte sich. Sie reichte ihm einen zweiten Becher, und er trank auch ihn aus; sie aber schlug ihn scharf ins Genick. Da wollte mein Bruder im Zorn zum Hause hinaus; aber die Alte folgte ihm und brachte ihn zurück. Er machte kehrt, und die Dame hieß ihn sich setzen, und er setzte sich ohne ein Wort. Und wieder schlug sie ihn ins Genick; und auch der zweite Schlag genügte ihr noch nicht; all ihre Sklavinnen mußten ihn gleichfalls noch schlagen, derweilen er fortwährend zu der Alten sagte: ›Nie sah ich Schöneres als dies.‹ Sie aber ließ nicht ab zu rufen: ›Genug, genug, ich beschwöre dich, o meine Herrin!‹ Doch das Mädchen schlug ihn, bis er fast ohnmächtig wurde. Und mein Bruder stand auf, um einem Rufe der Natur zu folgen, aber die Alte holte ihn ein und sagte: ›Gedulde dich noch ein wenig, und du gewinnst, was du dir wünschest.‹ ›Wie lange soll ich noch warten?‹ erwiderte mein Bruder, ›dies Schlagen hat mich geschwächt.‹ ›Sowie sie vom Weine heiß ist,‹ versetzte sie, ›wirst du gewinnen, was du wünschest.‹ Und er kehrte auf seinen Platz zurück und setzte sich, und all die Sklavinnen standen auf, und die Dame befahl ihnen, ihn mit Pastillen zu beräuchern und ihm das Gesicht mit Rosenwasser zu besprengen. Zu ihm aber sprach sie: ›Allah bringe dich zu Ehren! Du hast mein Haus betreten und meine Bedingungen eingehalten; denn wer mich durchkreuzt, den schicke ich hinweg, und wer geduldig ist, erhält, was er begehrt.‹ ›O meine Gebieterin,‹ sagte er, ›ich bin dein Sklave und in deiner hohlen Hand!‹ ›So wisse,‹ fuhr sie fort, ›mich hat Allah zu einer leidenschaftlichen Freundin lustiger Scherze gemacht; und wer immer eingeht auf meine Launen, der erhält, was immer er wünscht.‹ Und sie befahl ihren Mädchen, mit lauten Stimmen zu singen, so daß die ganze Gesellschaft entzückt war; und dann sprach sie zu einer von ihnen: ›Nimm deinen Herrn und tu, was nötig ist, und bringe ihn mir alsbald zurück.‹ Und das Mädchen nahm meinen Bruder (doch er wußte nicht, was sie mit ihm beginnen wollte); aber die Alte holte ihn ein und sagte: ›Sei geduldig! Es bleibt nur noch wenig zu tun!‹ Und sein Gesicht wurde hell, und er stand auf vor der Dame, während die Alte immerfort sagte: ›Sei geduldig, jetzt wirst du gleich gewinnen, was du wünschest!‹ bis er sagte: ›Sage mir, was dieses Mädchen mit mir tun soll.‹ ›Nichts als Gutes,‹ erwiderte sie, ›so wahr ich dein Opfer bin! Sie soll dir nur die Augenbrauen färben und den Bart auszupfen.‹ Sprach er: ›Die Farbe auf den Augenbrauen geht beim Waschen wieder ab, aber wenn man mir den Schnurrbart auszupft, das tut weh.‹ ›Nimm dich in acht,‹ rief die Alte, ›daß du sie nicht durchkreuzest! Denn ihr Herz verlangt nach dir.‹ Und so ließ mein Bruder sich geduldig die Brauen färben und den Schnurrbart auszupfen; und das Mädchen kehrte zu ihrer Herrin zurück und sagte ihr Bescheid. Sprach sie: ›Jetzt bleibt nur noch eins zu tun; du mußt ihm den Bart scheren, daß er glatt wird im Gesicht.‹ Und das Mädchen kehrte zu ihm zurück und sagte ihm, was ihre Herrin ihr befohlen hatte; und mein Bruder (der Dummkopf!) erwiderte ihr: ›Wie soll ich dulden, was mich in den Augen der Leute entehrt?‹ Doch die Alte sagte: ›Sie will es so, damit du bist wie ein bartloser Jüngling, und damit kein Haar auf deiner Backe bleibt, das ihr die zarten Wangen kratzt und sticht; denn sie ist leidenschaftlich in dich verliebt. Also sei geduldig, und du erreichst dein Ziel.‹ Und mein Bruder war geduldig und tat, was sie befahl, und als er wieder vor die Dame geführt wurde, siehe, da waren ihm die Brauen rot gefärbt, und der Schnurrbart war ihm ausgezupft, das Kinn rasiert und die Wangen geschminkt. Und erst erschrak sie über ihn; dann machte sie sich lustig und lachte, bis sie auf den Rücken fiel, und sagte: ›O mein Herr, wahrlich, du hast dir durch deine gute Natur mein Herz gewonnen!‹ Und sie beschwor ihn bei ihrem Leben, vor ihr zu tanzen, und er stand auf und sprang herum, und im ganzen Hause gab es kein Kissen, das sie ihm nicht an den Kopf warf; und ebenso taten all ihre Mädchen, die ihn zudem noch mit Orangen und Limonen und Zitronen bewarfen, bis er von den Nackenschlägen und dem Bewerfen mit Kissen und Früchten in Ohnmacht fiel. ›Nun hast du erreicht, was du wünschest,‹ sagte die Alte, als er wieder zu sich kam; ›jetzt harren deiner keine Schläge mehr, und nur noch wenig bleibt zu tun. Sie ist gewohnt, sich von niemandem fangen zu lassen, bis sie ihr Kleid und ihre Hose abgelegt hat und splitternackt ist; dann wird sie dir befehlen, daß auch du die Kleider ablegst und laufest; und sie wird vor dir herlaufen und vor dir fliehen; du aber folge ihr von Ort zu Ort, bis dein Stachel steht; dann wird sie sich dir ergeben‹; und sie fügte hinzu: ›Zieh deine Kleider jetzt gleich aus.‹ Und er stand auf, von Sinnen fast, legte seine Kleidung ab und zeigte sich ganz nackt. – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweiunddreißigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »›Ich vernahm, o glücklicher König, daß die Alte zu des Barbiers zweitem Bruder sagte: ›Zieh deine Kleider aus‹; und er stand auf, fast von Sinnen, und zog sich aus und zeigte sich splitternackt. Und auch die Dame zog sich aus und sagte zu meinem Bruder: ›Wenn du etwas willst, so laufe mir nach, bis du mich fängst‹. Und sie lief ihm fort, und er lief ihr nach, und sie stürzte in ein Zimmer nach dem anderen, und stürzte aus einem Zimmer nach dem anderen, und mein Bruder setzte ihr wie ein Verrückter in rasendem Verlangen nach, derweilen ihm die Rute in furchtbarer Größe stand. Und schließlich stürzte sie in einen dunklen Raum, und er ihr nach; aber plötzlich trat er auf eine Stelle, die unter ihm nachgab; und ehe er noch wußte, wo er war, sah er sich mitten auf dem vollen Markt, im Basar der Lederhändler, die die Preise von Häuten und Fellen ausriefen, und kauften und verkauften. Und als sie ihn so sahen, nackt, mit stehender Rute, rasiert, und mit gefärbten Brauen und geschminkten Backen, da schrien sie und klatschten ihn aus, und begannen mit den Häuten auf seinen nackten Leib zu schlagen, bis er ohnmächtig hinfiel. Und sie warfen ihn auf einen Esel und führten ihn vor den Hauptmann der Wache. Sprach der Wali: ›Was ist dies?‹ Sprachen sie: ›Dieser Bursche fiel plötzlich in diesem Zustand aus des Veziers Haus auf uns nieder.‹ Und der Wali ließ ihm hundert Peitschenhiebe verabfolgen und verbannte ihn aus Bagdad. Ich aber ging ihm nach und brachte ihn heimlich in die Stadt zurück und gab ihm ein Taggeld, damit er leben konnte; und doch hätte ich, wäre nicht meine Großmut, seinesgleichen von mir weisen können.‹ Und der Kalif lieh das Ohr